18 März 2023
Zwei Jahre Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts
Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 wurde von der Deutschen Umwelthilfe als „die wohl bedeutendste Umweltschutz-Entscheidung in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts“ gelobt. Wenn man mit dem Abstand von zwei Jahren auf die Entscheidung und ihre (Nicht)Folgen sieht, muss die Bewertung deutlich nüchterner ausfallen. Zum einen wird meist übersehen, dass die unmittelbare Wirkung des Beschlusses denkbar gering war. Vor allem wird er aber von der Politik, von den Verwaltungsgerichten und sogar vom Bundesverfassungsgericht selbst nicht umgesetzt. Das Problem, wie effektiver Klimaschutz durchgesetzt werden kann, ist nach wie vor nicht gelöst. Continue reading >>
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08 März 2023
Demokratische Proteste als Majestätsbeleidigung des Grundgesetzes
Das „Grundgesetz 49“-Denkmal des israelischen Künstlers Dani Karavan unweit des Reichstags in Berlin zeigt die Art. 1-19 GG in ihrer Fassung von 1949 auf gläsernen Scheiben. Es mahnt zur Achtung und zum Schutz der Grundrechte. Am Samstag, den 04. März 2023 haben Klimaschutz-Aktivist:innen der „Letzten Generation“ es mit schwarzer Farbe übergossen. Auf die Glasscheiben klebten sie sodann Plakate mit den Aufschriften „Erdöl oder Grundrechte?“ und „In der Klimahölle gibt es keine Menschenwürde, keine Freiheit, kein Recht auf Leben“. Die breite und heftige Kritik, die die Aktion ausgelöst hat, hält einer juristischen Analyse nicht stand und stellt dem Zustand der freiheitlichen Demokratie in Deutschland kein gutes Zeugnis aus. Continue reading >>26 Januar 2023
Niemand steht über dem (Klimaschutz-)Gesetz
Weil die Regierung trotz Zielverfehlung noch immer kein Klimaschutz-Sofortprogramm verabschiedet hat, klagt der Umweltverband Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) nun vor dem OVG Berlin-Brandenburg auf Beschluss eines solchen. Die Klage gibt Anlass für eine nähere Betrachtung der rechtlichen Pflichten, die das Klimaschutzgesetz (KSG) für den Fall einer Zielverfehlung auferlegt. Continue reading >>18 Januar 2023
Handeln erlaubt!
Die Grünen stehen zu ihrem Deal mit RWE und dem „Rückbau“ von Lützerath: Die sich unter dem Dorf befindliche Braunkohle sei in „einer energiepolitischen Krisensituation“ (Habeck) unerlässlich für die Stromversorgung in Deutschland. Mittlerweile sind viele auf ein anderes Narrativ ausgewichen: Angenommen wir könnten auf die Kohle unter Lützerath verzichten, der Politik wären allein aus rechtlichen Gründen die Hände gebunden. Selbst wenn wir wollten, wir dürfen nichts tun! Bestenfalls wird hier suggeriert, dass sich demokratisch legitimierte Parlamentarier und Regierende ihrer Selbstwirksamkeit unsicher sind, schlimmstenfalls zeugen solche Auffassungen von politischer Selbstentmündigung. Denn tatsächlich könnten die politischen Akteure in Land und Bund die Umwandlung der Kohle unter Lützerath zu CO₂ noch verhindern. Continue reading >>16 Dezember 2022
Flensburger Einhorn
Das Urteil des Amtsgerichts Flensburg zu Klimaschutz als rechtfertigendem Notstand stößt auf Begeisterung und scharfe Ablehnung. Nachdem der Freispruch eines Klimaaktivsten durch das Gericht bereits im November bekannt wurde, sind nun die Urteilsgründe veröffentlicht worden. Inmitten der zunehmend intensiver geführten Debatte um den juristisch „richtigen“ Umgang mit Klimaaktivismus schlägt das Urteil eine ebenso ungewohnte wie mutige Richtung ein.  Continue reading >>
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13 Dezember 2022
Die planetarische Bürgerrechtsbewegung vor Gericht
