Die doppelte Büchse der Pandora
Einführung der erweiterten DNA-Analyse
In der vergangenen Woche hat der Bundestag verschiedene Änderungen des Strafverfahrensrechts beschlossen – darunter auch eine Erweiterung der DNA-Analyse auf äußere Merkmale durch einen neuen § 81e Abs. 2 S. 2 StPO. Künftig sollen anhand einer DNA-Spur von einer unbekannten Person nicht mehr nur das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der spurenverursachenden Person bestimmt werden dürfen, sondern auch die Farbe von Haut, Haaren und Augen sowie das Alter. Was der bayerischen Polizei bereits durch das dortige Polizeiaufgabengesetz gestattet ist, wäre damit auch den Strafverfolgungsbehörden in der gesamten Republik zum Zwecke der Strafverfolgung erlaubt.
Von Nutzen und Kosten
Die umstrittene Erweiterung bringt für die Ermittler*innen in Strafsachen gewisse Erleichterungen mit sich – deren Relevanz aber durchaus überschaubar ist: Sie betrifft nur Fälle, in denen zwar eine DNA-Spur vorhanden ist, die spurenlegende Person aber unbekannt und nicht auf anderem Wege zu ermitteln ist. In diesen Konstellationen sollen nun bestimmte äußere Merkmale anhand der DNA festgestellt werden können, um so die Suche nach dem/der Spurenverursacher*in einfacher zu machen.
Der Preis für diese Erleichterung ist erheblich: Für die Feststellung der äußeren Merkmale analysieren die Strafverfolgungsbehörden in erheblich größerem Umfang als bisher auch den codierenden Teil der DNA, der eine Vielzahl höchstpersönlicher Informationen über den/die Spurenverursacher*in enthält. Der Eingriff in diesem hochsensiblen Bereich ist nicht mehr auf eine Feststellung des Geschlechts beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf die konkreten inhaltlichen Merkmale Haar-, Augen- und Hautfarbe sowie das Alter. Welche weitergehenden Aussagen über höchstpersönliche Eigenschaften und Merkmale einer Person sich aufgrund dieser vorgesehenen Analysen angesichts des technischen Fortschritts in der Zukunft machen lassen werden, ist heute nicht abzusehen. Angesichts dessen bedeutet die Analyse einen erheblichen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, was im Verfassungsblog bereits an anderer Stelle eingehend problematisiert worden ist (anders BT-Drs. 19/14747, S. 27).
Stand der Technik und Diskriminierung
Hinter der Technik der erweiterten DNA-Analyse steht eine hochkomplexe Wissenschaft, die sich äußerst dynamisch entwickelt und in vielerlei Hinsicht erst am Anfang steht. Nicht anders als andere Formen der Spurenauswertung liefert diese Technik keine absoluten Ergebnisse, sondern Wahrscheinlichkeitsaussagen und weist gewisse Fehlerquoten auf. Dies birgt zum einen die Gefahr, dass strafprozessuale Ermittlungen in die falsche Richtung geleitet werden. Verlassen sich Beamt*innen zu sehr auf die Ergebnisse solcher Untersuchungen, obgleich es sich nur um Wahrscheinlichkeitsaussagen handelt, geraten andere Ermittlungsansätze schnell in den Hintergrund (zu solchen Mechanismen Singelnstein, StV 2016, 830).
Zum anderen wohnt der Technik ein erhebliches Potenzial für Diskriminierungen inne – denn ihre Zuverlässigkeit variiert mit den äußerlichen Merkmalen, die bestimmt werden (s. auch BT-Drs. 19/14747, S. 27). Bei der in diesem Kontext besonders bedeutsamen Hautfarbe liefert die Technik aussagekräftige und belastbare Ergebnisse bei sehr hellen und sehr dunklen Hauttypen. Hier liegen die Wahrscheinlichkeitsaussagen deutlich über 90 %. Sehr viel geringere Werte werden hingegen bei gemischten Pigmentierungen erreicht, die in Deutschland besonders häufig sind. Vergleichbares gilt für Augen- und Haarfarbe.
