Immer noch lückenhaft
Zum aktuellen Regierungsentwurf für ein Whistleblower-Schutzgesetz
Am 27. Juli 2022 hat die Bundesregierung ihren Entwurf für ein „Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ offiziell vorgestellt, dessen Kern das geplante Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) bildet. Mit dem HinSchG wird der deutsche Gesetzgeber erstmals ein Stammgesetz zum Thema „Whistleblowing“ schaffen, also der Aufdeckung von Rechtsverstößen und anderen Missständen durch Organisationsinsider. Dass nun in absehbarer Zeit ein eigenständiges deutsches Whistleblowing-Recht entstehen wird, geht allerdings nicht auf die Initiative des deutschen Gesetzgebers, sondern auf den Druck der Europäischen Union zurück, die bereits am 23. Oktober 2019 die Whistleblowing-Richtlinie verabschiedet hatte, zu deren Umsetzung Deutschland eigentlich bis zum 17. Dezember 2021 verpflichtet gewesen wäre. Nach einem ersten Referentenentwurf vom 26. November 2020, der teilweisen Direktwirkung der Richtlinie ab dem 18. Dezember 2021 und einem weiteren Referentenentwurf vom 13. April 2022 sieht sich die aktuelle Bundesregierung nun bereit, den fälligen Schutz von Whistleblower*innen umzusetzen.
Dass es bis zu diesem Punkt so lange gedauert hat, liegt auch an zahlreichen rechtspolitisch teils hochumstrittenen Streitfragen, die das bisweilen emotionsgeladene Thema Whistleblowing mit sich bringt. So war der erste Referentenentwurf noch am Widerstand der CDU/CSU gescheitert, die sich für eine reine 1:1-Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben unter Ausklammerung nationaler Regelungssachverhalte ausgesprochen hatte – ein Weg, der bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen verstellt ist. Der zweite Refentenentwurf entschied sich entgegen zuvor geäußerter Kritik, Whistleblower*innen nicht zu schützen, wenn sie Sachverhalte aufdecken, die als Verschlusssachen eingestuft wurden – eine Position, die der Regierungsentwurf nur geringfügig ändert. Durch diese und andere Bereichsausnahmen weist der Entwurf gerade in vielen besonders Whistleblowing-relevanten Bereichen erhebliche Lücken auf.
Erweiterter Anwendungsbereich mit Schwächen und Bruch des Koalitionsvertrags
Aufdecken dürfen Hinweisgeber*innen Verstöße gegen Vorschriften aus den Bereichen, die § 2 HinSchG-E abschließend aufzählt. Liegt ein solcher Verstoß vor, ist das Gesetz sachlich anwendbar. Erfasst werden Verstöße gegen Unionsrechtsakte, die in der Whistleblowing-Richtlinie aufgeführt sind. Der Entwurf geht aber darüber hinaus: Er erstreckt sich auch auf entsprechende bundes- und landesrechtliche Regelungen. Zum Beispiel dürfen nicht nur Verstöße gegen unionsrechtliche Umweltschutzbestimmungen, sondern auch Verstöße gegen rein nationale Vorgaben zum Umweltschutz aufgedeckt werden. Dasselbe gilt etwa für Vorgaben zum Tierschutz, zur Produktsicherheit, zur zivilen Luftverkehrssicherheit, und so weiter. Darüber hinaus wurden – regelungsbereichsunabhängig – sämtliche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten pauschal in den sachlichen Anwendungsbereich aufgenommen.
Die Richtlinie soll also hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs überschießend umgesetzt werden. Zu Recht, denn gegen ihre bloße 1:1-Umsetzung spricht viel (s. hier und hier): Whistleblower hätten prüfen müssen, ob der jeweilige Verstoß allein nationales Recht oder auch Unionsrecht verletzt. Im ersten Fall wären sie nicht geschützt gewesen. Nur bei einem Verstoß gegen bestimmte Unionsrechtsakte beziehungsweise gegen die jeweiligen Umsetzungsvorschriften wäre das Gesetz anwendbar gewesen. Gerade für Rechtslaien wäre es regelmäßig unmöglich gewesen, diese komplexe juristische Frage zu beantworten. Vor allem aber wäre eine Ungleichbehandlung des Whistleblowings von Unionsrechtsverstößen einerseits und Verletzungen nationalen Rechts andererseits nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar gewesen. Auf diesen Einwand ist der Entwurf nun eingeschwenkt, indem er auch Verstöße gegen nationales Recht in den Bereichen des § 2 Nr. 3 HinSchG-E umfasst.
