Pringle-Urteil des EuGH: Bailout plus Austerity ist erlaubt
Was immer das so genannte Bailout-Verbot in Art. 125 I AEUV verbietet, den ESM jedenfalls verbietet er nicht. Heute hat der EuGH in Sachen Thomas Pringle sein Urteil gefällt, und das ist das Ergebnis. Damit hat sich nach dem BVerfG und dem estnischen Verfassungsgericht auch der EuGH dafür entschieden, in punkto Eurorettung richterliche Zurückhaltung walten zu lassen. Die Zahl derer, die sich wundern, dürfte überschaubar sein.
Seit Beginn der Euro-Krise stand Art. 125 I AEUV im Mittelpunkt der Debatte: Er verbietet Union und Mitgliedstaaten, für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedsstaaten zu haften oder für sie einzustehen. Niemand soll die Bonität seiner Nachbarstaaten ausnutzen können, um mehr Schulden anzuhäufen als man sich selber leisten kann.
Das, so der EuGH, heißt aber nicht, dass jede finanzielle Unterstützung verboten ist. Diese Erkenntnis stützt er zunächst auf zwei systematische Argumente: Zum einen heißt es in Art. 122 AEUV, dass Katastrophenhilfe erlaubt ist. Da stehe nichts davon, dass dies als Ausnahme zu einem allgemeinen Beistandsverbot in Art. 125 gemeint sei, und dies sei im Gegenteil sogar ein Indiz, dass Art. 125 eben nicht als allgemeines Beistandsverbot gemeint sein könne. Das zweite Argument läuft über Art. 123 AEUV, der der EZB ausdrücklich verbietet, Mitgliedsstaaten Kredite zu gewähren, was Art. 125 AEUV gerade nicht tue.
Irre ich mich, oder kann man nicht eigentlich beide Argumente auch umdrehen und so zum diametral entgegengesetzten Ergebnis gelangen?
Aber egal. Tatsächlich scheint mir der EuGH teleologisch zu argumentieren. Die Grenze, die Art. 125 dem Bailout zieht, entnimmt er dem Zweck der Regelung, nämlich dafür zu sorgen, dass nicht einige Länder im Vertrauen auf die Hilfe der anderen sorglos Schulden anhäufen und so die gemeinsame Währung ins Rutschen bringen. Diesem Zweck könne man aber auch dadurch genügen, dass man zwar hilft, aber die Hilfe an Auflagen knüpft, die dann für die nötige fiskalische Disziplinierung sorgen.
Austerity als eine Art Funktionsäquivalent für den Nichtbeistand. Die Bundesregierung wird’s mit Wohlgefallen hören.
Außerdem bringt das Urteil die Erkenntnis, dass es sich beim ESM um Wirtschafts- und nicht um Währungspolitik handelt und damit nicht um eine Domäne, die ausschließlich in die Zuständigkeit der Union fällt. Die Mitgliedsstaaten durfen ihn also außerhalb der Union errichten, aber nicht – das stellt der EuGH noch mal ausdrücklich klar – ohne die Bindungen des Unionsrechts dabei zu beachten. Art. 136 III AEUV im vereinfachten Verfahren einzuführen, war zulässig, da die Zuständigkeiten der Union dadurch nicht ausgedehnt werden.
Dass er noch gar nicht in Kraft ist, der ESM aber schon, ist ebenfalls kein Problem, da die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zu dessen Errichtung auch ohne Art. 136 III gegeben ist – was die Frage aufwirft, was Art. 136 III dann überhaupt soll, aber die ist nicht entscheidungsrelevant.
Stellungnahme der Generalanwaeltin Juliane Kokott
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=130561&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=442277
Halte das ja für ein methodisch fehlerhaftes Urteil, der Grund warum Art. 125 AEUV einen Bail-Out nicht verbietet, scheint mir nicht darin zu liegen, dass der Zweck der Norm fiscal responsibility ist. Sondern darin dass die Norm nur klarstellend festlegt, dass man halt aus dem Rest des AEUV keine Haftung ableiten kann, aber ok…
Der eigentliche Grund für meinen Kommentar ist das Bild. Es gibt wirklich seaweed-Pringles?^^ Das klingt ja ekelerregend….
Urteil vom 26.04.2012 CZ Fuehrerschein in Deutschland erlaubt ? Mit freundlichen Gruessen
[…] er in Pringle zwar der Mehrheitsmeinung in der deutschen Staatsrechtslehre, stützte durch sein „Ja-Aber“ zum ESM-Vertrag letztlich jedoch die Krisenpolitik des Europäischen Rats. Und mit Blick auf Sozialleistungen […]