Halbzeit
Heute in sechs Monaten wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Der beginnende Wahlkampf zeichnet sich langsam ab, und die politische Situation spitzt sich merklich zu. Die Organisation Ezra dokumentiert in letzter Zeit vermehrt Vorfälle rechtsextremistischer Gewalt: In Waltershausen setzen unbekannte Personen das Haus des SPD-Politikers Michael Müller in Brand, in Bleicherode wird das Büro der Landtagspräsidentin Birgit Pommer mit Hakenkreuzen beschmiert, in Suhl werden Parteibüros der SPD angegriffen. In Floh-Seligenthal bedrohen Menschen bei einem Besuch von Robert Habeck die anwesenden Journalist:innen, und ein paar Tage vorher werden Mitarbeiter:innen einer Menschenrechtsorganisation an einem Informationsstand rassistisch beleidigt. Der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer spricht von sogenannten Bedrohungsallianzen, wenn rechtsextreme Akteure Gewalttaten und Äußerungen in Landesparlamenten kombinieren, um kritische Organisationen einzuschüchtern, zu diskreditieren und schlussendlich institutionell abzuschaffen. Ein Beispiel: Ein AfD-Politiker wettert im Landtag gegen ein weltoffenes Musikfestival und ermutigt damit Gewalttäter, die Morddrohungen an die Intendanten des Festivals versenden. So legitimieren sich die Akteure der Bedrohungsallianz gegenseitig und die Lage eskaliert.
Wir, die Mitarbeiter:innen des Thüringen-Projekts, recherchieren nun seit dem Sommer 2023, was auf Demokratie und Rechtsstaat zukommen könnte, wenn die AfD über staatliche Machtmittel verfügt – und sich Bedrohungsallianzen weiter verschärfen. Über hundertdreißig Mal haben wir uns mit Wissenschaftler:innen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Richter:innen, Anwält:innen, Journalist:innen, Kulturschaffenden, Lehrer:innen und (Kommunal-)Beamt:innen in analoge und digitale Räume gesetzt und Szenarien entwickelt. Was-wäre-wenn-Fragen diskutiert. Plausibilitäten abgewogen. Fast jede Woche sind wir zwischen Berlin und Thüringen hin- und hergefahren: Erfurt, Jena, Bad Salzungen, Weimar, Eisenach. Und ungefähr dreißig Rechtswissenschaftler:innen haben auf dem Verfassungsblog zu verfassungsrechtlichen Fragestellungen publiziert, die das Thüringen-Projekt aufgeworfen hat.
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Barbara Huber Scholarship Program
Max Planck Institute for the Study of Crime, Security and Law (Germany)
The Max Planck Institute for the Study of Crime, Security and Law (MPI-CSL) launches the Barbara Huber Scholarship Program. The Research Scholarship program is open to outstanding academics from foreign research institutions for particularly innovative research projects that contribute significantly to scientific progress in the areas of Criminology, Public Law, or Criminal Law. For further information see here.
Barbara Huber (1935–2018) was an outstanding legal scholar. She was a Senior Researcher at the Max Planck Institute for Foreign and International Criminal Law, now MPI-CSL, where she carried out numerous large-scale comparative law projects.
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Ermöglicht hat das in erster Linie eine überaus erfolgreiche Crowd-Funding Kampagne auf betterplace.org im letzten Sommer – für die wir uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken wollen. Robert Sesselmann wurde damals als erster AfD-Politiker zum Landrat gewählt und die Gefährdung für Demokratie und Rechtsstaat, die von AfD-Mitgliedern in staatlichen Machtpositionen ausgeht, erschien plötzlich sehr konkret. Während der Umgang mit diesen Gefährdungen das Sommerloch in den Medien füllte, saßen wir in der Regionalbahn auf dem Weg nach Schwarzburg. In den Wochen darauf sind wir immer öfter Bahn gefahren, haben uns mit Funktionsträger:innen getroffen, auf unser Projekt aufmerksam gemacht und uns einen Überblick verschafft. Währenddessen lief die Crowd-Funding Kampagne erfolgreich weiter, wir konnten das Team auf sechs Mitarbeiter:innen und drei Volunteers vergrößern.
