01 August 2025

Tat und Territorium

Zur Kritik des § 140 StGB

Sebastian Hotz, unter dem Pseudonym „El Hotzo“ in den sozialen Medien vornehmlich zuständig für brauchbaren Gymnasiastenhumor, ist vergangenen Donnerstag vom AG Tiergarten freigesprochen worden. Sein bei X, vormals Twitter, verbreiteter Kommentar zum Attentat auf Donald Trump, er finde es „absolut fantastisch“, wenn Faschisten stürben, erfülle nicht den Tatbestand der Billigung von Straftaten (§ 140 Nr. 2 StGB). Der Kommentar sei als Satire erkennbar gewesen.

Nun wäre über diesen Fall aus juristischer Perspektive kein weiteres Wort zu verlieren, wenn sich dessen Bedeutung in der bekannten Streitfrage um das rechte Verhältnis von grundrechtlicher Meinungsfreiheit und strafrechtlichen Meinungsäußerungsdelikten erschöpfte.

Tatsächlich aber birgt der Fall noch ein anders gelagertes Problem. Dem Sachverhalt des Falles Sebastian Hotz lag ein Geschehen zugrunde, auf das deutsches Strafrecht jedenfalls nicht direkt anwendbar ist. Ein US-Amerikaner hat in den Vereinigten Staaten auf einen US-Amerikaner geschossen. Das mag man dort einen attempted first degree murder nennen, ein versuchter Mord im Sinne des Strafgesetzbuches (§§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB) ist es mangels einschlägiger Vorschrift aus dem Strafanwendungsrecht (§§ 3 ff. StGB) nicht. Wie konnte Hotz dann eine „Straftat“ (so die amtliche Überschrift) oder eine „rechtswidrige Tat“ (so der Wortlaut der Norm) billigen?

In dem Freispruch wird dieses Problem nur beiläufig bedacht: Dass das Attentat auf Trump „im Ausland begangen wurde und nicht dem deutschen StGB unterliegt, spiele keine Rolle, das sei in der Rechtsprechung geklärt“, gibt LTO die Richterin wieder. Hinter dieser Aussage verbirgt sich eine tiefgreifende Entgrenzungstendenz des § 140 StGB, die mit dem historischen Sinn der Norm bricht – und in ihren Konsequenzen dazu führt, dass Vorgänge nach deutschem Strafrecht beurteilt werden, zu denen dieses besser schweigen sollte.

Die Problemstellung, 1968

Im Jahr 1968 wurde der BGH mit der Verurteilung eines Autors befasst, der in seinem Buch „Südtirol – wohin?“ die Abtrennung Südtirols von Österreich energisch ablehnte, Verhandlungen als gescheitert und fürderhin zwecklos betrachtete und sich dazu hinreißen ließ, den aktiven Widerstand der kleinen Cisalpinregion zu fordern. Im Zuge dessen führte er mehrere Revolten und Terroranschläge europäischer und südtiroler Gruppierungen an. Das vorinstanzliche LG sah darin eine Billigung von Straftaten gemäß § 140 StGB. Dieser Würdigung schloss sich der BGH schon mit Blick auf die Tathandlung nicht an (Az. 1 StR 161/68 – juris; auch BGHSt 22, 282). Eine Billigung der einzelnen Anschläge sei tatrichterlich nicht festgestellt worden, das Bekenntnis zum allgemeinen Widerstand reiche jedenfalls nicht aus. Von Belang ist an dieser Stelle jedoch weniger die Erörterung der Tathandlung als vielmehr die letztlich offen gelassene Auseinandersetzung des ersten Strafsenats mit den Argumenten der Revision zur tauglichen Anlasstat. Die Verteidigung trug in der Revisionsbegründung vor, § 140 StGB sei nicht anwendbar, weil das deutsche Strafrecht nicht zum Schutze ausländischer, hier also: italienischer Staatsgewalt berufen sei. Diese Frage, die das AG Tiergarten im Fall Hotz mit Verweis auf gefestigte Rechtsprechung als geklärt einstufen konnte, war 1968 noch nicht entschieden; der BGH erkannte in der Billigung eines Geschehens ohne jeden Inlandsbezug noch ein durchaus ernstes Problem.

