COVID-19 und der juristische Umgang mit Ungewissheit
Der Zweifel muss schweigen, soll ein richterliches Urteil überzeugen. Gewissheit zu verbreiten, ist das nicht allzu heimliche Ziel der juristischen Ausbildung. Der Charme der Gutachtentechnik, alles Mögliche zu erwägen und zu prüfen, wird in der Referendarausbildung durch die Relationstechnik ersetzt und in der richterlichen Urteilspraxis vollends desavouiert. Gewissheitsdenken und Erledigungsökonomie gehen in Führung. Vieles bleibt „dahingestellt“, wenn die Entscheidung einmal feststeht. Und die Gutachten von Rechtsexperten hängen dem Interesse der Auftraggeber häufig einen mehr als fadenscheinigen Mantel um. Ungewissheit, das scheint gewiss, ist Sache der juristischen Zunft nicht.
COVID-19 lehrt sie nun, möglichst rasch zu lernen, weder zwangsbewehrte Verordnungen zu erlassen noch schneidige Urteile zu fällen, vielmehr ihren Standort im Streit der Fakultäten zu suchen, ihre Rolle als Ratgeber zu finden und mit Gewissheitsverlusten umzugehen. Die Pandemie breitet die Katastrophe und mit ihr die Ungewissheit, mit welchen juristischen Mitteln und rechtlichen Maßnahmen sie zu beherrschen wäre, in allen Gesellschaften flächendeckend aus. Beflissen eilen Jurist*innen den wechselnden Einschätzungen und tentativen Prognosen aus den gedanklichen Laboren von Virologie und Epidemiologie hinterher. Sicher ist nur, dass Corona hochansteckend und mit früheren Influenza-Viren nur um den Preis großer Ungenauigkeit zu vergleichen ist, dass es sich als Tröpfcheninfektion rasant ausbreitet und insbesondere Alte und Vorerkrankte bedroht, dass Beatmungsgeräte, Schutzkleidung und vor allem Test-Kits fehlen. Zu Verläufen der COVID-19-Erkrankungen, Mortalitätsrate, Reproduktionsraten, Infektionsketten durchschnittlicher Dauer der Intensivbehandlung gibt es Annäherungswerte mit geringer Halbwertszeit, selbst der Nutzen der Schutzmasken ist umstritten. Flache Infizierungsquoten und Infektionsrate unter 1 werden mantragleich in den Medien verbreitet. Die Zahl der bereits Geheilten scheint wie eine Monstranz aus den Statistiken hervor.
Im Streit der fachwissenschaftlichen Fakultäten – Virologie, Epidemiologie, Medizin vorweg, mit Abstand dann Ökonomie und Gesellschaftswissenschaften – wird Expertise in manchmal arg kleiner Münze gehandelt, selten in großen Scheinen. Vorsicht kann also nicht schaden, bevor sich die juristischen Ratgeber „über die einschlägigen Rechtsnormen beugen“ und die Frage stellen, ob denn die Rechtsnormen „überhaupt hergeben, was da über uns verhängt worden ist“ (Gertrude Lübbe-Wolff, FAZ vom 24.3.). Wenn alles anders ist oder doch sein könnte, muss Recht schleunigst auf Lernen unter den Bedingungen von Ungewissheit umgestellt werden, zumal die Vorbereitung auf die Pandemie verpasst wurde.
