12 January 2024

Der Bund als Retter in der Flut?

Zur fehlenden Finanzierungsbefugnis des Bundes für hochwasserbedingte Wiederaufbaumaßnahmen

Bereits jetzt ist absehbar, dass die Hochwasserschäden in mehreren Bundesländern, insbesondere in Niedersachsen, hohe Wiederaufbaukosten nach sich ziehen werden. Auf die Frage, ob die aktuelle Situation ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertige (im Hinblick auf die Ahrtal-Flutkatastrophe 2021 unlängst auch von Robert Pracht diskutiert), stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit klar, dass sich der Bund – zu gegebener Zeit – „vor seiner Verantwortung nicht drücken“ werde, „wenn ein Schadensereignis von nationalem Ausmaß mit hohen Schadenssummen zu bewältigen wäre.“ Der vorausgehenden Frage, ob überhaupt eine Kompetenz des Bundes zur Finanzierung flutbedingter Wiederaufbauhilfe besteht, wurde in der aktuellen Debatte bislang nicht nachgegangen. Nach hier vertretener Ansicht muss dies auf Grundlage der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung in den meisten Fällen verneint werden.

Das Konnexitätsprinzip als Verbot des „goldenen Zügels“

Nach der in Art. 104a Abs. 1 GG verankerten Grundregel setzt eine Finanzierungskompetenz eine vorgelagerte Aufgabenwahrnehmung durch die hierfür jeweils zuständige föderale Ebene voraus (sog. Konnexitätsprinzip). Es ist mittlerweile geklärt, dass hiermit die Ausübung von Verwaltungskompetenzen i.S.d. Art. 30, 83 ff. GG gemeint ist. Das Verbot, eine Gebietskörperschaft zur Finanzierung fremder Aufgaben heranzuziehen, soll nicht nur die Eigenstaatlichkeit von Bund und Ländern schützen, sondern basiert auch auf der Erwägung, dass die verwaltende Stelle zu einer wirtschaftlichen Haushaltsführung veranlasst wird, wenn sie zugleich die sich aus der Verwaltungstätigkeit ergebenden Zweckausgaben tragen muss. Seine zuständigkeitsabgrenzende Wirkung entfaltet das Konnexitätsprinzip ferner dadurch, dass es auch freiwillige Fremdfinanzierung verbietet. Es soll verhindert werden, dass sich der Bund durch Anlegung des „goldenen Zügels“ politische Einflussnahme auf die Länder „erkauft“. Der Lastentragungsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG regelt damit nicht nur die Finanzierungspflicht, sondern auch die Finanzierungsbefugnis von Bund und Ländern. Eine Finanzierungspflicht, aber auch –befugnis des Bundes für flutbedingte Wiederaufbaumaßnahmen setzt daher – entgegen der Aussage von Steffen Hebestreit – nicht nur pauschal „ein Schadensereignis von nationalem Ausmaß mit hohen Schadenssummen“, sondern eine Verwaltungskompetenz des Bundes oder eine durch das Grundgesetz vorgesehene Ausnahme vom Konnexitätsprinzip (Art. 104a Abs. 1 GG a.E.) voraus. Beides wird in der Regel nicht vorliegen.

Keine Finanzierungskompetenz des Bundes auf der Grundlage eigener Verwaltungszuständigkeit

Ausgangspunkt bei der Suche nach einer Verwaltungskompetenz des Bundes bildet Art. 30 GG, wonach die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder ist. Speziell für den Vollzug von Bundesgesetzen wird diese Grundregel in Art. 83 GG wiederholt. Gegenstände bundeseigener Verwaltung finden sich nur vereinzelt in den Art. 87 ff. GG. Ein die Fluthilfe ausgestaltendes Bundesgesetz wird aber zumeist schon deshalb nicht vorliegen können, weil dem Bund für die Hochwassernachsorge keine Gesetzgebungskompetenz zusteht. Finanzielle Hilfen als Reaktion auf Flutkatastrophen wurden deshalb in der Vergangenheit regelmäßig ohne sachgesetzliche Grundlage des Bundes ausgekehrt. Doch auch im Bereich der nicht gesetzesakzessorischen Leistungsverwaltung kann sich eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes nur aus den Art. 87 ff. GG ergeben, die für den Bereich der Fluthilfe aber nicht einschlägig sind.