Das hat einerseits mit der Entstehungsgeschichte der Norm zu tun. Eingeführt wurde sie mit dem Strafrechtsänderungsgesetz von 1950, ohne dabei in Deutschland ein strafrechtliches Novum zu sein. 1922 erließ die junge Weimarer Republik unter dem Eindruck vorausgehender und in Erwartung noch kommender Angriffe auf ihre Staatsform das sogenannte Gesetz zum Schutz der Republik. Dessen § 7 Abs. 1 Nr. 3, der auch in den §§ 3 Abs. 2, 5 Abs. 1 Nr. 4 des Republikschutzgesetzes von 1930 Aufnahme fand, wandte sich gegen die Billigung und Belohnung republikfeindlichen Terrors.1) Die Norm diente insofern wesentlich dem innenpolitischen Friedens- und Staatsschutz. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz von 1950 wurden die tauglichen Anlasstaten nun zwar auf international geahndete Delikte und wenige Kapitalverbrechen ausgedehnt. Die Erfassung von rein im Ausland begangenen Handlungen wurde, wie der BGH berichtet, dagegen nie in Betracht gezogen.

Andererseits aber sympathisierte der Senat schon 1968 mit einer stark schutzzweckorientierten Auslegung der Norm. § 140 StGB findet sich im „Siebenten Abschnitt – Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung“, habe also laut BGH den Zweck, „die öffentliche Sicherheit [sic], insbesondere das Gefühl der Rechtssicherheit zu schützen“ (Rn. 9; hier und im Folgenden unsere Hervorhebungen). Dies gründe in der gesetzgeberischen Annahme, die Billigung und Belohnung von „strafbaren Handlung[en] der in § 138 Abs. 1 StGB genannten Art“ begünstigten eine „allgemeine Verbrechensbereitschaft im Inland“ (ebd.).

Das Gericht schien an dieser Stelle die thematisierte semantische Dissonanz des Tatbegriffes nicht mehr umgehen zu können. Im Hinblick auf Handlungen im Ausland ohne Inlandsbezug konnte der BGH nicht von Taten im Sinne des StGB, sondern musste von wesensgleich strafbaren Handlungen oder, besonders eindrücklich, von „Untaten“ (Rn. 9) sprechen. Damit ist ziemlich unterhändig ein entscheidender Kategorienwechsel vollzogen. Die im StGB enumerierte Anlasstat ist gegen den rechtsethischen Begriff eines abstrakt pönalisierten Unrechts eingetauscht. Das erlaubt die teleologische Zurichtung des Wortlauts durch das geschützte Rechtsgut: den Rechtsfrieden in Deutschland, der durch eine „allgemeine Verbrechensbereitschaft“ bedroht werden könnte („psychisches Klima“, Rn. 12). Denn dem BGH zufolge kann auch die Billigung einer solchen ausländischen „Untat“ den inländischen Rechtsfrieden mindestens abstrakt gefährden; sie „muss“ deshalb von der Strafdrohung erfasst sein (Rn. 9).

Mit diesem kleinen Taschenspielertrick hat sich der BGH, obschon im Ergebnis offengelassen, sowohl eine bemerkenswerte Tatbestandserweiterung verschafft als auch einen verfassungsrechtlich nicht unerheblichen Konflikt mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot eingehandelt. Das Tatobjekt der überpositiven „Untat“ erfordert nämlich vom erkennenden Gericht die rein virtuelle Subsumtion eines ausländischen Lebenssachverhaltes unter deutsche Straftatbestände, „oft ohne die Möglichkeit zuverlässiger tatsächlicher Feststellungen“ (Rn. 9).

Entgrenzung I, 2016

Den im obiter dictum von 1968 geebneten Weg ist der BGH knapp 50 Jahre später dann tatsächlich gegangen. Der in Rede stehende Sachverhalt lag weit weniger intrikat als im Falle der südtiroler Autonomiescharmützel. In einem Interview hatte der Angeklagte die Hinrichtung zweier nichtdeutscher Geiseln durch den Islamischen Staat in Syrien gutgeheißen. Das KG Berlin verurteilte ihn im Juni 2016 wegen Billigung von Straftaten gemäß §§ 140 Nr. 2, 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB; die Revision gab dem BGH auf, das Tatobjekt höchstrichterlich zu klären. Dieses Mal konnte der 3. Strafsenat die Frage nicht mehr dahinstehen lassen (Az. 3 StR 435/16). Mit dem Problemaufriss von 1968 befasste er sich dann freilich überhaupt nicht, sondern verflüchtigte die tatbestandliche Anlasstat endgültig zugunsten eines sozialtechnologischen Rechtsgüterschutzes. Sein zentraler Konditionalsatz zur Sache ist dogmatisch mehr als waghalsig: „Taugliches Objekt der Billigung im Sinne von § 140 Nr. 2 StGB ist jedoch auch eine nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallende Auslandskatalogtat, wenn sie zur Störung des inländischen öffentlichen Friedens geeignet ist“ (Rn. 9).

