08 December 2025

Drohnenabwehr durch die Bundeswehr

Der geplante § 15a LuftSiG im Gefüge innerer und äußerer Sicherheit

Drohnensichtungen beschäftigen die deutsche und europäische Sicherheitspolitik. In den letzten Monaten spionierten Drohnen Waffenlieferungen für die Ukraine oder kritische Infrastruktur in Schleswig-Holstein aus und legten mehrfach Flughäfen lahm. Im September drangen militärische russische Drohnen in den NATO-Luftraum ein. Während Landes- und Bundespolizei die notwendigen Fähigkeiten zur Drohnenabwehr (noch) fehlen, bestehen diese bei der Bundeswehr immerhin zum Teil. Da die Polizei Drohnen militärischer Bauart, die in sehr großer Höhe fliegen, nicht effektiv abwehren kann, hat die Bundesregierung nun auf die Situation reagiert und einen Entwurf zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen, der Befugnisse der Bundeswehr zur Drohnenabwehr regelt. Der geplante § 15a LuftSiG fügt sich passend in die von der Wehrverfassung vorgegebene Trennung von innerer und äußerer Sicherheit ein. Die Vorschrift verdeutlicht, dass das Grundgesetz auch ohne Verfassungsänderung einen Rahmen zur Verfügung stellt, in dem eine adäquate Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundeswehr und Polizei zum Schutz Deutschlands vor Drohnen möglich ist.

Das Reformvorhaben der Bundesregierung zur Drohnenabwehr

Durch den geplanten § 15a LuftSiG sollen die Befugnisse der Bundeswehr zur Drohnenabwehr wie folgt geregelt werden:

„(1) Die Streitkräfte leisten bei der Abwehr von Gefahren durch unbemannte Luftfahrzeuge Amtshilfe nach Artikel 35 Absatz 1 des Grundgesetzes. Dies erfolgt insbesondere in Form der Bereitstellung von Detektionstechnik und Interventionstechnik.

(2) Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte […] auch Waffengewalt oder sonstige Wirkmittel gegen unbemannte Luftfahrzeuge einsetzen. […]

(3) Die Bundespolizei übermittelt im Rahmen ihrer Zuständigkeit […] Informationen im Zusammenhang mit unbemannten Luftfahrzeugen bei tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Falls der Verteidigung nach Artikel 87a Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes unverzüglich an die Streitkräfte.“

Dem Kabinettsbeschluss ist neben einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages eine intensive Debatte um die Zulässigkeit eines Einsatzes der Bundeswehr zur Drohnenabwehr vorausgegangen. Politiker aus Opposition und Bundesregierung betonten, das Grundgesetz setze dem Einsatz der Bundeswehr enge Grenzen. Tatsächlich legt Art. 87a Abs. 2 GG fest: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ Kompetenzen und Fähigkeiten scheinen auseinanderzufallen. Den begrenzten Fähigkeiten der Polizei bei weit gefassten rechtlichen Befugnissen für die innere Sicherheit scheinen weiter reichende tatsächliche Fähigkeiten der Bundeswehr bei grundsätzlich eng auf die äußere Sicherheit zugeschnittenen rechtlichen Befugnissen gegenüberzustehen. Zur Schließung von „Schutzlücken“ des Grundgesetzes forderten daher mehrere Verteidigungs- und Sicherheitspolitiker eine Verfassungsänderung oder eine Ausrufung des Spannungsfalles, der der Bundeswehr gem. Art. 87a Abs. 3 S. 1 GG besondere Befugnisse zum Schutz ziviler Objekte gibt. Für beide Optionen bedürfte es gem. Art. 79 Abs. 3 bzw. Art. 80a Abs. 1 S. 2 GG qualifizierter Mehrheiten im Bundestag, die gegenwärtig aber schwer erreichbar sind. Tatsächlich zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass es solcher Mehrheiten nicht zwingend bedarf. Auch im verfassungsrechtlichen Status quo ist eine effektive Drohnenabwehr möglich. Der vorgeschlagene § 15a LuftSiG fügt sich passend in den Rahmen des Grundgesetzes ein, konkretisiert ihn einfach-gesetzlich und schafft damit Rechtssicherheit.