Trotzdem wird es Hinweisgeber*innen nicht leicht gemacht, ihre Rechte zu erkennen. Der Flickenteppich meldefähiger Verstöße ist unübersichtlich lang: Die Vorschrift zum sachlichen Anwendungsbereich erstreckt sich über drei DIN-A4-Seiten. Werden Rechtslaien damit umgehen können? Können sie beispielsweise, um nur ein Beispiel zu nennen, stets erkennen, ob ein Ordnungswidrigkeitstatbestand „dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient“, wie es § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG voraussetzt?
Deutlich klarer, praktikabler und damit rechtssicherer wäre es gewesen, den Anwendungsbereich des Gesetzes über abstrakt definierte Bereiche des objektiven Rechts hinaus auszudehnen. Dies ist schon heute etwa bei der Whistleblowing-Regelung des Geschäftsgeheimnisrechts in § 5 Nr. 2 Alt. 1 GeschGehG der Fall. Sofern hierdurch vereinzelt auch eher unbedeutende Rechtsverstöße meldefähig gewesen wären, hätte man dem beispielsweise dadurch begegnen können, dass interne Meldestellen insoweit von ihren Ermittlungspflichten befreit wären, ganz wie dies für externe Meldestellen des Staates bereits jetzt in § 31 Abs. 3 HinSchG-E vorgesehen ist. Die aktuell vorgesehene Regelung verursacht jedenfalls noch immer diverse Ungleichheiten, die gerade mit Blick auf Art. 3 GG bedenklich erscheinen.
Außerdem ist nach dem derzeitigen Entwurf sonstiges erhebliches Fehlverhalten, an dessen Aufdeckung ein öffentliches Interesse besteht, nicht melde- bzw. offenlegungsfähig. Damit sind Missstände gemeint, die zwar nicht gegen Rechtsnormen verstoßen, aber mit erheblichen Nachteilen für die (Grundrechts-)Interessen der Beteiligten einhergehen beziehungsweise die verfassungsmäßige Ordnung derart betreffen, dass ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Dass auf diesen notwendigen Auffangtatbestand verzichtet wurde, ist nicht nur rechtspolitisch fragwürdig, sondern ein offener Bruch des Koalitionsvertrags, der sich – im Einklang mit § 5 Nr. 2 Alt. 2 GeschGehG – ausdrücklich für eine solche Tatbestandsvariante ausgesprochen hatte.
Whistleblowing im öffentlichen Dienst bleibt vielfach prekär
Zwar schützt der Entwurf Hinweisgeber*innen aus dem öffentlichen Dienst, er macht dabei aber zwei grundlegende und weitreichende Ausnahmen: Rechtsverstöße, die den Bereich der nationalen Sicherheit betreffen, dürfen überhaupt nicht aufgedeckt werden. Außerdem ist die externe Meldung und Offenlegung von Verschlusssachen gesperrt. Amtsträger*innen wären bei einer Meldung der ausgenommenen Sachverhalte prinzipiell vorrangig auf den internen Dienstweg verwiesen; es bliebe bei der restriktiven Pätsch-Rechtsprechung. Dies erschwert nicht nur eine konsequente rechtstaatliche Aufklärung, sondern zwingt sie auf einen Weg, der sie intern als „Nestbeschmutzer“ outet und damit der Stigmatisierung preisgibt.
