Zur notwendigen Annahme der CSDDD durch den EU-Rat
In unterschiedlichen Disziplinen forschen, lehren und beraten wir zu Fragen der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft. Die aktuellen Pläne gegen eine Annahme der im Trilog abgestimmten EU-Lieferkettenregulierung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) durch den EU-Rat, initiiert von den FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz (Christian Lindner und Dr. Marco Buschmann),1) nehmen wir mit großer Sorge wahr. Sie stellen nicht nur das Gelingen der CSDDD, sondern auch die Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft in der EU nach dem EU-Green-Deal-Projekt in Frage. Wir finden: die CSDDD bedeutet nicht nur Aufwand, sondern sorgt für Rechtssicherheit für Unternehmen mit internationalen Lieferketten.
Ziel des EU-Green-Deals ist neben der Stärkung der Menschenrechte und menschenwürdiger Arbeitsbedingungen (z.B. Verhinderung von Kinder- und Zwangsarbeit) die Erreichung einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050. Dies setzt u.a. die Implementierung einer unternehmerischen Klimastrategie im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und entsprechenden Anreizsystemen auf Ebene der Unternehmensleitung voraus. Die Aussage, dass die Vorgaben der CSDDD „mit der Funktion der Aufsichtsorgane nicht vereinbar [sind] und einen schweren Eingriff in die Corporate Governance dar[stellen]“, ist daher kritikwürdig. Ohnehin ist über Nachhaltigkeitsaspekte künftig nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu berichten. Diese bezieht auch die Wertschöpfungskette mit ein. Die Aussagekraft der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie die übergeordneten Zielsetzungen der Klimaneutralität und Stärkung der Menschenrechte in der EU wäre ohne die CSDDD in Gefahr.
Die Argumentation der Minister Lindner und Buschmann stellt auch das bereits am 1.1.2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) in Frage, da eine fehlende EU-Harmonisierung durch die CSDDD die wettbewerbliche Situation der deutschen Wirtschaft im internationalen Verkehr deutlich verschlechtern dürfte. Der Aussage, durch die CSDDD „drohe auch menschenrechtlich und ökologisch eine Verschlechterung der Situation“ durch Reshoring, treten wir entschieden entgegen.
Die CSDDD wird für inländische Unternehmen gegenüber dem LkSG nur punktuell einen administrativen Mehraufwand verursachen (u.a. risikobasierter Ansatz, keine wesentlichen zusätzlichen Reporting-Pflichten). Die CSDDD würde zugunsten der deutschen Wirtschaft die notwendige Wettbewerbsgleichheit in Europa herstellen. Diesen wichtigen Beitrag der europäischen Regelung gilt es jetzt durch politische Geschlossenheit zu verteidigen. Wir fordern die deutsche Bundesregierung daher auf, sich im EU-Rat aktiv für eine Annahme der CSDDD einzusetzen.
In alphabetischer Reihenfolge:
Prof. Dr. Heribert M. Anzinger, Universität Ulm
Prof. Dr. Anna Beckers, Universität Maastricht
Prof. Dr. Lucia Bellora-Bienengräber, Universität Groningen
Dr. Matthias Birkholz, lindenpartners
Prof. Dr. Judith Brockmann, Universität Kassel
Prof. Dr. Lisa Carstensen, Universität Kassel
Prof. Dr. Martina Deckert, Universität Kassel
Prof. Dr. Laura Marie Edinger-Schons, Universität Hamburg
Dr. Klaas Hendrik Eller, Universität Amsterdam
Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano, Universität Kassel
Prof. Dr. Martin Franz, Universität Osnabrück
Tonio Friedmann, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Dr. Nicola Gundt, Universität Maastricht
Prof. Dr. Malte-C. Gruber, Justus-Liebig-Universität Gießen
Prof. Dr. Dr. Stefan Grundmann, Humboldt-Universität zu Berlin
PD Dr. Markus Helfen, Hertie School Berlin’s University of Governance
Prof. Dr. Isabell Hensel, Universität Kassel
Prof. Dr. Markus Kaltenborn, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Dr. Judith Kopp, Universität Kassel
Prof. Dr. Markus Krajewski, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Malte Kramme, TU Bergakademie Freiberg
Dr. Nora Lohmeyer, Radboud Universität Nijmegen
Prof. Dr. Bertram Lomfeld, FU Berlin
Prof. Dr. Timo Meynhardt, HHL Leipzig Graduate School of Management
Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Hans-W. Micklitz, Europäisches Hochschulinstitut
Prof. Dr. Anne-Christin Mittwoch, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Florian Möslein, Philipps-Universität Marburg
Sean Needham, Helmut-Schmidt-Universität. Universität der Bundeswehr Hamburg
Prof. Dr. Jens Newig, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl, Hochschule RheinMain
Prof. Dr. René Repasi, Erasmus Universität Rotterdam
Prof. Dr. Giesela Rühl, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Andreas Rühmkorf, Westfälische Hochschule
Dr. Miriam Saage-Maaß, ECCHR
Prof. Dr. Anne Sanders, Universität Bielefeld
Dr. Christian Scheper, Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Schaltegger, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Frank Schiemann, Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Dr. Christian Schliemann-Radbruch, ECCHR
Prof. Elke Schüßler, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Julia Schwarzkopf, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin
Prof. Dr. Lucia Sommerer, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Prof. Dr. Tobias Steindl, Universität Regensburg
Prof. Dr. Patrick Ulrich, Hochschule Aalen
Prof. Dr. Patrick Velte, Leuphana Universität Lüneburg
Dr. Dr. Carolina Vestena, Universität Kassel
Dr. Anne-Marie Weber, Universität Warschau
Prof. Dr. Stefan C. Weber, StB, Fachhochschule Wedel
Prof. Dr. Marc-Philippe Weller, Universität Heidelberg
Prof. Dr. Christopher Wickert, Vrije Universiteit Amsterdam
Prof. Dr. Inge Wulf, Technische Universität Clausthal
References
↑1 | https://correctiv.org/wp-content/uploads/2024/02/Christian-Lindner-und-Marco-Buschmann-zum-EU-Lieferkettengesetz.pdf. |
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