Handeln erlaubt!
Lützerath und legislative Spielräume im „geltenden Recht“
Die Grünen stehen zu ihrem Deal mit RWE und dem „Rückbau“ von Lützerath: Die sich unter dem Dorf befindliche Braunkohle sei in „einer energiepolitischen Krisensituation“ (Habeck) unerlässlich für die Stromversorgung in Deutschland. Mittlerweile weisen allerdings zahlreiche Stimmen diese Erzählung zurück. Die Wissenschaft legt überwiegend nahe (hier, hier und hier), dass wir sehr gut ohne die Kohle oder zumindest einen Großteil der Kohle unter Lützerath auskommen können.
Viele sind deshalb auf ein anderes Narrativ ausgewichen: Angenommen wir könnten auf die Kohle unter Lützerath verzichten, der Politik wären allein aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden. Selbst wenn wir wollten, wir dürfen nichts tun! Kritik an einer solchen Haltung wird in den Medien und der (twitternden) Öffentlichkeit zuweilen als Angriff auf den Rechtsstaat stilisiert (hier oder hier). Verträge dürfe man nicht brechen und geltendes Recht könne man nicht einfach abschaffen! Das geltende Recht des Pariser Vertrags wird dabei meist ausgeblendet.
Solche Meinungen müssen von parlamentarischen Vertretern einer Partei, die sowohl auf Landes- als auch Bundesebene an der Regierung beteiligt ist und deren Spitzen den RWE-Deal überhaupt erst ausgehandelt haben, überraschen. Im Newsletter der Grünen-Geschäftsführerin vom 16.01. heißt es, “dass Lützerath nicht gerettet werden konnte, wo die Rechtslage zugunsten von RWE bereits endgültig vor Gericht geklärt war” (so auch Mona Neubaur und andere Grüne). Bestenfalls wird hier suggeriert, dass sich demokratisch legitimierte Parlamentarier und Regierende ihrer Selbstwirksamkeit unsicher sind, schlimmstenfalls zeugen solche Auffassungen von politischer Selbstentmündigung. Denn tatsächlich könnten die politischen Akteure in Land und Bund die Umwandlung der Kohle unter Lützerath zu CO₂ noch verhindern.
I. Das (Schein-)Problem der Rechtskraft
Der genannte Newsletter stellt auf die Urteile des OVG NRW vom 28.03.2022, Az. 21 B 1675/21 und 21 B 1676/21, ab. Hier hätte das Gericht rechtskräftig entschieden, dass ein Stopp des Tagebaus Garzweiler II rechtlich vom Tisch sei. Dabei betreffen die Urteile des OVG lediglich die Rechtmäßigkeit der behördlichen Grundabtretungen. Mit „Grundabtretung“ ist die Enteignung von Grundstücken zum Zwecke der Gewinnung von Bodenschätzen durch private Unternehmen gemeint (vgl. § 77 BBergG), in diesem Fall also von Grundstücken in Lützerath an RWE zum Zwecke des Kohleabbaus. Diese Grundabtretungen waren nach Auffassung des OVG zwar rechtmäßig. Entscheidender als das Eigentum an den Grundstücken ist jedoch, was mit der unter Lützerath liegenden Kohle passiert.
Über diese Frage hat das Gericht aber nicht abschließend entschieden. Denn für die Zulässigkeit der Grundabtretung kommt es gemäß § 79 BBergG nicht unmittelbar darauf an, dass die für die Förderung der Kohle notwendige Zulassung des Hauptbetriebsplans rechtmäßig war. Vielmehr genügt es, wenn der Grundabtretungsbegünstigte (RWE) „glaubhaft macht, dass das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck [der Kohleförderung] verwendet wird“. Das soll nach § 77 II BBergG (zumindest indiziell) dann der Fall sein, wenn die zur Förderung angefertigten Betriebspläne zugelassen wurden (vgl. Vorinstanz VG Aachen v. 7.10.2021 – 6 L 418/21, Rn. 54 f.). Andersherum folgt indes aus der Rechtmäßigkeit der Grundabtretung nicht automatisch die Rechtmäßigkeit der Zulassung des Betriebsplans zur Kohleförderung.