Seither betreiben wir gemeinsam das, was wir zivilen Verfassungsschutz nennen: Wir wollen die demokratische Öffentlichkeit für die Schachzüge autoritär-populistischer Parteien sensibilisieren und durch Antizipation dafür sorgen, dass sie wachsam bleibt. Nach und nach haben sich vier Schwerpunkte unserer Arbeit herauskristallisiert, vier Säulen gewissermaßen: Recherche und Forschung, politische Bildung, Policy Arbeit und Kommunikation.
Unsere Recherche haben wir in Themengebiete aufgeteilt: Kommunales, Medien, Bildung, Wahlen, Justiz, Sicherheitsapparat, Kultur. Es geht um Polizeirecht, Vergaberecht, Kulturrecht, um zum Teil völlig vergessene und verstaubte Rechtsvorschriften und Anordnungen, über die sich jahrelang niemand Gedanken gemacht hat. Bis ins Detail arbeiten wir uns in Denkmalverzeichnisse, Staatsverträge und Organigramme ein; zeichnen die Ereignisse in Polen oder Ungarn nach, und beschäftigen uns mit abstrakteren Themen wie dem Wissenschaftsskeptizismus autoritärer Populisten oder methodischen Grundlagen der Szenario-Analyse. Schlussendlich gleichen wir Recht mit der Wirklichkeit ab, bewegen uns dazwischen hin und her, um Szenarien zu entwickeln, die juristisch und politisch plausibel sind. Mit dieser Recherchearbeit befinden wir uns aktuell auf der Zielgraden. Einige Szenarien stehen also bereits, aber Fragen, die das Bund-Länder-Verhältnis betreffen, sind für uns noch offen: Was wäre, wenn in einem deutschen Bundesland eklatant gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen würde? Unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen ließe sich auf Bundesebene darauf reagieren? Das wollen wir in den nächsten Monaten noch intensiv recherchieren. Dafür suchen wir ab sofort Verstärkung durch ein:e wissenschaftliche Mitarbeiter:in, für die wir hier eine Stelle ausgeschrieben haben.
Viele der Szenarien, mit denen wir uns beschäftigen, sind noch nie eingetreten. Recht einem Stresstest auszusetzen und in die Zukunft zu denken, provoziert neue, ungeklärte oder unbehandelte rechtswissenschaftliche Fragen. Um darauf Antworten zu finden, versuchen wir, unsere Szenarien auch in den rechtswissenschaftlichen Diskurs hineinzutragen. Auf diesem Blog haben Forscher:innen seit Beginn des Thüringen-Projekts Lösungswege aus Blockadekonstellationen bei der Besetzung von Richter:innenposten diskutiert, Neutralitätsklauseln in Förderrichtlinien für die Zivilgesellschaft kritisch untersucht und über das Wesen politischer Beamter nachgedacht. In einem Blogsymposium haben wir ausführlich das Phänomen parlamentarischer Obstruktion zur Debatte gestellt. Im nächsten halben Jahr wollen wir in diesen und anderen Formaten rechts- und politikwissenschaftliche Fragestellungen der Resilienz unserer Verfassungsordnung erörtern.
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Nominations and Self-Nominations Sought for the Position of Director
at the Max Planck Institute
for Comparative Public Law and International Law,
Heidelberg, Germany
The MPG and the MPIL, Heidelberg, invite nominations for a director for a third and complementary research department.
Candidates should have a strong record of innovative research in international and comparative public law, EU law or comparative law and the ability to devise a long-term strategy for excellent research. Management and leadership skills and a spirit of collaboration are required to lead the academic and non-academic staff of over 150 persons.
Nominations should be sent to nomination@mpil.de until 31/3/2024.
Please click here for more information.
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Uns ist wichtig, dass unsere Rechercheergebnisse wirken. Wir haben mehrere (verfassungs)rechtliche Einfallstore identifiziert, die ohne große Kosten für die Demokratie geschlossen werden können. Einige wenige dieser Szenarien könnten also noch entschärft werden, indem bestimmte Rechtsgrundlagen ergänzt oder klargestellt werden. Dafür haben wir in enger Absprache mit Expert:innen ein Policy Paper entwickelt, das in wenigen Wochen erscheint und unsere Handlungsempfehlungen darstellt. Einige davon haben wir bereits in Gastbeiträgen auf Spiegel Online publiziert, etwa zum Kündigungsverfahren von Medienstaatsverträgen oder dem Ausschluss von konsultativen Volksbefragungen. Natürlich braucht es dafür die entsprechenden politischen Mehrheiten, und wir sind uns bewusst, dass diese gerade in Thüringen schwer zu organisieren sind. Trotzdem: die Veröffentlichung unseres Szenarios zur Landtagspräsidentin hat viel Aufmerksamkeit erregt, und Linke und Grüne machen sich nun für eine Änderung der Parlamentsregeln stark.
