(Grund-)Eigentum verpflichtet
Warum es eine verbindliche Sozialwohnungsquote für Wohnungsunternehmen braucht
Rasant steigende Mieten und Wohnungsknappheit: Die Wohnungskrise ist allgegenwärtig und wird für immer mehr Menschen zur Existenzfrage. Der Bestand an Sozialwohnungen, mit denen insbesondere einkommensschwache Haushalte mit Wohnraum abseits des freien Wohnungsmarkts versorgt werden können, schmilzt jedoch stetig. Während im Jahr 2006 bundesweit über 2 Millionen Sozialwohnungen bestanden, gab es im Jahr 2023 nur noch 1,07 Millionen. Dieser Trend wird sich fortsetzen, weil auch in den kommenden Jahren tausende Wohnungen aus der Sozialraumbindung fallen werden, während kaum neue Sozialwohnungen entstehen. Infolge der jahrzehntelangen Finanzialisierung des Wohnungsmarktes wird sozial verträgliches Wohnen damit gleichsam zur Utopie. Höchste Zeit, den sozialen Wohnraum als Eckpfeiler eines ausgeglicheneren Wohnungsmarktes neu zu denken.
Um den Bestand an Sozialwohnungen schnell, effektiv und langfristig zu erhöhen, müssten die Bundesländer Wohnungsunternehmen gesetzlich verpflichten, dauerhaft einen bestimmten Anteil ihres Wohnungsbestandes in Gebieten mit Wohnungsnot als Sozialwohnungen zu einer günstigen Miete an Menschen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) zu vermieten. Solch eine gesetzlich verankerte Sozialwohnungsquote könnte landesgesetzlich eingeführt werden und ließe sich auch verfassungskonform ausgestalten. Die Berliner Linken-Fraktion und jüngst auch die Berliner Grünen-Fraktion haben diese Idee einer verbindliche Sozialwohnungsquote aufgegriffen und wollen größere Wohnungsunternehmen verpflichten, Sozialwohnungen bereitzustellen.
Sozialer Wohnungsbau in der Krise
Nach der derzeitigen Grundkonzeption des sozialen Wohnungsbaus entstehen neue Sozialwohnungen vor allem im Neubau durch Wohnbauförderung. Im Gegenzug dafür, dass der Staat verbilligtes Bauland oder ein Darlehen zu Vorzugsbedingungen bereitstellt, verpflichtet sich das begünstigte Unternehmen, einen Teil der neuen Wohnungen für einen befristeten Zeitraum zu vergünstigten Preisen an Menschen mit WBS zu vermieten (Belegungs-und Mietbindungen gemäß § 25 I WoFG). Allerdings nehmen nur wenige privatwirtschaftliche Wohnbauunternehmen eine solche Förderung in Anspruch, denn gerade auf angespannten Wohnungsmärkten mit hohen Mieteinnahmen rentiert sich die damit einhergehende Mietpreisbindung für sie nicht. Im Ergebnis werden Sozialwohnungen fast ausschließlich von öffentlichen Wohnungsunternehmen gebaut. Die erforderliche Anzahl an neuen Sozialwohnungen wird dabei aktuell bei Weitem verfehlt. Die Bundesregierung hat sich den Bau von bundesweit jährlich 100.000 Sozialwohnungen zum Ziel gesetzt. Nach ersten Schätzungen entstand 2023 nicht einmal ein Viertel davon, sodass bereits jetzt bundesweit rund 910.000 Sozialwohnungen fehlen. Zugleich sind bestehende Sozialwohnungen oft fehlbelegt, also von Menschen bewohnt, die zwischenzeitlich keinen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein (WBS) mehr haben.
Mit dem schleppenden Neubau von Sozialwohnungen kann nicht einmal der Wegfall von Sozialwohnungen kompensiert, geschweige denn die bereits bestehende Lücke verringert werden. Um das Ruder herumzureißen, müssten daher dringend neue Sozialwohnungen im Bestand entstehen.