Die vom Bundestag beschlossene Befugnis hilft Ermittler*innen also vor allem dann, wenn Spurenverursachende eine sehr helle oder sehr dunkle Hautfarbe haben – und führt damit zu einer strukturellen Benachteiligung dieser beiden Gruppen. In der polizeilichen Praxis und in der öffentlichen Debatte wird sich diese Benachteiligung für People of Color (PoC) grundlegend anders auswirken als für Weiße mit blonden Haaren. Zum einen sind beide Gruppen in der deutschen Gesellschaft in sehr unterschiedlichem Maße vertreten, sodass sich die Bestimmung der Hautfarbe in sehr unterschiedlichem Maße als Ermittlungsansatz eignet. Zum anderen bedient die Feststellung einer dunklen Hautfarbe rassistische Einstellungen und wird vor allem im öffentlichen Diskurs grundlegend anders wahrgenommen. Die Situation ist also mit der Debatte um die Änderung von Ziffer 12 des Pressekodex vergleichbar (Nennung der Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft von Tatverdächtigen bei Straftaten).
Dies macht zugleich deutlich, dass die Argumentation der Gesetzesbegründung – die Bestimmung der Hautfarbe sei im Prinzip nichts anderes als die Aussage eines Zeugen, die ja auch über das Aussehen einer Person Auskunft gebe (BT-Drs. 19/14747, S. 27 f.) – nicht zu überzeugen vermag. Erstens können Zeug*innen – wenngleich auch hier ein bias zu berücksichtigen ist – nicht nur über Menschen mir sehr hellen und sehr dunklen Hautfarben mehr oder weniger zuverlässig Auskunft geben. Und zweitens sagen Zeug*innen eben nicht nur über die Hautfarbe aus, sondern zeichnen ein vielseitigeres Bild mit dem Ergebnis, dass sich in den Ermittlungen kein derart extremer Fokus auf die Hautfarbe ergibt, wie dies bei der erweiterten DNA-Analyse der Fall ist.
Das Spiel der AfD
Die beschlossene Befugnis der erweiterten DNA-Analyse hat somit das Potential, zu erheblichen Diskriminierungseffekten zu führen, wenn weitergehende Ermittlungen sich gegen Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen richten oder der öffentliche Diskurs entsprechende Ermittlungen aufgreift. Je nachdem wie die Befugnis in der Praxis umgesetzt wird und wie sich der dem zugrunde liegende Stand der Forschung weiterentwickelt, kann sich die Befugnis zu einer Form von institutionellem oder strukturellem Rassismus entwickeln.
Unabhängig davon spielt der Gesetzgeber mit der Einführung der Befugnis das Spiel der AfD. Ein zentrales Bemühen der extremen Rechten besteht seit Jahren darin, Migration und Herkunft mit Kriminalität zu verknüpfen. Wie weit diese völkische, rassistische Strategie bereits gediehen ist, lässt sich praktisch täglich im öffentlichen Diskurs besichtigen. Zwar wird die kriminologische Fachwelt nicht müde darzulegen und zu begründen, dass Kriminalitätsaufkommen nichts mit Staatsangehörigkeit, Herkunft oder Hautfarbe zu tun hat, dass diese Verbindung mehr verwirrt als erklärt. Die öffentliche Debatte über Kriminalität aber ist in deutlichem Maße von Rassismus geprägt. Dem muss sich eigentlich entgegenstellen, wer sich den Werten des Grundgesetzes und insbesondere Art. 3 Abs. 3 GG verpflichtet fühlt. Die Einführung einer Befugnis, die Hautfarbe von potentiellen Tatverdächtigen zu ermitteln, sendet freilich ein anderes Signal aus.
So ganz geheuer war dem Gesetzgeber die neue Befugnis dann wohl auch selbst nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es, die Maßnahme sei zwar „an sich nichtdiskriminierend“ (BT-Drs. 19/14747, S. 28). Im Fall „der möglichen Zuordnung der Spur zu Angehörigen einer Minderheit“ dürfe es aber bei den weiteren Ermittlungen „nicht zu einem Missbrauch dieses Umstandes im Sinne rassistischer Stimmungsmache oder Hetze kommen“ (BT-Drs. 19/14747, S. 28). Was das genau bedeutet und was konkret dagegen unternommen werden könnte oder sollte, verrät die Gesetzesbegründung trotz dieser Einsicht in die Problematik dann aber nicht.