Mit unseren Ergebnisse wollen wir vor allem diejenigen Menschen erreichen, die ab dem Herbst mit diesen Szenarien konfrontiert sein könnten. Es geht uns darum zu zeigen, in welchen Momenten es ganz konkret auf ihr Handeln ankommt. Autoritäre Populisten profitieren davon, Chaos und Unsicherheit zu stiften, indem sie mit bisherigen demokratischen Konventionen brechen. Um Funktionsträger:innen auf diese Situationen vorzubereiten und unter ihnen mehr (Rechts-)Sicherheit zu schaffen, organisieren wir mit Kooperationspartner:innen Workshops. Gemeinsam mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft bereiten wir in fünf Veranstaltungen Lehrer:innen auf autoritär-populistische Strategien im Bildungssystem vor; mit der deutschen Richtervereinigung planen wir Seminare für Rechtreferendar:innen. Workshops mit Journalist:innen und dem öffentlichen Dienst sollen folgen.
Wesentlicher Bestandteil des Projekts ist die Kommunikation der Ergebnisse an Funktionsträger:innen und die Öffentlichkeit. Nur so kann es gelingen, ein Bewusstsein für autoritäre Schachzüge zu schaffen und Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Wir haben deshalb in den vergangenen Monaten an zahlreichen Veranstaltungen teilgenommen und treiben das weiter voran: Vernetzungstreffen der Partnerschaften für Demokratie in ganz Thüringen, das Miteinander-Reden-Festival in Jena oder das Netzwerk für Demokratiebildung in Bad Salzungen. In der nächsten Hälfte des Projekts nehmen wir an Ringvorlesungen der Universitäten Jena, Leipzig, Tübingen und Erfurt teil, diskutieren die Ergebnisse unserer Recherche in Podiumsdiskussionen mit Rechtswissenschaftler:innen, Kommunalbeamt:innen und Politikwissenschaftler:innen und halten Vorträge, zum Beispiel bei der Neuen Deutschen Richtervereinigung. Im März touren wir mit den Partnerschaften für Demokratie quer durch Thüringen, um zivilgesellschaftliche Organisationen zu informieren und uns mit ihnen zu vernetzen. Weil wir möglichst viele Menschen mit unserer Arbeit erreichen und für autoritär-populistische Strategien sensibilisieren wollen, schreiben wir Zeitungsartikel, treten im Fernsehen auf, tragen unsere Ergebnisse nach außen. Wir haben für Zeit Online und Spiegel Online geschrieben, waren in den Tagesthemen und im ZDF Heute Journal zu Gast, haben unzählige Interviews und Hintergrundgespräche gegeben für die TAZ, die SZ, den MDR, die FAZ, den Tagesspiegel. Wir sehen, dass wir damit über Thüringen hinaus auf Szenarien aufmerksam machen, die auch in anderen Bundesländern relevant werden können. In Medien und Politik lässt sich beobachten, dass Was-wäre-wenn-Fragen gestellt werden. Mit etwas Stolz können wir also jetzt schon sagen: Das Thüringen-Projekt wirkt.
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An der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer ist eine
W3 – Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht und ein Grundlagenfach
zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen.
Die erfolgreiche Bewerberin oder der erfolgreiche Bewerber vertritt das Fachgebiet des Öffentlichen Rechts, namentlich das Verfassungsrecht und ein Grundlagenfach, in Forschung, Lehre (ggf. auch in englischer Sprache) und Weiterbildung. Sie oder er wird für die Entwicklung und Umsetzung von Lehr- und Weiterbildungskonzepten zur Rechtsetzungslehre an der Universität Speyer verantwortlich sein.