Da ist erstens das wohl nicht ganz leicht aufzulösende Problem, wie eine Handlung, die nicht dem deutschen Recht unterfällt, zugleich als Katalogtat (oder: „Auslandskatalogtat“) begriffen werden kann. Der 1. Strafsenat war 1968 noch juristisch aufmerksamer (oder ehrlicher), als er stattdessen von einer „Untat“ sprach.

Zweitens wird demzufolge die taugliche Vortat dadurch konstituiert, dass ihre Billigung zur Störung des öffentlichen Friedens – oder in den Worten des BGH: eine „kriminogene Inlandswirkung“ (Rn. 9) – zu entfalten geeignet ist. In der Konstellation der „Auslandskatalogtat“ werden Tatobjekt und das geschützte Rechtsgut vollständig kurzgeschlossen; wenn dieses angegriffen ist, muss jenes vorliegen. 2) Zugleich ist das Kriterium des Rechtsgutsangriffs, die „kriminogene Inlandswirkung“, im Einzelfall äußerst spekulativ, wenn nicht völlig unbeweisbar. Es lässt insofern der Tatsacheninstanz gar keine andere Wahl, als empirisch höchst zweifelhafte Sozialpsychologie zu betreiben.

Das LG Berlin I stellte sonach im Eröffnungsbeschluss (Az. 511 Qs 46/25) gegen Hotz fest, dass die „Stimmungslage in der Bevölkerung“ und die „politische Situation“ zu berücksichtigen seien. Dazu führte es „Leserreaktionen“, ein „großes mediales Echo“ und „zahlreiche Strafanzeigen“ als Indiz für die kriminogene Gefährdung des hiesigen „psychischen Klimas“ an. Thomas Fischers vor bald vier Jahrzehnten formulierte Kritik am strafrechtlichen Schutz des öffentlichen Friedens erweist sich danach als aktueller denn je: „Das Strafrecht wird zum Mittel polizeilicher Gestaltung.“3)

Die vom BGH im folgenden Satz knapp nachgeschobene Begründung offenbart drittens eine interessante Geltungstheorie. Eine nicht an das deutsche Recht anknüpfbare Handlung im Ausland als „Auslandskatalogtat“ zu kategorisieren sei schließlich deshalb möglich, weil es ja nicht um deren „Ahndung“ (Rn. 9) gehe. Hier werden im Grunde Straftatbestände unterstellt, die ohne jede Rücksicht auf Anwendungsfragen abstrakt und global subsumtionsfähig sind, wenn der Strafanspruch des deutschen Staates sie auch nicht erreicht. Die fundamentale Einsicht, dass Gesetze nur zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gelten, konnte den 3. Senat vom sicherlich hehren Ziel gesellschaftlicher Klimapflege nicht mehr abbringen.

Entgrenzung II, 2023

Auf diese Rechtsprechungslinie stürzte sich im Jahr 2023 eine erneut die welt- und innenpolitische Lage spiegelnde Entscheidung des Hanseatischen OLG in Hamburg (Az. 5 Ws 5 – 6/23). Der Angeklagte hatte in insgesamt 44 Fällen das „Z“-Symbol in sozialen Medien verwendet. Gekleidet in die Entscheidung über eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Aufhebung des Haftbefehls legte das Hanseatische OLG seine Auffassung zur Strafbarkeit des Angeklagten nach § 140 Nr. 2 StGB dar.4) Dass Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zur Strafbarkeit Putins nach deutschem Recht führt (§§ 1, 13 VStGB; §§ 6 ff. VStGB standen nicht zur Debatte), hielt das OLG – insoweit in Übereinstimmung mit dem BGH – nicht von der Annahme einer tauglichen Vortat ab (Rn. 19 f.).