Der geplante § 15a LuftSiG als Spiegel der Wehrverfassung

15a Abs. 1 LuftSiG n.F. regelt die Amtshilfe der Bundeswehr für die Polizei in Gestalt der Bereitstellung von Detektions- und Interventionstechnik. Diese Amtshilfe fällt nicht unter Art. 87a Abs. 2 GG, da schon kein „Einsatz“ vorliegt. Für einen solchen bedarf es einer Verwendung der Streitkräfte in einem Eingriffszusammenhang, also mit ihrem spezifischen Droh- und Einschüchterungspotential (BVerfGE 132, 1, 19 f.). Die bloße technische Unterstützung verläuft unterhalb dieser Einsatzschwelle und ist daher unproblematisch.

Darüber hinausgehend gestattet § 15a Abs. 2 LuftSiG n.F. der Bundeswehr, Waffengewalt oder sonstige Wirkmittel einzusetzen. Dies überschreitet die Einsatzschwelle. Die Norm stützt sich auf Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG, der für besonders schwere Unglücksfälle einen Streitkräfteeinsatz im Innern zulässt. Indes ist der Begriff des besonders schweren Unglücksfalles sehr eng. Er umfasst zwar auch absichtlich herbeigeführte Ereignisse, allerdings nur solche von „katastrophischen Dimensionen“ (BVerfGE 132, 1, 16 f.). Wie die Bundesregierung auf S. 12 f. des Regierungsentwurfs selbst ausführt, läge ein „Unglücksfall“ vor, wenn bewaffnete Drohnen größere Menschenmengen oder Einrichtungen der kritischen Infrastruktur angriffen. Dagegen dürfte ein Drohnenflug zur bloßen Einschüchterung der Zivilbevölkerung oder zu Aufklärungszwecken diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Auf Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG i.V.m. § 15a Abs. 2 LuftSiG n.F. muss man indes nur zurückgreifen, wenn man die Drohnenabwehr nicht von vornherein unter „Verteidigung“ i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG subsumiert. Ist das der Fall, ist die Bundeswehr gemäß Art. 87a Abs. 2 GG verfassungsunmittelbar und ohne das Erfordernis einer konkretisierenden einfachgesetzlichen Regelung zuständig. Dass die Bundeswehr zur Drohnenabwehr im Inland auch originär aus Art. 87a Abs. 2 GG zuständig sein kann, liegt auch § 15a Abs. 3 LuftSiG n.F. zugrunde. Die Bundespolizei übermittelt der Bundeswehr unverzüglich Informationen zu Drohnen „bei tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Falls der Verteidigung nach Artikel 87a Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes“. Nach S. 13 des Regierungsentwurfs soll das die Bundeswehr dazu befähigen, zu entscheiden, ob sie Maßnahmen i.S.v. Art. 87a Abs. 1, 2 GG ergreifen darf. S. 12 des Regierungsentwurfs führt aus: „Verletzungen der staatlichen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland durch militärische Kräfte fremder Staaten betreffen die äußere Sicherheit. Die Abwehr solcher Souveränitätsverletzungen dient der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und ist folglich auch eine originäre Aufgabe der Streitkräfte.“

Missverstandene Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit

Die Haltung der Bundesregierung ist nicht selbstverständlich. Noch vor ein paar Wochen hatte Bundesjustizministerin Hubig recht pauschal festgestellt: „Bei Drohnenangriffen im Innern ist die Polizei gefragt. [….] Einsätze der Bundeswehr im Inneren sind aus guten Gründen nur in sehr engen Grenzen zulässig – und dabei muss es bleiben.“ Dass Art. 87a Abs. 2 GG den Inlandseinsatz der Streitkräfte stark begrenzt, geht für viele im Trennungsgebot hinsichtlich polizeilicher und militärischer Aufgaben auf: Die Polizei ist für die innere, die Bundeswehr originär nur für die äußere Sicherheit zuständig (Schmidt-Radefeldt, S. 5). Das Trennungsgebot ist eng mit den historischen Erfahrungen des Einsatzes der Streitkräfte als innenpolitisches Machtinstrument verbunden. Bundesverfassungsrichter Gaier nannte es einst Teil des genetischen Codes der Bundesrepublik (BVerfGE 132, 1, 26). Daher verwundert es wenig, dass die Unterscheidung von innerer und äußerer Sicherheit die Diskussion um „Einsätze der Bundeswehr im Innern“ zur Drohnenabwehr dominiert.

