EGMR stärkt Informationsfreiheit von NGOs gegenüber dem Staat
Wer als Journalist oder NGO gelegentlich vom Staat Informationen will, die dieser nicht gern herausrückt, sollte sich diese heute veröffentlichte Kammerentscheidung des EGMR ansehen.
Es geht dabei um einen österreichischen Verband, der Entscheidungen einer Tiroler Kommission einsehen wollte, die für die Billigung land- und forstwirtschaftlicher Immobilienverkäufe zuständig ist. (In Tirol ist die Zersiedelung durch den Bau von Ferienhäusern und Gebirgshütten und dergleichen ein Riesenthema.) Die bekam er nicht. Die Kommission und alle Gerichte einschließlich des Verfassungsgerichtshofs fanden, es gebe keinen Anspruch gegen den Staat, solche Informationen öffentlich zugänglich zu machen.
Das sieht nun der EGMR in einer nicht rechtskräftigen Kammerentscheidung anders: Art. 10 EMRK gebe dem Verband durchaus ein Recht darauf, diese Informationen zur Verfügung gestellt zu bekommen.
Eigentlich hatte der Gerichtshof lange den Standpunkt vertreten, Art. 10 schütze nur davor, dass der Staat nicht andere an der Verbreitung von Informationen hindert, die diese selber haben – also die Presse im Wesentlichen. 2009 gab es aber eine Entscheidung in einem ungarischen Fall, wo er fand, dass sich dieses Recht auch auf amtliche Informationen des Staates selber erstrecken könne. (In diesem Fall wollte der Kläger einen Schriftsatz aus einem laufenden Verfassungsgerichtsverfahren haben – schön zu wissen, dass man darauf ein Menschenrecht hat…). Wenn es um eine Information gehe, die sozusagen im Monopol des Staates liege, komme es Zensur gleich, diese nicht herauszugeben.
In dem ungarischen Fall ging es aber um eine Information, die fertig vorlag. Der ungarische Staat musste sie nur herausgeben, mehr war nicht von ihm verlangt.
Der heutige österreichische Fall liegt insoweit anders: Hier geht es um Hunderte von Entscheidungen, die der Staat erst sammeln, aufbereiten und um persönliche Daten bereinigen müsste.
Trotzdem fand die Kammermehrheit, dass er dazu verpflichtet ist, und zwar mit einem kuriosen Argument: Hätte er sie halt gleich veröffentlicht, dann würde es ihm jetzt keine solche Mühe bereiten.
Mir scheint, all die tüchtigen investigativen Kollegen, die sich bislang vergeblich mit dem zahnlosen Informationsfreiheitsgesetz abgemüht haben und immer wieder am zähen Beharrungsvermögen der Ministerien und Behörden gescheitert sind – sie sollten die Hoffnung nicht zu schnell aufgeben. In Straßburg geht womöglich noch was.
Fun fact dazu: Österreich ist nach einer Studie das Land mit der schwächsten Informationsfreiheit auf der ganzen Welt. Deutschland ist etwas besser, aber nicht viel und liegt auf der Liste der “Bottom 10” auf Platz vier.
Danke für diesen Artikel.
Österreich ist furchtbar Föderalistisch von der Struktur und Staatsverwaltung her. Ich wollte letztens auch die Kosten für alle in Pension und Rente befindlichen Österreicher berechnen, die aus dem JahresBudget aus zusätzlich zum Pensionssystem zugeschossen werden und scheiterte daran, dass Beamte (Polizei, Justiz, Verwaltung, Lehrer, Militär, …) hier nie in Pension gehen, sondern weiterhin als ruhende Reservisten ihrer letzten Dienststelle mit >= 80% vom Letztbezug für ihre ruhende Reservistentätigkeit auf Bereitschaft entlohnt werden. Also vollkommen unklar wie viel % des Budgets für inneres da ruhenden Beamten als de facto Pension summa summarum zukommt.
Aus halb offiziellen Kreisen konnte ich Zahlen erfahren, aber so ökonomisch die Entwicklung des Pensionssystem bei negativer Alterspyramide halbwegs seriös zu approximieren, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Das gibt mir jetzt etwas Hoffnung, Danke.
Ohne Österreich oder Deutschland in Schutz zu nehmen: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die weltweite Top 10 der Informationsfreiheit nach der Studie mich vollends überzeugt.