Hyperlinks, ein urheberrechtliches Minenfeld
Eine zentrale Innovation, die zum Siegeszug des World Wide Web beigetragen hat, ist der Hyperlink, also die Möglichkeit, Internetinhalte durch Querverweise miteinander zu vernetzen. Doch die rechtlichen Vorgaben, die beim Verweis auf externe Medien beachtet werden müssen, werden immer komplizierter. In einem anstehenden Urteil könnte der EuGH erstmals zwischen verschiedenen Verlinkungstechniken differenzieren und diese Komplexität weiter erhöhen, mit potentiell gravierenden Folgen für die Kommunikationsfreiheit.
Links als Garanten der Kommunikationsfreiheit
Links sind der wichtigste Mechanismus, um Informationen im Web auffindbar zu machen. Auch Suchmaschinen basieren auf dieser Technologie. Deshalb hat der EuGH die zentrale Funktion von Hyperlinks für die Meinungs- und Informationsfreiheit bereits im Fall GS Media hervorgehoben. Dennoch hat das Gericht Links unter bestimmten Umständen als urheberrechtlich relevant eingestuft. Die Kriterien, wann ein Link eine autorisierungspflichtige öffentliche Wiedergabe darstellt, sind äußerst komplex. Nach geltender Rechtsprechung können Hyperlinks das Urheberrecht verletzen, wenn sie zugriffsbeschränkte Online-Inhalte – etwa hinter einer Paywall – der Allgemeinheit zugänglich machen, oder wenn sie wissentlich auf eine Urheberrechtsverletzung verlinken. Bei Links für Profitzwecke gilt die widerlegbare Vermutung, dass dieses Wissen vorliegt.
Diese Kriterien bereiten Gerichten regelmäßig Kopfzerbrechen, weil unklar ist, wie weit die Pflicht von Webseitenbetreiber:innen geht, verlinkte Webseiten auf Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen – mit durchaus widersprüchlichen Ergebnissen. Oft kann man einer Webseite nicht ansehen, ob die Rechte an verwendeten Werken geklärt wurden. Auch die Frage, ob ein Link zu einem frei zugänglichen Inhalt führt oder eine Paywall umgeht, ist nicht immer eindeutig zu beantworten. Manche Webseiten wie etwa die New York Times setzen nämlich gezielt durchlässige Paywalls ein, die Direktlinks auf Artikel teilweise zulassen.
Abkehr von Gleichbehandlung aller Links?
Zumindest auf die technische Ausgestaltung des Links kam des dem EuGH bislang nicht an. Im Fall BestWater hatte der EuGH klargestellt, dass Framing, bei dem ein verlinkter Inhalt im Kontext der verlinkenden Webseite in einem Rahmen (Frame) eingebettet wird, urheberrechtlich genauso zu behandeln ist wie einfache Textverweise, die Nutzer:innen auf eine fremde Webseite weiterleiten. Davon könnte der EuGH nun abrücken, wenn es nach dem Generalanwalt Szpunar im anhängigen Vorabentscheidungsersuchen des BGH im Fall VG Bild-Kunst geht – mit durchaus dramatischen Folgen für die Rechtssicherheit in einer ohnehin bereits komplexen Rechtslage.
Im Ausgangsrechtsstreit, der auf der Webseite der Verfahrenspartei Deutsche Digitale Bibliothek ausführlich beschrieben ist, geht es nicht primär um die Zulässigkeit von Hyperlinks, sondern um die Angemessenheit von Lizenzbedingungen der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, die den Einsatz technischer Schutzmaßnahmen gegen Framing durch Lizenznehmer verlangt. Dieses Verfahren hat der Bundesgerichtshof ausgesetzt und die Frage an den EuGH verwiesen, ob das Framing von Werken, die unter Zustimmung der Rechteinhaber:innen veröffentlicht wurden, dann eine öffentliche Wiedergabe darstellt, wenn die Rechteinhaber:innen technische Schutzmaßnahmen gegen Framing einsetzen.