Damit bleibt es also Polizei und Staatsanwaltschaft überlassen, bei entsprechenden Befunden aus der Ermittlungsmaßnahme sensibel und zurückhaltend zu agieren. Dies gilt sowohl für Ermittlungen gegenüber Angehörigen der jeweiligen Gruppe, als auch für Ermittlungsmaßnahmen, bei denen Dritte bzw. die Öffentlichkeit Kenntnis von den Befunden erlangen. Inwieweit hier in der Praxis ein professionelles Vorgehen stattfindet, wird sich zeigen.
Schluss
Zusammenfassend besehen öffnet der Gesetzgeber mit der Einführung der erweiterten DNA-Analyse gleich zwei Büchsen der Pandora. Zum einen bedeutet der erweiterte Zugriff auf den codierenden Teil der DNA erhebliche Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, deren Intensität von heute aus betrachtet schwer abzusehen sind. Zum anderen birgt die geplante Befugnis in § 81e Abs. 2 S. 2 StPO die Gefahr, Diskriminierung und Rassismus Vorschub zu leisten – sei es durch Ermittlungen gegenüber Angehörigen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen, sei es durch die Auswirkungen dessen auf den gesellschaftlichen Diskurs über Kriminalität. Demgegenüber fällt der Nutzen der erweiterten Befugnis derart bescheiden aus, dass man sich fragen muss, warum der Gesetzgeber sie eingeführt hat.
Sehr geehrter Herr Singelnstein,
schon hier und jetzt wird nicht gleichermaßen gegen verschiedene gesellschaftliche Gruppen ermittelt, sondern aufgrund der polizeilichen Erfahrung mit diesen Gruppen die Ermittlungsarbeit erstaunlich weitgehend auf bestimmmte Gruppen konzentriert. Das hat wenig mit Diskriminierung, sondern viel mehr mit der praktischen Realität zu tun, in der nicht alle Gruppen gleichermaßen auffällig sind. Den es stimmt einfach nicht, dass die Herkunft keinerlei Auswirkungen auf das Kriminalitätsaufkommen hat, sie ist einer von mehreren Faktoren, unter diesen aber durchaus ein wesentlicher.
Diskriminierung ist natürlich in der Praxis ein Resultat davon, und ist auch praktisch gar nicht vermeidbar, will man auch nur halbwegs effektiv und effizient arbeiten. Die weiter reichende DNA Analyse könnte hier aber gerade eben Effekten dieser Art entgegen treten, indem sie zusätzliche Erkenntnisse liefert und damit bestimmte Ermittlungsansätze von vornerhein ausschließt.
Gerade durch solche weiter reichenden Untersuchungen könnten Verfälschungen und Fehlannahmen aufgrund von unterbewusst Einfluss nehmenden rassistischen Annahmen bekämpft und eingeschränkt werden.
Weiter gehend könnte man übrigens auch bereits hier und heute und dies erstaunlich weitgehend die ethnische Herkunft des unbekannten Täters auf diese Weise bestimmen.
Statt dann aufgrund unterbewusster Fehleinflüsse in einem Fall anzunehmen, dass die Tat beispielsweise von einem Flüchtling begangen wurde, könnte so von Beginn an durch die Analyse und Feststellung, dass die Täter DNA nicht von einem solchen stammt ein anderer Ermittlungsansatz frei von rassistisch geprägten Fehlannahmen verfolgt werden.
Dies würde die Diskriminierung bestimmter Gruppen in vielen praktischen Fällen reduzieren und ein deutlich effektiveres Arbeiten ermöglichen.
Selbst der gesellschaftliche Diskurs über die Frage der Herkunft und ihrer Verbindung zur Kriminalität könnte dadurch positiv beeinflusst werden, da in etlichen Fällen eine Vorverurteilung bestimmter Gruppen – wie sie hier und jetzt real immer öfter geschieht – polizeilich bereits ausgeschlossen werden kann, bevor man den Täter tatsächlich gestellt hat.
