07 February 2019

Zwischen modernem Sicherheitsrecht und klassischem Polizeirecht – Die Entscheidungen zur automatisierten Kenn­zeichen­kontrolle

Mit den beiden in dieser Woche veröffentlichten Entscheidungen zu automatisierten Kennzeichenkontrollen führt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts seine Rechtsprechungslinie zu den verschiedenen Überwachungsmaßnahmen fort. Die durch das Gericht im Zuge dieser Rechtsprechung entwickelte Kasuistik ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass das Gericht sich nicht mehr nur auf einzelne Entscheidungen, sondern auf die Grundsätze eines „allgemeinen Sicherheitsrechts“ beziehen kann (Rn. I/105, I/128, I/131, I/133). Nach seiner Entscheidung aus dem Jahr 2007 äußert sich der Senat nun erneut zu der Thematik der automatisierten Kennzeichenkontrolle (bemerkenswerterweise hat er seine Entscheidung in den Leitsätzen auch selbst mit der Bezeichnung als „Kfz-Kennzeichenkontrollen 2“ versehen).

Die erste und sehr viel umfangreichere der beiden aktuellen Entscheidungen betraf eine Verfassungsbeschwerde, mit der mittelbar Art. 33 II i.V.m. Art. 13 Abs. 1 BayPAG a.F. angegriffen wurde. Seit der Anhängigkeit des Verfahrens wurde Art. 13 I BayPAG leicht geändert. Art. 33 Abs. 2 BayPAG wurde mit geringfügigen redaktionellen Änderungen in den neuen Art. 39 BayPAG übernommen. (Rn. I/2 ff.) Diese Änderungen waren ebenso wenig Gegenstand der vorliegenden Entscheidung wie die seitdem in Art. 13 I Nr. 1 b) BayPAG eingeführte Alternative der drohenden Gefahr. (Rn. I/105)

Die zweite Entscheidung betraf zwei Verfassungsbeschwerden, die jeweils direkt gegen § 22a i.V.m. § 26 I PolG BW bzw. § 14a i.V.m. § 18 I, II H(essisches)SOG gerichtet waren. (Rn. II/2 ff.)

Alle betreffenden Regelungen sind so aufgebaut, dass in der Ermächtigung zur Durchführung der Kennzeichenkontrolle auf die Voraussetzung der Identitätskontrolle verwiesen wird. Während das BVerfG die erste Entscheidung zum BayPAG auch dazu nutzt, die rechtlichen Voraussetzungen der automatisierten Kennzeichenkontrolle umfangreich zu entwickeln, beschränkt sich die zweite Entscheidung im Wesentlichen auf die Anwendung ebendieser Voraussetzungen. Soweit nicht anders vermerkt beziehen sich die folgenden Ausführungen deshalb auf die Entscheidung zum BayPAG.

Ein Inhaltsverzeichnis, das den Umgang mit der mit 176 Randnummern nicht unbedingt kurzen Entscheidung erleichtern würde, hat das BVerfG seinen LeserInnen dieses Mal nicht spendiert. Allerdings ist die Entscheidung so lehrbuchmäßig aufgebaut, dass die Orientierung dennoch leicht fällt.

Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – auch im Nichttrefferfall

Die Prüfung der Begründetheit beginnt mit der Frage, inwieweit die automatisierte Kennzeichenerfassung einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Hier setzt der Senat gleich zu Beginn einen Paukenschlag, nimmt er doch ausdrücklich Abstand von seiner früheren Rechtsprechung, in der er noch die Auffassung vertreten hatte, dass Datenerfassungen keinen Eingriff begründen würden, soweit sie „unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder spurenlos, anonym und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, ausgesondert werden.“ Deshalb komme es in den Fällen der elektronischen Kennzeichenerfassung dann nicht zu einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, „wenn der Abgleich mit dem Fahndungsbestand unverzüglich vorgenommen wird und negativ ausfällt (sogenannter Nichttrefferfall) sowie zusätzlich rechtlich und technisch gesichert ist, dass die Daten anonym bleiben und sofort spurenlos und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, gelöscht werden“ (Rn. 68).