Aber geht es bei der Abwehr mutmaßlich russischer Drohnen im Inland wirklich um innere Sicherheit? In der rechtswissenschaftlichen Diskussion zu Art. 87a Abs. 2 GG kann man als kleinsten gemeinsamen Nenner erkennen, dass „Verteidigung“ insbesondere das Gegenstück zum „Angriff“ eines fremden Staates auf die Bundesrepublik Deutschland darstellt (vgl. Ladiges, S. 59). Wie schon Heinemann lesenswert festgehalten hat, ist maßgeblich, wo die Gefahr für die Sicherheit Deutschlands herrührt und nicht, von wo der Einsatz zu ihrer Abwehr stattfindet. Ein Blick in die Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 87a Abs. 2 GG – der erst mit den Notstandsgesetzen von 1968 Eingang ins Grundgesetz gefunden hat – bestätigt diese Sichtweise:

„[Durch die Bestimmung] soll eine Ableitung ungeschriebener Zuständigkeiten aus der Natur der Sache ausgeschlossen werden, nicht dagegen Befugnisse, die sich aus einem Wortzusammenhang mit der Verteidigungskompetenz ergeben. […] Der Schutz gegen Angriffe der Angehörigen fremder Streitkräfte ist die Aufgabe der Bundeswehr, gleichgültig, ob das Ziel eines solchen Angriffes ein militärisches oder ziviles Objekt ist. Die Abwehr gegnerischer Streitkräfte ist niemals die Aufgabe der Polizei.“ (BT Drs. V/2873, S. 13).

Die pauschale Annahme, bei Drohnenangriffen im Innern sei immer die Polizei zuständig, lässt sich daher nicht halten. Vielmehr gilt es, die originäre Zuständigkeit der Bundeswehr aus Art. 87a Abs. 2 GG und die originären Zuständigkeiten der Polizei mit Möglichkeit der Unterstützung durch die Bundeswehr gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG voneinander abzugrenzen.

Entscheidend ist hierbei zum einen, wann das Auftreten von Drohnen im Einzelfall qualitativ die Schwelle überschreitet, die den Verteidigungsauftrag aktiviert. Zum anderen stellt sich die Frage, wann das Auftreten von Drohnen einem fremden Staat zurechenbar und wie mit diesbezüglichen Zweifeln in der Praxis umzugehen ist.

Qualität eines Angriffs: Verteidigung als Antwort auf militärische Mittel

Der Begriff der „Verteidigung“ i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG wird im Grundgesetz nicht näher definiert. Auch das Bundesverfassungsgericht hat keine Definition entwickelt, stellt im Umfeld des Art. 87a GG aber regelmäßig auf die „militärische Landesverteidigung“ ab. Dies beabsichtigte auch der Verfassungsgeber, wie die Gesetzgebungsmaterialien zeigen: „Mit ‚Verteidigung‘ ist hier nur die militärische Verteidigung (einschließlich der Ausbildung dafür) gemeint.“ (S. 13) Verteidigung ist demnach (jedenfalls) ein militärisches Tätigwerden zum Schutz der Bundesrepublik vor militärischen Mitteln fremder Staaten. In systematischer Hinsicht zeigt der Unterschied zwischen „Verteidigung“ in Art. 87a Abs. 2 GG und „Verteidigungsfall“ in Art. 87a Abs. 3 GG, dass Voraussetzung für einen Verteidigungseinsatz der Bundeswehr nicht die Feststellung des Verteidigungsfalles ist.