Bei der genannten Methode handelt es sich also ganz im Gegenteil zu Ihren Befürchtungen um ein herausragend wertvolles Ermittlungsinstrument, welches Diskriminierung reduziert und unterbewusst rassistische Fehlansätze verhindert. Nehmen wir als praktische Beispiel an, ein junges Mädchen sei in der Nähe einer Flüchlingsunterkunft vergewaltigt und ermordet worden. Rechte Gruppen instrumentalisieren dann diese Tat und behaupten im Netz der Täter sei sicher ein Flüchtling. Diese Hetze nimmt Fahrt auf und Flüchtlinge werden deswegen angegriffen. Eine DNA Analyse aber ergibt blonde Haare und eine ausschließlich westeuropäische Abstammung. Schon ist der ganze Ermittlungsansatz ein anderer und kann genau dieser Instrumentalisierung im öffentlichen Diskurs entgegen getreten werden.
Ich kann Ihnen allerdings dahin gehend zustimmen, dass die Fernwirkungen aufgrund der sich ständig noch weiter entwicklenden Technologie in diesem Bereich schwer abzuschätzen sind. Andererseits ist es zwingend erforderlich, bei Vorliegen einer Straftat diese aufzuklären wenn dies möglich ist – da dies die Grundlage für die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens wie des sozialen Friedens in der Gesellschaft überhaupt darstellt. Anlasslos wird eine solche Analyse ja nicht durchgeführt und die praktische Erfahrung aus Bayern zeigt, dass sie allein aus Kosten-, Zeit- und Arbeitsaufwandsgründen nur bei schwerwiegenden Straftaten erfolgt, wo ihre Anwendung meiner Überzeugung nach definitiv verhältnismässig ist, wenn man sich vor Augen hält, was für Verbrechen hier verfolgt werden.
Die Persönlichkeitsrechte eines Verbrechers unter allen Umständen schützen zu wollen, obwohl dieser ein Verbrechen gegen einen anderen Menschen begangen hat ist genau der Fehlweg, den man niemand mehr in der allgemeinen Mehrheit der Bevölkerung verkaufen kann und der auch falsch ist, weil ein Verbrecher schlicht und einfach in seinen Persönlichkeitsrechten eingeschränkt werden muss, da man sonst seiner auch mit konventionellen anderen Methoden ja nicht habhaft wird.
Von daher sind Ihre Befürchtungen meiner Ansicht nach gegenstandslos und eher abstrakten und theoretischen Ängsten und Überlegungen entsprungen als der tatsächlichen Notwendigkeit.
Hochachtungsvoll
Sehr geehrter Herr Reinhard,
da liegen Sie nun einmal falsch bzw. steht Ihrer Ansicht die insoweit einhellige empirische Wissenschaft entgegen: Herkunft ist kein kriminogener Faktor. Auch nicht einer von vielen, sondern gar keiner.
Die Konzentrierung der Ermittlungsarbeit, die Sie erwähnen, speist sich aus rassistischen Vorurteilen und strukturellem confirmation bias, die zur „kriminalistischen Erfahrung“ euphemisiert werden. Beispielhaft dafür nachstehend das Zitat eines Bundespolizisten vom Hamburger Hauptbahnhof: „Die Dicklippigen sind alles Drogendealer“. Dreimal dürfen Sie raten, wen der Beamte bevorzugt kontrolliert…
Effizienz und Effektivität sind bei der Polizeiarbeit in einem freiheitlich verfassten Rechtsstaat übrigens nachrangige Erwägungen – auch gegenüber den Persönlichkeitsrechten eines Verdächtigen (NICHT „Verbrechers“).
Von daher ist Ihre Kritik leider von 1. klassisch deutscher Obrigkeitshörigkeit 2. wissenschaftsfernen Fehlvorstellungen und 3. einem fragwürdigen Rechtsstaatsverständnis getragen.
MfG
Den Mittelteil noch einmal bitte:
Was hat die Frage, ob einem Spurenverursacher eine bestimmte Herkunft zugeordnet werden kann, mit der Frage zu tun, ob eine bestimmte Herkunft der Neigung zur Kriminalität förderlich ist („Herkunft ist kein kriminogener Faktor“)?
Sehr geehrter Herr jansalterego,
fürchten Sie lieber den übergriffigen Datenkapitalismus anglo-amerikanischer Prägung als die im Vergleich zu diesem geradezu kindlich harmlosen Handlungen des Staates.
Zu Ihrer anekdotischen Effidenz vom Hamburger Hauptbahnhof möchte ich noch anmerken, dass es leider auch bei der Polizei eine Menge unfähiger Mitarbeiter gibt.
