Der EuGH in H.C. Chavez-Vilchez: Abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus der Unionsbürgerschaft und die Bedeutung des Kindeswohls
Der EuGH hat durch seine Entscheidung vom 10. Mai 2017 in der Rechtssache H.C. Chavez-Vilchez u.a. erneut bekräftigt, dass Drittstaatsangehörige ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht aus Art. 20 AEUV (Unionsbürgerschaft) haben. Dabei konkretisierte der Gerichtshof die Kriterien für die Beurteilung der Frage, wann davon auszugehen ist, dass eine minderjährige Unionsbügerin gezwungen sei, das Unionsgebiet zu verlassen. Bei der Feststellung der Voraussetzungen sind sämtliche Umstände des Einzelfalles im Interesse des Kindeswohls zu berücksichtigen.
Die Feststellungen des EuGH in der Rechtssache Ruiz-Zambrano, wonach die Unionsbürgerschaft ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für Drittstaatsangehörige vermittelt, auch wenn kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, hatte nicht nur im migrationsrechtlichen Kontext für Brisanz gesorgt (siehe z.B. hier und hier). Vielmehr war die Entscheidung allgemein aufgrund ihrer revolutionären Feststellungen hinsichtlich des Unionsbürgerstatus Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung (ausführlich dazu hier und hier). Im Migrationssozialrecht wies der EuGH zuletzt auf die Grenzen der Unionsbürgerschaft hin: Der Unionsbürger sei kein Sozialbürger, sondern ein Marktbürger, so die Botschaft des EuGH simplifiziert. Diese Botschaft wurde mit dem Urteil in der Rechtssache H.C. Chavez-Vilches zwar nicht angetastet. Die aufenthaltsrechtvermittelnde Funktion der Unionsbürgerschaft im Migrationsrecht wurde jedoch bekräftigt.
Ausgangspunkt des Verfahrens: Acht Mütter gegen die Niederlande
Die acht Ausgangsverfahren betreffen die Frage, ob die Beschwerdeführerinnen – alle Drittstaatsangehörige mit einen oder mehreren minderjährigen Kinder, die Unionsbürger sind – Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die niederländischen Behörden haben dies mit der Begründung abgelehnt, dass die Beschwerdeführerinnen kein Aufenthaltsrecht hätten. Tatsächlich hatte keine der Beschwerdeführerinnen zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Aufenthaltserlaubnis in den Niederlanden. Daher kam es entscheidend darauf an, ob sich ein Aufenthaltsrecht aus dem Unionsrecht ergibt. Während bei der Beschwerdeführerin Chavez-Vilchez ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorlag, hatten in den anderen Fällen die Kinder die Niedelande zu keinem Zeitpunkt verlassen.
Die Einzelheiten hinsichtlich der elterlichen Sorge und der Beiträge zum Kindesunterhalt hätten kaum diverser sein können. Allen Fällen war im Grunde genommen nur gemein, dass die Väter niederländische Staatsangehörige sind. Auffällig sind die Unterschiede. Frau Chavez-Vilchez beispielsweise lebte zunächst in Deutschland mit dem Kindesvater, bis sie sich von dem Vater trennte und nun alleine mit ihrem Kind in den Niederlanden lebt. Der Kindesvater trägt weder zum Unterhalt noch zu der Erziehung des Kindes bei. In einem anderen Fall haben die Eltern das gemeinsame Sorgerecht, leben jedoch getrennt, ohne dass der Vater zum Unterhalt des Kindes beiträgt. Auch in einem weiteren Fall trägt der Vater zu dem Unterhalt des Kindes nicht bei. Darüber hinaus ist aber noch sein Wohnsitz unbekannt. In den übrigen Fällen hatten die Väter zum Teil mehrmals Kontakt zu den Kindern, trugen auch vereinzelt zum Unterhalt der Kinder bei, wollten aber regelmäßig keine tatsächliche und tägliche Sorge für die Kinder übernehmen.
Nun sollte der EuGH für all diese Fälle die Feststellung vornehmen, inwieweit sich aus dem Art. 20 AEUV ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Mütter aus der Unionsbürgerschaft ihrer minderjährigen Kinder ergibt. Insbesondere war zu klären die Relevanz der Tatsache, dass die Väter in den Niederlanden bzw. in der Union leben. Auch die Bedeutung des Umstands, dass ein Vater wirklich in der Lage sowie bereit ist, die tatsächliche und tägliche Sorge für die Kinder allein wahrzunehmen war zu klären. Nicht zuletzt waren prozessuale Fragen hinsichtlich der Beweislast Gegenstand des Verfahrens.