Nunmehr geht der Senat gerade vom Gegenteil aus, wonach auch in diesem Fall ein Eingriff vorliege. Ausgeschlossen werden könne ein Eingriff lediglich dann, „wenn Daten Dritter im Rahmen von elektronischen Datenverarbeitungsprozessen nur zufällig am Rande mit erfasst werden und unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder anonym, spurlos und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden gelöscht werden.“ (Rn. I/48; man könnte auch sagen, der Senat kehrt hier zu seiner ursprünglichen Linie zurück, war dies doch im Wesentlichen die Auffassung der noch früheren Rechtsprechung, obwohl diese in BVerfGE 120, 378 in sehr großzügiger Auslegung als Nachweis der dort vertretenen Auffassung zitiert wurde.)

Maßgeblich für das Vorliegen eines Eingriffs bei der Kennzeichenerfassung sei, „dass Erfassung und Abgleich der Daten einen Kontrollvorgang begründen, der sich bewusst auf alle in die Kennzeichenkontrolle einbezogenen Personen erstreckt und erstrecken soll.“ Die Einbeziehung der Daten auch von Personen, deren Abgleich letztlich zu Nichttreffern führt, erfolge „nicht ungezielt und allein technikbedingt“, sondern sei notwendiger und gewollter Teil der Kontrolle und gebe ihr als Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn. Zu diesem Zweck würden die Daten gezielt erhoben. Dass deren Auswertung automatisiert erfolgt, stelle dies nicht in Frage; vielmehr würden damit die Kontrollmöglichkeiten der Polizei wesentlich erweitert (Rn. I/50).

Unabhängig davon, dass den Betroffenen im Nichttrefferfall weder Unannehmlichkeiten noch Konsequenzen erwachsen könnten, ändere dies nichts daran, „dass sie durch die Kennzeichenkontrolle einer staatlichen Maßnahme unterzogen werden, mit der sich ihnen gegenüber ein spezifisches Fahndungsinteresse zur Geltung bringt“. Mit ihr würde ihre ungehinderte Weiterfahrt unter den Vorbehalt gestellt, dass Erkenntnisse gegen sie nicht vorliegen. Eine solche Maßnahme sei nicht erst hinsichtlich ihrer Folgen, sondern als solche freiheitsbeeinträchtigend: „Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein“ (Rn. 51).

Hierin unterscheide sich die Kennzeichenerfassung gerade von Kontrollen wie etwa Geschwindigkeits- oder Rotlichtkontrollen im Straßenverkehr, die „erst im Fall eines Treffers Daten zu einzelnen Personen erfassen.“ Im Übrigen ließen sich Verkehrskontrollen auch deshalb nicht mit Kennzeichenkontrollen vergleichen, weil sie an risikobehaftetes Tun anknüpften und damit materiell in anderem Umfang gerechtfertigt seien (Rn. I/52; I/94).

Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder

Im Anschluss an den Eingriff widmet sich das BVerfG der Frage der formellen Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften, vor allem in Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenzen. Im Ergebnis findet es dabei einige erstaunlich grobe Verstöße, die entsprechend von ihm aussortiert werden – allerdings nicht in den Regelungen zur Kennzeichenerfassung selbst, sondern in den in Bezug genommenen Normen zur Identitätsfeststellung.

Eine Kompetenzgemäßheit der Regelungen verneint das Gericht zunächst, soweit die Kennzeichenkontrollen gem. Art. 33 II i.V.m. Art. 13 I Nr. 5 BayPAG „zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze“ erlaubt werden. Dies verstoße gegen die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Grenzschutz aus Art. 73 I Nr. 5 GG. Dabei stelle insbesondere auch § 2 I, III BPolG keine Öffnungsklausel im Sinne des Art. 71 GG dar. Der Bundesgesetzgeber habe auch für den darin geregelten Fall, dass bestimmte Aufgaben des Grenzschutzes auf einzelne Länder übertragen werden, eine Verweisung auf das auch sonst für die Wahrnehmung allgemeinpolizeilicher Aufgaben geltende Landesrecht als ausreichend erachtet (Rn. I/57).