Viel interessanter ist es daher, Polizeibeamte in ihrer Arbeitsweise zu untersuchen, welche in einem Bereich extrem erfolgreich sind und die Gründe für diesen Erfolg zu suchen. Und hier gehe ich jede Wette ein, dass der besagte Beamte im Hamburg nicht sonderlich erfolgreich ist.
Im weiteren sind Effizienz und Effektivität in der Polizeiarbeit die Grundlagen der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung an sich. Sinnloses Ansammeln von Daten ist nämlich das genaue Gegenteil davon, ebenso jede Form von Überwachungsstaat. Je effizienter und effektiver die Polizei ist, desto weniger Überwachung ist erforderlich, desto freier kann die Gesellschaft leben.
Ein freiheitlich verfasster Rechtsstaat braucht die bestmöglichste Polizei, vor allem anderen. Leider sind wir davon in Deutschland noch ein weites Stück entfernt.
Hochachtungsvoll
Sehr geehrter Herr Reinhardt,
vielen Dank für Ihren Beitrag. Sie haben sicher recht, dass sich strafprozessuale Ermittlungen in besonderer Weise gegen „auffällige“ (wie Sie schreiben) gesellschaftliche Gruppen richten. Aber resultiert dies aus einer besonderen Kriminalitätsbelastung oder aus der wahrgenommenen Andersartigkeit dieser Gruppen? Konzentriert sich die Ermittlungsarbeit auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen, weil bei diesen besonders viele Straftaten festgestellt werden? Oder werden bei diesen besonders viele Straftaten festgestellt, weil sich die Ermittlungsarbeit auf sie konzentriert? Diese Fragen lassen sich wohl kaum voneinander trennen.
Unabhängig davon muss ich Ihnen entschieden widersprechen: Ob Menschen Straftaten begehen, also die zentralen sozialen Normen des Zusammenlebens verletzen, hat nichts mit der Herkunft oder Staatsangehörigkeit zu tun und schon gar nichts mit der Hautfarbe. Es hängt vielmehr von den sozialen Umständen ihres Aufwachsens und ihres Lebens ab.
Im Übrigen geht es hier nicht um Persönlichkeitsrechte eines „Verbrechers“, wie Sie schreiben, sondern um die Rechte einer spurenverursachenden Person – die noch nicht mal tatverdächtig sein muss. Sie scheinen also die Möglichkeiten der neuen Befugnis deutlich zu überschätzen, deren Eingriffsintensität aber nicht hinreichend erkannt zu haben.
Ob die neue Befugnis in der Praxis tatsächlich geeignet ist, Diskriminierung zu reduzieren, wie Sie schreiben, bleibt abzuwarten. Ich bin was das angeht sehr viel weniger optimistisch als Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Singelnstein
Sehr geehrter Herr Singelnstein,
vielen Dank für Ihre Antwort. Sie schreiben selbst, dass die sozialen Umstände des Aufwachsens und des Lebens entscheidende Faktoren sind. Zitat:
>>Es hängt vielmehr von den sozialen >>Umständen ihres Aufwachsens und ihres >>Lebens ab.
Genau diese Umstände sind aber je nach der Herkunft sehr verschieden und genau deshalb hat die Herkunft so eine Bedeutung. Als praktisches Beispiel: Eine Person welche in einem städtischen Slum in Pakistan sozialisiert wurde und nun als junger Mann hierher kommt, unterscheidet sich im Schnitt (!) eindeutig von gleichaltrigen jungen Männern welche in Deutschland aufgewachsen sind.
Natürlich kann man hier – wenn man immer mehr ins Detail geht und alles genauer und noch genauer betrachtet – alle möglichen Relativierungen finden. Junge deutsche Männer aus einem Problemviertel einer Großstadt im Ruhrgebiet sind hier beispielsweise wieder näher, junge deutsche Männer aus einem Dorf im Bayerischen Wald wieder entfernter etc etc
Dieses ins Beliebige zerpflücken und relativieren ändert aber nichts daran, dass man allein aufgrund der Herkunft gewisse Wahrscheinlichkeiten feststellen kann.