Selbst wenn eine solche Folge den Urteilen inzident zu entnehmen sein sollte, bezogen die Urteile sich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt März 2022, nach a.A. sogar Dezember 2020 (vgl. VG Aachen, Rn. 57 f.). Eine Änderung der Sach- und insbesondere Rechtslage schließt das OVG indes gerade nicht aus, das könnte es auch gar nicht. Vielmehr verweist das Gericht die Antragssteller für klimapolitische Forderungen explizit an den Gesetzgeber. Es sehe zwar keinen „zulässigen rechtlichen Ansatzpunkt für eine (richterliche) Rechtsfortbildung (…). Richtiger Adressat wäre diesbezüglich [aber] der Gesetzgeber“ (Rn. 88).
II. Politische Handlungsoptionen
Welche Maßnahmen könnten also, politischen Willen vorausgesetzt, Gubernative und Legislative in NRW oder Bund ergreifen, um die Kohleförderung unter Lützerath zu verhindern?
Ein beispielsweise von den Scientists for Future gefordertes schnelles „Kohle-Moratorium”, also die zeitweise Unterbrechung des Rückbaus Lützeraths, könnte von der Bezirksregierung Arnsberg als „Obere Bergbehörde“ kurzfristig nur bei Bestehen einer unmittelbaren Gefahr für Beschäftigte oder Dritte, die aus einem Verstoß gegen eine den Kohleabbau betreffende Rechtsvorschrift resultiert, angeordnet werden (§ 71 BBergG). Eine solche bestand aber bisher zu keinem Zeitpunkt.
Eine tatsächliche Verhinderung der Kohleförderung unter Lützerath wäre allerdings durch die Aufhebung der Zulassung des seit 1.1.2023 geltenden Hauptbetriebsplans möglich. Diese müsste durch die Bezirksregierung Arnsberg oder von dem die Fachaufsicht innehabenden Wirtschaftsministerium des Landes NRW erfolgen. Voraussetzung ist gemäß § 5 BBergG, § 49 LVwVfG das Vorliegen eines oder mehrerer der, bei unterstellter Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Zulassung des Hauptbetriebsplans, in § 49 II LVwVfG geregelten Widerrufsgründe. Infrage kommt ein Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl (Nr. 5) oder wegen nachträglicher Änderung von Rechtsvorschriften (Nr. 4). Auf Nr. 5 soll aus Platzgründen nicht eingegangen werden, ohne dass sich damit gegen eine Anwendbarkeit positioniert werden soll. Interessanter ist Nr. 4, der voraussetzt, dass der Landes- oder Bundesgesetzgeber die Rechtsgrundlagen der Kohleförderung unter Lützerath ändert.
Bundesrechtlicher Ansatzpunkt für eine solche Änderung ist § 48 des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes (KVBG), der die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und versorgungssichernde Funktion des Tagebaus Garzweiler II feststellt (§ 48 I KVBG). Diese Feststellung ist fachrechtlichen Planungen und Zulassungen zugrunde zu legen (§ 48 II 1 KVBG). Zwar geht die Behörde im Zulassungsbescheid davon aus, dass es auf die normative Feststellung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit in § 48 KVBG nicht entscheidend ankommt (S. 24, 155). Eine Änderung von § 48 KVBG würde jedoch eine eindeutige gesetzgeberische Wertung zugunsten klimaschutzrechtlicher Belange und gegen die versorgungssichernde Funktion der Kohleförderung unter Lützerath zum Ausdruck bringen und damit einer erneuten Zulassung des seit dem 1.1.2023 geltenden Hauptbetriebsplans entgegenstehen (vgl. § 48 II BBergG).
