02 November 2023

Die Anstalt bin ich – nicht mehr

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) kommt seit über einem Jahr nicht zur Ruhe. Nun soll sein Staatsvertrag (im Folgenden: rbb-StV) im Zeichen der Schlesinger-Affäre novelliert, die Macht der Intendantin zugunsten diversifizierter Entscheidungsmodi beschnitten und ein Zeichen für Kontrolle, Transparenz und Regionalität gesetzt werden. Einige der mit dem Änderungsvorschlag des rbb-StV verbundenen Umgestaltungen der inneren Ordnung der Anstalt wurden in der medialen Öffentlichkeit kritisiert und in einem Kurzgutachten Joachim Wielands für verfassungswidrig befunden. Nach unserer Ansicht erscheint insbesondere die Verfassungskonformität der vorgesehenen zeitlichen Mindestvorgaben für die regionale Berichterstattung äußerst fraglich, an anderen Stellen handelt es sich jedenfalls rundfunkpolitisch nicht um einen großen Wurf für die Zukunft.

Was bisher geschah

Allzu lange ist sie noch nicht her, die Causa um die damalige rbb-Intendantin Schlesinger, der 2022 vorgeworfen wurde, nach Gutsherrinnenart zu schalten und zu walten. Die Affäre drehte sich unter anderem um unrechtmäßig abgerechnete Privatreisen und Spesen, verschwenderische Luxusanschaffungen und überhöhte Beraterverträge, schließlich führte sie zur fristlosen Entlassung Schlesingers. Zur Ruhe gekommen ist die Rundfunkanstalt seither nicht. Eine millionenschwere Kanzleimandatierung und eine umstrittene Intendantinnenwahl (mitsamt eigens umstrittenem Rechtsgutachten) später sieht sich die Rundfunkanstalt nun der gesetzgeberischen Nachjustierung ihres Rechtsrahmens, des rbb-StV, ausgesetzt. Und wieder bebt es in der Masurenallee in Berlin, wo Intendanz und Rundfunkrat den Staatskanzleien vorwerfen, mit ihren angedachten Rechtsänderungen über das Ziel hinauszuschießen und die Schlesinger-Affäre für einen allzu beherzten Zugriff auf Selbstverwaltungsgarantie und Programmautonomie des rbb ausnutzen zu wollen.

Die geplante Novellierung des rbb-StV

Am Freitag sollen nun die Landesregierungen Berlins und Brandenburg eine Änderung des rbb-Staatsvertrags (im Folgenden: rbb-StV-E) beschließen, zu der der rbb eine Synopse vom 22. September 2023 veröffentlicht hat. Der Entwurf steht ganz im Zeichen des letzten Jahres und könnte auch als Lex Schlesinger bezeichnet werden. Gegenüber dem bislang geltenden rbb-StV soll die Machtfülle der Intendanz über zunehmend dezentralisierte Entscheidungsstrukturen beschnitten, ein Direktorium eingerichtet und auch die Kompetenzen von Rundfunkrat und Verwaltungsrat erhöht werden. Im Übrigen liegt der rbb-StV-E mit seinen gesteigerten Transparenz- und Compliancevorgaben auf einer Linie mit dem 4. MÄStV. Alle Änderungsvorschläge en détail zu kommentieren lässt das Format eines Blogbeitrags nicht zu, stattdessen sollen hier jene Aspekte herausgegriffen werden, mit denen der medial erhobene Vorwurf des staatlichen Programmzugriffs verbunden ist.