Generalanwalt Szpunar stellt in seinen Schlussanträgen überzeugend klar, dass der Einsatz von technischen Schutzmaßnahmen unerheblich dafür ist, ob eine Handlung eine urheberrechtlich relevante öffentliche Wiedergabe ist. Er verweist auf die Unzulässigkeit von Formalitäten im Urheberrecht – anders als bei anderen Immaterialgüterrechten gilt das Urheberrecht automatisch ab Entstehung eines Werks. Eine Interpretation der Exklusivrechte, die erst dann von einer urheberrechtlich relevanten Handlung ausgeht, wenn Rechteinhaber:innen Schutzmaßnahmen ergreifen, ist mit diesem Grundsatz inkompatibel.
Überraschenderweise belässt Generalanwalt Szpunar es aber nicht dabei, das EuGH-Urteil in BestWater zu bestätigen und die urheberrechtliche Zulässigkeit von Framing pauschal zu bejahen. Stattdessen schlägt er eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung zu Hyperlinks vor, die bislang alle Arten von Links gleich behandelt. Laut Szpunar soll Framing dann eine öffentliche Wiedergabe sein, wenn der fremde Inhalt auf einer Webseite automatisch angezeigt wird, ohne dass Nutzer:innen diesen anklicken müssen. Bei automatischer Anzeige werde der Eindruck erweckt, der Inhalt wäre integraler Bestandteil der verlinkenden Webseite.
Mit der Entscheidung in BestWater sei diese Unterscheidung vereinbar, weil es in diesem Fall um ein eingebettetes Video ging, das erst abzuspielen begann, wenn es angeklickt wurde. Besonders überzeugend ist diese Interpretation der Rechtsprechung nicht – bei eingebetteten Videos ist es im Gegensatz zu Bildern üblich, dass sie erst nach einem Klick abgespielt werden. Auch wenn das Urteil erwähnt, dass es sich um einen anklickbaren Frame handelt, gibt es keine Anhaltspunkte, dass die Bewertung bei automatischer Anzeige anders ausgefallen wäre. Im Gegenteil: Dass der Frame den Eindruck erwecke, der Inhalt entstamme der verlinkenden Webseite, hält der EuGH in BestWater explizit für unerheblich.
Mit seiner Interpretation will Generalanwalt Szpunar offenbar Fotograf:innen entgegenkommen, die durch Framing eine Entwertung ihrer Exklusivrechte befürchten, weil Webseiten ihre Fotografien – einmal legal im Netz veröffentlicht – in beliebigen anderen Kontexten einbinden können, ohne eine eigene Lizenz zu erwerben. Das ist zweifelsfrei ein ernsthaftes Problem. Die Vermutung des Generalanwalts, dass unter diesen Umständen niemand eine Lizenz für die Online-Nutzung von bereits legal veröffentlichten Bildern erwerben würde, ist jedoch übertrieben. Es gibt gute Gründe, nach wie vor Lizenzen für Bilder zu erwerben und auf Framing zu verzichten, nicht zuletzt, um die Kontrolle über die angezeigten Inhalte zu behalten. Technisch betrachtet sind Hyperlinks, unabhängig von ihrer Darstellung im Browser, nicht mehr als Weganweisungen. Eingebettete Bilder können jederzeit von der Ursprungswebseite entfernt oder durch andere Inhalte ausgetauscht werden, mit teilweise peinlichen Konsequenzen.
Generalanwalt Szpunar erkennt dennoch die grundrechtliche Bedeutung von Framing an und betrachtet die Unterscheidung zwischen automatisch angezeigten Inhalten und solchen, die erst nach einem Klick sichtbar werden, als salomonischen Kompromiss.
Subjektive Erwartungen statt objektiver Zugriffsmöglichkeiten
Die von Generalanwalt Szpunar vorgeschlagene Abkehr von der Gleichbehandlung aller Links erfordert eine komplexe und durchaus problematische Herleitung aus der bisherigen Rechtsprechung. Anders als bisher soll laut Szpunar die Frage, ob eine Wiedergabe eine neue Öffentlichkeit erreicht, also eine urheberrechtlich relevante öffentliche Wiedergabe darstellt, nicht mehr anhand objektiver, sondern anhand subjektiver Merkmale entschieden werden.