§ 48 I KVBG könnte dahingehend geändert werden, dass die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II insgesamt entfällt. Dies wäre durch eine Streichung des gesamten – verfassungsrechtlich ohnehin umstrittenen – § 48 KVBG oder sogar durch eine negative gesetzliche Klarstellung möglich. Neben diesen wohl kaum mehrheitsfähigen Optionen könnte Lützerath in die in § 48 I KVBG enthaltene Liste der „geschützten“ Dörfer und Höfe aufgenommen werden. Der auf Grundlage des § 49 KVBG zwischen dem BMWK und den Energieunternehmen geschlossene öffentlich-rechtliche Vertrag zur Beendigung der Kohleverstromung (ÖRV) wäre durch keine dieser Änderungen betroffen, da eine Änderung des § 48 KVBG nicht unmittelbar die dort geregelte Kohleverstromung beträfe. Es müsste jedoch der in § 48 I KVBG enthaltene Verweis auf die Leitentscheidung des Landes NRW vom 23.3.2021 angepasst werden, da diese eine Konzentration der Inanspruchnahme auf die Kohlevorkommen unter Immerath und Lützerath vorsieht (S. 18).
Eine neue Leitentscheidung, die die Förderung der Kohle unter Lützerath nicht mehr vorsieht, könnte die Landesregierung grundsätzlich auch unabhängig vom Bundesgesetzgeber treffen. Die Änderung der Leitentscheidung würde sich dann in der neuen Fassung des derzeit im Änderungsverfahren befindlichen Braunkohleplans für Garzweiler widerspiegeln (vgl. § 30 I 3 Landesplanungsgesetz NRW). Da die Betriebspläne mit dem für das Abbaugebiet geltenden Braunkohleplan in Einklang zu bringen sind (§ 29 III Landesplanungsgesetz NRW) würde sich eine Änderung der Leitentscheidung also auch auf landesrechtlicher Ebene auf die Zulassung des Hauptbetriebsplans auswirken. Allerdings steht der Landesregierung das Recht zur räumlichen Konkretisierung des Kohleabbaus nur im Rahmen der gesetzlich festgestellten energiewirtschaftlichen Notwendigkeit zu (§ 48 II KVBG). Eine Abstimmung von Landes- und Bundesgesetzgeber erscheint daher insgesamt ratsam.
Ein Widerruf gemäß § 49 II Nr. 4 VwVfG wäre unrechtmäßig, wenn RWE schon von der Zulassung des Hauptbetriebsplans Gebrauch gemacht, also mit dessen Verwirklichung begonnen hat. Zwar ist der Großteil der Lützerather Gebäude schon abgerissen worden, mit der Kohlegewinnung wurde aber noch nicht begonnen. Nach Angaben von RWE soll diese ab März oder April dieses Jahres erfolgen. Bzgl. des „Gebrauchmachen“ durch RWE erscheint es angesichts des Zwecks der Zulassung – eine zeitliche, räumliche, und betriebstechnische Konkretisierung gerade des Abbaus festzulegen – sinnvoll, frühestens auf den Beginn der Gewinnung der Kohle selber und nicht auf bloße Vorbereitungsmaßnahmen abzustellen: Gerade in der derzeitigen Konfliktsituation bestünde ansonsten zudem ein Anreiz für RWE, vorschnelle Rückbaumaßnahmen vorzunehmen.
Die zumindest vorübergehende Verhinderung des Abbaus der Kohle unter Lützerath ist also einfachrechtlich bzw. in der rechtstechnischen Umsetzung nicht völlig unproblematisch – aber machbar. Auch jenseits des § 48 KVBG bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, weitere Gesetzesänderungen vorzunehmen, die über den Fall Lützerath hinausweisen.