Das Recht auf Freizügigkeit ist langweilig
Soweit Unionsbürger_innen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, richtet sich das Aufenthaltsrecht der Drittstaatsangehörigen nach Art. 21 AEUV und RL 2004/38. Ist dies nicht der Fall, ist das abgeleitete Aufenthaltsrecht an Art. 20 AEUV zu messen. Im vorliegenden Fall kam das Vorliegen eines Aufenthaltsrechts aus Art. 21 Abs. 1 AEUV, RL 2004/38 nur für eine Beschwerdeführerin (Frau Chavez-Vilchez) in Betracht. Die Kinder aller anderen Beschwerdeführerinnen hatten zum Zeitpunkt der Antragstellung von ihrem Recht auf Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV keinen Gebrauch gemacht. Da die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen der RL 2004/38 EG Sache der mitgliedsstaatlichen Behörden ist und dieser Erteilungsgrund für die meisten Beschwerdeführerinnen nicht von Relevanz war, konzentriert sich der EuGH auf die Auslegung des Art. 20 AEUV.
Spannender ist, wenn die Ausnahme zum Grundsatz avanciert
Grundsätzlich werden Fragen des Aufenthaltsrechts durch das Sekundärrecht geregelt, so zunächst die unspektakuläre Klarstellung des Gerichtshofs. Nur in besonderen Konstellationen, d.h. immer dann, wenn der Anwendungsbereich des Sekundärrechts nicht eröffnet ist, richtet sich die Frage der Erteilung des Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV. Auch in solchen Fällen entscheiden grundsätzlich die Mitgliedstaaten über die Bedingungen von Einreise und Aufenthalt autonom, da Unionsrecht nicht unmittelbar anwendbar ist. Dennoch sind diese Fälle unionsrechtlich von Relevanz, wenn mit dem Unionsbürgerstatus verliehene Rechte tangiert werden. Durch „die etwaige Verpflichtung der Mütter, das Unionsgebiet zu verlassen, würde den Kindern damit der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen ihr Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt“, so der Gerichtshof seine Rechtsprechung aus Ruiz-Zambrano bestätigend (Rn. 65).
Zwar betont der EuGH stets, dass es sich um „ganz besondere Sachverhalte“ handele, in denen ein Rekurs auf Art. 20 AEUV geboten sei. Im Grunde aber ist die Möglichkeit der Erteilung eines Aufenthaltstitels aufgrund von Art. 20 AEUV über die Unionsbürgerschaft zum Regelfall avanciert, wenn kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Also, wenn ein Aufenthaltsrecht aus Art. 21 AEUV, RL 2004/38 EG nicht in Betracht kommt.
Ungeklärt sind jedoch die konkreten Kriterien für die Bestimmung, inwieweit die Verweigerung des Aufenthalts der Drittstaatsangehörige auch tatsächlich die Rechtsstellung der minderjährigen Unionsbürger_innen tangiert. Mit anderen Worten, wann das minderjährige Kind dem Zwang ausgesetzt ist das Unionsgebiet zu verlassen. Hierzu hatte der Gerichtshof bereits in der Rechtssache O und S erste Kriterien ausformuliert. Danach war von Bedeutung zum einen das Sorgerecht und zum anderen, ob die rechtliche, finanzielle oder affektive Sorge für das Kind durch den Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit ausgeübt wird.
Berücksichtigung des Kindeswohls ist ein wichtiger Gesichtspunkt
In der vorliegenden Rechtssache formuliert der Gerichtshof weitere Kriterien und präzisiert den Maßstab für die Prüfung, inwieweit die Möglichkeit den Kernbestand der Rechte aus der Unionsbürgerschaft tatsächlich wahrzunehmen beeinträchtigt wird. Entscheidend ist das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kind und dem Drittstaatsangehörigen Elternteil (Rn. 69 f.). Zuvor hatte der EuGH in der Rechtssache Dereci (dort Rn. 68 f.) festgestellt, dass das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe oder der Wunsch die Familiengemeinschaft im Gebiet der Union aufrechterhalten zu wollen nicht ausreichend seien. Zugleich sei zu beachten, ob eine andere Bewertung sich nicht aufgrund von Grundrechten ergeben könnte. Insbesondere wurde auf das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens (Art. 7 EU-GRC, Art. 8 EMRK) für die Beantwortung der Frage hingewiesen. Hierauf baut der EuGH im vorliegenden Fall auf und nimmt nunmehr Bezug auch auf Art. 24 Abs. 2 EU-GRC. Bei der Prüfung, welcher Elternteil die tatsächliche Sorge für das Kind wahrnimmt und ob es ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kind und dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit besteht, müssen die nationalen Behörden sowohl dem Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 7 EU-GRC) als auch dem Kindeswohl (Art. 24 Abs. 2 EU-GRC) Rechnung tragen (Rn. 70), so der EuGH.