Für punktuelles Lernen hielt das Gefahrenabwehrrecht traditionell das Schema Sicherheit-Gefahr bereit, um präventiv bedrohliche Situationen im Einzelfall zu entschärfen. Um die Folgen gefährlicher Technologien abzufangen, bot Ulrich Becks Studie zur „Risikogesellschaft“, gleichsam als Kommentar zu Tschernobyl (1986), mit dem Risiko eine Kategorie an, die für den Katastropheneinsatz tauglich schien. Unter der Flagge des „Kampfes gegen den Terrorismus“ wurde das rechtsstaatliche Schema – Gefahren für die Sicherheit lösen Maßnahmen aus – beiseite gedrängt. Die Gefahr trat als Leitbegriff gegenüber dem dynamischen Risiko in den Hintergrund. Das Polizeirecht nahm zunehmend den Charakter eines flexiblen Sicherheitsrechts an, das schier unersättlich Wissensvorräte hortete und bei nicht wahrnehmbaren, informationsabhängigen und grenzüberschreitenden Bedrohungen in Anschlag brachte. Vor allem Lauschangriffe und Überwachungsmaßnahmen, also Eingriffe, die breit streuen und weit ins Gefahrenvorfeld ausgreifen, signalisieren den Übergang zu einem Sonderpolizeirecht, in dem „tatsächliche Anhaltspunkte“, polizeiliche „Lagebeurteilungen“ und „Erfahrungen“ die Eingriffe steuern. Wäre das nicht lernendes Recht? Wohl eher ein polizeiliches „Gefahrenerfindungsrecht“, das sich von außen nicht wirklich belehren lässt und deshalb Gefahr läuft, die Welt im Ausnahmezustand zu sehen.
Dem ordnungsrechtlichen Muster entspricht auch das 2001 modernisierte, soeben verschärfte Seuchenrecht. Es gibt sich als Infektionsschutzgesetz (IfSG) freundlich im Titel, aber hart in der Sache, ja es normalisiert den Ausnahmezustand: Die Ermächtigung des Bundesgesundheitsministers (§ 5 Abs. 2 IfSG), alles Mögliche zu verordnen, erinnert an gesetzesvertretende Weimarer Notverordnungen (Art. 48 Abs. 2 WRV). Die Corona-Verordnungen und Allgemeinverfügungen der Bundesländer schöpfen den Ermächtigungsrahmen des IfSG aus und ordnen „die notwendigen Schutzmaßnahmen“ an, „soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten notwendig ist“ (§ 28 IfSG). Neben Meldepflichten, Beobachtung, Tätigkeitsverboten oder der Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen, sieht das IfSG unter anderem vor, Erkrankte und „Gefährder“, wie heute wohl zu sagen wäre, zu verpflichten, „den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder bestimmte Orte nicht zu betreten“ (§ 29), notfalls kann auch zwangsweise eine Quarantäne verhängt werden (§ 30). Bei Zuwiderhandeln drohen neben Bußgeldern drakonische Freiheitsstrafen. Bis zu 5000 € Buße oder fünf Jahre Kriminalstrafe sind kein Pappenstiel. Bund und Länder haben sich auf außerordentlich gravierende Anweisungen und Maßnahmen verständigt. Weitere, wie das Handy-Tracking und die Überwachung durch Drohnen, zeichnen sich ab. Die Infektionsschutzmaßnahmen lassen sich Irritationen durch die Corona-Ungewissheiten oder gar Lernbereitschaft nicht anmerken. Ein Söder-Effekt scheint die Einsicht zu blockieren, dass sich über eine Gesellschaft, die es mit einem unsichtbaren Feind zu tun hat, kein Belagerungszustand verhängen lässt.
Anders äußert sich die Bundeskanzlerin in ihren Reden an die Nation. Ihre Benennung von „Leitlinien“, „Handlungsanweisungen“ und – ausdrücklich weder „Anordnungen“ noch „Empfehlungen“, sondern – „Regeln“, zuletzt „Standards“ suchte Schutz im Ungefähren. Vielleicht hat das Ungefähre ja derzeit sein Gutes, das der Ungewissheit angemessen sein könnte. Freilich, in den Verordnungen der Länder und den Verfügungen der Behörden, tritt der Infektionsschutz aus Merkels Schatten einer sanften Prärogative heraus und zeigt seine Klingen.