Reformvorschlag: Sozialwohnungsquote im Bestand
Vor diesem Hintergrund braucht es eine Abkehr von dem Grundsatz, dass Belegungsbindungen allein auf freiwilliger Basis und im Rahmen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus begründet werden können. Weitaus effektiver wäre eine gesetzlich verankerte Sozialwohnungsquote, die größere Wohnungsunternehmen verpflichtet, einen Anteil ihres Wohnungsbestandes in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt dauerhaft als Sozialwohnungen zu festgelegten Mietpreisen an Menschen mit WBS zu vermieten.
Ausgestaltet sein könnte die Sozialwohnungsquote als landesgesetzliche Regelung, die Wohnungsunternehmen mit einem Bestand von 1000 oder mehr Wohnungen verpflichtet, einen nach ihrer Unternehmensgröße gestaffelten Anteil von bis zu 30 Prozent ihres Wohnungsbestandes in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt dauerhaft Haushalten mit WBS zu überlassen. Angelehnt an § 26 WoFG könnte die Sozialwohnungsquote weiter ausdifferenziert werden und für einen Anteil von 10 Prozent der Sozialwohnungen Benennungs- und Besetzungsrechte vorsehen. Dies würde es der Stadt oder Kommune ermöglichen, den Wohnungsunternehmen konkret benannte Mieter*innen zuzuweisen. So wäre gewährleistet, dass auch schwer zu vermittelnden Wohnungssuchenden, wie etwa wohnungslosen Menschen in Notunterkünften, eine Wohnung verschafft werden kann.
Für die Berechnung der Anzahl der Sozialwohnungen anhand der Quote ist der Wohnungsbestand maßgeblich, der sich in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt befindet. Nur in diesem Gebiet besteht besonderer Bedarf an Sozialwohnungen, der auch durch den dortigen Wohnungsbestand des Unternehmens gelindert werden kann. Die Feststellung eines angespannten Wohnungsmarktes kann anhand der Kriterien der besonderen Gefährdung der Wohnungsversorgung nach § 556d II BGB erfolgen oder direkt auf die danach erlassenen Rechtsverordnungen zur Mietpreisbremse gestützt werden. Daran könnte sich auch die Mietpreisgestaltung orientieren. So könnte die ortsübliche Vergleichsmiete mit einem Abschlag von 20 Prozent zugrunde gelegt werden. Zusätzlich kann die Stadt diese reduzierte Miete je nach Einkommen und Förderweg mit einem festen Betrag pro Quadratmeter bezuschussen. In diesem Fall wäre die Miete, die die Unternehmen erhalten, nicht unangemessen niedrig, sondern weiterhin an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientiert. Im Falle von Benennungs- und Besetzungsrechten könnte mit Blick auf möglicherweise gesteigerte Risiken im Vertragsverhältnis die Zahlung einer zusätzlichen Risikopauschale vorgesehen werden.
Die Erfüllung der Quote könnte nicht nur durch Neuvermietungen, sondern auch (aber nicht nur) durch die Anpassung von Mietverträgen im Bestand erfolgen, soweit die Bestandsmieter*innen einen WBS vorlegen können. So könnte die Quote schneller erfüllt und auch bestehende Mietverhältnisse geschützt werden. Bei der Auswahl der Wohnungen ist sicherzustellen, dass es eine Streuung von Wohnungsgrößen gibt, damit nicht nur kleine Wohnungen zu Sozialwohnungen werden. Neubauwohnungen zählen zwar in den für Anwendbarkeit und Höhe der Quote maßgeblichen Gesamtwohnungsbestand, sollten aber für eine angemessene Übergangszeit aus dem zur Errechnung der Anzahl an Sozialwohnungen maßgeblichen Wohnungsbestand im Gebiet mit Wohnungsnot ausgenommen werden, um den stockenden Neubau nicht weiter auszubremsen. Hier würde weiterhin das bisherige Prinzip des geförderten Wohnungsbaus gelten.