Diskutiert wird mitunter, ob eine Finanzierungskompetenz aus Art. 104a Abs. 1 GG auch aus einer ungeschriebenen Verwaltungskompetenz des Bundes hergeleitet werden kann. Mangels geschriebener Verwaltungskompetenz kann sich eine solche wiederum nur aus der Natur der Sache ergeben. Hierfür wird vorausgesetzt, dass eine Aufgabe begriffsnotwendig nur durch den Bund erfüllt werden kann. Da bloße Überregionalität oder die Überforderung regionaler Finanzkraft nicht genügen (BVerfGE 12, 205 (251)), kann auch eine mehrere Bundesländer betreffende Hochwasserlage keine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache begründen.

Fluthilfe des Bundes als gesamtstaatliche Repräsentationsaufgabe?

Die gelebte Staatspraxis sieht allerdings anders aus: Hier dominiert der Entwurf einer „Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern“. Dieses 1971 entworfene, aber niemals geschlossene sog. Flurbereinigungsabkommen sollte die ungeschriebenen Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern voneinander abgrenzen. Seither beruft sich der Bund bei der Finanzierung von Wiederaufbaumaßnahmen infolge von Naturkatastrophen regelmäßig auf seine Zuständigkeit für Maßnahmen der gesamtstaatlichen Repräsentation nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs. So wurde z.B. die hälftige finanzielle Beteiligung des Bundes an den Soforthilfemaßnahmen der Länder im Nachgang an die Ahrtal-Flutkatastrophe 2021 auf eben jene Kompetenz gestützt. Dass es bereits verfassungstheoretisch höchst problematisch ist, an der in Art. 104a Abs. 1 GG niedergelegten Akzessorietät zwischen Verwaltungsausübung und Lastentragung sowie den hiervon explizit vorgesehenen Ausnahmen (hierzu sogleich) vorbei, ungeschriebene, die grundgesetzliche Kompetenzordnung untergrabende Finanzierungskompetenzen anzunehmen, liegt auf der Hand.

Mit welcher Selbstverständlichkeit und Häufigkeit der Bund aber trotz dogmatischer Schieflage die Voraussetzungen dieser ungeschriebenen Kompetenz als erfüllt ansieht, verwundert umso mehr auf Ebene der Subsumtion. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des oben genannten Entwurfs konkretisiert, dass es sich bei gesamtstaatlicher Repräsentation um die Wahrnehmung der Befugnisse und Verpflichtungen handelt, die im bundesstaatlichen Gesamtverband ihrem Wesen nach dem Bund eigentümlich sind. Auch wenn die Formulierung bewusst sehr offen gehalten wurde, mithin ausfüllungsbedürftig ist, sind gesamtstaatliche Repräsentationsaufgaben in der Sache auf solche Maßnahmen zu beschränken, die durch die Darstellung der Bundesrepublik Deutschland nach innen oder außen eine identitätsstiftende Wirkung entfalten (so Scholz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Werkstand: 08/2023, Art. 22 Rn. 35 im Hinblick auf gesamtstaatliche Repräsentation in der Bundeshauptstadt). Bereits in sprachlicher Hinsicht bestehen große Zweifel, ob eine Bundesbeteiligung an Finanzhilfen der Länder – im Gegensatz zu klassisch repräsentativen Erscheinungsformen wie Staatszeremonien, Großsportveranstaltungen oder Denkmälern – als Darstellung der Bundesebene im föderalen System betrachtet werden kann. Zudem ist eine Beseitigung von Hochwasserschäden auch bei großem Ausmaß und Überregionalität ihrem Wesen nach nicht dem Bund eigentümlich, sondern kann genauso effektiv durch Hilfsprogramme der betroffenen Länder erfolgen. Eine (ungeschriebene) Finanzierungskompetenz des Bundes qua gesamtstaatlicher Repräsentation kann deshalb trotz entgegenläufiger Staatspraxis auch im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen des Begriffs nicht überzeugen. Nur der Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass dieselben kompetenzrechtlichen Probleme teilweise bei der Bundesfinanzierung der milliardenschweren Corona-Wirtschaftshilfen bestehen (siehe hierzu Art. 1 Abs. 1 S. 2 der Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Brandenburg über die Soforthilfen des Bundes).