Anstaltsumgestaltung als besondere Form der Ausgestaltungsgesetzgebung

Der rbb-StV-E dreht an mehreren Stellschrauben, um die Anstaltsstruktur des rbb abzuflachen, die Positionen des Rundfunkrats und Verwaltungsrats zu stärken und die Intendanz in ein dreiköpfiges Direktorium einzubetten. Das Organisationsgefüge des rbb würde sich damit von dem der meisten anderen Landesrundfunkanstalten abheben und, insbesondere in Programmfragen verglichen mit einem klassischen Intendantenmodell, diffizileren Entscheidungsmodi offenstehen. All dies hat sich an der vom BVerfG entwickelten Dogmatik der Ausgestaltungsgesetzgebung im Rundfunkrecht zu messen. Ausgehend von dem Gedanken, dass das mediale System einer positiven Ordnung bedarf, um ihre im Allgemeininteresse liegende Funktionsfähigkeit einer vielfältigen Meinungslandschaft aufrechtzuerhalten, legt das Gericht den Ländern einen final gesteuerten Gesetzgebungsauftrag auf, billigt ihnen hierbei aber einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Das galt im Ausgangspunkt für die erstmalige Schaffung der Rundfunkanstalten wie es nun auch für die Umgestaltung derselben gilt.

Heutige Rundfunkgesetzgebung startet nur noch zu wenigen Aspekten Tabula rasa, meistens trifft sie bei den zu regelnden Fragen frühere Ausgestaltungen an, hat sich zu diesen in Verhältnis zu setzen und diese zu modifizieren. Der verfassungsrechtlichen Würdigung steht damit auch der Vergleich zwischen bisheriger und neuer Organisationsstruktur offen, wobei nach einer bereits etwas zurückliegenden Judikatur der Rundfunkfreiheit durch die Neugestaltung besser oder zumindest gleichwertig gedient sein müsse (BVerfGE 74, 297 (334); Hoffmann-Riem, AK-GG, 2001, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 158). Wenn diese Vorgabe auch nicht in den Kanon ständig rezipierter Maßstäbe aufgenommen wurde und in latentem Konflikt zu fortschrittsgeneigten Ausgestaltungsspielräumen der Legislative steht, vergegenwärtigt sie doch mindestens die Plausibilisierungsobliegenheiten der Rundfunkgesetzgebung, einen geeigneten Neuversuch zur Erreichung der Ziele des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu unternehmen.

Vom Anstaltsauftrag regionenbezogener Berichterstattung zu positiven Zeitvorgaben

Der rbb hat gem. § 3 Abs. 2 rbb-StV den gesetzlichen Auftrag, in seinen Angeboten einen objektiven und umfassenden Überblick über das länder- und regionenbezogene Geschehen in allen wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen zu geben. In Konkretisierung des länder- und regionenbezogenen Auftrags fordert § 4 Abs. 2 Nr. 1 rbb-StV derzeit jeweils ein Landesfernsehprogramm für Berlin und Brandenburg mit regionalen Auseinanderschaltungen. Mit welchen Formaten und in welchem Umfang dem nachgekommen wird, steht dem rbb als Ausprägung seiner aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG fließenden Programmautonomie grundsätzlich frei. Das BVerfG hat dazu ausgeführt, dass die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms den Rundfunkanstalten zusteht und dies grundsätzlich auch die Entscheidung über die benötigte Zeit und damit auch über Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme einschließt (BVerfGE 119, 181 (218 f.); 158, 389 Rn. 84).