Den Einwand, die Billigung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges führe schwerlich zu einer kriminogenen Wirkung in Deutschland, wischte das OLG dann aber beiseite (Rn. 26 ff.). Damit grenzte sich das Gericht ausdrücklich vom BGH ab: Ein Inlandsbezug sei gar nicht mehr erforderlich, nur noch kriminogen musste sie wirken – irgendwo. Dieser judicial activism allein ist bemerkenswert genug.5) Vollends im Jenseits juristischer Vertretbarkeit ist dann aber die Begründung: Völkerrechtswidrige Kriege beträfen die „Menschheit als Ganzes“; es komme darauf an, mit der Bestrafung aus § 140 Nr. 2 StGB „das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der durch Art. 2 Abs. 4 UN-Charta geschützten internationalen Friedensordnung“ zu schützen. Der Schutz der Menschheit als Zweck, die Erschütterung des Glaubens an den Weltfrieden als dessen Gefährdung: Hier kommt die Ent-Grenzung des § 140 Nr. 2 StGB zu ihrer folgerichtigen Vollendung.6)

Der politische Sinn des Strafanwendungsrechts

Die Konsequenz dieser Entgrenzung des § 140 Nr. 2 StGB ist eine Umgehung des politischen Sinns des Strafanwendungsrechts. „Untaten“, denen das deutsche Strafrecht aus Gründen der §§ 3 ff. StGB indifferent gegenüber steht, werden infolge dieser Auslegung unter der Hand Gegenstand einer strafrichterlichen Würdigung. Inzident muss entschieden werden, ob bei unterstellter Anwendbarkeit der deutschen Strafrechtstatbestände eine rechtswidrige Tat vorläge.

Die damit eingekaufte Problematik ist erläuterungsbedürftig. Nach außen besteht der Sinn des Strafanwendungsrechts darin, zwingenden Vorgaben des Völkerrechts, namentlich dem auch die Strafgewalt betreffenden principle of non-intervention gerecht zu werden: In die Strafgewalt eines souveränen Staates auf seinem Hoheitsgebiet soll nicht eingegriffen werden.7) Der BGH hatte das bereits 1968 gegen die Ausweitung auf „Auslandstaten“ ins Feld geführt: „weil das womöglich zu Eingriffen in innenpolitische Auseinandersetzungen und zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten führen kann“ (Rn. 8). Allerdings dürfte die bloß inzidente Beurteilung von im Ausland begangenen „Untaten“ in den deutschen Strafprozess völkerrechtlich wohl unproblematisch sein: Das erkennende Gericht maßt sich in der Tat keine strafrechtliche Ahndung der „Untat“ an.

Nur erschöpft sich der Sinn des Strafanwendungsrechts nicht in der Umsetzung völkerrechtlicher Vorgaben. Nach innen erfüllt das Strafanwendungsrecht eine andere Funktion: Das deutsche Strafrecht und seine Tatbestände sollen Anwendung nur auf solche Sachverhalte finden, deren Beurteilung nach deutschem Recht plausibel ist. In diesem Sinne hält das Strafanwendungsrecht den Zusammenhang zwischen Territorialität und Strafrechtsordnung aufrecht. Andernfalls käme es zu absurden Ergebnissen. Ein Beispiel: Als Angela Merkel ihre Freude darüber artikulierte, „dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten“, war das zwar (wohl) die Billigung einer „Auslandskatalogtat“ – und die von einem Hamburger Richter gestellte Strafanzeige nicht ganz von der Hand zu weisen. In dieser Beurteilung geht jedoch die politische Dimension der Ausschaltung Bin Ladens verloren. Über die ethische Bewertung dieses Vorgangs kann man geteilter Ansicht sein. Gerade deshalb bedeutet es aber eine erhebliche Kompetenzüberschreitung deutscher Gerichte, eine Tötung im Ausland als rechtsethische „Untat“ zu deklarieren und analog deutscher Tatbestände zu beurteilen. Das legt die Absurdität einer von politischen Kontexten abstrahierten, weil ubiquitären „Anwendung“ deutscher Strafrechtstatbestände offen.

Praktizierter Republikschutz?