Die pauschale Ausnahme von Verschlusssachen würde staatliche Aktivität weitgehend gegen Whistleblowing immunisieren – und Hinweisgeber*innen unzureichend schützen. Dies liegt zum einen an der hohen und bis heute nur lückenhaft erfassten Anzahl eingestufter Sachverhalte: Eine parlamentarische Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen (siehe BT-Drs. 19/31682) hat gezeigt, dass allein im Bundesinnenministerium seit 2008 ganze 190.020 Verschlusssachen registriert wurden. Zum anderen gibt es weder harte materiellrechtliche Kriterien, noch unabhängige Kontrollinstanzen, die die behördliche Einstufungspraxis effektiv einschränken könnten. Es gibt deshalb wenig, was eine findige Referatsleiterin davon abhält, die Publikation missliebiger Tatsachen durch eine Einstufung zu verhindern.
Der Regierungsentwurf leistet dieser Praxis Vorschub, da er das Aufdecken von Verschlusssachen nahezu vollständig ausschließt. Nur wenn der Hinweisgeber ohne grob fahrlässige Irrtümer von der Strafbarkeit des gemeldeten Verhaltens ausgeht, es sich um eine Meldung an eine nicht an Dritte anvertraute interne Meldestelle handelt und die Verschlusssache im geringsten Geheimhaltungsgrad „Nur für den Dienstgebrauch“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 SÜG) eingestuft ist, will der Entwurf Schutz gewähren.
Das ist im Gegensatz zum Referentenentwurf zwar ein rechtsstaatlicher Fortschritt, der jedoch zaghafter und minimaler nicht sein könnte. Wie schon der EGMR im Fall Bucur und Toma gegen Rumänien klargestellt hat, sind Meldungen von Rechtsverstößen von der Meinungsfreiheit geschützt, selbst wenn sie sich auf streng geheime Verschlusssachen beziehen. Diese Meldungen zu sanktionieren ist deshalb rechtfertigungsbedürftig. Bei einer Meldung an eine externe staatliche Stelle, die ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet ist, erlangen weder Unbefugte von der Verschlusssache Kenntnis noch werden durch ihre Kenntnisnahme staatliche Interessen gefährdet. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum direkte externe Meldungen nicht möglich sein sollen.
Mit der Beschränkung auf interne Meldungen von Verschlusssachen fiele das HinSchG-E hinter die bezüglich Korruptionsstraftaten ohnehin schon möglichen externen Meldungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden zurück (siehe etwa § 37 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BeamtStG). Eine als „nfD“ eingestufte Vorteilsnahme werden Beamt*innen an die Staatsanwaltschaft melden dürfen, einen eingestuften Betrug jedoch lediglich an die jeweilige interne Meldestelle.
Darüber hinaus wird die Formulierung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 HinSchG-E zu Rechtsunsicherheit führen. Es ist nämlich unklar, ob für einen Ausschluss der Schutzwirkung schon der formelle Einstufungsakt ausreicht, oder ob darüber hinaus die materiellen Einstufungsvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 SÜG vorliegen müssen. Die Entwurfsbegründung geht auf S. 79 davon aus, dass die „tatsächliche Einstufung als Verschlusssache (…) maßgebend“ sein soll. Dagegen spricht jedoch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum ähnlich formulierten § 3 Nr. 4 IFG-Bund (siehe Urteil vom 29.10.2009 (BVerwG 7 C 21.08)), wonach zusätzlich zu der formellen Einstufung in einem in-camera-Verfahren überprüft werden müsse, ob ein hinreichendes materielles Geheimhaltungsinteresse vorliege. Wenn dies zum Schutz der Informationsfreiheit gilt, muss es erst recht gelten, wenn es um den Schutz der Meinungsfreiheit und der Freiheit von rechtlichen Sanktionen geht.
Was ist „nationale Sicherheit“?
