19 January 2024

Hehrer Zweck mit hohen Hürden

Zu verfassungs- und unionsrechtlichen Risiken einer „Tierwohlabgabe"

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert eine eigene Abgabe auf tierische Erzeugnisse wie Fleisch, Milch und Eier, um daraus Hilfen für den tierfreundlichen Umbau der Nutztierhaltung zu finanzieren. Mit dieser sogenannten Tierwohlabgabe („Tierwohlcent”) greift er die Empfehlungen der Borchert-Kommission auf, die bereits seine Vorgängerin Julia Klöckner in einer umfangreichen Machbarkeitsstudie auf ihre Umsetzbarkeit untersuchen ließ. Für die Einführung einer Tierwohlabgabe sind erhebliche verfassungs- und unionsrechtliche Hürden zu überwinden. Während eine Sondergabe kaum mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu vereinbaren sein dürfte, setzt das unionsrechtliche Verbot diskriminierender Abgaben einer zweckgebundenen Steuer Grenzen.

Ausgestaltung als Sonderabgabe

Zunächst ließe sich überlegen, eine Tierwohlabgabe als Sonderabgabe einzuführen. Dabei würde auf tierische Erzeugnisse eine zusätzliche Abgabe erhoben, die zur Finanzierung der Ausgabebedarfe für den Umbau der Landwirtschaft eingesetzt würde. Weil Sonderabgaben in Konkurrenz zur Steuer als Regelfinanzierungsinstrument des Grundgesetzes (sog. Steuerstaatsprinzip) treten, sind diese nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur als „seltene Ausnahme“ und nur unter strengen Voraussetzungen zulässig (vgl. BVerfG v. 6.5.2014, 2 BvR 1139/12, Rn. 117). Dabei unterscheidet das Bundesverfassungsgericht zwischen Sonderabgaben mit und ohne Finanzierungszweck.

Sonderabgabe mit Finanzierungszweck

Sonderabgaben mit Finanzierungszweck („Sonderabgaben im engeren Sinne“) sind nur dann verfassungskonform, wenn (1.) ein Sachzweck verfolgt wird, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht, (2.) eine homogene Gruppe belastet wird, die durch eine vorgegebene Interessenlage oder durch besondere Gemeinsamkeiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar ist, (3.) diese homogene Gruppe eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die zu finanzierende Aufgabe trifft, (4.) das Aufkommen gruppennützig verwendet wird und (5.) die Sonderabgabe in einer den Haushaltsplan ergänzenden Anlage dokumentiert sowie (6.) hinsichtlich des Vorliegens der zuvor genannten Voraussetzungen in angemessenen Abständen überprüft wird.

Es ließe sich argumentieren, dass mit einer Sonderabgabe Tierwohl – je nach konkreter Ausgestaltung – ein besonderer Sachzweck verfolgt wird (Transformation der Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl). Allerdings bilden die mit der Sonderabgabe belasteten Endverbraucher keine homogene Gruppe. Die Konsumenten von tierhaltigen Produkten sind keine von der Rechts- oder Sozialordnung vorgegebene Gruppe und weder durch eine vorgegebene Interessenlage noch durch eine besondere Gemeinsamkeit gekennzeichnet.

Würde eine Sonderabgabe für Tierwohl so ausgestaltet, dass nicht die Endverbraucher belastet werden, sondern Akteure entlang der Wertschöpfungskette (bspw. Verarbeiter, Importeure oder Groß- bzw. Einzelhändler), läge möglicherweise eine homogene Gruppe vor. Es ließe sich allerdings nur schwerlich begründen, wieso die Gruppe der mit der Sonderabgabe Belasteten (verarbeitende Betriebe, Einzelhändler) dem mit der Erhebung verfolgten Zweck (Finanzierung der Transformation der Nutztierhaltung) näher steht als andere Gruppen (wie insbesondere die Landwirte) oder die Allgemeinheit. Auch wenn man eine besondere Sachnähe annähme, wäre zweifelhaft, ob diese derart evident wäre, dass sie im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit begründen könnte.