Nunmehr sollen die Vorgaben für die regionalen Auseinanderschaltungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 rbb-StV-E dahingehend intensiviert werden, dass dafür „mindestens 60 Minuten des täglichen Gesamtprogramms zur gesonderten Darstellung jedes Landes“ vorgesehen werden. Solche über den Anstaltsauftrag hinausreichenden zeitlichen Mindestvorgaben für bestimmte Inhalte stellen – soweit ersichtlich – ein rundfunkrechtliches Novum dar (vgl. die regelmäßig werbebezogenen Obergrenzen  in § 9 Abs. 3, § 14 Abs. 4 S. 3, § 39 Abs. 1, 3, 5 MStV, § 3a Abs. 1 hr-G, § 6a S. 2 WDR-G, § 10 Abs. 3 S. 3 MDR-G, Untergrenzen für privaten Rundfunk finden sich in § 65 Abs. 2, § 71 Abs. 1 MStV). Zwar kennt das Rundfunkrecht seit jeher positive Inhaltsvorgaben, etwa in Form von Verpflichtungen zur Ausstrahlung von Gegendarstellungen, Wahlwerbesendungen oder regierungsamtlichen Krisenmeldungen, diese sind aber allesamt gerade dem eigenverantworteten Rundfunkprogramm enthobene und als solche für die Rezipienten sichtbare Ausnahmen. Das BVerfG hat sich bislang erst zum quasi umgekehrten Fall dahingehend geäußert, dass gesetzliche Programmbegrenzungen nicht per se untersagt sind (BVerfGE 90, 60 (92); 119, 181 (219)). Das autonomieschmälernde Potenzial, das damit einhergeht, den Anstaltsauftrag durch konkrete tägliche Mindestzeitvorgaben vorzugeben, sollte indes nicht unterschätzt werden und kann nicht einfach mit negativen Programmausnahmen gleichgesetzt werden. Es spricht daher viel dafür, dass es dem Rundfunkveranstalter obliegt, nach journalistischen Kriterien zu entscheiden, was zu welcher Zeit veröffentlichungswürdig ist und was nicht. Die Gesetzgebung darf die Entscheidungskriterien dann durch Zielvorgaben vorprägen, die Entscheidung aber nicht selbst treffen. Bedenkt man zudem, dass die regionenbezogene Berichterstattung wahrlich nicht zu den zahlreichen Aspekten zählte, in denen dem rbb akutes Versagen vorgeworfen wurde, erstaunt der Gesetzgebungsvorschlag umso mehr.

Mittelbarer Staatseinfluss über den Rundfunkrat auf die Landesprogrammverantwortlichen?

Ebenso großen Anstoß nimmt der rbb an einer mit der eben besprochenen Programmvorgabe verbundenen organisatorischen Veränderung. Ein neuer § 4 Abs. 4 rbb-StV-E sieht vor, dass zwei vom Rundfunkrat gewählte Personen jeweils das Landesangebot von Berlin und Brandenburg leiten, wobei diese Landesangebote aus den eben genannten regionalen Auseinanderschaltungen im Landesfernsehprogramm, regionalen Hörfunkprogrammen und landesspezifischen Telemedien bestehen sollen. Damit wird die Rolle des Rundfunkrats modifiziert und die Programmverantwortung der Intendanz geschmälert. Die Hauptkritik entlädt sich an dem Umstand, dass die Programmgestaltenden nicht in einem Besetzungsverfahren durch die Intendanz, sondern vom Rundfunkrat als einem bislang allein mit Aufsichtsaufgaben betrauten Gremium berufen werden, insoweit auch dem Einfluss staatsnaher Vertreter:innen unterliegen und die Programmgestaltung insgesamt vom Willen unterschiedlicher Entscheidungsträger abhängig wird (Demmer, S. 9).

Was die Rolle des Rundfunkrats anbelangt, wäre diese Kompetenzerweiterung in der Tat nicht Ausdruck seiner Aufsichtsfunktion. Allerdings existiert kein Verfassungsgrundsatz, dass sich der Rundfunkrat strikt auf Aufsichtskompetenzen zu beschränken hat. Zur Ausgestaltungsaufgabe des Gesetzgebers gehört eben auch, den Rundfunkanstalten „Gestalt zu geben“: „Entsprechend regeln die gesetzgebenden Körperschaften der Länder die Organisation für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, bestimmen, nach welchen Grundsätzen welche Personen zusammenwirken, und legen fest, wer das Programm wie inhaltlich gestalten kann, welche Programmgrundsätze gelten und wie hierbei Pluralität zu sichern ist“ (BVerfGE 136, 9 (34) mwN). Man wird nicht vorschnell sagen können, dass die vorliegend intendierte Verteilung der Programmgestaltung auf mehreren Schultern innerhalb des rbb an den Anliegen des Rundfunkverfassungsrechts im Hinblick auf die für zwei Bundesländer zuständige Rundfunkanstalt prinzipiell vorbeiläuft.