Oder hätte die Bundeskanzlerin, im Verbund mit den Entscheidern auf Länderebene, aus Gründen der Firmenklarheit den Ausnahmezustand erklären müssen? Ein Ausnahmezustand könnte von der Frage ablenken, ob die Ermächtigungs- und Befugnisnormen des IfSG selbst oder die von ihm getragenen Verordnungen oder etwa eine auf Dauer verhängte, bundeseinheitliche Ausgangssperre (für Teile der Bevölkerung?) oder Betriebsschließungen, vor allem aber die Verordnungskompetenz des Bundesgesundheitsministers mit der Verfassung vereinbar sind. Nur: welchen Ausnahmezustand hätte die Bundeskanzlerin denn erklären sollen? Eine vom Bundestag festgestellte „epidemiologische Lage von nationaler Tragweite“ (§ 5 Abs. 1 IfSG) wäre eine Art unechter Ausnahmezustand, der den Gesundheitsminister nach dem Vorbild von Weimar von der Kette lässt. Unecht, vorsichtig formuliert. Verfassungswidrig, weniger vorsichtig, wenn davon auszugehen ist, dass diese „Lage“ die grundgesetzliche Typenlehre durchbricht. Freilich, die typischen Notstände, die das Grundgesetz vorhält, passen nicht auf eine Pandemie. Der Gesetzgebungsnotstand schon gar nicht. Die Niederschlagung militärisch bewaffneter Aufständischer, die aus dem Hausarrest ausbrechen, ist nicht zu befürchten, ebenso wenig ein Spannungs- oder Verteidigungsfall wegen eines grenzüberschreitenden Kampfes um Schutzkleidung und Beatmungsgeräte. Der Katastrophenfall (Art. 35 Abs. 3 GG) ist auf die besondere Lage der föderalen Amtshilfe durch Einsatz von Polizei- und Streitkräften zugeschnitten. Gelernt hat das Grundgesetz vor allem aus der Geschichte, genauer: aus den Gefahren, die von einer freigesetzten Exekutive und mit militärischen Einsätzen verbunden sind.
Von autoritären Regimen möchte sich die Kanzlerin den Ausnahmezustand gewiss nicht soufflieren lassen. Autokraten operieren ohnehin in dessen Modus, um dem allfälligen Notfall des Machtverlusts vorzubeugen und sich Machtprämien zu verschaffen, siehe Orbán in Ungarn, Erdoğan in der Türkei und das Regime in Algerien. Unter dem Vorzeichen der Pandemie reihen sich einige demokratisch gewählte Staatschefs in die Phalanx autoritärer Führer ein. Der eine, Emmanuel Macron, narzisstisch gekränkt um seine Wiederwahl fürchtend, erklärt eitel und töricht dem Virus den Krieg: „Nous sommes en guerre.“ Der andere, Donald Trump, schwankt erratisch zwischen Leugnung und Dramatisierung und ist inzwischen bei Kriegsrhetorik und Ausnahmezustand angekommen. Beide illustrieren, dass Ausnahmezustände nicht auf Lernerfahrungen des Rechts zugeschnitten sind, sondern autoritäre Gesten prämieren. Auch die italienische Praxis taugt nicht zur Nachahmung. Der über Italien verhängte Ausnahmezustand trägt Züge der Verzweiflung über eine von Regierung und Verwaltung lange Zeit nicht beherrschbare Katastrophe. Die unter seinem Schirm verfügte Kaskade von Maßnahmen schneiden tief in Freiheitsrechte ein. Gewiss, Artikel 77 der italienischen Verfassung gibt der Regierung das Recht, bei Dringlichkeit und Notwendigkeit auf eigene Verantwortung Maßnahmen zu ergreifen. Für eine nationale Ausgangssperre wäre dieser Mantel der Legalität dennoch reichlich kurz. Doch wer fragt nach dem Recht, wenn der Tod auf der Schwelle steht?
