Internationaler Investitionsschutz und Verfassungsrecht
Die Diskussionen um das Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA fokussieren häufig in erster Linie auf die konkrete Ausgestaltung der materiell-rechtlichen und prozessualen Regelungen des Investitionskapitels. Führt die Formulierung des Grundsatzes billiger und gerechter Behandlung zu einem angemessenen Ausgleich von Investoreninteressen und staatlichen Regulierungsinteressen? Schiedsgerichtsbarkeit: ja oder nein? Wird die Öffentlichkeit an Schiedsverfahren angemessen beteiligt? Werden Interessenkonflikte bei Schiedsrichtern effektiv verhindert? Ist die Behandlung der Verfahrenskosten adäquat? Weniger im Zentrum steht die Frage, an welchem Maßstab die künftige EU-Investitionsschutzpolitik zu messen ist und woran sich Reformbestrebungen im Investitionsrecht orientieren sollten. Geht es rein um außenwirtschaftliche Opportunität? Oder spielen nicht, wie im Folgenden argumentiert, Wertungen des Verfassungsrechts von Union und Mitgliedstaaten eine bedeutende Rolle?
Kritik am Investitionsschutz als verfassungsrechtliches Vokabular
Der verfassungsrechtliche Rahmen wird zunächst durch die Kritik am Investitionsschutz aufgespannt. Im Brennpunkt steht dabei die Möglichkeit ausländischer Investoren, Schiedsverfahren wegen Verletzung eines Abkommens direkt gegen den Gaststaat einzuleiten. Dies führt dazu, dass Schiedsrichter die Rechtmäßigkeit von Akten öffentlicher Gewalt anstelle der sonst zuständigen nationalen Gerichte im Einzelfall prüfen. Es kommt zu einer Verlagerung verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten in Schiedsverfahren. Zudem beobachten wir in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit eine steigende Anzahl im Kern verfassungsrechtlicher Streitigkeiten. Bespiele dafür sind die vielfach zitierten Schiedsverfahren wegen der Gesundheitswarnungen auf Zigarettenpäckchen bzw. der Einführung von Einheitsverpackung (sog. „plain packaging“) in Uruguay bzw. Australien, wegen des Atomausstiegs in Deutschland, oder wegen legislativer Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrisen in Argentinien, Griechenland und Zypern.
Verfassungsrechtlich bedeutsam ist zudem, dass Schiedsgerichte über den Einzelfall hinaus peu à peu von nationalem öffentlichen Recht unabhängige Rechtmäßigkeitsstandards für staatliches Handeln entwickeln, die –verfassungsrechtlichen Prinzipien gleich– als Maßstab für jegliches staatliches Handeln, einschließlich der Legislative, fungieren. Weite Auslegungsspielräume bei materiellen Standards, wie dem Grundsatz gerechter und billiger Behandlung („fair and equitable treatment“), befördern dies. Aufgrund der starken Präzedenzfallorientierung in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, die nicht auf das jeweils anwendbare Abkommen beschränkt ist, geschieht dies zudem in einem quasi-multilateralen Rahmen. Durch abkommensübergreifende Rechtsfortbildung werden Schiedsgerichte zu globalen Rechtsetzern mit verfassungsrechtlicher Bedeutung.
Dies führt zu Spannungen mit dem europäischen und mitgliedstaatlichen Verfassungsrecht. So ist, ohne auf dogmatische Feinheiten einzugehen, das Demokratieprinzip betroffen, da Schiedsgerichte nur durch verwundene Legitimationsketten an den demokratischen Gesetzgeber zurückgebunden sind und nur beschränkter gewaltenteiliger Kontrolle unterliegen; außerdem sind die Verfahren, wie das zum deutschen Atomausstieg, von dem man fast gar nichts weiß, bisher zu intransparent. Widersprüchliche Schiedssprüche, die trotz Präzedenzfallorientierung zu zahlreichen wichtigen Fragen des Investitionsrechts existieren, stellen den Grundsatz der Rechtssicherheit und damit das Rechtsstaatsprinzip in Frage. Außerdem, so fürchten Kritiker, könnte die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit den Schutz von Rechten Dritter, insbesondere deren Grund- und Menschenrechte, sowie andere verfassungs- und völkerrechtlich geschützte, nicht-wirtschaftliche Interessen, wie den Umweltschutz, durch eine investorenfreundliche Rechtsprechung verkürzen. Dies bedroht die verfassungsrechtlich gebotene Konkordanz zwischen widerstreitenden Rechten und kann die Verpflichtung des Staates auf das öffentliche Interesse beeinträchtigen. Die Kritik am Investitionsschutzrecht ist damit im Kern verfassungsrechtliche Kritik.