Selbst wenn man eine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit annehmen würde, würde jedenfalls das Merkmal der gruppennützigen Verwendung fehlen. Denn das Aufkommen der Sonderabgabe käme Nutztierhaltern und nicht den mit der Sonderabgabe belasteten Verarbeitern oder Händlern zugute – auch nicht mittelbar. Soweit argumentiert wird, dass auch Verarbeiter und Händler mittelbar von höheren Tierwohlstandards profierten (höhere Qualität der Erzeugnisse, ethische Verkaufsargumente; vgl. Beermann u.a., Tierwohl fördern, Klima schützen, S. 65), ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht die Anforderungen an die gruppennützige Verwendung für solche Sonderabgaben verschärft hat, mit denen staatliche Fördermaßnahmen finanziert werden sollen. In diesen Fällen muss die Verwendung evident der belasteten Gruppe nutzen. Das wäre dann der Fall, wenn es darum geht, erheblichen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken oder spezielle Nachteile auszugleichen, die die Gruppenangehörigen besonders betreffen und die von diesen selbst voraussichtlich nicht oder jedenfalls nicht mit gleicher Erfolgsaussicht kompensiert werden könnten (vgl. BVerfG v. 6.5.2014, 2 BvR 1139/12, Rn. 135). Insofern sind keine hinreichenden Anknüpfungspunkte erkennbar, wieso Verarbeiter oder Händler von besonderen Nachteilen betroffen wären, die durch einen Umbau der Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl ausgeglichen werden müssten oder könnten.

Sonderabgabe ohne Finanzierungszweck

Weniger strenge Rechtfertigungsanforderungen legt das Bundesverfassungsgericht an Sonderabgaben ohne Finanzierungszweck („Sonderabgaben im weiteren Sinne“) an (vgl. Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 3. Aufl. 2023, Rn. 311). In diesen Fällen verzichtet das Bundesverfassungsgericht auf die Voraussetzungen der besonderen Finanzierungsverantwortlichkeit und der gruppennützigen Verwendung. Eine solche Sonderabgabe dürfte aber keinen Finanzierungszweck verfolgen, sondern müsste eine auf Verhaltenslenkung gerichtete Antriebs- und Sanktionsfunktion erfüllen oder als eine Art Ersatzgeld die möglichst gleichmäßige Verteilung einer öffentlichen Last sicherstellen. Zwar könnte eine Sonderabgabe Tierwohl tatsächlich einen Lenkungseffekt hin zu weniger Konsum tierischer Erzeugnisse entfalten – sie soll aber nicht den Konsum tierischer Erzeugnisse sanktionieren, sondern zielt darauf, zusätzliche finanzielle Mittel (zum Zwecke des Umbaus der Tierhaltung) zu beschaffen. Die Qualifikation einer Tierwohlabgabe als Sonderabgabe ohne Finanzierungszweck erscheint daher verfassungsrechtlich zweifelhaft (vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages v. 1.7.2020, WD 4 – 3000 – 072/20, S. 6).

Neue Verbrauchsteuer auf tierische Erzeugnisse

Nachdem einer Umsetzung als Sonderabgabe erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel entgegenstehen, ist alternativ eine Ausgestaltung als Steuer zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gibt es kein freies Steuererfindungsrecht des Staates. Daher müsste eine Tierwohlabgabe dem Numerus Clausus der Steuerarten nach Art. 105, 106 GG entsprechen (BVerfG v. 13.4.2017, 2 BvL 6/13; dazu Wernsmann, VerfBlog v. 7.6.2017).