Die rbb-Intendanz hat zwar im Ansatz einen Punkt, wenn sie sich auf die zu Radio Bremen ergangene Kammerentscheidung des BVerfG bezieht, wonach die Organisationsstruktur nicht zur staatlichen Einflussnahme auf die publizistische Tätigkeit verwendet werden darf und sich dieses Verbot über das Rundfunkprogramm auch auf die programmverantwortlichen und -gestaltenden Personen erstreckt (BVerfG, 1 BvR 1946/98 Rn. 35). Eine solche Einflussnahme liegt, legt man die Maßstäbe aus der BVerfG-Entscheidung zum ZDF-Fernsehrat zugrunde, aber nicht vor. Hiernach darf der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen (BVerfGE 136, 9 (37)).

Nach § 14 Abs. 1 Nr. 26 rbb-StV-E wären indes vom Landtag Brandenburg und dem Abgeordnetenhaus von Berlin insgesamt lediglich sieben Persönlichkeiten auf Vorschlag der Fraktionen zu wählen, die nicht dem jeweiligen Parlament anzugehören brauchen (also Parlamentarier sein dürfen). Geht man von sieben staatlichen bzw. staatsnahen Vertretern bei einer Mitgliederzahl des Rundfunkrats von 33 aus, läge deren Anteil bei nur 21,21%. Die durch die Integrationsbeauftragten Berlins und Brandenburgs zu bestimmende Person mit Migrationsgeschichte (Nr. 21) ist teleologisch nicht als staatsnah zu bewerten und änderte andernfalls nichts an der Verfassungskonformität.

Zwar sprach das BVerfG, als es die Quote bestimmte, von Aufsichtsgremien, es zog argumentativ aber gerade deren Einflussmöglichkeiten auf die Programmgestaltung heran, die sich für den Fernseh- bzw. Rundfunkrat aus der programmbezogenen Kontrollfunktion, für den Verwaltungsrat aus den Haushaltskompetenzen und den Mitbestimmungsbefugnissen bei der Besetzung von Führungsstellen ergab (BVerfGE 136, 9 (39)). Dass aufgrund der rbb-Landesprogrammverantwortlichen nunmehr eine andere Quote heranzuziehen ist, müsste eigens begründet werden und liegt jedenfalls nicht auf der Hand. Nach § 4 Abs. 4 S. 3 rbb-StV-E sind die beiden Landesprogrammverantwortlichen jeweils der (ebenfalls neu zu schaffenden) Direktorin für den Bereich Programm direkt unterstellt. Auch bei dem mit dem rbb-StV-E gewählten Direktoriumsmodell hat der Rundfunkrat an keiner Stelle unmittelbaren Einfluss auf die Programmgestaltung. Ein Direktions- oder anderweitiges Zugriffsrecht auf die programmverantwortlichen Personen kommt ihm nicht zu. Die Intendantin darf ihre gewünschten Direktorinnen vorschlagen, der Rundfunkrat übt sodann lediglich mittelbar Macht durch die Wahl derselben, § 13 Abs. 2 Nr. 2 rbb-StV-E, und die Zustimmung zu einer von der Intendantin gewünschten Abberufung derselben aus, § 13 Abs. 3 Nr. 2 rbb-StV-E.