Schiedspraxis als Ausdruck privatrechtlichen Denkens
Im Gegensatz dazu verbleiben große Teile der Schiedspraxis in einem privatrechtlich geprägten Denken, das für die Handelsschiedsgerichtsbarkeit typisch ist. Danach ist die Legitimität der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nur in Bezug auf die Streitparteien zu bestimmen, also Investor und Gaststaat. Deren Konsens sei ausreichend als Grundlage und Rechtfertigung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit. Statt einer Antwort auf die verfassungsrechtlichen Einwände der Kritiker, verweist die Schiedspraxis auf Parteiautonomie und die begrenzte Funktion der Schiedsgerichte, Einzelfälle zu entscheiden. Zudem wird Schiedsgerichtsbarkeit als neutrale Antwort auf Probleme mit nationalen Gerichten gepriesen.
Die privatrechtliche Rhetorik ist aber kaum eine ausreichende Legitimationsgrundlage, wenn man die öffentlich-rechtlichen Implikationen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit bedenkt. Denn es geht um die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Akten der öffentlichen Gewalt, die Verwendung von Steuergeldern für die Rechtsverteidigung und eventuellen Schadensersatz für die Verletzung von Investitionsabkommen, und prospektiv um die Beschränkung staatlichen Handelns unter schiedsgerichtlich fortentwickelten und inhaltlich dem Verfassungsrecht entsprechenden Standards ‑ und all dies ohne die innerstaatlich vorhandenen Mechanismen der sachlichen, personellen und institutionellen Kontrollen, denen ein unabhängiges Gerichtssystem im Verfassungsgefüge unterliegt, wie die Bindung des Richters an Recht und Gesetz, das Gerichtsorganisations- und Disziplinarrecht, der Instanzenzug und die Einbettung der Gerichte in das System der Gewaltengliederung.
Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich gedacht: Zugang zu Rechtsschutz
Muss man aber aus der Betroffenheit von Verfassungswerten durch Investitionsschiedsverfahren auf deren verfassungsrechtliche Unzulässigkeit schließen? Keinesfalls, denn auch die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verkörpert verfassungsrechtlich geschützte Werte, die gegen andere Verfassungswerte abgewogen, aber von diesen nicht automatisch übertrumpft werden. So lässt sich Investitionsschiedsgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich zuvörderst aus dem Rechtsstaatsprinzip rechtfertigen. Man kann sie als eine Form der Rechtswegeröffnung auf internationaler Ebene betrachten, die dem Gedanken des Art. 19 Abs. 4 GG entspricht. Investitionsschiedsgerichtsbarkeit kompensiert insofern für Defizite, die der Rechtsweg vor nationalen Gerichten mit sich bringt. Derartige Defizite herrschen natürlich vor allem in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern: ineffiziente, von der Exekutive des Gaststaates abhängige oder gar korrupte Gerichte sind leider keine Seltenheit. In Investitionsabkommen der EU mit diesen Ländern ist die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit als Forum unabhängigen und neutralen Rechtsschutzes für europäische Investoren daher unverzichtbar. Gemäß dem Grundsatz der völkerrechtlichen Reziprozität müssen Union und Mitgliedstaaten den Zugang zu Investitionsschiedsverfahren dann aber auch für Investoren aus diesen Ländern gegen sich gelten lassen. Einseitige Schiedsklauseln, die EU-Investoren im Ausland Zugang zu Schiedsverfahren gewähren, ausländische Investoren aber auf die Gerichte der EU und der Mitgliedstaaten verweisen, wären nichts anderes als europäische Rechtshegemonie, die mit dem Grundsatz souveräner Gleichheit in Art. 21 Abs. 1 EUV und Art. 2 Nr. 1 UN Charta schwer vereinbar sind.