Der Ausschreibungstext ist zu finden unter: https://www.uni-speyer.de/stellenangebote
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Einiges ist also schon geschafft. Aber vieles bleibt noch zu tun. Mit einem Podcast für die Bundeszentrale für politische Bildung und einem im Sommer erscheinenden Buch wollen wir unsere Rechercheergebnisse präsentieren und Bewusstsein für die Missbrauchsanfälligkeit von Recht schaffen. Gemeinsam mit zwei anderen Organisationen bauen wir eine Rechtsschutzstruktur in Thüringen, Brandenburg und Sachsen auf; wir wollen weiter Vorträge halten, Veranstaltungen organisieren und unsere Ergebnisse breit und effektiv kommunizieren. Auch dafür suchen wir ab sofort Unterstützung eine:r Kommunikations- und eine:r Wissensmanager:in. Zu den Ausschreibungen geht es hier.
Wir sind sehr dankbar dafür, dass so viele Menschen dieses Projekt mit ihren Spenden unterstützen und freuen uns, wenn ihr uns auch in der zweiten Hälfte des Projekts helft, den zivilen Verfassungsschutz gegen autoritär-populistische Kräfte auszubauen. Das könnt ihr tun, indem ihr weiter für uns spendet, unsere Szenarien weitererzählt, euch informiert, vernetzt, indem ihr publiziert und protestiert – denn so funktioniert ziviler Verfassungsschutz.
Euer Team des Thüringen-Projekts
Anna-Mira, Carolin, Friedrich, Hannah, Jannik, Janos, Juliana, Klaas, Lennart, Marie, Max
Die Woche auf dem Verfassungsblog
Zwei Jahre sind vergangen, seit Russland seine groß angelegte Invasion in der Ukraine gestartet hat. Dieser Akt der Aggression bedeutet seitdem großes Leid für die Menschen vor Ort. ISABELLE HAßFURTHER fordert in ihrem Beitrag eine sofortige Reform der Zuständigkeit des IStGH und die Einrichtung eines Sondergerichtshofs für die Ukraine. Sie weist darauf hin, dass die derzeitige Zuständigkeit des IStGH nicht für Angriffsverbrechen gilt, die von Staatsangehörigen oder im Hoheitsgebiet von Nichtmitgliedstaaten begangen werden, es sei denn, der UN-Sicherheitsrat verweist den Fall an das Gericht. Diese Ausnahme schafft Lücken in der Rechenschaftspflicht und muss behoben werden.
Der Internationale Gerichtshof hat der Prozessstrategie der Ukraine am 2. Februar 2024 einen weiteren Schlag versetzt. Der Blogpost von IRYNA MARCHUK und ALOKA WANIGASURIYA legt der Ukraine nahe, eine neue Klage vor dem IGH zu erwägen.
Vor einem Jahr verleiteten die “grünen” Subventionsprogramme der Biden Regierung die EU ebenfalls zu einer ganzen Flut von industriepolitischen Ankündigungen. Nachdem die erste Euphorie vorbei ist, zeigt sich nun, welche davon tatsächlich umgesetzt werden und in die Gesetzbücher gelangen. NILS REDEKER erklärt, was wir aus dem Net Zero Industry Act über die EU Industriepolitik lernen können.
Das Oberhaus des britischen Parlaments (House of Lords) berät zur Zeit über die sog. Safety of Rwanda Bill. Zusammen mit dem Illegal Immigration Act soll dieses Gesetz die Abschiebung von Flüchtlingen nach Ruanda ermöglichen, um dort deren Asylverfahren durchzuführen. EMIL KRUDE geht kritisch auf die rechtsstaatlichen Konsequenzen eines solchen Outsourcings ein.
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Unser Team wächst weiter!
Für das Thüringen-Projekt besetzen wir Stellen als
Außerdem suchen wir Studentische Hilfskräfte für in den Bereichen Administration und Redaktion.
Das klingt interessant? Dann schau Dir hier die Ausschreibungen an.
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Van Gend richtig zitieren – einen Text, der schmunzeln lässt, verfasst diese Woche HENRI DE WAELE. Es geht um eines der wohl berühmtesten Urteile des Europäischen Gerichtshofs, welches in den vergangenen sechs Jahrzehnten viel zitiert worden ist – und das überwiegend falsch. Der Beitrag untersucht, wie es zu diesem Zitierfehler kam.
Am 18. Januar 2024 hat der Deutsche Bundestag das umstrittene Rückführungsverbesserungsgesetz verabschiedet, das die humanitäre Unterstützung der Einreise auf dem Landweg sowie die Einreise von Minderjährigen auf dem See-, Land- und Luftweg de facto unter Strafe stellt. Es ist fast wortgleich mit der italienischen Gesetzesversion, die dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorliegt. TERESA QUADT beschreibt, welche Auswirkungen eine Entscheidung für die deutsche Variante des Gesetzes hätte.