Zunächst käme in Betracht, analog zur Kaffee- oder Biersteuer eine eigene Verbrauchsteuer auf tierische Erzeugnisse einzuführen. Für die Einführung einer solchen Verbrauchsteuer hat der Bund nach Art. 105 Abs. 2 S. 2 GG die Gesetzgebungskompetenz, weil der Ertrag der Verbrauchsteuern nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG dem Bund zusteht – speziellere Bestimmungen des Art. 106 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 GG (Biersteuer, Umsatzsteuer, örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern) greifen nicht. Eine Tierwohlabgabe müsste dafür so ausgestaltet werden, dass sie dem Typus der Verbrauchsteuer entspricht. Verbrauchsteuern werden definiert als Warensteuern auf den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter, die regelmäßig bei dem das Verbrauchsgut anbietenden Unternehmer erhoben werden, jedoch als indirekte Steuer auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt sind. Eine Tierwohlabgabe könnte so ausgestaltet werden, dass diese zwar bei den Herstellern oder Händlern tierischer Produkte erhoben wird, aber darauf angelegt ist, dass die Steuerlast als Preisbestandteil auf den privaten Endverbraucher des tierischen Produkts abgewälzt wird. Insofern könnte sich die Ausgestaltung einer Tierwohlabgabe an bestehenden Verbrauchsteuern wie der Kaffeesteuer, der Alkopopsteuer oder der Biersteuer orientieren.

Die auf Grundlage von Art. 113 AEUV erlassenen Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu Verbrauchsabgaben stehen der Einführung einer Steuer auf tierische Produkte nicht entgegen. Insbesondere erlaubt Art. 1 Abs. 3 UAbs. 1 lit. a VerbrauchsteuerSystemRL (Richtlinie EU 2020/262), dass Mitgliedstaaten Verbrauchsteuern auf andere Waren als die von Art. 1 Abs. 1 SystemRL erfassten Waren erheben. Nach Art. 1 Abs. 3 UAbs. 2 VerbauchsteuerSystemRL darf die Erhebung solcher Steuern im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten jedoch keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten nach sich ziehen. Eine diesen Vorgaben entsprechende Ausgestaltung einer Steuer auf tierische Erzeugnisse ist möglich und könnte sich an der Ausgestaltung der Kaffeesteuer orientieren.

Auch bei einer Ausgestaltung als Verbrauchsteuer wäre eine Bezeichnung als Tierwohlabgabe nicht unzutreffend, weil Steuern als Geldleistungspflichten an den Staat öffentlich-rechtliche Abgaben sind. Es wäre aus Gründen der Normenwahrheit und -verständlichkeit aber vorzugswürdig, eine Bezeichnung als Steuer zu wählen. Insofern böte sich an, eine Bezeichnung nach dem Besteuerungsgegenstand zu wählen (bspw. Tierische-Erzeugnisse-Steuer, kurz TESt).

Erhöhung des Umsatzsteuersatzes für tierische Erzeugnisse

Als Alternative zur Einführung einer gänzlich neuen Verbrauchsteuer wäre auch eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes für tierische Erzeugnisse denkbar. Naheliegend wäre es, auf tierische Produkte nicht mehr den ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, sondern den Regelsatz von 19 Prozent anzuwenden. Möglich wäre aber auch die Einführung eines eigenen ermäßigten Umsatzsteuertarifs von beispielweise 10 Prozent.

Die Gesetzgebungskompetenz für die Umsatzsteuer liegt nach Art. 105 Abs. 2 S. 2 GG i.V.m. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG beim Bund. Das zusätzliche Aufkommen der Umsatzsteuer stünde nach Art. 106 Abs. 3 S. 1, Abs. 5a GG dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zu. Der konkrete Aufteilungsschlüssel ergibt sich aus § 1 Abs. 1 FAG. Dieser einfachgesetzliche Aufteilungsschlüssel könnte unter Berücksichtigung des zusätzlichen Aufkommens durch die Erhöhung des Umsatzsteuertarifs für tierische Produkte angepasst werden.