Vor diesem Hintergrund schmettert das Luxemburger Gericht das Argument der niederländischen Regierung ab, dass der niederländische Elternteil möglicherweise in der Lage und bereit sein könnte, die tatsächliche und tägliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen. Der Gerichtshof bestätigt, dass dieser Umstand ein bedeutender Gesichtspunkt ist. Dieser sei aber allein für die Feststellung nicht ausreichend, ob ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Vielmehr müsse entsprechend des Rechts auf Achtung des Familienlebens und des Kindeswohls eine differenzierte Prüfung vorgenommen werden. Zu beachten sind sämtliche Umstände des Einzelfalls, um das Kindeswohl angemessen zu berücksichtigen. Diese Umstände sind vor allem das Alter des Kindes, seine körperliche und emotionale Entwicklung, der Grad seiner affektiven Bindung zu den beiden Elternteilen, sowie das Risiko, das mit der Trennung von dem drittstaatsangehörigen Elternteil für das innere Gleichgewicht des Kindes verbunden wäre (Rn. 71).
Wollte sich die nationale Behörde die Prüfung möglichst einfach ausgestalten und schematisch mit abstrakten Argumenten vorgehen, wie früher in den Fällen der Ausweisung, verdeutlicht der EuGH noch einmal, dass eine Komplexitätsreduktion dieser Art nicht funktioniert. Dies gilt vor allem dann, wenn Grundrechte betroffen sind.
Praktische Wirksamkeit des Unionsrechts darf nicht durch Beweisregeln aufgehoben werden
Der Gerichtshof trifft über diese materiell-rechtlichen Präzisierungen hinaus auch wichtige prozessuale Feststellungen. So argumentierte die niederländische Regierung, dass die Beweislast für die Feststellung eines Aufenthaltsrechts nach Art. 20 AEUV bei der Beschwerdeführerin liege. Das heißt, dass die Beschwerdeführerin den Nachweis führen müsse, dass der Elternteil mit Unionsbürgerschaft konkret nicht für das Kind sorgen könne und dass der_die minderjährige Unionsbürger_in von dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit in der Weise abhängig sei, dass er_sie bei der Ausreise der Mutter faktisch gezwungen sei, das Unionsgebiet zu verlassen. Der Gerichtshof weist diesen Argumentationsansatz zurück und beschränkt die Obliegenheit auf die Beibringung von relevanten Informationen, die für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus Art. 20 AEUV erforderlich ist. Die Behörde ihrerseits muss auf Grundlage der beigebrachten Informationen die erforderlichen Ermittlungen anstellen, um zu überprüfen, ob im Ergebnis der Elternteil mit Unionsbürgerschaft wirklich in der Lage und bereit ist, die tatsächliche und tägliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen. Ebenso besteht diese Pflicht hinsichtlich der Frage, ob zwischen dem Kind und dem Elternteil mit Drittstaatsangehörigkeit ein solches Abhängigkeitsverhältnis besteht, sodass die Versagung des Aufenthaltsrechts des Drittstaatsangehörigen auch die Ausreise der minderjährigen Unionsbürger_innen zur Folge hätte.
Insgesamt hat der EuGH bei einem abgeleiteten Aufenhaltsrecht von Drittstaatsangehörigen aus Art. 20 AEUV die Rechte des Kindes und des drittstaatsangehörigen Elternteils, die die tatsächliche und tägliche Sorge wahrnehmen, gestärkt und hat dort weitergemacht, wo er in der Rechtssache Dereci sowie O und S aufgehört hatte.
Wie zu erwarten war ein weiteres Scheunentor in die Sozialsysteme.