Strafrechtliche Verurteilungen aufgrund friedfertigen Klimaprotestes exkludieren potenziell Bürger und Bürgerinnen, die sich für grundrechtlich geschützte Ziele einsetzen, aus dem demokratischen Prozess. Eine sich mit politischen Appellen an die Mehrheit richtende Minderheit wird so kriminalisiert. Ausbildungs- und Berufsbiographien können im Einzelfall gerade bei wiederholter Teilnahme an Protestaktionen durch Vorstrafen zerstört werden. Das kann im demokratischen Rechtsstaat bei konkreter Gefährdung oder Verletzung von Leib und Leben oder Eigentum anderer natürlich gerechtfertigt werden, bei einem friedfertigen Protest für Bürgerrechte aber in der Regel nicht. Continue reading >>13 Dezember 2022
Besetzte Orte
In verschiedenen deutschen Universitäten wurden in der vergangenen Woche und auch heute Hörsäle besetzt. Die Besetzungen hatten unter anderem zum Ziel, auf Belange des Klimaschutzes hinzuweisen. Während andere Hörsäle in der Bundesrepublik noch besetzt gehalten werden, endete eine Besetzung an der Frankfurter Goethe-Universität mit einer polizeilichen Räumung. Da Teilnehmer:innen der Besetzung nun mit Strafverfahren rechnen müssen, soll im Folgenden das Verhältnis von Versammlungsfreiheit und Straf- wie Strafprozessrecht in Hinblick auf Proteste in Form von Besetzungen ausgeleuchtet werden. Auf Grundlage einer verfassungsorientierten Normenkonkretisierung der §§ 153, 153a StPO machen wir einen Vorschlag zur prozessualen Entkriminalisierung von Klima-Protestaktionen. Continue reading >>13 Dezember 2022
Den Baum vor lauter Wald nicht sehen – oder umgekehrt?
Das Amtsgericht Flensburg hatte jüngst über die Strafbarkeit eines Klimaaktivisten zu entscheiden, der ein fremdes Grundstück unbefugt betreten hatte, um dort die Rodung eines kleinen Waldstücks zu verhindern. Der Aktivist wurde vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs freigesprochen, weil seine Tat dem Klimaschutz gedient habe und damit wegen Notstands (§ 34 StGB) gerechtfertigt sei. Dieser Beitrag wirft einen Blick auf die rechtliche Diskussion um Klimaproteste und um die diesbezüglichen Urteile und wirft dabei zwei Fragen auf: Sollten kleine Beiträge zum Klimaschutz als solche rechtlich anerkannt werden oder nicht? Und: Sind unkonventionelle Klima-Urteile illegitimer ‚richterlicher Aktivismus‘ oder ein Beitrag zur Rechtskultur? Bei beiden Fragen geht es um das Verhältnis vom Kleinen (Protestaktion, Urteil) zum Großen (Klimaschutz, Rechtskultur) und damit letztlich um das Verhältnis zwischen Baum und Wald. Continue reading >>11 Dezember 2022
Klimanotstand über Gewaltenteilung?
Bereits vor einigen Wochen wurde bekannt, dass das Amtsgericht Flensburg einen Klimaaktivisten freigesprochen hatte, der einen Baum auf einem Privatgrundstück besetzt hatte. Der Baum sollte auf Grundlage einer Baugenehmigung gerodet werden, gegen die auch eine verwaltungsgerichtliche Klage eingereicht worden war. Nun ist die Urteilbegründung veröffentlicht: Das Gericht sah § 123 StGB – Hausfriedensbruch – zwar tatbestandlich erfüllt, jedoch aufgrund von § 34 StGB in einer Art „Klimanotstand“ gerechtfertigt. Die vom Gericht bemühte „verfassungskonforme“ Auslegung ist jedoch weder überzeugend noch verallgemeinerungsfähig, schadet dem Ansehen der Judikative und schafft einen Anreiz für zukünftiges rechtswidriges Verhalten. Continue reading >>21 November 2022
Die umweltrechtliche Verbandsklage lernt Auto fahren
Der Europäische Gerichtshof hat in der causa Klagebefugnis von Umweltverbänden (wieder einmal) gesprochen. Anerkannten Umweltverbänden darf es demnach nicht unmöglich gemacht werden, EG-Typgenehmigungen des Kraftfahrtbundesamtes gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Urteil lehrte der umweltrechtlichen Verbandsklage nun das Autofahren, bereitet ihr aber gleichzeitig den weiteren Weg des Erwachsenwerdens. Denn im Besonderen hat der Gerichtshof über die Justiziabilität der Genehmigung von knapp fünf Millionen Fahrzeugen entschieden. Im Allgemeinen aber über die Justiziabilität sämtlicher staatlicher Entscheidungen, die möglicherweise gegen Umweltrecht verstoßen. Continue reading >>
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