III. Verfassungsrechtlicher Rahmen und Entschädigung
Die rechtlichen Grenzen in Sachen Rheinisches Revier werden nach alledem vor allem durch das Verfassungsrecht gezogen. Für die Änderung des § 48 KVBG durch den Bundesgesetzgeber und einen entsprechenden Widerruf des Hauptbetriebsplans kommt es maßgeblich auf den rechtsstaatlich garantierten (Art. 20 III GG) Grundsatz des Vertrauensschutzes an. Vorliegend wird dieser durch Artikel 14 I GG verstärkt, da die bergrechtliche Erlaubnis zur Kohleförderung eine hier berührte geschützte Eigentumsposition bildet. Auch die im Gemeininteresse stehende Energieversorgungssicherheit ist zu berücksichtigen.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes schließt eine echte Rückwirkung aus, und damit eine Regelung mit Rückwirkung für einen in der Vergangenheit liegenden, also bereits abgeschlossenen Sachverhalt. Die Kohle unter Lützerath befindet sich jedoch noch im Erdreich, es handelt sich insofern nicht um einen abgeschlossenen Sachverhalt. Allerdings würde eine Änderung des § 48 KVBG eine unechte Rückwirkung darstellen, da sie einen bereits begonnen Lebenssachverhalt beträfe. Über deren Verfassungsmäßigkeit müsste also eine umfassende Güterabwägung entscheiden, in der die durch eine rückwirkende Änderung geschützten Partikular- und Gemeinwohlinteressen, also insbesondere Klimaschutzbelange und die zukünftige Ausübung von Freiheitsrechten (intertemporale Wirkung) auf der einen Seite, sowie andererseits das Eigentumsrecht RWEs, die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Bestand der Rechtslage und das Gemeininteresse an der Versorgungssicherheit einfließen.
Zur Schutzwürdigkeit des Vertrauens nur so viel: Auf den ersten Blick scheint der in § 48 I KVBG verankerte „Deal“ zwischen RWE und BMWK, insbesondere die genaue Aufzählung der im ursprünglich geplanten Förderbereich liegenden Dörfer, eine erhöhte Schutzwürdigkeit des Vertrauens RWEs in ihr Recht, die Kohle unter den dort nicht aufgezählten Dörfern zu fördern, zu begründen. Die normative Feststellung der energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Notwendigkeit von Garzweiler II in § 48 I KVBG ist allerdings maßgeblich von einer Vielzahl an tatsächlichen Entwicklungen abhängig. Dass ein in kurzer Abfolge wiederkehrendes gesetzgeberisches Bedürfnis nach Revision der Vorschriften zur Sicherung der Energieversorgung besteht, dürfte RWE also gut bekannt sein – schließlich hat das Unternehmen mit der im Zuge des „Deals“ ausgehandelten Laufzeitverlängerung für die Kraftwerksblöcke Neurath D und E selber von diesem Umstand profitiert.
Des Weiteren spricht der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum für die Verfassungsmäßigkeit einer Änderung von § 48 KVBG. Der Gesetzgeber kann sich dabei auf eine solide Sachlage stützen: Laut Studien des DIW steht eine Förderung der Kohle unter Lützerath der Einhaltung des deutschen Beitrags zu 1,5 Grad entgegen. Und die Versorgungssicherheit wird bei einer Ausübung des Gestaltungsspielraums nicht gefährdet. Denn es ist davon auszugehen, dass die auch ohne den Rückbau von Lützerath noch verbleibende Abbaumenge im Tagebau Garzweiler II zur Stromversorgung der Bundesrepublik ausreicht: Dort könnte RWE auch ohne Lützerath noch ca. 170 Millionen Tonnen Kohle abbauen. Einige Stimmen sehen den Bundesgesetzgeber deshalb sogar verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, § 48 KVBG zu streichen (etwa hier und auch hier). Ohne sich auf eine Diskussion um das Untermaßverbot einlassen zu wollen, verdeutlichen diese Stimmen doch, dass eine einfache Änderung von § 48 KVBG das Übermaßverbot kaum verletzen dürfte.
Inwieweit RWE dabei über die dem Unternehmen bereits zugewiesenen Summen hinaus entschädigt werden muss, kann hier nicht abschließend beantwortet werden. Um eine einvernehmliche Einigung mit RWE zu erzielen, müsste das BMWK wohl etwas Verhandlungsgeschick aufbringen. Denn der vorgezogene Kohleausstieg Ende vergangenen Jahres wurde mit dem Rückbau Lützeraths erkauft. RWE wird es kaum anstandslos hinnehmen, sollte Lützerath doch von politischer Seite geschützt werden. Im Zweifel müssten die Gerichte entscheiden.