Auch EU-Recht steht der Erhöhung des Umsatzsteuersatzes für tierische Produkte nicht entgegen. Die Mitgliedstaaten sind weder zur Einführung noch zur Beibehaltung ermäßigter Mehrwertsteuersätze verpflichtet. Vielmehr erlaubt Art. 98 Abs. 1 MehrwertsteuerSystemRL (Richtlinie 2006/112/EG) als Kannbestimmung zwei ermäßigte Steuersätze und damit auch die Einführung eines weiteren ermäßigten Umsatzsteuertarifs. Bei der Frage, welche Güter- und Dienstleistungskategorien einem ermäßigten Steuersatz oder dem Regelsteuersatz unterliegen, räumt das Unionsrecht den nationalen Gesetzgebern einen relativ weiten Gestaltungsspielraum ein. Eine Gestaltungsgrenze ergibt sich allerdings aus dem unionsrechtlichen Neutralitätsprinzip, demzufolge Umsätze gleichwertiger Waren oder Dienstleistungen gleichermaßen mit Mehrwertsteuer belastet werden müssen, sowie daraus, dass die Abgrenzung anhand objektiver Kriterien hinreichend konkret und spezifisch vorgenommen werden muss. Die Frage, ob gleichwertige Waren oder Dienstleistungen vorliegen, ist nach der Rechtsprechung des EuGH aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen. Danach sind Waren gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben, beim Verbraucher in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Waren nicht erheblich beeinflussen (vgl. EuGH v. 9.9.2021, C-406/20, Rn. 38). Tierische und nicht-tierische Lebensmittel mögen zwar ähnliche Eigenschaften haben und der Befriedigung desselben Bedürfnisses dienen, die Entscheidung eines Durchschnittsverbrauchers für ein Lebensmittel wird sich in der Regel allerdings maßgeblich (auch) danach richten, ob es sich um tierisches oder um ein nicht-tierisches Erzeugnis handelt (bspw. Margarine oder Butter). Zudem erlaubt das Kriterium der tierischen Herkunft eines Produkts eine konkrete und spezifische Abgrenzung.

Vor- und Nachteile der Ausgestaltungsalternativen als Steuer

Sowohl die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes als auch die Einführung einer neuen Verbrauchsteuer auf tierische Erzeugnisse wäre indes mit bestimmten Vor- und Nachteilen verbunden. So wäre die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes mit geringerem Verwaltungsaufwand umsetzbar. Die Umsatzsteuer knüpft allerdings an den Produktpreis an, sodass gerade hochpreisige (zumeist tierwohlgerechte) Erzeugnisse besonders verteuert würden. Eine neue Verbrauchsteuer wäre dagegen zwar mit einem höheren Verwaltungsaufwand verbunden, könnte dafür aber mengenbezogen (beispielsweise pro Kilogramm) ausgestaltet werden, sodass tierische Erzeugnisse unabhängig von ihrem ursprünglichen Produktpreis besteuert würden und keine Lenkungswirkung hin zu preisgünstigeren (in der Regel weniger tierwohlgerechten) Produkten eintreten würde.

Zweckbindung der Steuereinnahmen

Das Aufkommen einer Tierwohlabgabe (besser: Tierische-Erzeugnisse-Steuer) soll für die Subventionierung der Landwirtschaft, insbesondere für Maßnahmen zur Umgestaltung der Nutztierhaltung hin zu mehr Tierwohl eingesetzt werden. Eine solche Zweckbindung der Steuereinnahmen würde nicht den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff verfehlen, der Anwendungsbereich der Steuergesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes wäre weiter eröffnet.