In diesem Lichte muss zwischen verschiedenen Arten von Drohnen differenziert werden. So unterscheiden sich beispielsweise die Drohnen, die mit mutmaßlichen Verbindungen zu Russland im NATO-Luftraum aufgetreten sind, stark. Beim Zwischenfall im polnischen Luftraum vom 9. September 2025 handelte es sich um militärische Drohnen vom Typ „Geran“, die mit Sprengstoff bestückt werden können. Die über Deutschland bislang aufgetauchten Drohnen sind nicht bewaffnet und teilweise professionelle militärische Aufklärungsdrohnen, teilweise frei erwerbbare Drohnen ziviler Bauart.

Drohnen als fliegende Sprengkörper

Werden Drohnen wie der Typ „Geran“ gewöhnlich als fliegende Sprengkörper eingesetzt, sind sie militärische Mittel. Hätte ein Zwischenfall wie der vom 9. September im deutschen Luftraum stattgefunden, beträfe er daher den Schutz der Bundesrepublik vor militärischen Mitteln eines anderen Staates. Der Verteidigungsauftrag wäre unabhängig von der Feststellung des Verteidigungsfalles aktiviert, die Bundeswehr aus Art. 87a Abs. 2 GG originär zuständig.

Drohnen als Einschüchterungsinstrument

Komplizierter einzuordnen sind Drohnen ohne direkte Kampffunktion, wie sie maßgeblich bisher über Deutschland aufgetaucht sind. Zum Teil werden die Drohnen im Sinne hybrider Angriffe zur Einschüchterung der deutschen Bevölkerung eingesetzt, etwa um Flughäfen lahmzulegen. Das Weißbuch der Bundeswehr von 2016 beschreibt hybride Angriffe wie folgt:

„Alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens können zum Ziel hybrider Angriffe werden. Durch Cyberangriffe und Informationsoperationen (zum Beispiel Propaganda), wirtschaftlichen und finanziellen Druck sowie Versuche zur politischen Destabilisierung. Gleichzeitig können militärische Elemente, verdeckt operierende Spezialkräfte, Subversion oder reguläre Streitkräfte eingesetzt werden.“ (S. 39).

Man könnte erwägen, den Verteidigungsbegriff aus Art. 87a Abs. 2 GG im Lichte der gewandelten sicherheitspolitischen Umstände der „Zeitenwende“ dynamisch auszulegen: Dem weiten Konzept eines hybriden Angriffs stünde ein ebenso weiter Verteidigungsbegriff gegenüber. Indes ist es gerade die Ratio des Art. 87a Abs. 2 GG, den Einsatz der Streitkräfte wegen seines erheblichen Missbrauchspotentials zu begrenzen. Eine Verfassungsinterpretation, die jeden Bestandteil eines hybriden Angriffs – auch nichtmilitärische Mittel wie Desinformation – zur Sache der Bundeswehr macht, unterliefe diese Begrenzungsfunktion und den strikt militärischen Charakter der „Verteidigung“ nach Art. 87a Abs. 2 GG. Der Einsatz von Drohnen ziviler Bauart zur bloßen Verunsicherung der Bevölkerung aktiviert daher nicht den Verteidigungsauftrag und fällt in die originäre Zuständigkeit der Polizei.

Drohnen für Aufklärungszwecke

Teilweise verfolgen die über Deutschland gesichteten Drohnen klare Aufklärungszwecke, etwa hinsichtlich kritischer Infrastruktur oder geheimer Waffenlieferungen an die Ukraine. Bei deutscher kritischer Infrastruktur finden die Aufklärungsmaßnahmen weit im Vorfeld etwaiger Kampfhandlungen statt. Kann da von „Verteidigung“ i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG noch die Rede sein? Man könnte dies mit einem apodiktischen Verweis auf die historische Funktion der Norm, den Einsatz der Streitkräfte zu begrenzen, verneinen. Als teleologische Richtschnur für die Auslegung des Begriffs „Verteidigung“ ist allerdings zu beachten, dass der Verfassungsgeber mit Art. 87a Abs. 2 GG und anderen Vorschriften der Wehrverfassung eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung getroffen hat. Dies betont auch das Bundesverfassungsgericht. Im Sinne einer wehrhaften Verfassungsinterpretation ist daher unter Beachtung der Wortlautgrenze eine Auslegung zu wählen, die den effektiven Schutz der Bürger vor militärischen Angriffen von außen ermöglicht. Dabei sind auch Gesichtspunkte der Prävention einzubeziehen. Damit unvereinbar wäre eine Auslegung, die die Streitkräfte dazu zwingt, tatenlos zuzusehen, wie Einrichtungen der kritischen Infrastruktur systematisch ausgespäht werden, und erst tätig zu werden, wenn diese tatsächlich durch Angehörige fremder Streitkräfte beschädigt werden.