Auch § 26 I Nr. 4 u. 5 PolG BW sei nicht mit der Verfassung vereinbar. Die Vorschrift regele ihrem klaren Wortlaut nach nicht die Verhütung von Straftaten, sondern die Fahndung nach Straftätern. Eine Ermächtigung zur Fahndung nach Straftätern könne jedoch nicht als Regelung verstanden werden, die ihrem Schwerpunkt nach präventiven Zwecken dient (Rn. II/59).

Schließlich verstoße § 18 II Nr. 5 HSOG, soweit er polizeiliche Kontrollstellen zur Verhütung von versammlungsrechtlichen Straftaten vorsehe, als Eingriff in Art. 8 I GG gegen das Zitiergebot nach Art. 19 I 2 GG (Rn. II/61).

Im Übrigen bezieht sich die Prüfung auf das stets wiederkehrende Problem der Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr. Hier sieht das Gericht die Regelungen jedoch ansonsten vollumfänglich als durch die Gesetzgebungszuständigkeit zur Gefahrenabwehr gedeckt an. Die Kennzeichenkontrolle werde jeweils nur für die Fälle erlaubt, in denen auch eine Identitätsfeststellung zulässig sei. Mit dem Verweis auf die Identitätsfeststellung werde aber zugleich auf deren Zwecke verwiesen, die zumindest in ihrem Schwerpunkt alle eine präventive Zielrichtung besäßen (Rn. I/76; II/65).

Auch der sich anschließende Datenabgleich mit den genannten Datenbeständen sei auf diese präventiven Zwecke hin ausgerichtet. Er diene dazu, durch das Auffinden der gesuchten Personen die Erreichung dieser Zwecke zu unterstützen. Dass der Gesetzgeber dabei auch Datenbestände einbezogen habe, die auf strafrechtlichen Ausschreibungen beruhen, ändere nichts daran, dass der diesbezügliche Abgleich den zuvor genannten präventiven Zwecken diene (Rn. I/77). Allerdings müssten die Regelungen so ausgelegt werden, dass in eine Kontrolle jeweils nur solche Datenbestände einbezogen werden dürften, die potentiell hierfür geeignet, erforderlich und angemessen seien (Rn. I/79).

Verhältnismäßigkeit der Kennzeichenkontrolle

Den Zweck der Kennzeichenerfassung sieht das Gericht mit Blick auf die verschiedenen Varianten des § 13 I BayPAG (für Hessen und Baden-Württemberg gilt entsprechendes, Rn. II/70 ff.) in der Abwehr von Gefahren im Einzelfall (Nr. 1), der Eindämmung von Orten, die Rückzugs- und Ausgangspunkt für Kriminalität sind (Nr. 2), dem Schutz von gefährdeten Orten mit Bedeutung für das Gemeinwesen (Nr. 3), der Unterstützung polizeilicher Kontrollstellen in dem Schutz vor schweren Straftaten und der friedlichen Durchführung von Versammlungen (Nr. 4) sowie dem Schutz vor grenzüberschreitender Kriminalität oder der Verhinderung von Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht mittels der Schleierfahndung (Nr. 5). Der Gesetzgeber verfolge hiermit legitime Zwecke. (Rn. I/84) Da die Kennzeichenerfassung helfe, Personen oder Sachen zu finden, deren Aufgreifen zur Erreichung der jeweiligen Zwecke beitragen könne, sei sie grundsätzlich auch geeignet. (Rn. I/85)

Allgemeine Anforderungen

In Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit i.e.S. stellt das Gericht verschiedene allgemeine Anforderungen auf, denen in der erforderlichen Gesamtabwägung grundsätzlich alle der genannten Varianten zu entsprechen haben.