Mit der Sozialwohnungsquote könnte auch das aktuelle Problem der Fehlbelegungen von Sozialwohnungen gelöst werden. Anstatt einzelne Wohnungen dauerhaft einer Belegungsbindung zu unterwerfen, errechnet sich die Quote flexibel anhand des gesamten Bestandes. Sinnvoll ist dann eine gesetzliche Vorgabe, wonach die Mieter*innen der Sozialwohnungen alle fünf Jahre einen Wohnberechtigungsschein vorlegen müssen. Bei Wegfall der Wohnberechtigung kann der Vermieter die Miete schrittweise und bis zur Höhe der zivilrechtlichen Mietpreisbreme anpassen. Die Wohnung fällt damit aus dem Sozialwohnungsbestand und die Quote muss durch Vermietung einer anderen Wohnung als Sozialwohnung erfüllt werden.
Um den Unternehmen Zeit für die Abfrage der WBS-Berechtigung und die wenig planbaren Neuvermietungen einzuräumen, müssen Übergangsregelungen geschaffen werden. Die Einhaltung der gesetzlichen Quote würde durch gesetzliche Meldepflichten und behördliche Überprüfungs- und Sanktionsmechanismen sichergestellt.
Gesetzgebungskompetenz der Länder
Eine solche landesgesetzlich verankerte verbindliche Sozialwohnungsquote ist von der Gesetzgebungskompetenz der Länder gedeckt. Die soziale Wohnraumförderung ist 2006 im Zuge der Föderalismusreform I in die alleinige Verantwortung der Länder übertragen worden. Mehrere Länder haben seitdem eigene Gesetze zur Wohnraumförderung erlassen, ergänzend gelten das Wohnraumförderungs- und Wohnraumbindungsgesetz des Bundes fort. Abzugrenzen ist die Gesetzgebungskompetenz zur Sozialen Wohnraumförderung von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht gem. Art. 74 I Nr. 1 GG, von der der Bundesgesetzgeber abschließend Gebrauch gemacht hat. Darunter fallen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Berliner Mietendeckel „Regelungen zur Miethöhe für frei finanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnmarkt angeboten werden kann“ (BVerfG, Beschluss vom 25. März 2021 – 2 BvF 1/20, Ls.). Ein Mietverhältnis ist dem bürgerlichen Recht i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, wenn der Mietvertrag „privatautonom abgeschlossen“ wird, in ihm also „die Auswahl des Vertragspartners, der Gegenstand des Mietverhältnisses, seine Dauer und – in den gesetzlichen Grenzen – die Höhe der Miete das Ergebnis grundrechtlich geschützter Entscheidungen der Vertragsparteien sind“ (BVerfG, a.a.O., Rn. 114). Davon abzugrenzen sind Fälle, in denen „die bürgerlich-rechtliche Prägung des Mietverhältnisses durch öffentlich-rechtliche Vorschriften ganz oder teilweise verdrängt und die Auswahl der Vertragsparteien sowie die Festlegung der Vertragsinhalte durch verwaltungsrechtliche Vorgaben überlagert […] wird. In einem solchen Fall beruhen wesentliche Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien gerade nicht auf ihrer grundsätzlich privatautonom getroffenen Entscheidung über die wesentlichen Inhalte des Mietverhältnisses, sondern auf Lenkungs- und Verteilungsentscheidungen der Verwaltung.“ (BVerfG, a.a.O., Rn. 115).
So liegt es hier: Bei der vorgeschlagenen öffentlich-rechtlichen Sozialwohnungsquote handelt es sich um eine Lenkungs- und Verteilungsentscheidung der Verwaltung im Bereich der Wohnraumbewirtschaftung. Ziel ist es, im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge insbesondere einkommensschwachen Haushalten Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu verschaffen. Die betroffenen Mietverträge werden nicht (gänzlich) privatautonom geschlossen, sondern durch öffentlich-rechtliche Vorschriften überlagert: Aufgrund der Belegungs-, Benennungs- und Besetzungsrechte sind die Wohnungsunternehmen zur Vermietung verpflichtet und dürfen ihre Mieter*innen nicht frei auswählen. Durch die öffentlich-rechtliche Mietbindung ist der Mietpreis vorgegeben und die Dauer des Mietverhältnisses ist auf einen Zeitraum beschränkt, in dem die Mieter*innen eine entsprechende Berechtigung nachweisen können. Hinzu kommen die behördlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismen. In Anbetracht der umfassenden Wirkung öffentlich-rechtlicher Regulierung auf das Mietverhältnis liegt der Regelungsschwerpunkt damit nicht im Privatrecht, sondern im Bereich sozialer Wohnraumförderung.