In völkerrechtsfreundlicher Auslegung des Art. 87a Abs. 2 GG kann „Verteidigung“ im Sinne dieser Vorschrift auch bei der Ausübung von kollektiver Selbstverteidigung i.S.d. Art. 51 UNCh zugunsten anderer angegriffener Staaten vorliegen. Man kann die Waffenlieferungen westlicher Staaten an die Ukraine als Mitwirkung an der kollektiven Selbstverteidigung der Ukraine verstehen. Insofern spricht viel dafür, jedenfalls den Schutz dieser Waffenlieferungen, auch vor russischer Aufklärung, wegen des bereits stattfindenden Angriffs als Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG anzusehen.

Daher gilt: Wenn Drohnen als fliegende Sprengkörper eingesetzt werden oder als Aufklärungsmittel zur Vorbereitung oder Durchführung eines Angriffs auf die Bundesrepublik oder andere Staaten dienen, ist ihre Abwehr Verteidigung i.S.d. Art. 87a Abs. 2 GG und die Bundeswehr zuständig.

Zurechnungs- und Zweifelsfragen

In der Praxis stellen sich bei Drohnensichtungen oft Zurechnungs- und Zweifelsfragen. Wären die Drohnen keinem fremden Staat zurechenbar, würde die umstrittene Frage relevant, ob Art. 87a Abs. 2 GG auch ein Vorgehen gegen nichtstaatliche Akteure im Inland deckt. Drohnen mit direkter Kampffunktion werden typischerweise von Militärangehörigen gesteuert. Ferner mehren sich Berichte darüber, dass Russland gezielt Einzelpersonen instruiert, gegen Geld konkrete Aktivitäten wie Drohnenflüge vorzunehmen. Es ist im Völkergewohnheitsrecht anerkannt, dass Staaten das Handeln ihrer Organe ebenso zugerechnet wird wie das Handeln von Personen, die sie konkret im Sinne von Aufträgen angewiesen haben (vgl. auch Artikel 4 und 8 ARSIWA). Insoweit man auf verfassungsrechtlicher Ebene in völkerrechtsfreundlicher Auslegung ähnliche Kriterien heranzieht, lassen sich entsprechende Drohneneinsätze fremden Staaten zurechnen.

In der konkreten Einsatzsituation dürfte allerdings oft unklar sein, ob Spionagedrohnen von russischen oder rein privaten Akteuren gesteuert werden. Während es sich beim Vorfall vom 9. September 2025 im polnischen Luftraum um von der NATO-Luftabwehr erkannte russische Drohnen handelte, sprach Bundeskanzler Merz bezüglich anderer Drohnenvorfälle über eine bloße „Vermutung […], dass Russland hinter den meisten dieser Drohnen-Flüge steckt.“ Bei Drohnen, die die Ukrainehilfe ausspionieren, sprechen Geheimdiensterkenntnisse deutlich für eine russische Verantwortung.