In der Regel keine Ausnahme vom Konnexitätsprinzip einschlägig

Mangels Verwaltungszuständigkeit des Bundes wäre eine Bundesbeteiligung an Fluthilfeprogrammen nur möglich, sofern das Grundgesetz eine Ausnahme vom Konnexitätsprinzip zulässt (Art. 104a Abs. 1 GG a.E.). Eine solche wird in der Regel aber ebenfalls nicht einschlägig sein.

In der jüngeren Vergangenheit beteiligte sich der Bund an Wiederaufbaumaßnahmen häufig mittels der Errichtung eines Sondervermögens. Durch das Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfe 2021“ vom 10.09.2021 wurde ein Wiederaufbaufonds mit 30 Milliarden Euro aus Bundesmitteln ausgestattet, an dem sich die Länder durch eine Anpassung der Umsatzsteuerverteilung beteiligten. Seine Gesetzgebungskompetenz stützte der Bund dabei lediglich auf Art. 110 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, der zwar Sondervermögen grundsätzlich zulässt, aber im Verhältnis zu den Ländern keine Finanzierungsbefugnis als Ausnahme von Art. 104a Abs. 1 GG statuiert.

Als eng umgrenzte Ausnahme vom Konnexitätsprinzip könnte eine Finanzierungsbefugnis lediglich aus Art. 104b GG folgen, wonach es dem Bund erlaubt ist, den Ländern Finanzhilfe für besonders bedeutsame Sachinvestitionen zu gewähren. Dabei scheidet eine Finanzierungskompetenz des Bundes aus Art. 104b Abs. 1 S. 1 GG mangels Gesetzgebungskompetenz für den Bereich der Hochwassernachsorge von Vornherein aus. Da Satz 2 hingegen im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notlagen – wie es bei großflächigen Flutkatastrophen in der Regel der Fall sein wird – von dem Erfordernis einer bestehenden Sachgesetzgebungskompetenz entbindet, scheint hier auf den ersten Blick eine sinnvolle Grundlage für eine Bundesfinanzierung von Fluthilfen gefunden zu sein. Doch sind mit Ausnahme der Gesetzgebungskompetenz die weiteren Voraussetzungen des Satz 1 auch auf Satz 2 anwendbar (so für die h.M. Siekmann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 104b Rn. 35), sodass die Vorschrift durchaus voraussetzungsreich ist: Eine Finanzhilfe des Bundes kommt nur dann in Betracht, wenn die Sachinvestition für die Länder besonders bedeutsam ist, sie zugleich für eines der in Art. 104b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 GG genannten Förderziele erforderlich ist, sich die Naturkatastrophe der staatlichen Kontrolle entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt ist. Ob diese Anforderungen erfüllt sind, hängt von der jeweiligen Flutkatastrophe im Einzelfall ab. Problematischer ist es derweil, Wiederaufbaumaßnahmen unter den Investitionsbegriff zu fassen. Kommen solche Maßnahmen öffentlicher Infrastruktur oder Wirtschaftsunternehmen zugute, lässt sich durch die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit womöglich noch ein Wachstumseffekt für das betroffene Bundesland begründen. Profitieren geschädigte Privathaushalte, liegt es hingegen fern, von Investitionen zu sprechen, sodass Art. 104b Abs. 1 S. 2 GG von Vornherein als Finanzierungskompetenz des Bundes ausscheiden muss.