Auch im Digitalressort gibt es Neuigkeiten. ALEXANDER PEUKERT setzte sich kritisch mit den jüngst veröffentlichten Vorschlägen der Kommission an Plattformen zur Verhinderung von Einflussnahmen auf Wahlen auseinander. Ein angesichts der enorm wichtigen Wahlen der nächsten Jahre (Thüringen, Europawahl, Bundestag, Frankreich) ein ziemlich wichtiges Thema. Dies gilt umso mehr, als die Vorschläge der Kommission bislang unzureichend sind.
ERIK TUCHTFELD analysierte eine spätestens seit den Snowden-Enthüllungen allseits bekannte, aber doch nicht wirklich gebannte Gefahr: Die Ausspähung verschlüsselter Messenger-Dienste. Geheimdienste versuchen stets, eine ‘backdoor’ in Dienste wie Signal, WhatsApp, oder Telegram einzubauen. Im Geltungsbereich der EMRK ist dies illegal, wie der EGMR in seiner Podchasov Entscheidung noch einmal bekräftigte.
Das Bundesgesetzblatt ist jetzt auch digital. Und damit fehlt es an einer rechtlich tragfähigen Begründung für die Ausnahme vom Vollständigkeitsgebot bei der Verkündung des Haushaltsgesetzes. KILIAN HERZBERG schreibt, warum die zusammengefasste Version des Haushaltsplans jetzt nicht mehr reicht.
Diese Woche hat ein neues Symposium bei uns zum Thema “Rethinking the Law and Politics of Migration” begonnen. ANJA BOSSOW leitet in den zugrunde liegenden Gedanken ein: Wie könnte eine Veränderung in Recht und Politik rund um das Thema Migration aussehen? Die veröffentlichten Beiträge zeigen die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Sie zeigen aber auch die vielen Wege, auf denen rechtliche Methoden, Ideen und Strategien genutzt wurden und werden, um dem vorherrschenden, einwanderungsfeindlichen öffentlichen Diskurs entgegenzuwirken. Der Beitrag von SARAH GANTY und DIMITRY KOCHENOV hebt vier Techniken hervor, die von der EU eingesetzt werden, um (Im-)Migration durch das zu regeln, was sie als “Rechtlosigkeit” bezeichnen. ALEKSANDRA ANCITE-JEPIFÁNOVA erklärt unterdessen, wie sowohl reale, als auch erfundene Sicherheitsbedenken dazu missbraucht wurden, um die Annahme einer menschenrechtsverachtenden Politik in der EU zu rechtfertigen. JOYCE DE CONINCK und GIULIA RAIMONDO zeigen in diesem Zusammenhang, dass die einzigartige, supranationale Grenzrechtsarchitektur der EU das herkömmliche staatszentrierte Verständnis von Grenzmanagement durchbricht. Das fördert gleichzeitig die Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen bei ihrer Durchsetzung. Einem anderen Gedanken folgend zeigt der Beitrag von JÜRGEN BAST auf, wie wir bisher das Potenzial des Rechts auf Freizügigkeit für Asylsuchende übersehen haben und erinnert uns an die Arbeit, die in dieser Richtung noch geleistet werden muss. MAXIMILIAN PICHL befasst sich mit den Möglichkeiten für eine wirksame strategische Rechtsverfolgung im Rahmen des neuen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Er stellt fest, dass eine bessere Infrastruktur gegeben ist, als in den Anfangszeiten der sogenannten “Migrationskriese”. DAVID OWEN hebt hervor, wie tief der Diskurs über Humanität mit unserem Streben nach dem Auslagern von menschenrechtlichen Verpflichtungen verknüpft ist und wie er dieses Auslagern rechtfertigt. CATHRYN COSTELLO und STEFANO ZIRULIA zeigen, wie gerichtliche Entscheidungen gegen die Kriminalisierung von Asylsuchenden ankämpfen. CATHERINE BRIDDICK untersucht in ihrem Beitrag, wie wir die Instrumente und Normen des internationalen Rechts mobilisieren können, um dem Outsourcing-Trend entgegenzutreten.
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Das wär’s für diese Woche! Ihnen alles Gute,
Ihr
Verfassungsblog-Editorial-Team