Der Krug geht solange zu Wasser bis er bricht!
Absicht? Absicht!!!
Peter Sutherland, UN-Migrationsbeauftragter lässt auch schön grüßen!
Wer denkt das es in Wirklichkeit um die Unterstützung der muselmanischen Vielweiberei geht könnte auch Recht haben.
EU-Bürger mit dem Koran als Gesetzbuch schwängert Nebenfrau im Heimatland lässt diese kurz vor der Geburt einfliegen und schon bezahlt der Staat den Unterhalt.
Das ganze mehrmals!
Hehe, mit dem Koran als Gesetzbuch kann man in Kufarland sogar mit Harem gut leben und “keinen Pfenig dazu bezahlt”!
Werter “Koranbegeisterter”,
bei Kommentaren wie dem Ihren fällt mir regelmäßig auf, dass es eine Korrelation zwischen der Ablehnung des Islam und der Ablehnung der Kommaregeln zu geben scheint. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe? Die entfernte Ähnlichkeit von Komma und Halbmond?
Herzlichst,
JLP
@ Jessica … Herrlich schön gegeben! Endlich mal lachen können! Allerdings, in einer Welt, die aus den Fugen gerät: Wie lange haben da Gesetze Bestand, die davon ausgehen müssen, dass diese Welt noch leidlich „fugendicht“ sei? Und wenn in diese Fugen, die wir habituell freundlich offen halten (weil wir unserer Stärke ja so gewiss sind), Verhaltensweisen eindringen, die mit dem Geist der Gesetze nichts am Hut haben, dann dürfte ein Gewöhnungseffekt eintreten, der zu einer umgekehrten Korrelation führt; der nämlich zwischen der Akzeptanz von Gesetzen (inkl. Kommaregeln, da ja auch nur von „Menschen“ gemacht) und dem Hinnehmen sich allfällig vergrößernder Fugenbreite.(Anschauungsmaterial für den Anfang:Berlin, Görlitzer Park, wo Geld, u.a. auch für den Dschihad verdient wird.) Als ich das baldige Ableben des realen Sozialismus für sehr wahrscheinlich gehalten hatte, galt ich bei meinen fast ausnahmslos linken Freunden als übergeschnappt. Ich fürchte, dass ich in Bezug auf das Ableben der Open Society durch das offene Herz für ihre kulturbedingten Gegner ganz und gar keine übergeschnappte Kassandra bin. Belege? Da wir schon beim Kindeswohl sind: Wie wäre es mit der Demographie? Die ist immerhin näher an der unbestechlichen Mathematik als an jedem Gesinnungsfach! Wenn das zu aufwändig sein sollte, dann genügt wohl auch schon das Grübeln über das überragende Wahlergebnis für Erdogan von Türken mit Doppelpass.
Hochinteressant. Und jetzt verraten Sie mir noch bitte, was Ihre Ausführungen mit dem obigen Blogbeitrag und/oder dem besprochenen EuGH-Urteil namens “Chavez-Vilchez” zu tun haben.
@ Jessica… Ich bezog mich mehr auf die Vorbehalte im ersten Kommentar. An dem Beitrag von Dr. Ibrahim Kanalan selbst ist ganz und gar nichts auszusetzen. Mir geht es um das Umfeld. Die Annahme ist wohl nicht übertrieben, dass die einschlägigen Gesetzesinterpretationen Blaupausen sein werden für Routinefälle im Zuge des sich abzeichnenden massiven Immigrationsdrucks, die ein anderes Gewicht haben dürften als die paar Fälle vermutlich aus Lateinamerika. Es dürfte delikat und spannend werden, wie man familienrechtlich mit Zuwanderern und deren Begehren auf Familiennachzug umgehen wird. Vielleicht wird man aber auch enttäuscht sein von den eingespielten Vereinfachungen, die nach dem Motto verfahren „Religion ist, welche sich als solche ausgibt, und Familie ist, wer sich bei der Behörde als solche deklariert.