Noch prekärer sind die in § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG-E geregelten Ausnahmen zugunsten der „nationalen Sicherheit“. Der Begriff ist weder im Unions-, noch im nationalen Recht klar definiert. Daran so weitreichende Rechtsfolgen wie die pauschale Abbedingung des Whistleblower-Schutzes zu knüpfen, produziert Rechtsunsicherheit. Deshalb ist es an sich gut, dass der Entwurf versucht, „nationale Sicherheit“ durch Regelbeispiele zu konkretisieren. Schlecht ist jedoch, dass insbesondere § 5 Abs. 1 Nr. 2 den Rahmen des unionsrechtlichen Begriffs sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der verwendeten Regelungstechnik überstrapaziert. Insoweit der EuGH den Begriff mit Leben gefüllt hat, hat er betont, dass der er enger als jener der „öffentlichen Sicherheit“ sei. In seiner Entscheidung Quadrature du Net schrieb der Gerichtshof, „nationale Sicherheit“ betreffe „die wesentlichen Funktionen des Staates und die grundlegenden Interessen der Gesellschaft“ und schütze vor „Tätigkeiten, die geeignet sind, die tragenden Strukturen eines Landes (…) in schwerwiegender Weise zu destabilisieren (…) oder den Staat als solchen unmittelbar zu bedrohen, wie insbesondere terroristische Aktivitäten“ (Rn. 135). Der hinter der Bereichsausnahme „nationale Sicherheit“ stehende Gedanke ist – vorbehaltlich weiterer Konkretisierung – also, dass Mitgliedsstaaten Whistleblowing weniger intensiv schützen müssen, wenn es die Integrität der Gesamtheit staatlicher Strukturen in vergleichbar schwerer Weise bedroht, wie Terrorismus.
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG-E ordnet nun an, dass Behörden vom Schutzbereich des Gesetzes ausgenommen sind, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 SÜG wahrnehmen. § 10 Nr. 3 SÜG verweist auf § 34 SÜG, der wiederum die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung festzustellen, welche Bundesbehörden Aufgaben von vergleichbarer Sicherheitsempfindlichkeit wie die Nachrichtendienste wahrnehmen. Für diese Feststellung enthalten §§ 10 Nr. 3, 34 SÜG keine materiellen Kriterien, sondern überlassen sie vollständig der Einschätzung der Bundesregierung. Gestützt auf diese Ermächtigung hat die Bundesregierung die Sicherheitsüberprüfungsfestellungsverordnung (SÜFV) erlassen. § 1 SÜFV ist bestimmt, dass die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Bundeswehr, das Zollkriminalamt, der Generalbundesanwalt sowie die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen vergleichbar sicherheitsempfindliche Aufgaben wahrnehmen. Diese Behörden wären also fortan gegen den besonderen Whistleblowing-Schutz immunisiert. Dies gilt zwar nur insoweit diese Behörden für bestimmte Aufgaben mit den Nachrichtendiensten kooperieren, allerdings wird dies für Hinweisgeber*innen nicht immer rechtssicher bestimmbar sein. Die Entwurfsbegründung will den Passus auf S. 78 darüber hinaus extensiv anwenden, auf „Informationen bei diesen Behörden (…) wie auch für Informationen bei anderen Stellen (…), wenn diese Informationen von den in Nummer 2 benannten Behörden stammen“. Die damit einhergehende Obliegenheit eines Hinweisgebers, die Besitz-Geschichte jedes Dokuments zu ermitteln, wird eine enorm abschreckende Wirkung entfalten. Ob derartig ausgreifende Bereichsausnahmen noch vom Zweck der „nationalen Sicherheit“ gedeckt sind, erscheint fragwürdig.
Auffallend ist auch die Regelungstechnik: Die Bundesregierung wird fortan die Bereichsausnahme der nationalen Sicherheit einseitig – ohne parlamentarisches Verfahren – ausweiten und so die subjektiven Schutzrechte von Hinweisgeber*innen im öffentlichen Dienst beschneiden können. Das erscheint vor dem Hintergrund problematisch, dass die primärrechtliche Bereichsausnahme der nationalen Sicherheit in Art. 4 Abs. 2 Satz 2 aus der Perspektive des Grundgesetzes (siehe Art. 23 Abs. 3 S. 1) insbesondere parlamentarische Mitbestimmungsrechte schützen soll. Fraglich ist auch, wie sich die damit gewachsene Rolle der Ermächtigungsnorm § 34 SÜG zu dem Parlamentsvorbehalt in grundrechtswesentlichen Angelegenheiten verhält. Der ursprüngliche Regelungskontext dieser Norm ist die Reichweite von Sicherheitsüberprüfungen. Das ist nicht mit ihrer nun hinzugewachsenen Funktion zu vergleichen – der pauschalen Beschneidung subjektiver Schutzrechte von Hinweisgeber*innen.