Allerdings gilt im Haushaltsrecht das Prinzip der Gesamtdeckung, demzufolge alle Einnahmen gleichermaßen als Deckungsmittel für alle Ausgaben dienen (vgl. § 7 S. 1 HGrG, § 8 S. 1 BHO). Der Verfassungsrang des Gesamtdeckungsprinzips ist umstritten (offenlassend BVerfG v. 20.4.2004, 1 BvR 1748/99 u.a., Rn. 61; vgl. Matuschka, Das Nonaffektationsprinzip, S. 155 ff. m.w.N.). Auch wenn man dem Gesamtdeckungsprinzip den Rang eines Verfassungsprinzips zuerkennt, wird man Durchbrechungen ausnahmsweise zulassen müssen – sie bedürfen dann allerdings einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (§ 7 S. 2 HGrG, § 8 S. 2 BHO wären dahingehend verfassungskonform auszulegen). Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung könnte sich aus der sachlichen Nähe des Konsums tierischer Produkte zu den Haltungsbedingungen von Tieren ergeben (zur Zweckbindung der Einnahmen aus der Alkopopsteuer für Maßnahmen der Suchtprävention in § 4 AlkopopStG vgl. FG Düsseldorf v. 28.4.2005, 4 V 481/05, Rn. 25). Darüber hinaus könnte eine verfassungswidrige Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmen sein, wenn eine Zweckbindung der Mittel in unvertretbarem Ausmaß stattfände (BVerfG v. 20.4.2004, 1 BvR 1748/99, Rn. 61). Anhaltspunkte ergeben sich dafür angesichts des erwartenden Aufkommens (ca. 3,6 – 6,3 Mrd. Euro) nicht. Selbst wenn eine Zweckbindung des Steueraufkommens verfassungswidrig wäre, würde dies allerdings nur zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Zweckbindung und nicht zur Verfassungswidrigkeit der Steuer selbst führen (vgl. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 435 ff.).

Allerdings könnte eine Zweckbindung der Einnahmen gegen das unionsrechtliche Verbot diskriminierender Abgaben verstoßen. Gemäß Art. 110 UAbs. 1 AEUV dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben. Eine mittelbare Diskriminierung in diesem Sinne kann nach der Rechtsprechung des EuGH auch aus der Verwendung des Aufkommens folgen. Eine solche mittelbare Diskriminierung wäre anzunehmen, wenn das Aufkommen aus einer nach einheitlichen Kriterien erhobenen Abgabe dazu genutzt wird, um heimische Produkte zu fördern, sodass deren Belastung mit der Abgabe wirtschaftlich zumindest teilweise ausgeglichen werden (vgl. EuGH v. 11.3.1992, C-78/90 u.a., Rn. 27). Würden die Belastungen durch die Abgabe vollständig ausgeglichen, läge sogar eine unionsrechtswidrige Abgabe zollgleicher Wirkung (Art. 30 S. 1 AEUV) vor.

Tatsächlich würden die Einnahmen aus einer Steuer auf tierische Erzeugnisse im Falle der Zweckbindung allein inländischen Erzeugern (Nutztierhaltern) zufließen, obwohl diese unterschiedslos auf Erzeugnisse sowohl aus dem Inland als auch aus dem EU-Ausland erhoben wird. Wegen der unterschiedslosen Erhebung der Steuer würden die Importe tierischer Produkte aus anderen Mitgliedstaaten die Transformation der deutschen Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl mitfinanzieren, ohne dass die Erzeuger dieser Produkte aus anderen Mitgliedstaaten selbst von der Förderung profitieren könnten. Es ließe sich also argumentieren, dass Nachteile, die sich aus der zusätzlichen steuerlichen Belastung für inländische und ausländische Erzeuger ergeben (Absatz- oder Umsatzrückgang wegen Verteuerung tierischer Erzeugnisse), durch die Zweckbindung der Steuereinnahmen bei den inländischen Erzeugern jedenfalls zum Teil ausgeglichen würden (bspw. Subventionen für Stallumbauten), nicht aber bei Erzeugern aus anderen Mitgliedstaaten (vgl. Karpenstein u.a., Machbarkeitsstudie, S. 195 ff.).

Das Risiko der Unionsrechtswidrigkeit könnte durch eine bloß politische Zweckbindung im Vergleich zu einer gesetzlichen Zweckbindung zwar erheblich reduziert werden. Angesichts der nicht unumstrittenen Rechtsprechung des EuGH in Sachen Pkw-Maut (EuGH v. 18.6.2019, C-591/17), bei der die rechtlich getrennten Sachverhalte der Senkung der Kfz-Steuer und der Einführung einer Pkw-Maut letztlich als Einheit betrachtet wurden, verbliebe indes ein nicht ganz unerhebliches Restrisiko der Unionsrechtswidrigkeit.