“ Polygamie, eigentlich „ Vielweiberei“, da nur Männern vorbehalten, und Unübersichtlichkeit der Kinderschar sind nun mal keine kulturelle Marotte, sondern haben ihren Ursprung ganz banal in der minderen Bodenqualität Afrikas und weiter Teile des Orients, die nur eine extensive Bewirtschaftung erlauben mit viel, viel Händen und noch „besser“ mit Sklaven. Der Koran ist also, marxistisch ausgedrückt, als „Überbauphänomen“ derartiger Produktionsverhältnisse geradezu genial. Völlig unökonomisch und heute ökologisch desaströs gelten in solchen archaisch-patriarchalischen Kulturen viele Frauen, Kinder und große Herden als Zeichen von Prestige. Die Bevölkerung Afrikas hat sich in der letzten halben Generation um 50 Prozent vermehrt! Der „Youth Bulge“ ist angesichts fehlender Erwerbsaussichten und verminderter Heiratschancen eine Zeitbombe (vgl. hierzu den „Kriegsindex“ von Gunnar Heinsohn) sowohl für die Herkunftsländer als auch für das notorisch in herzlicher Offenheit übersprudelnde Europa. Der säkulare Rechtsstaat (ja auch ein Überbauphänomen) kann die Garantie ihrer Voraussetzungen nicht erzwingen, ohne das Rechtsstaatsprinzip selbst massiv zu verletzen. Aber die Voraussetzungen werden dahinschwinden, denn mit dem demographischen Wandel läuft die Zeit für die, die mit unseren „Überbauphänomenen “ nichts am Hut haben, die nicht einmal „Liebe“ als Heiratsgrund in ihrem kulturellen Bestand integriert haben (was sich bei uns ja auch erst im 18. Jahrhundert allmählich durchgesetzt hatte). Die Hände der Jurisprudenz sind gebunden und sie könnte Auslegungen nicht verweigern, nur weil sie nur möglicherweise oder sogar höchstwahrscheinlich, mehr oder weniger direkt, den Weg zur Abschaffung rechtsstaatlicher Jurisprudenz ebnen könnten. Soviel Eventualis sollte sich in der herrschenden Meinung nicht durchsetzen, ist auch nicht zu befürchten, weil der Tenor doch wohl dahin geht, noch wenig bekannte Schlupflöcher zu öffnen (mit der Folge der Öffnung der „Fugen“). Und wer ist für allfällige politische und sozio-kulturelle Folgen haftbar zu machen? Keiner! Keines von den vermutlich wohlbehütet aufgewachsenen Wunderkindern, die ihre Karriere krönen mit letztgültigen, weitreichenden Entscheidungen für ganze Länder und halbe Erdteile.
Ja, verehrte Frau Jessica, meine Euphorie der Wendejahre ist verflogen, wo man annehmen durfte, die Durchsetzung der Menschenrechte sei ein Selbstläufer. Über die Demographie sind sie es evolutionär nun wirklich nicht. Und man fühlt sich erinnert an die bösen Worte unseres Präsidenten Milos Zeman (der sich den Thron in der Prager Burg ergaunert hat), der bemerkte, Vergewaltiger hätten nun immerhin einen evolutionären Vorteil. Ich sehe auch nicht, dass die große Politik mir in meinem vermutlich vorletzten Lebensjahrzehnt die Hoffnung geben wird, meinen Enkeln eine Gesellschaft zu hinterlassen, die sie mit den Mitteln kontrollieren könnte, die wir ihnen beigebracht haben, die mehr mit Habermas als mit Mohamed zu tun haben.
Ach ja, die Politik! Ich zitiere aus dem Buch der beiden britischen Forscher A. Betts und P. Collier, „Gestrandet – Warum unsere Flüchtlingspolitik allen schadet …“: „Politiker und Medien konzentrieren sich auf die zehn Prozent Flüchtlinge, die die entwickelten Länder zu erreichen suchen, und verlieren dabei das Schicksal der restlichen 90 Prozent aus den Augen.“ So gebe Deutschland für jeden Flüchtling hierzulande hundertmal mehr aus, als der UNO für die entsprechende Versorgung zur Verfügung stehe. Schweden habe die Entwicklungshilfe halbiert, um die Kosten für Asylanten zu decken: „Im Grunde zahlten also Millionen sehr armer Menschen auf der ganzen Welt für die Sozialleistungen auf skandinavischem Niveau, die den Tausenden zugutekamen, die das Glück hatten, Schweden zu erreichen.“
Also, dann viel Spaß an Pfingsten, dem Fest der Feuerzungen. Und much Enlightenment, vor allem denen, die keine Kuffars sind.
Das habe ich nicht ganz verstanden. Könnten Sie es bitte noch einmal etwas ausführlicher erläutern?