In Bezug auf den bei der Kennzeichenkontrolle vorzunehmenden Datenabgleich wiederholt das Gericht nochmals seine Forderung – vgl. zuvor bereits in Hinblick auf die präventive Ausrichtung (Rn. I/79) und die Geeignetheit (Rn. I/87) der Maßnahmen – wonach die Regelungen zur Kennzeichenerfassung so auszulegen seien, dass die aus den verschiedenen Fahndungsbeständen einzubeziehenden Daten je nach Anlass zweckbezogen und nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen seien. In der Praxis müsse zur Durchführung einer Kennzeichenkontrolle ohnehin jeweils eine eigene Abgleichdatei erstellt werden. Art. 33 II 4 BayPAG sei deshalb nicht als Sonderregelung, sondern als Ausdruck eines die Regelung insgesamt anleitenden Verständnisses zu verstehen (Rn. I/110 f.).

Die angegriffenen Vorschriften genügten im Wesentlichen auch den übergreifenden Maßgaben hinsichtlich Transparenz, individuellem Rechtsschutz und aufsichtlicher Kontrolle. Unbedenklich sei insbesondere, dass die Kennzeichenkontrollen grundsätzlich verdeckt durchgeführt werden. Anders als für heimliche Überwachungsmaßnahmen von höherer Eingriffsintensität bedürfe es – auch im Trefferfall – insoweit keiner Benachrichtigungspflicht. Vielmehr reiche es, wenn die Betroffenen von den Kontrollen nur im Rahmen von ihnen gegenüber ergriffenen Folgemaßnahmen erführen. (Rn. I/154) Nicht mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar sei hingegen, dass das Gesetz keine Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen eines Einsatzes der automatisierten Kennzeichenkontrollen vorsehe. Denn die Maßnahme werde dem Betroffenen in der Regel nicht bekannt und auch nicht begründet. Die Ermächtigung zur Kennzeichenerfassung könne deshalb nur dann als verhältnismäßig angesehen werden, wenn die Entscheidungsgrundlagen für die Durchführung einer solchen Maßnahme nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert werden. Das betreffe insbesondere das in allen Tatbestandsvarianten geltende Erfordernis der „entsprechenden Lageerkenntnisse“, das erst durch eine behördliche Konkretisierung nähere Konturen erhalte, sowie die Auswahl der einbezogenen Fahndungsbestände. Dies rationalisiere und mäßige die Entscheidung der Behörde, ermögliche erst eine aufsichtliche Kontrolle und erleichtere die verwaltungsgerichtliche Kontrolle bei Bekanntwerden entsprechender Maßnahmen (Rn. I/156 f.).

Im Grundsatz seien auch die Regelungen zur Nutzung der Daten wie zur Datenlöschung verfassungsrechtlich tragfähig. Nicht hinreichend eingegrenzt sei allerdings die Verwendung der Daten für weitere Zwecke. Soweit der in Bezug genommene Art. 38 III 2 BayPAG. eine Nutzung der Daten für weitere Aufgaben, insbesondere hinsichtlich sogenannter Zufallserkenntnisse erlaube, liege hierin eine Zweckänderung. Gegen eine solche Öffnung sei verfassungsrechtlich grundsätzlich nichts zu erinnern. Eine Zweckänderung setze jedoch voraus, dass die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben neu auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Ermittlungsmaßnahmen erhoben werden dürften. Verhältnismäßig sei danach vorliegend eine weitere Nutzung nur, wenn sie dem Schutz von Rechtsgütern diene, die auch die Durchführung einer Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle rechtfertigen könnten. Da dies für Art. 38 III 2 BayPAG, soweit er eine Nutzung für weitere Zwecke vorsieht, nicht sichergestellt sei, sei die Vorschrift insoweit nicht mit der Verfassung vereinbar (Rn. I/162; vgl. Rn. II/89 ff.). Entsprechendes gelte auch für § 22a IV 4 PolGBW sowie § 14a IV 4 HSOG (II/90 f.).