Die auf S. 78 der Entwurfsbegründung aufgestellte Behauptung, dass bestehende spezialgesetzliche Normen wie beispielsweise § 8 PKGrG ausreichenden Schutz böten, ist außerdem unzutreffend. Denn diese enthalten weder einen inhaltlich robusten Anspruch auf Vertraulichkeit, noch sonstige effektive Schutzmechanismen.
Ein robuster Schutz für Hinweisgeber*innen im öffentlichen Dienst ist möglich
Ein Whistleblowing-Schutzregime für den öffentlichen Dienst muss einen angemessen Ausgleich herstellen zwischen staatlichen Geheimhaltungsinteressen auf der einen sowie demokratischen Erkenntnisinteressen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite. Pauschale Bereichsausnahmen können diese anspruchsvolle Aufgabe nicht lösen. Sie entsprechen auch nicht der Rechtsprechung des EGMR im Fall Bucur und Toma gegen Rumänien, nach der die Veröffentlichung von missbräuchlichen nachrichtendienstliche Praktiken, die als streng geheim klassifiziert sind, durch die Meinungsäußerungsfreiheit geschützt sein kann. Im früheren Entwurf eines „Whistleblower-Schutzgesetzes“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 26. September 2018 (BT-Drs. 19/4558), der noch unter dem Eindruck der Snowden-Enthüllungen stand, waren solche Bereichsausnahmen zu Recht nicht vorgesehen.
Der Gesetzgeber sollte dem Aufruf der parlamentarischen Versammlung des Europarats in den Resolutionen 1954 (2013) und 2016 (2015) folgen und einen angemessenen gesetzlichen Schutz von Hinweisgeber*innen im Bereich der nationalen Sicherheit schaffen. Das ließe sich unter anderem durch einen Bundestransparenzbeauftragten als externe Meldestelle für eingestufte Sachverhalte erreichen. Für den Kernbereich der nationalen Sicherheit könnten ausdifferenzierte Abwägungsklauseln geschaffen werden. Mit Regelbeispielen (z.B. für die obersten zwei Geheimhaltungsstufen) ließe sich konkretisieren, in welchen Fällen von einem weit überwiegenden Geheimhaltungsinteresse auszugehen wäre (Orientierung bieten die Tshwane Principles; im Überblick hier). Flankierende Geheimhaltungsregeln könnten dafür sorgen, dass bei Meldungen an spezialisierte staatliche Stellen eine Gefährdung staatlicher Interessen ausgeschlossen ist – ohne dass dafür der Rechtsschutz für Whistleblower unter das Niveau des HinSchG zurückfallen müsste.
Statt eines ausdifferenzierten Systems will die Bundesregierung nun aber offenbar gezielt einen Rechtsstand herbeiführen, in dem Mitarbeiter*innen des öffentlichen Dienstes nicht nur im Bereich der Nachrichtendienste prinzipiell schlechter gestellt sind als vergleichbare Hinweisgeber*innen – unabhängig davon, ob sie nun wie Edward Snowden einen die demokratischen Grundfesten erschütternden Überwachungsskandal oder auch nur den Diebstahl eines Kugelschreibers aufdecken wollen. Die Bundesregierung scheint nach jetzigem Entwurfsstand noch nicht einmal dem von ihr selbst als nationale Whistleblowing-Behörde auserkorenen Bundesamt für Justiz zuzutrauen, Meldungen über auch nur Verschlusssachen der geringsten Geheimhaltungsstufe entgegenzunehmen. Das spricht hinsichtlich des Willens, effektiv Transparenz und Verantwortlichkeit im öffentlichen Dienst herzustellen, leider eine recht deutliche Sprache.