Lässt sich politisches Strafrecht auf unpolitische Weise anwenden? Der Fall Hotz demonstriert die Fallstricke einer solchen Strategie. Gleichzeitig liegt in der Art und Weise der Entpolitisierung eine abgründige Pointe des Falles. Kann man die Norm applizieren, ohne in Rechnung zu stellen, dass die Weimarer Republik die Billigung von Straftaten einst unter Strafe stellte, um eine höchst instabile Republik gegen rechtsextreme Umsturzversuche zu verteidigen? Der historische Vorgänger des § 140 StGB war eine unmittelbare Reaktion auf die Ermordung des republiktreuen liberalen Reichaußenministers Walther Rathenau durch rechtsterroristische Republikfeinde. § 7 Abs. 1 des Republikschutzgesetzes vom 21. Juli 1922 machte es zu einer Straftat, „Gewalttätigkeiten, die gegen Mitglieder der republikanischen Regierung des Reichs oder eines Landes begangen worden sind“, zu verherrlichen oder ausdrücklich zu billigen. Die Verbindung dieser Norm zum vorangegangenen Attentat auf Rathenau reichte so weit, dass der SPD-Reichsjustizminister Gustav Radbruch, der spätere Schöpfer der Radbruch’schen Formel, und Reichskanzler Joseph Wirth die Interpretation vortrugen, das Republikschutzgesetz gelte einzig und allein dem Kampf gegen Rechts. Linksradikale Ausschreitungen seien, so der Reichskanzler in der parlamentarischen Beratung des Gesetzes, gegenwärtig nicht zu befürchten. Er verteidigte diese Auslegung mit einer kanonisch gewordenen Wendung, die ein Musterbeispiel konkreter Feindbestimmung ist: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt. – Da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts.“8) Die Verlängerung des befristeten Republikschutzgesetzes scheiterte 1932 an der inzwischen verfassungsfeindlichen Mehrheit im Reichstag; der strafrechtliche Schutz republikanischer Regierungsmitglieder entfiel.9)

Kann man bei der Bewertung des Falles Hotz diesen Kontext außer Betracht lassen? Er zeigt, dass gerade die Abstraktion vom politischen Kontext ihrerseits politische Konsequenzen haben kann. Die Einordnung der Bezugstat des Falles steht unweigerlich im Kräftefeld aus Republikschutz, Rechtsextremismus und verbaler Entgrenzung polarisierter Öffentlichkeiten, mit denen die Weimarer Republik kämpfte. Donald Trump demontiert gegenwärtig, wie im Wahlkampf offen angekündigt, zweieinhalb Jahrhunderte republikanische Verfassungsordnung und ersetzt sie durch ein Amalgam aus Faschismus und cäsaristischer Diktatur. Dass das Attentat auf Trump daher ein politischer Akt war, ein Akt des praktizierten Republikschutzes, mit fragwürdigen Mitteln vielleicht, aber doch des Republikschutzes; dieser Aspekt geht völlig verloren, wenn die Staatsanwaltschaft umstandslos zum versuchten Mord greift, den Hotz nach ihrer Ansicht gebilligt haben soll. Damit hätte sich in der Anklage gegen Hotz der historische Sinn des § 140 StGB geradewegs in sein Gegenteil verkehrt.

References

References
1 Über vorangegangene Versuche, einen vergleichbaren Tatbestand ins RStGB 1871 einzufügen, siehe Udo Ebert, Zum Bedeutungswandel der Billigung von Straftaten, in: Festschr. f. Spendel, 1992, 115 (137 f.).
2 Zur Kritik dieser Argumentationsführung, die zuvor schon in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu finden war, vgl. Heribert Schumann, Zum Tatbestand der Billigung von Straftaten, in: Gedächtnisschr. f. Manfred Seebode, 2015, 179 (182 f.).
3 Thomas Fischer, Die Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, NStZ 1988, 159 (164).
4 Zur Bedeutung der prozessualen Konstellation, die dem OLG die unwahrscheinliche Gelegenheit bot, sich überhaupt zur Frage zu äußern, vgl. Michael Heuchemer, NStZ 2023, 425 (426 f.).
5 In den Zusammenhang gehört auch Hans. OLG, Beschl. v. 5.9.2023 – 5 ORs 15/23: das Gericht verneint hier die Notwendigkeit einer Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 GVG gegen die übereinstimmenden(!) Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung reichlich rabulistisch; vgl. dazu Stefanie Schork, StV 2024, 381 f.
6 Vgl. zur Kritik der Entscheidung auch Michael Heuchemer in der NStZ 2023, 425 (427 f.), der einige strafrechtliche und strafprozessuale Folgeprobleme aufzeigt, die hier den Rahmen sprengten; weiter Heribert Schumann, StV 2024, 378 ff.
7 Vgl. ausführlich Kai Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Aufl. 2018, §§ 2, 3.
8 In der 236. Sitzung der 1. Wahlperiode, 25. Juni 1922, in: Verhandlungen des Reichstages, Bd. 356, S. 8058/A; vgl. zu den vorangegangenen Auseinandersetzungen im Kabinett Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, 660 f.
9 Vgl. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VII, 1984, 1187 ff. m.w.N.

SUGGESTED CITATION  Loxen, Victor; Wißgott, Tristan: Tat und Territorium: Zur Kritik des § 140 StGB, VerfBlog, 2025/8/01, https://verfassungsblog.de/tat-und-territorium/, DOI: 10.59704/ef2a03f142bfccff.

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