Die einzelnen Varianten von Kennzeichenkontrolle bzw. Identitätsfeststellung

Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz i.e.S. zu genügen, sei im Übrigen erforderlich, dass die Kontrollen grundsätzlich jeweils durch einen hinreichend konkreten, objektiv bestimmten Grund veranlasst seien und dem Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht oder einem vergleichbar gewichtigen öffentlichen Interesse dienten. Anhand dieser Anforderungen prüft der Senat die einzelnen Varianten des Art. 13 I BayPAG – bzw. der parallelen Normen im hessischen und baden-württembergischen Landesrecht – der Reihe nach durch:

Art. 13 I Nr. 1 BayPAG – Abwehr einer Gefahr

In der Variante der Nr. 1 sieht das Gesetz Kennzeichenkontrollen zur Abwehr einer Gefahr vor (Rn. I/103 ff.). Nach Ansicht des Gerichts binde der Gesetzgeber damit die Kontrollen zwar an einen hinreichend konkreten Anlass. Allerdings eröffne die Vorschrift die Möglichkeit von Kennzeichenkontrollen zur Abwehr jeder Gefahr und damit allgemein zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. In Bezug genommen sei so die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung insgesamt, ohne hinsichtlich der in Frage stehenden Rechtsgüter Gewichtungen vorzunehmen. Dies genüge den Anforderungen an einen hinreichend gewichtigen Rechtsgüterschutz nicht. Angesichts des Eingriffsgewichts von automatisierten Kennzeichenkontrollen verlange das Übermaßverbot vielmehr, diese auf die Abwehr von Gefahren für Rechtsgüter von zumindest erheblichem Gewicht zu beschränken (Rn. I/106). Entsprechendes fordert das Gericht auch für § 18 I HSOG sowie § 26 I Nr. 1 PolG BW (Rn. II/72).

Art. 13 I Nr. 2 BayPAG – Gefährliche Orte

Gerechtfertigt sei die Variante Nr. 2 durch das Ziel, zur Sicherheit an den genannten Orten beizutragen, und zu verhindern, dass sie zum schutzbietenden Ausgangspunkt für die Verübung von Straftaten werden. Das Ziel, der Gefahr entgegenzuwirken, dass solche Orte zum Sammelpunkt von Straftätern oder Personen ohne Aufenthaltsrecht würden, knüpfe – unabhängig von dem Einzelgewicht der Rechtsverstöße – an ein strukturell erhöhtes Gefahrenpotential an und diene damit einem öffentlichen Interesse von erheblichem Gewicht (Rn. I/120).

Dabei knüpfe die Regelung nicht an eine bloß abstrakte Gefährlichkeit bestimmter Orte an, sondern begrenze die Kontrollen auf Orte, für die tatsächliche Anhaltspunkte bestünden, dass sie von den in der Vorschrift genannten Personen maßgeblich frequentiert werden. Sie enthalte damit nicht etwa eine Generalermächtigung für Kennzeichenkontrollen. Das gelte auch für die nähere Bestimmung der tatsächlichen Durchführung einer Kontrolle. Diese sei nicht etwa beliebig im weiteren Umfeld dieser Orte erlaubt, sondern nur dort, wo die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen tatsächlich unmittelbar erfüllt seien. Durch die in allen Varianten geforderten „Lageerkenntnisse“ werde dies weiter abgesichert. Dabei müsse der nach polizeilichen Erkenntnissen gefährliche Ort gerade mit Kraftfahrzeugen aufgesucht werden (Rn. I/120).

Art. 13 I Nr. 3 BayPAG – Gefährdete Orte

In der Variante Nr. 3 erlaubt die Vorschrift Kennzeichenkontrollen an besonders gefährdeten Objekten oder in unmittelbarer Nähe hiervon. Die Begründung des Gesetzesentwurfs nenne als Beispiele Flughäfen, Bahnhöfe, öffentliche Verkehrsmittel, militärische Einrichtungen, Kernkraftwerke oder sonstige gefährdete Objekte wie Konsulate ausländischer Staaten. Sie ziele damit