Eigentumsfreiheit der Wohnungsunternehmen
Eine solche Verpflichtung zur Einräumung von Belegungsrechten ist auch mit dem Eigentumsrecht der Wohnungsunternehmen aus Art. 14 GG vereinbar. Die Sozialwohnungsquote schränkt für einen Teil ihres Wohnungsbestandes die freie unternehmerische Entscheidung der Wohnungsunternehmen ein, ob, an wen und für welchen Preis sie eine Wohnung vermieten wollen. Als Inhalts- und Schrankenbestimmung ist die Sozialwohnungsquote aber durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, Rn. 55).
Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet; zugleich soll der Gebrauch des Eigentums nach Art. 14 II GG dem Wohl der Allgemeinheit dienen (BVerfG, a.a.O., Rn. 53). In diesem „unlösbaren Zusammenhang“ zwischen der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG, dem Regelungsauftrag des Art. 14 I 2 GG und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 II GG (BVerfG, a.a.O., Rn. 55) bewegt sich die Sozialwohnungsquote. Das zulässige Ausmaß der Sozialbindung ist dabei auch vom Eigentum selbst her zu bestimmen; je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist, desto weiter ist die Befugnis des Gesetzesgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung (BVerfG, a.a.O.).
Daran gemessen lassen sich die schutzwürdigen Interessen der Wohnungsunternehmen und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich bringen. Die Sozialbindungsquote bezweckt die Wohnraumversorgung, insbesondere für einkommensschwache Haushalte. Damit dient sie der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Bereich der Daseinsvorsorge, welche zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich ist (vgl. auch Art. 11 des UN-Sozialpakts).
Die Sozialwohnungsquote ist auch geeignet und erforderlich, um dem enormen Mangel an bezahlbaren Wohnraum zu begegnen. Sie würde den Bestand an Sozialwohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt deutlich erhöhen und ein Gegengewicht zu den steigenden Angebotsmieten auf dem freien Mietmarkt schaffen. Einkommensschwachen Haushalten würde der Zugang zu einer Mietwohnung erleichtert, weil sie nur mit anderen Haushalten mit WBS konkurrieren würden und hierfür mehr Wohnungen zur Verfügung stünden. Durch eine gleichmäßige Verteilung auf verschiedene Bezirke könnten eine soziale Durchmischung in den Stadtteilen gefördert und durch die Überführung von Bestandswohnungen in die Sozialbindung Verdrängungseffekte verringert werden. Andere staatliche Maßnahmen wie die Förderung des Wohnungsbaus oder die Erhöhung des Wohngeldes versprechen keine solche Wirksamkeit. Ein Neubau in dieser Größenordnung ist insgesamt, aber insbesondere im Bereich der Sozialwohnungen in den kommenden Jahren nicht ansatzweise zu erwarten. Die Erhöhung des Wohngeldes erfolgte bereits im Zuge der Wohngeldreform 2023 und kann den Zugang zu den auch für einkommensstärkere Haushalte verfügbare Wohnungen für die Berechtigten allenfalls geringfügig verbessern. Im Regelfall werden sich die Vermieter*innen dennoch für einkommensstärkere Bewerber*innen entscheiden. Die Anpassung des Wohngeldes an die immer weiter steigenden Mietpreise ist auch deswegen kein geeignetes Instrument, als es die Gewinne der Wohnungsunternehmen zu Lasten der Allgemeinheit gleichsam querfinanziert.