Bislang ging der Gerichtshof davon aus, dass eine neue Öffentlichkeit erreicht wird, wenn Menschen Zugang zu einem Inhalt erhalten, den sie andernfalls nicht hätten einsehen können. Ein Link, der eine Paywall umgeht, macht einen Inhalt also einer neuen Öffentlichkeit zugänglich. Steht ein Inhalt aber bereits legal frei zugänglich im Netz, erreicht ein Link darauf keine neue Öffentlichkeit.
Szpunar argumentiert, dass nicht die objektive Möglichkeit des Zugangs zu einem Inhalt ausschlaggebend sein soll, sondern die subjektive Erwartung der Rechteinhaber:innen, welches Publikum mit einer öffentlichen Wiedergabe tatsächlich erreicht wird. Demzufolge müssten Rechteinhaber:innen bei der Lizenzvergabe für eine Web-Veröffentlichung damit rechnen, dass Menschen diese Webseite über Links, auch über das Anklicken von eingebetteten Frames, aktiv besuchen. Allerdings müssten sie nicht damit rechnen, dass die Wiedergabe auch ein Publikum auf anderen Webseiten erreicht, die beim Betrachten der Webseite gar nicht wissen, dass der Inhalt von einer fremden Webseite automatisch eingebettet wird.
Diese Unterscheidung anhand der Erwartungshaltung der Rechteinhaber:innen leuchtet nicht ein. Dass Rechteinhaber:innen das Publikum einer Netzveröffentlichung vorhersehen können, ist unrealistisch. Inhalte können unerwartet zu einem viralen Hit werden. Niemand käme auf die Idee, die Legalität einer Veröffentlichung nachträglich infrage zu stellen, weil mehr Menschen eine Webseite besucht haben als ursprünglich erwartet. Eine noch größere Schwäche dieser Herangehensweise ist jedoch die Annahme, jede legale öffentliche Wiedergabe werde einzeln von Rechteinhaber:innen autorisiert. Nutzungshandlungen können auch gesetzlich durch Urheberrechtsschranken wie das Zitatrecht erlaubt sein. In diesem Fall ist es unmöglich, auf die Annahmen der Rechteinhaber:innen bei der Autorisierung abzustellen, da diese gar keine Autorisierung erteilt haben.
Würde man die Argumentation des Generalanwalts binnenlogisch fortführen, wären auch einfache Textlinks auf legale Schrankennutzungen womöglich unzulässig, da sie stets ein Publikum erreichen, das der oder die Rechteinhaber:in nicht bedacht hat. Der europäische Gesetzgeber hat aber im Zuge der EU-Urheberrechtsreform die besondere Bedeutung von Urheberrechtsschranken für die Meinungs- und Informationsfreiheit hervorgehoben. Eine Rechtsprechung, die Urheberrechtsschranken ignoriert, würde also der Informations- und Meinungsfreiheit nicht gerecht.
Streit um subjektive Kriterien für Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung
Subjektive Kriterien spielen in der Rechtsprechung zur öffentlichen Wiedergabe schon jetzt eine Rolle. Bereits in GS Media hat der EuGH festgestellt, dass ein Link auf eine Urheberrechtsverletzung ebenfalls eine Urheberrechtsverletzung darstellt, wenn die verlinkende Person von der illegalen Verwendung des verlinkten Materials wusste. Diese Entscheidung ist aber durchaus kontrovers: In einem anderen laufenden Verfahren, den verbundenen Rechtssachen YouTube und Cyando, warnt Generalanwalt Saugmandsgaard Øe eindringlich vor solchen subjektiven Kriterien. Das Urheberrecht solle wie alle anderen Rechtsverletzungen behandelt werden, wonach die Primärhaftung allein bei der Person liegt, die den rechtsverletzenden Inhalt ins Netz gestellt hat – nicht aber bei der Person, die auf die Rechtsverletzung verlinkt. Das bedeutet nicht, dass Links, die eine Rechtsverletzung unterstützen, automatisch legal sein sollten – aber sie wären eine Frage der Sekundärhaftung, die der europäische Gesetzgeber bislang nicht harmonisiert hat.