Das Problem, dass zweifelhaft sein kann, ob ein Angriff von außen vorliegt und damit Art. 87a Abs. 2 GG greift, ist nicht neu. Es trat in der Vergangenheit bereits bei Terrorismus und Cyberangriffen auf. Die wohl herrschende Meinung in der Literatur stellt zur Festlegung, ob „Verteidigung“ vorliegt, auf eine Ex-ante-Perspektive ab (vgl. Ladiges, S. 149-156). Der von der Bundesregierung vorgeschlagene neue § 15a LuftSiG fügt sich in diese Zuständigkeitsverteilung auf Grundlage einer Ex-ante-Perspektive ein. Die Übermittlung von Informationen an die Bundeswehr durch die Bundespolizei gem. § 15a Abs. 3 LuftSiG n.F. stellt sicher, dass die Bundeswehr die Informationen hat, um festzustellen, ob ein Fall der Verteidigung vorliegt. Erscheint ex ante hinreichend wahrscheinlich, dass Drohnen einem fremden Staat zurechenbar sind und als Kampfmittel oder Aufklärungsmaßnahme für einen Angriff verwendet werden, sind die Streitkräfte gem. Art. 87a Abs. 2 GG verfassungsunmittelbar zuständig. Erscheint hingegen wahrscheinlicher, dass die Drohnen qualitativ nicht die Schwelle eines Angriffs überschreiten, ist die Polizei originär zuständig. Droht ein besonders schwerer Unglücksfall und reichen ihre Mittel nicht aus, kann sie gem. Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG i.V.m. § 15a Abs. 2 LuftSiG n.F. die Streitkräfte zur Unterstützung anfordern.

Fazit: Keine Schutzlücken im Grundgesetz

Der Verfassungsgeber hat mit Art. 87a Abs. 1, 2 GG und Art. 35 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG einen Rahmen geschaffen, der eine praxistaugliche und funktionsgerechte Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundeswehr und Polizei zur Drohnenabwehr ermöglicht. Die Bundesregierung hat mit § 15a LuftSiG n.F. eine Regelung vorgeschlagen, die sich in diese Kompetenzverteilung folgerichtig einfügt. Obgleich wegen des eng ausgelegten Begriffs „besonders schwerer Unglücksfall“ nicht deutlich mehr Befugnisse geschaffen werden, konkretisiert die Norm passend die Wehrverfassung und schafft so Rechtssicherheit. Auch das geplante Drohnenabwehrzentrum, das die polizeiliche und militärische Drohnenabwehr eng verzahnen will, dürfte zum effektiven Schutz beitragen. Wichtig ist nun abseits der Diskussion rechtlicher Zuständigkeitsfragen, Polizei und Bundeswehr für ihre jeweiligen Aufgaben in der Drohnenabwehr adäquat auszustatten. Das Verfassungsrecht ist jedenfalls kein Grund, um Deutschland in der Drohnenabwehr als schutzlos anzusehen.


SUGGESTED CITATION  Preiss, Finn; Hempel, Laurids: Drohnenabwehr durch die Bundeswehr: Der geplante § 15a LuftSiG im Gefüge innerer und äußerer Sicherheit, VerfBlog, 2025/12/08, https://verfassungsblog.de/drohnenabwehr-bundeswehr-grundgesetz-luftsig/, DOI: 10.17176/20251208-172205-0.

3 Comments

  1. Peter Camenzind Mon 8 Dec 2025 at 18:33 - Reply

    Wenn eine fremdländisch militärische Drohne im Inland abgeschossen werden soll und die militärische Drohnung keine Angriffsvorgehen mit Waffengewalt aufweist , ist dies militärische Verteidigung oder polizeiliche Abwehr einer innerstaatlichen Störung mit militärischer Amtshilfe?
    (“99 Luftballons”).

  2. DMue Thu 11 Dec 2025 at 09:09 - Reply

    Sie schreiben, dass Desinformation kein militärisches Mittel sei. Desinformation kann aber durchaus aus Mittel der hybriden Kriegsführung angesehen werden.

  3. Peter Camenzind Thu 11 Dec 2025 at 14:17 - Reply

    Eine Frage ist, ob eine fremdländisch militärische Drohne ohne klares Angriffsvorgehen lediglich ein Fall innerer polizeilicher Gefahrenabwehr sein kann, wenn dabei ausländisch militärische Interessen betroffen sind? Oder inwiefern dies militärische Verteidigung sein kann, wenn eventuell kein genügend klarer, zulässig zu verteidigender “Angriff” vorliegt.

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