Jurist*innen müssen das wohl tun, selbst wenn die Welt unterginge. Allerdings sollten sie sich auf Ungewissheit in globaler Ausbreitung und in bisher unbekanntem Ausmaße einstellen. Das seuchenrechtliche Besteck in die Hand zu nehmen und bei dessen Bedienung zu schauen, ob sie denn verhältnismäßig sei, wäre Untermaß. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat bei der erwähnten Umstellung des Polizeirechts Federn lassen müssen. Mit der verringerten gerichtlichen „Kontrolldichte“ polizeilicher Eingriffe geriet zwangsläufig auch die Prüfung ihrer Verhältnismäßigkeit in Atemnot. Überdies war die Abwägung von Zweck und Mittel, um möglichst schonende rechtliche Eingriffe zu verbürgen, immer schon ergebnisoffen und unberechenbar, mehr eine Metapher denn eine stringente Methode des Abwägens. Hinzu kommt, dass die aktuell herrschenden Verhältnisse durch die COVID-19-Pandemie völlig aus den Fugen geraten sind. Und ein Ende zeichnet sich nicht ab. Wie und wofür können derart wüste Verhältnisse Maß geben? Etwa für legitime seuchenhygienische Zwecke (flache Kurve, Herdenimmunität)? Oder für die Abschätzung der Folgen von Ausgehverboten und Betriebsschließungen (Gewalt in Familien, Depression, Konkurs)? Diesem Dilemma will ausweichen, wer das Rettende im Höchstwert eines Lebens in Würde sucht, nicht im Schutz von „bloßer“ Gesundheit und „nacktem Leben“ – mitgedacht das Sterben in Würde (Uwe Volkmann, FAZ vom 1.4.). So könnten sowohl die in Routine erstarrte Mechanik der Verhältnismäßigkeit ausgeschaltet werden als auch Abwägungen, die keine sind, unterbleiben. Das wäre ein Schritt hin zu einem schneller lernenden Recht. In dieses ließen sich mit Selbstbestimmung und Freiwilligkeit Maßstäbe einstellen, ohne die auch der verbotsgestützte und mit Zwang durchgesetzte Infektionsschutz letztlich nicht auskommt. Beim nicht ganz nebensächlichen Händewaschen etwa, wohl auch beim Abstandhalten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müsste nach den Erfahrungen dieser Wochen reanimiert und neu eingeschärft werden. Das sollte der Rechtswissenschaft möglich sein, wenn neoliberale Ökonomen dieser Tage aufbrechen, um unauffällig in die Arme des Keynesianismus zu flüchten.
Nach der Logik von Vernunft, Verzicht und Solidarität, wenn dies denn die Komponenten des Merkel‘schen Programms sein sollten, könnte das Infektionsschutzrecht von Zwang, der sich mit der Zeit wund scheuert, auf trial and error und von Strafen auf Anreize umgestellt werden. Mit „Regeln“ statt Verboten und Aufklärung statt Zwang wäre das Experiment (nicht der Exit!) zu wagen, COVID-19 mit einem angebotsorientierten, die Betroffenen beteiligenden Recht beizukommen: Betriebe und Geschäfte öffnen, die sich auf Abstandsregeln und Vorsichtsmaßnahmen verstehen, wie sie in Supermärkten eingeführt, zwanglos durchgesetzt und hoheitlich toleriert wurden. Schulen öffnen, die sich auf Schichtbetrieb einlassen und Lernen in Kleingruppen organisieren. In den Hochschulen und Universitäten dürfte es vorerst bei Online-Veranstaltungen für große Kohorten bleiben, für kleine Seminargruppen gälten die REWE/Aldi-Regeln. Allen – vor allem den besonders Gefährdeten – wäre wie bisher nahezulegen, sich besonders zu schützen und soziale Kontakte zu meiden. Ihnen wäre mit Schutzmasken und einer Palette von Hilfsdiensten entgegenzukommen, etwa für Arztbesuche, Einkäufe, Begleitung bei Spaziergängen. Hier ließen sich öffentliche Mittel einsetzen, die zur Stützung notleidender Betriebe nicht mehr abgerufen werden müssen. Auch mit Freiwilligen, das lehrt die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge 2015, ist zu rechnen. Vorausgesetzt, die Zivilgesellschaft wird nicht unter Hausarrest gestellt und durch Verordnungen und Allgemeinverfügungen demobilisiert, sondern in die Diskussion über das Notwendige einbezogen.