Diese Herangehensweise hat ihre Vorzüge. Andernfalls könnte eine Situation entstehen, in der ein Link auf eine Urheberrechtsverletzung gänzlich anders behandelt wird als ein Link auf eine Markenrechtsverletzung. Das ist den Webseitenbetreiber:innen nicht mehr vermittelbar, die bereits heute mit einer Vielzahl von komplexen Regelungen konfrontiert sind. Das Internet könnte seinen Charakter als Viele-zu-Viele-Kommunikationsmedium immer weiter einbüßen, wenn der Betrieb einer Webseite zunehmend einer umfassenden Rechtsberatung bedarf, die nicht nur die Inhalte der eigenen Webseite, sondern auch von verlinkten Webseiten umfasst.
Generalanwalt Szpunar hält seinem Kollegen entgegen, dass, gerade weil der europäische Gesetzgeber die Haftungsfragen nicht harmonisiert hat, der EuGH diese Fragen unter die Rechtsprechung zur öffentlichen Wiedergabe subsumieren solle, um eine divergierende Auslegung des Urheberrechts durch nationale Gerichte zu vermeiden. Angesichts der Tatsache, dass die Europäische Kommission aktuell an einem Vorschlag für den Digital Services Act arbeitet, der sich mit Fragen der Sekundärhaftung beschäftigen wird, erscheint ein solch aktivistisches Vorgehen aber fehl am Platze.
Kollateralschäden durch Linkhaftung
Eine Sekundärhaftung für Links würde freilich nicht das Problem der Fotograf:innen lösen, die sich am Framing von legal veröffentlichten Bildern stören. Sekundärhaftung für eine Handlung, die gar nicht illegal ist, kommt natürlich nicht infrage. Der Vorschlag des Generalanwalts Szpunar mag also besser geeignet sein, dem Wunsch der Fotograf:innen nach größerer Kontrolle über ihre Werke nachzukommen, schafft aber zahlreiche neue Probleme, etwa für Projekte zur Förderung des kulturellen Erbes, die regelmäßig auf Framing setzen. Ein Beispiel ist die von der EU geförderte Suchmaschine Europeana, die Bestände von Bibliotheken und Archiven aus ganz Europa auffindbar macht. Aufgrund der komplexen transnationalen Rechtslage wären solche grenzübergreifenden Kulturportale unmöglich, wenn vor jeder Einbettung Lizenzverhandlungen stattfinden müssten.
Für Internetnutzer:innen wird immer unübersichtlicher, wann sie Inhalte ungefragt verlinken dürfen. Neben der Frage, ob der verlinkte Inhalt das Urheberrecht verletzt und ob der Link eine Paywall umgeht, müssten sie sich auch damit auseinandersetzen, welche Technik sie für das Verlinken verwenden. Die Akzeptanz des Urheberrechts wird von dieser wachsenden Komplexität sicher nicht profitieren.
Letztendlich ist eine Unterscheidung von klickbaren und automatischen Links auch nicht zukunftssicher. Schon heute haben Webseitenbetreiber:innen nur begrenzte Kontrolle darüber, wie Hyperlinks auf den Endgeräten der Nutzer:innen angezeigt werden. Manche Browser unterbinden beispielsweise grundsätzlich die automatische Anzeige von eingebetteten Inhalten, um Ressourcen zu sparen. Gleichzeitig kann auf automatische Links aber auch nicht verzichtet werden. Das Internet besteht zunehmend aus Maschine-zu-Maschine-Kommunikation. Wer einem Audioassistenzprogramm wie Siri eine Frage stellt, löst den automatischen Abruf diverser Web-Informationen im Hintergrund aus. Ob es für die technische Entwicklung wirklich wünschenswert ist, dass stets Urheberrechte geklärt werden müssen, wenn Informationen über Links automatisch geladen werden, darf bezweifelt werden.
Ausgang ungewiss
Ob der EuGH der Argumentation von Generalanwalt Szpunar folgen wird, ist noch offen. Auffällig ist aber, dass mit Szpunar einerseits und Saugmandsgaard Øe andererseits gleich zwei Generalanwälte grundlegende Änderungen an der höchstri