So teuer wie der Ausstieg vom Ausstieg vom Atomausstieg dürfte es jedenfalls nicht werden. Denn dass der Kohleausstieg kommen würde, war spätestens mit Erlass des KVBG klar. Auf dessen Grundlage wurden RWE bereits Entschädigungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro zugestanden, eine Summe, die sich schon deutlich am oberen Ende des Erforderlichen bewegte. Dass ein noch früherer Ausstieg sowie der Schutz weiterer Dörfer kommen würde, war angesichts der sich rapide entwickelnden Klimakatastrophe auch zu erwarten. Robert Habeck hat dementsprechend längst deutlich gemacht, dass er einen früheren Kohleausstieg auch für die Lausitz anstrebt.
Möglichkeiten dazu sind bereits in der aktuellen Fassung des ÖRV mit den Energieunternehmen vorgesehen, etwa in § 22 II durch eine Änderung der Stilllegungsfristen von Kraftwerken. Danach ist eine Entschädigung auch bei nachträglicher Revision bei Einhaltung bestimmter Bedingungen ausgeschlossen. Zwar stellt die Änderung des § 48 KVBG einen leicht anders gelagerten Fall dar, da sie sich auf die bergrechtliche Zulässigkeit des Kohleabbaus bezieht. Der ÖRV verdeutlicht jedoch, dass die Kohleunternehmen eine entschädigungslose Veränderung der Rechtslage zumindest in einem gewissen Rahmen erwarten müssen.
IV. Fazit
Insgesamt ist festzuhalten, dass die politischen Akteure, darunter die Grünen als Regierungspartei in Bund und Land, es sich mit dem Verweis auf eine bereits bestehende Rechtslage zu einfach gemacht haben. Wie für jedes gesetzgeberische Vorhaben wären bei einer Änderung des KVBG zwar verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten. Diese rechtfertigen indes keine politische Apathie.
Das alles soll nicht heißen, dass es die aktuelle Politiklandschaft den Grünen besonders leicht machen würde, klimaschützende Politik zu betreiben. Diese Tatsache hätte die Partei jedoch an die Spitze ihres Narrativs zu Lützerath stellen sollen, was eine glaubwürdigere Solidarisierung mit den Protesten der vergangenen Woche zugelassen hätte. Stattdessen hat sie (in Teilen) versucht, sich mithilfe zweifelhafter Verweise auf eine Art “objektiven Rechtshimmel” ihrer politischen Verantwortung zu entziehen und so insbesondere gegenüber der Klimabewegung Vertrauen verspielt.
Die entsprechenden Mehrheiten vorausgesetzt, kann sogar der Art 20a GG wieder gestrichen werden. Insofern ist alles, was einem Gesetzgeber mit entsprechender Mehrheit beliebt, jederzeit im Rahmen der Art. 79 III möglich. Dafür braucht man keine rechtlichen Klimmzüge, sondern nur politischen Willen.
“Dafür braucht man keine rechtlichen Klimmzüge, sondern nur politischen Willen.”
Eben. Den politischen Willen der Grünen und den politischen Willen der SPD und der FDP. So einfach ist das in einer Koalition.
Schlimmer noch als das Rechtsdickicht ist die Tatsache, dass dieses Rechtsargument verschleiert, dass sich die Physik der Atmosphäre nicht für menschliches Recht interessiert. Die Klimaänderung findet einschließlich entsprechender Folgewirkungen mit oder ohne behördliche Genehmigung genau gleich statt. Genauso sachfremd ist da der Verweis auf demokratische Mehrheiten. Das bedeutet nicht, dass Rechtsstaat und demokratischer Kompromiß unnötiger Schmuck seien, aber es sind Dinge, die sich auch nicht in einer Parallel- sondern dieser Welt abspielen, die gerade wechselweise von Dürren, Überschwemmungen und Stürmen heimgesucht wird, welche echtes Geld und leider oft auch echte Leben kosten. Die Debatte klingt oft so, als würde mit einer Klimaschutzmaßnahme irgendein persönlicher Wunsch von ein paar Aktivisten oder gar Frau Thunberg erfüllt wie eine Rentenerhöhung oder ein herabgesetztes Wahlalter. Es geht aber um globale Krisenbekämpfung, die alle betrifft – sogar die Kinder der RWE-Manager und Innenminister und die sich von deutschen § nicht beeindrucken lässt.