Sie haben natürlich recht, dass hier der Bestätigungsfehler ein Problem darstellt. Dass man also bestimmte Gruppen mehr verfolgt und daher bei diesen mehr feststellt, womit sich die ursprüngliche Annahme zu bestätigen scheint. Dies ist in der praktischen Polizeiarbeit ein sehr typischer und sehr weit verbreiteter Fehler. Ungeachtet dessen aber gibt es unabhängig davon definitiv unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten bei unterschiedlichen Herkünften. Dies im Sinne einer – Alle Menschen sind gleich – Ideologie zu negieren wäre ebenso falsch wie Menschen rassistisch zu kategorisieren.
Zur Frage der Rechte spurenverursachender Personen: Spuren werden ja nicht ohne Grund erhoben. Eine Spurensicherung erfolgt de facto immer nur dann, wenn eine Straftat vorliegt und zwar in der praktischen Realität nur dann, wenn eine schwerwiegende Straftat vorliegt. Hier werden nun alle möglichen Spuren gesichert, beispielsweise auch Fingerabdrücke, Ohrabdrücke, Haare, serologische Spuren etc etc
Dies auch von Personen welche gar nicht der Täter waren. Was ist mit den Persönlichkeitsrechten in Bezug auf diese Spuren und diese Personen ? Und inwiefern unterscheidet sich die Sicherung dieser Spuren und ihre Analyse von der Sicherung und Analyse von DNA Material ? Bei einem Einbruch werden beispielsweise an der Türe Fingerabdrücke und DNA Spuren gesichert. Beide stammen in Wahrheit von einem Amazon Paketboten welcher völlig unschuldig ist und den Einbruch nicht begangen hat. Dennoch wurden sein Spuren gesichert und analysiert. Da der gleiche Amazon Paketbote viel später wegen einer ganz anderen Straftat erkennungsdienstlich behandelt wurde hatte man dann seine Fingerabdrücke und er wurde damit des Einbruchs verdächtig. Die Ermittlungen ergaben aber, dass er diesen nicht begangen hat.
Die neue weiterrreichende DNA Analsyse ist im Prinzip nichts anderes. Sie ist keine Revolution, sondern lediglich die Evolution bestehender Techniken und bestehender Prozedere.
Die Rechte spurenverursachender Personen sind auch hier und heute sehr eingeschränkt, wenn eine Straftat vorliegt bei der Spuren gesichert werden. Denn wie soll man sonst überhaupt einen Täter ermitteln, wenn man bei der Spurensicherung dahin gehend eingeschränkt wird, dass nur Spuren welche tatsächlich dem Täter gehören (den man ja eben nicht kennt) gesichert und ausgewertet werden dürfen.
Diskriminierung und (unterbewusste) rassistische Vorurteile beherrschen im Weiteren die Ermittlungen umso mehr, je weniger Spuren man hat. Ein Einbruch: keine Spuren: dem folgend befragt man die Nachbarschaft nach dem Auftreten von rumänischen Bettlern in der letzten Zeit. Ein astreiner Fehler. Am Ende stellte sich heraus, dass der Einbruch Beschaffungskriminalität eines blonden und blauäugigen deutschen Drogensüchtigen war.
Beschließend kann ich Ihnen aber durchaus zustimmen, dass die Fernwirkungen neuer Technologie immer sehr schwer abzuschätzen sind. Ich will aber als optimistisches Beispiel die immensen Erfolge der bisherigen DNA Analyse anführen. Dies hat zur Aufklärung einer sehr großen Anzahl von Straftaten geführt und ist eines der wichtigsten Ermittlungsinstrumente überhaupt geworden. Die positiven Folgen sind direkt spürbar und messbar. Ohne die moderne DNA Analyse würden sehr viel weniger Verbrechen aufgeklärt werden, die Täter nicht bestraft und insgesamt dem folgend auch mehr Verbrechen begangen werden.
Wie man sieht ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese neue Methoden der DNA Analyse einen positiven Nutzen in der Kriminalitätsbekämpfung haben durchaus hoch, wenn man als Vergleich die bisherigen Erfolge der DNA Analyse heran zieht.
Etwas weniger Mißtrauen gegenüber dem Staat (der sehr viel weniger übergriffig ist in Bezug auf Daten als private Großkonzerne) und mehr Optimismus in die positiven Auswirkungen von t