Die vorgeschlagene Sozialwohnungsquote greift nicht unangemessen in die Eigentumsfreiheit der Unternehmen ein. Die verpflichtende Vermietung eines Teils des Wohnungsbestandes an Menschen mit WBS ist nicht mit unzumutbaren wirtschaftlichen Verlusten verbunden. Die von Art. 14 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen sind erst dann überschritten, wenn die Miethöhenregulierung auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zu einer Substanzgefährdung der Mietsache führt (BVerfG, a.a.O., Rn. 69). Auch mit einem Abschlag von 20 Prozent von der ortsüblichen Vergleichsmiete ist in Gebieten mit Wohnungsnot die mit den Sozialwohnungen erzielte Miete nicht so gering, dass sie zu dauerhaften Verlusten oder einer Substanzgefährdung führt. Die darüberhinausgehenden Gewinnaussichten sind nur geringfügig schutzwürdig. Denn insbesondere im sozialpolitisch umstrittenen Mietrecht müssen Vermieter*innen mit häufigen Gesetzesänderungen rechnen und können nicht auf den Fortbestand einer ihnen günstigen Rechtslage vertrauen (BVerfG, a.a.O., Rn. 76). Ihr Vertrauen, mit der Wohnung höchstmögliche Mieteinkünfte erzielen zu können, ist von der Eigentumsgarantie nicht umfasst (BVerfG, a.a.O.). Soweit ein gewinnbringender Einsatz der Wohnungen für die Deckung der Investitionskosten notwendig ist, können die Wohnungsunternehmen auf die weiterhin rentable Vermietung von mindestens 70 Prozent ihres leistungsfähigen Wohnungsbestandes verwiesen werden.
Die überragende Bedeutung der Wohnraumversorgung und die aktuelle Wohnungsmarktlage rechtfertigen demgegenüber eine Heranziehung des Privateigentums von Wohnungsunternehmen. Bei der Abwägung des Eigentums „als Sicherung der Freiheit des Einzelnen im persönlichen Bereich einerseits“ und „in seinem sozialen Bezug sowie seiner sozialen Funktion andererseits“, verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfG, a.a.O., Rn. 74). Dabei kann er insbesondere die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen (BVerfG, a.a.O.). Angesichts von Angebotsmieten etwa in Berlin von durchschnittlich knapp 15 Euro pro Quadratmeter (ein Anstieg um rund 15,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2023) ist die Anmietung einer auf dem freien Mietmarkt angebotenen Wohnung für einkommensschwache Haushalte faktisch unmöglich. Die gleichzeitig beträchtliche Marktmacht der Wohnungsunternehmen führt zu einer strukturellen und existenziellen Benachteiligung einkommensschwacher Haushalte. Ist damit für einen großen Teil der Gesellschaft Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt schlicht nicht mehr zugänglich oder zu halten, hat der Gesetzgeber ein überragend wichtiges Interesse daran, für die Versorgung einkommensschwacher Haushalte Sozialwohnungen zu schaffen. Die weniger schutzwürdigen Interessen der Wohnungsunternehmen müssen dahinter zurücktreten, weil es sich um „unternehmerisches Eigentum mit einem besonders ausgeprägten sozialen Bezug“ handelt (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11, Rn. 297). Ihre Eigentumsausübung dient der unternehmerischen Tätigkeit und allenfalls geringfügig der Verwirklichung der persönlichen Freiheit, die das Eigentumsrecht in erster Linie schützen will. Zugleich weisen Wohnungen bereits mit Blick auf die absolut beschränkte Verfügbarkeit und fehlende Reproduzierbarkeit von Grund und Boden einen besonderen Sozialbezug auf (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, Rn. 71). Dieser ist umso stärker ausgeprägt als eine Wohnung essenzielle Voraussetzung für eine menschenwürdige Lebensführung ist. Hieraus folgt ein weiter gesetzgeberischer Spielraum, in dem die beiden miteinander konkurrierenden Eigentumspositionen durch die Sozialwohnungsquote angemessen in Ausgleich gebracht werden können.
Die Sozialwohnungsquote kann auch mit Blick auf Art. 3 GG, der hier nicht näher beleuchtet werden kann, verfassungskonform ausgestaltet werden. Insbesondere lässt sich eine typisierende Differenzierung nach Größe des Unternehmens aufgrund ihrer Marktmacht, wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Bedeutung für die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum rechtfertigen. Um zu vermeiden, dass Unternehmen, die zuvor öffentliche Wohnraumförderung zur Schaffung von Sozialwohnungen in Anspruch genommen haben, bei der Erfüllung der Quote im Vorteil sind, müsste diesbezüglich über eine nur anteilige Anrechnung geförderter Sozialwohnungen nachgedacht werden.