Einführung des „Direktorium“

Wie bereits angeklungen, soll mit dem rbb-StV-E ein neues Organ, das Direktorium, aus der Taufe gehoben und die bislang bei der Intendanz als Einzelspitze konzentrierte Anstaltsleitung verbreitert werden, § 12 Abs. 1 Nr. 4, § 23 Abs. 3 rrb-StV-E. Die Konzeption ist ersichtlich am Direktoriumsmodell des § 19 Radio-Bremen-Gesetz angelehnt. Sie weicht indes insoweit von diesem ab, als in Bremen den Direktorinnen kein spezifischer Geschäftsbereich gesetzlich vorgegeben wird, während Berlin-Brandenburg für die beiden Direktorinnen den „Bereich Programm“ sowie „Verwaltung und Technik“, § 23 Abs. 1 S. 1 vorsieht. Die Programmdirektorin soll durch den Fernsehrat (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 rbb-StV-E), die Verwaltungs- und Technikdirektorin durch den Verwaltungsrat gewählt werden (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 rbb-StV-E).

Die Spiegelung der Direktorinnenbereiche in den Zuständigkeitsbereichen von Rundfunkrat und Fernsehrat erinnert an die in repräsentativen Demokratien übliche Spiegelung der Parlamentsausschüsse in den Zuschnitten der Ministerien. Sie ermöglicht konzentrierte Kontrolle und beständigere Gesprächskanäle, ist insofern also konzeptionell jedenfalls nicht unplausibel. Ob das Modell allerdings den Realitätscheck bestehen, oder sich als (zu) schwerfällig erweisen wird, insbesondere weil in Programmfragen fortan mit Intendantin, Programmdirektorin und Landesangebotsverantwortlichem drei Personen mitmischen werden wollen, ist nicht leicht zu beantworten.

Das Verhältnis zwischen Intendantin und Direktorinnen in § 23 Abs. 1 S. 3 rbb-StV-E (ebenso in § 19 Abs. 4 Radio-Bremen-Gesetz), wonach die Intendantin die Gesamtverantwortung trägt, während die Direktorinnen ihre Geschäftsbereiche selbständig und in eigener Verantwortung leiten, ist sprachlich eng an die Staatsleitungsnorm des Art. 65 S. 1, 2 GG angelehnt und erinnert an das Nebeneinander von Richtlinienkompetenz und Ressortverantwortung. Für „Angelegenheiten, die mehrere Geschäftsbereiche berühren“ soll nach § 23 Abs. 3 S. 3 rbb-StV-E auf Antrag einer Direktorin das Direktorium – wohlgemerkt wiederum „unter Beachtung der Gesamtverantwortung der Intendantin“ –zuständig sein. Ob damit nun „das letzte“ Wort, parallel zu Art. 65 S. 3 GG, dem Direktorium überantwortet sein soll, hätte man klarer formulieren können und sollen. Insoweit wäre rechtspolitisch wünschenswert, dass die Staatskanzleien die Karten auf den Tisch legen und sich mit einer weiteren Regelung festlegen, wie ernst sie es mit ihrem Direktoriumsmodell meinen. Andernfalls dürfte die Entscheidungsfähigkeit in den oberen Etagen vom Geschick und der Durchsetzungsfähigkeit einzelner Charaktere abhängen; das kann gut gehen, muss es aber nicht. Das Intendant:innen-Prinzip mag verfassungsrechtlich nicht vorgegeben sein, sollte aber nur aufgegeben werden, wenn man eine Konstruktion mit ebenso klarer Aufgaben- und Verantwortungsverteilung vorlegen kann.

Beschränkung auf zweimalige Wiederwahl der Intendanz § 22 Abs. 1 S. 4 rbb-StV-E

Einem Jahrzehnte währenden Leitungsstil soll ferner die Beschränkung der Amtszeit der Intendantin auf zwei Wiederwahlen nach § 22 Abs. 1 S. 4 rbb-StV-E entgegenwirken. Von der rbb-Intendanz als willkürlich und wettbewerbsbehindernd kritisiert (Demmer, S. 22), handelt es sich der Sache nach um eine plausible und nicht besonders scharfe Regelung, die immerhin noch eine drei mal fünf Jahre andauernde, also fünfzehnjährige (!) Zeit als Intendantin ermöglicht. Personelle Kontinuität auf diese Weise zu beschränken ist ein naheliegendes Mittel, um der übermäßigen Machtstellung einzelner Personen entgegenzuwirken. Sie wurde entsprechend etwa für den Bundespräsidenten (Art. 54 Abs. 2 GG: einmalige Wiederwahl, insg. also 10 Jahre) im Unterschied zum Reichspräsidenten unter der WRV vorgesehen. Um Unabhängigkeit zu fördern und Versteinerungen der Rechtsprechungspraxis vorzubeugen ist etwa für Bundesverfassungsrichter eine Wiederwahl nach ihrer zwölfjährigen Amtszeit (§ 2 Abs. 2 BVerfGG), für EGMR-Richter nach neunjähriger Amtszeit (Art. 23 Abs. 1 ERMK) ausgeschlossen.