Fazit

Die Einführung einer als Sonderabgabe ausgestalteten Tierwohlabgabe wäre nach den Maßstäben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken behaftet. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen dagegen gegen eine Erhöhung des Umsatzsteuersatzes oder die Einführung einer neuen Verbrauchsteuer auf tierische Erzeugnisse. Eine Zweckbindung des Steueraufkommens für die Transformation der Landwirtschaft würde sich nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Steuer(erhöhung) auswirken. Allerdings wohnt einer Zweckbindung das Risiko inne, dass die Steuer dadurch zu einer diskriminierenden Abgabe im Sinne des Art. 110 UAbs. 1 AEUV wird und sich damit als unionsrechtswidrig erweist. Ohne Zweckbindung wäre eine Steuer auf tierische Erzeugnisse politisch dem Verdacht ausgesetzt, nicht in erster Linie dem Tierwohl, sondern vor allem dem Ausgleich allgemeiner Haushaltsdefizite zu dienen.


SUGGESTED CITATION  Meickmann, Till Valentin: Hehrer Zweck mit hohen Hürden: Zu verfassungs- und unionsrechtlichen Risiken einer „Tierwohlabgabe", VerfBlog, 2024/1/19, https://verfassungsblog.de/hehrer-zweck-mit-hohen-hurden/, DOI: 10.59704/9a5c6131f918be69.

3 Comments

  1. Friedrich Mon 22 Jan 2024 at 08:36 - Reply

    Vielen Dank für diese sehr interessante Einordnung. Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob es nicht politisch angesichts all dieser Hürden dann doch der sauberste und einfachste Weg wäre, auf klassische Regulierung zu setzen: schlichte Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben für die Tierhaltung. Das eigentliche Ziel einer Verbesserung der Lebensbedingungen für Nutztiere würde erreicht. Den Rest “regelt” dann der Markt: Belohnt wird, wer bereits investiert und umgebaut hat. Die Kosten in bisher nicht tierwohlgerechten Betrieben steigen, diese werden an die Verbraucher weitergegeben. Die Preise gleichen sich an, weil die Spanne zwischen mehr oder weniger tierwohlgerecht erzeugten Produkten kleiner wird. Und der Staat kann seine Ressourcen statt in die Erhebung, Verwaltung, Verplanung und sinnvolle Verteilung der Mittel aus der Abgabe voll und ganz in die Kontrolle der Einhaltung der Tierwohlvorschriften stecken. Welchen (juristischen) Nachteil übersehe ich, abgehsen von der evtl. höheren Akzeptanz/Beliebtheit einer Transformationssteuerung mittels Subvention gegenüber einer solchen per Vorschrift?

    • Wilhem Mon 22 Jan 2024 at 14:32 - Reply

      Eine strengere Regulierung dürfte vermutlich auf erhebliche Akzeptanzprobleme stoßen. Das zeigen die Bauern-Proteste doch sehr deutlich. Insbesondere wenn man bedenkt, dass der Landwirtschaftsminister die Tierwohlabgabe doch (auch) als Mittel zur Kompensation für die Reduzierung von Subventionen ins Spiel gebracht hat.

      Juristisch käme es mit Blick auf die Berufsfreiheit (und ggf. die Eigentumsgarantie) vermutlich in erster Linie darauf an, dass angemessene Übergangszeiträume geschaffen werden.

    • Georg Eble Sun 21 Jul 2024 at 18:52 - Reply

      Eine stärkere Regulierung und Sanktionierung des Tierschutzes wäre zwar wohl rechtlich möglich, aber wettbewerblich oder wirtschaftspolitisch mit dem Nachteil verbunden, dass sie sich in dem hier diskutierten Kontext nur auf deutsche Betriebe bezöge. Das Ausland würde nicht mitziehen, die Folge wäre ein Sinken der ohnehin schon teureren inländischen Produktion zugunsten von Importen.

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