Fazit
Angesichts der anhaltenden Wohnungskrise und des akuten Bedarfs an Sozialwohnungen müssen die Bundesländer bei der Schaffung sozialen Wohnraums neue Wege gehen. Die aktuelle Diskussion auf der Berliner Landesebene nimmt dabei zu Recht die gesellschaftliche Verantwortung von Wohnungsunternehmen in den Blick. Deren Widerstand könnte sich angesichts der drohenden Vergesellschaftung von Wohnraum in Grenzen halten – zumal der damalige Vorstandschef des Immobilienunternehmens Deutsche Wohnen, Michael Zahn, eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung 2019 selbst schon ins Spiel gebracht hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Sozialwohnungsquote als ein vielversprechender Lösungsansatz zur Schaffung von sozialem Wohnraum. Ihre Einführung wäre ein entscheidender Schritt hin zu einem gerechteren Wohnungsmarkt.
So klar die im Beitrag zutreffend wiedergegebene Sach- und Rechtslage – So bemerkenswert die große Schweigsamkeit, oder allenfalls als negativer Kompetenzkonflikt für die Öffentlichkeit ausgetragene Untätigkeit der in Bund und Ländern herrschenden, diesen Namen gar nicht verdienenden Wohnungspolitik.
Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf ist seit der deutschen Vereinigung um 37 % gestiegen – auf 47,7 Quadratmeter Ende 2021 (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_N041_31.html). Auch wenn ein Teil des Anstiegs damit zusammenhängen dürfte, dass in den neuen Bundesländern ein gewisser Nachholbedarf bestand, ist meines Erachtens der Anstieg der durchschnittlichen Wohnfläche um 37% und die absolute Wohnfläche (47,7 Quadratmeter pro Kopf) durchaus beeindruckend. Ein Problem dürfte daher insbesondere die Verteilung der vorhandenen Wohnflächen sein. Die Mietgesetzgebung hat zu einer großen Spreizung der Mieten bei Bestandsvermietung und Neuvermietung geführt. Für diejenigen, die eine Wohnung seit Jahren oder Jahrzehnten gemietet haben, ist ein Umzug in eine kleinere Wohnung auchaus finanziellen Gründen nicht attraktiv. Ein Ein-Personenhaushalt in der Altersgruppe über 75 Jahre belegte im Jahr 1978 noch 55 Quadratmeter (m²), im Jahr 2010 waren es bereits rund 78 m² (https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/wohnen/wohnflaeche#altere-haushalte-belegen-viel-wohnraum).
S.L. + M.D.: „Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet; zugleich soll der Gebrauch des Eigentums nach Art. 14 II GG dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“
Durch die vorgeschlagenen Regelungen würde nicht erstmals in die Privatautonomie bei Vermietungen eingegriffen werden, vielmehr wurde bereits in der Vergangenheit in die Privatautonomie bei Vermietungen eingegriffen. Diese Eingriffe haben nicht verhindert, dass die jetzige Problemlage existiert. Von daher ist mir nicht klar, wieso weitere Eingriffe das Problem nachhaltig verringern sollten.
Im Übrigen ist die Wohnungsversorgung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Warum dann die angedachten Regelungen zu einem Sonderopfer bestimmter Unternehmen und deren Anteilseigner führen sollen, ist mir nicht klar.
Außerdem bin ich auf die Konsequenzen für die Mietinteressenten gespannt, die bislang nicht über einen WBS verfügen und sich um die verbliebenen Wohnungen balgen. Das könnte dazu führen, dass für mehr Mietinteressenten ein WBS ausgestellt wird, was zu einer weiteren Verknappung des Angebots und weiteren WBS führt. Ad infinitum. Die Berliner Linken-Fraktion und die Berliner Grünen-Fraktion sollten daher mit ihren Vorschlägen nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern für das Land Berlin eine Wohnungswirtschaft nach dem Vorbild der vormaligen DDR fordern.