Weitere Ausnahmen vom Konnexitätsprinzip greifen ebenfalls nicht. Insbesondere handelt es sich bei einem Fondsgesetz wie dem Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz 2021 nicht um ein Geldleistungsgesetz des Bundes i.S.d. Art. 104a Abs. 3 GG, da es nicht die Gewährung von Fluthilfe im Außenverhältnis, sondern lediglich die Lastentragung zwischen Bund und Ländern im Blick hat. Für ein solches, das Außenverhältnis regelnde Sachgesetz für die Hochwassernachsorge fehlt dem Bund derweil eine Gesetzgebungskompetenz (s.o.).

Zuletzt sei angemerkt, dass auch die durch den Bund möglicherweise geleistete Amtshilfe nicht zu einer Finanzierungsbefugnis für Wiederaufbaumaßnahmen führen kann: Zum einen findet Art. 35 Abs. 2 und 3 GG nur auf die unmittelbare Bekämpfung einer Naturkatastrophe Anwendung, nicht hingegen auf deren Folgenbeseitigung. Zum anderen verleiht die Verfassungsbestimmung dem Bund lediglich die Befugnis zum eigenen Handeln, nicht aber zur Übernahme von durch die Länder zu tragenden Kostenlasten.

Fazit: Keine grundgesetzliche Kompetenzgrundlage für eine Finanzierung von Fluthilfe durch den Bund

Auch wenn der Bund in der Vergangenheit bei Schadensereignissen großen Ausmaßes wie selbstverständlich Wiederaufbaumaßnahmen finanzierte, stand und steht seine Lastentragungskompetenz im Verhältnis zu den Ländern dabei auf wackligen Beinen. Das Konnexitätsprinzip in Art. 104a Abs. 1 GG verbietet für den Regelfall auch eine freiwillige Bundesfinanzierung bei gleichzeitiger Aufgabenwahrnehmung durch die Länder. Eine (ungeschriebene) Finanzierungskompetenz des Bundes kraft gesamtstaatlicher Repräsentationsbefugnis ist aus dogmatischen sowie inhaltlichen Gründen abzulehnen. Eine kurzfristige Finanzhilfe des Bundes kann im Bereich der Wiederaufbauhilfe nach Flutkatastrophen nur unter den sehr strengen Voraussetzungen des Art. 104b Abs. 1 S. 2 GG in Betracht kommen, wird aber in vielen Fällen bereits am Investitionsbegriff scheitern. Dies ist auch richtig, da Art. 104b GG sonst zu einem Nebenfinanzausgleich mutieren würde. Einer etwaigen Finanzschwäche der Länder im Zuge der Gewährung von Fluthilfe ist aber nicht durch eine ausufernde Finanzierunghilfe des Bundes, sondern mit dem hierfür vorgesehenen Mittel des bundesstaatlichen Finanzausgleichs nach Art. 106 Abs. 3 S. 3 und 4 sowie Abs. 4 GG zu begegnen (so mit Blick auf die Ablehnung ungeschriebener Finanzierungskompetenzen auch Tappe, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Werkstand: 12/2023, Art. 104a Rn. 211). Die tatsächlich gelebte Staatspraxis der Finanzierungsverteilung steht zur grundgesetzlichen Kompetenzverteilung daher nicht selten im Widerspruch. Dass es sich bei der Finanzverfassung nach Art. 104a ff. GG aber nicht um unverbindliches soft law handelt, sollte jedenfalls seit dem Urteil des Bundesverfassungsgereicht vom 15.11.2023 zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 verstanden worden sein. Der Bundespolitik sei deshalb in der aktuellen Hochwasserlage geraten, sich zunächst mit der eigenen Finanzierungsverantwortung für Flutkatastrophen auseinanderzusetzen statt über ein abermaliges Aussetzen der Schuldenbremse zu debattieren.