Wenn dieses Experiment scheitert, weil die Bevölkerung nicht „mitspielt“? Der Staat hätte Zeit und Erkenntnisse gewonnen, könnte sich auf seine ureigenste Pflicht (so liest sich wohl § 5 Abs. 2 Nr. 4 IfSG) konzentrieren: die dringende Beschaffung von Schutzkleidung und Beatmungsgeräten, die Bereitstellung von Tests, die Förderung der Suche nach Impfstoffen und insbesondere die tatkräftige Unterstützung der medizinischen Behandlung und Pflegedienste. Die Gesellschaft hätte schmerzlich erfahren, dass eine Pandemie uns allen die Mitwirkung an Schutzkonzepten abverlangt, soll das Land nicht wie eine Lepra-Station geführt werden. Und das Recht? Es ist selten klüger als die Gesellschaft, deren Verhalten es reguliert. Solange es gelten will, muss es lernen. Zu hoffen wäre, dass es jetzt schon gelernt hat: souverän ist, wer nicht den Ausnahmezustand erklärt. Und wer ihn nicht unter der Flagge des Infektionsschutzes normalisiert.
Eine gekürzte Version dieses Artikels ist auf FAZ.net erschienen
Sehr geehrter Herr Prof. Frankenberg, obwohl ich kein Jurist bin, habe ich gelernt Gesetzestexte zu lesen. Nun habe ich mir noch einmal den Art. 8 des Grundgesetzes angesehen und bin zu der Sichtweise gekommen, dass nur Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden können. Das bedeutet aber doch, dass Versammlungen, natürlich friedlich und ohne Waffen, die nicht unter freiem Himmel stattfinden, also in Gebäuden, Kirchen, Zelten gar nicht beschränkt oder gar verboten werden dürfen. Demnach wären die Verbote jemanden zu besuchen, sich also mit anderen Menschen in einem Haus zu versammeln oder auch Kinder, die sich zum Spielen in einer Wohnung versammeln grundgesetzwidrig. Habe ich da etwas übersehen? Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Hallo Herr Wingert,
vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Der Begriff der Versammlung in Art. 8 umfasst nicht jede Form des physischen Zusammentreffens von Personen. Hierzu gibt es verschiedene Auffassungen, ein rein privates Zusammentreffen ohne Ziel der gemeinsamen Willensbildung bzw. -kundgabe ist durch den Sinn und Zweck des Art. 8 als die Beteiligung an einer demokratischen Gesellschaft schützendes Grundrecht jedoch nicht erfasst.
Darüber hinaus ist der Wortlaut “unter freiem Himmel” nicht rein auf die mögliche Überdachung zu beziehen. Hiermit wird vielmehr der erhöhten Gefährlichkeit von Versammlungen in öffentlich zugänglichen Bereichen (“unter freiem Himmel”) erfasst. Dies ist speziell in Zeiten von Corona eine mögliche Gefahr der Ansammlung von Schaulustigen oder spontanen Demonstrationsteilnehmer*innen. Ein öffentlich zugänglicher Ort wie eine Kirche, ein Zelt auf einem öffentlichen Platz oder ein Einkaufszentrum taugen somit als Veranstaltungsort nicht, um den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 II GG zu umgehen.
Ich hoffe, dass Ihnen dies weiterhilft.
Nicht zuletzt ist weiterhin auf das Konzept der praktischen Konkordanz hinzuweisen; ein zunächst “uneinschränkbares” Grundrecht ist jedenfalls dadurch einschränkbar, indem eine Abwägung mit anderen entgegenstehenden Zielen von Verfassungsrang vorgenommen wird. Sodann kommt hierfür eine Abwägung mit der Schutzpflicht des Staates hinsichtlich Körper und Gesundheit in Betracht (vgl. Art. 2 GG). Letztlich muss demnach folgendes beachtet werden: Grundrechte können alle grundsätzlich (mit Ausnahme von Art. 1 I 1 GG) eingeschränkt werden; sie dürfen nur nicht in ihrem Wesenscharakter verletzt werden (vgl. Art. 19 GG). Hiermit ließe sich in jeden Fall theoretisch Derartiges rechtfertigen. Weiterhin ist wohl noch zu bedenken, dass eine “Versammlung in einer Kirche” wohl eher unter den Schutzbereich von Art. 4 I, II GG fallen sollte. Hierfür gilt sodann aber parallel die gleiche Begründung.
Viele Liebe Grüße jedenfalls! 🙂