Werden Amtszeiten und Maximalwiederholungen normativ gesetzt, haftet dem immer etwas Dezisionistisches an. Die Zeiträume müssen funktionsgerecht gewählt sein, für eine zweimalige Wiederwahl geht der Willkürvorwurf jedenfalls in Leere. Ein Blick ins föderale Medienrecht zeigt auch, dass die Staatskanzleien in Berlin und Brandenburg hier nicht als erste kreativ wurden. Eine zweimalige Wiederwahl ist für die Intendanz bereits in § 29 Abs. 1 S. 3 NDR-StV vorgesehen (dort können auch Verwaltungsratsmitglieder nur einmalig wiedergewählt werden, § 19 Abs. 5 S. 2 NDR-StV).

Steigerung der publizistischen Macht des Verwaltungsrats

Jede Politikerin weiß, dass Haushaltsfragen auch Fragen der Sachpolitik sind. Wo kein Geld, da kein Programm (vgl. BVerfGE 90, 60 (102)). Entsprechend interpretiert das BVerfG auch die Trennung zwischen allgemeiner Rundfunkgesetzgebung und Rundfunkfinanzierungsgesetzgebung als Schutzmechanismus vor mittelbarer Einflussnahme auf den Programminhalt (BVerfGE 119, 181 (220)). Vor diesem Hintergrund ist die Rolle des Verwaltungsrats, so dröge sie manchem auf den ersten Blick erscheinen mag, von höchster Relevanz für Wohl und Wehe einer Rundfunkanstalt. Hier setzt der angedachte § 18 Abs. 6 rbb-StV-E an, nach welchem der Verwaltungsrat nunmehr bei der Bedarfsanmeldung bei der KEF nach § 1 RFinStV frühzeitig beteiligt werden soll. Sie bildet ein weiteres Beispiel für die rollenverwischenden Tendenzen des rbb-StV-E, dessen Neuordnung der Organisationsstruktur des rbb noch nicht zu Ende gedacht scheint.

Fazit

Ernste verfassungsrechtliche Bedenken rufen die täglichen Mindestdarstellungszeiten nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 rbb-StV-E hervor. Im Übrigen erscheinen die Rollen und Verantwortlichkeiten noch nicht sauber herausgearbeitet. Dass sich der Entwurf bemüht, Vergangenheit aufzuarbeiten anstatt Zukunftsfragen zu adressieren ist verständlich, aber bedauerlich. Das Lieblingsthema der Politik, die Vergütungsstruktur der Anstalten, haben wir hier nicht weiter geprüft. Zu erinnern ist aber daran, dass die öffentlich-rechtliche Säule im dualen Rundfunksystem in publizistischer Konkurrenz zur privaten Säule steht und dafür auch auf dem Personalmarkt wettbewerbsfähig sein muss. Wenn die Politik das Thema skandalisiert, vorgeblich um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erhöhen, kann sie die Akzeptanz des Systems im Ergebnis gefährden.


SUGGESTED CITATION  Mast, Tobias; Schulz, Wolfgang: Die Anstalt bin ich – nicht mehr, VerfBlog, 2023/11/02, https://verfassungsblog.de/die-anstalt-bin-ich-nicht-mehr/, DOI: 10.59704/66306cd24ed15d54.

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