Aber auch in Investitionsabkommen wie dem TTIP zwischen demokratischen und rechtstaatlichen Gemeinwesen, in denen staatliche Gerichte im Grundsatz (wenn auch nicht flächendeckend und nicht in jedem Einzelfall, wie Beispiele sowohl aus Europa als auch den USA immer wieder zeigen) gut funktionieren, bestehen strukturelle Defizite beim nationalen Rechtsweg. Die Bundesrepublik ist hier keinesfalls ein Vorzeigekind, bietet sie doch ausländischen im Vergleich zu inländischen Investoren keine gleichwertigen Rechtsschutzmöglichkeiten. So schließt Art. 19 Abs. 3 GG ausländische juristische Personen vom Grundrechtsschutz und damit vom Zugang zum Bundesverfassungsgericht aus; Deutschengrundrechte, wie die Berufsfreiheit, stehen Ausländern ebenfalls nicht zu. Auch effektiver Rechtsschutz ist in Deutschland gerade vor den Verwaltungsgerichten wegen notorisch langer Verfahrensdauer ein gewichtiges Problem. Dies wurde im Jahr 2010 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Verfahren Rumpf./.Deutschland als „systematisches Problem“ angeprangert. Auch ist gerichtlicher Rechtsschutz in manchen Fällen vom Umfang her reduziert, wie die US-amerikanische political question doctrine zeigt.
Schließlich ist auch im Verhältnis zwischen EU und den USA nicht sichergestellt, dass Rechte aus Investitionsabkommen von nationalen Gerichten innerstaatlich überhaupt angewendet werden und Vorrang gegenüber nationalen Gesetzen erhalten. Die Vorstellung, dass Völkerrecht und nationales Recht zwei voneinander unabhängigen Rechtssphären angehören, steht dem häufig entgegen. Zwischenstaatliche Formen des Rechtsschutzes, wie der diplomatische Schutz, können dies nicht ausgleichen. Sie machen Investoren vom Wohlwollen ihres Heimatstaates abhängig oder riskieren das politische Klima zwischen den Staaten, das für die Lösung anderer globaler Probleme, etwa des Umweltschutzes oder der internationalen Sicherheit wichtig ist, ungebührend zu belasten.
Derartige Probleme bei Zugang und Ausgestaltung gerichtlichen Rechtsschutzes soll die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit umschiffen. Insofern lässt sich als Rechtfertigung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit das verfassungsrechtliche Prinzip umfassenden Rechtsschutzes anführen. Investitionsschiedsverfahren sind nicht nur Bedrohung verfassungsrechtlicher Werte, wie Kritiker argumentieren, Schiedsgerichtsbarkeit stellt vielmehr selbst als internationalisierte Form der Rechtswegeröffnung eine Verkörperung verfassungsrechtlicher Prinzipien dar. Ganz ähnlich hat es auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Lithgow./.Vereinigtes Königreich (Rdnr. 201) gesehen, als er die Einrichtung von Schiedsgerichten auf nationaler Ebene als Form der Rechtsweggarantie im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention betrachtete.
Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, Demokratieprinzip und Drittgrundrechte
Rechtsschutz im Einzelfall ist das eine, systemweite Rechtsfortbildung durch Schiedsgerichte etwas anderes – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht. Denn insofern geht es nicht mehr nur um die Verlagerung des Rechtswegs auf die internationale Ebene, sondern um eine Delegation rechtsetzender Tätigkeit, die das Verhältnis zwischen dem Schutz von Investoren einerseits und widerstreitenden Interessen andererseits nachhaltig verändern kann. Rechtsfortbildung muss sich daher gegenüber den Kompetenzen der Legislative, Staatszielbestimmungen, wie dem Umweltschutz, und den grundrechtlich geschützten Interessen Dritter, wie dem Recht auf körperliche Unversehrtheit oder der Koalitionsfreiheit, rechtfertigen. Im Hinblick auf die Notwendigkeit völkerrechtlicher Kooperation und Reziprozität ist allerdings eine striktere unilaterale Kontrolle von Schiedsgerichten durch nationale Gerichte und den nationalen Gesetzgeber kein gangbarer Weg. Vielmehr muss es um kooperative Kontrolle durch die Vertragsstaaten gehen.
Vor diesem Hintergrund sind, wie im TTIP vorgesehen, mehr Transparenz und die Stärkung von Kontrollmöglichkeiten durch die Vertragsstaaten, etwa durch bindende Auslegung der Abkommen, zwischenstaatliche Filtermechanismen oder Berufungsinstanzen zur Überprüfung von Schiedssprüchen, als Schutz staatlicher Regulierungsbedürfnisse und Grundrechte Dritter zu begrüßen. Entgehen kann man der Rechtsfortbildungsproblematik dadurch allerdings nicht völlig. Schon logistisch wird es schwierig sein, die Rechtsprechung aller Investitionsschiedsgerichte, einschließlich solcher, die unter gänzlich anderen Abkommen konstituiert werden, zu beobachten und gegebenenfalls entsprechende Gegeninterpretationen zu formulieren. Zudem bedürfen solche Interpretationen wiederum des Konsenses der Vertragsparteien, was mitunter ungeahnte Divergenzen zu Tage bringt und politische Kosten verursacht. Ungelöst bleibt durch solche abkommensbezogenen Kontrollmechanismen zudem das Problem widersprüchlicher Schiedssprüche und die dadurch bedingte fehlende systemische Konsistenz und Kohärenz.
Echte Multilateralisierung des Investitionsschutzes als Lösung?
Bessere demokratische Kontrolle, Schutz von staatlichen Regulierungsinteressen und Drittgrundrechten und größere Kohärenz könnten, wie teilweise vorgeschlagen, durch die Schaffung eines neuen multilateralen Investitionsschutzabkommens erreicht werden, unter dem Rechtsschutz vor einem permanenten internationalen Investitionsgerichtshof geboten wird. Vorschläge dazu sind vorhanden. Allerdings würde ein solches permanentes Gericht ebenfalls Legitimationsprobleme mit sich bringen, wie die Diskussion um internationale Gerichte zeigt. Zudem sind echte multilaterale Lösungen politisch derzeit kaum durchzusetzen, nicht nur wegen der schlechten Presse, die das internationale Investitionsrecht auch im Zusammenhang mit den TTIP-Verhandlungen erfährt, sondern vor allem weil die meisten Staaten angesichts zahlreicher Fehlversuche mit multilateralen Investitionsregeln, sowohl in der Doha-Runde der Welthandelsorganisation als auch beim Multilateral Agreement on Investment der OECD in den späten 1990er Jahren, die diplomatischen Anstrengungen scheuen. Ein solider und ins Detail gehender, weltweiter Konsens, nicht nur zwischen der EU und den USA, sondern auch mit Ländern wie Brasilien, Indien, Russland, China und den zahlreichen kleineren Volkswirtschaften müsste zunächst hergestellt werden. Echter Multilateralismus im Investitionsrecht ist noch in weiter Ferne.
Sogenannte Mega-Regionals, wie das TTIP oder die Transpazifische Partnerschaft, sind zwar ein steiniger, aber möglicherweise direkterer Weg zu einheitlicheren und globaleren Investitionsregelungen. In diesen müssen Regelungen und institutionelle Arrangements gefunden werden, um Rechtsschutz für Investoren mit dem Schutz von Demokratie und Menschenrechten in Einklang zu bringen. Die von der Kommission zur Diskussion gestellten Regelungen für das TTIP schlagen mit ihrer Betonung von Transparenz, staatlicher Regulierungsfreiheit und nachhaltiger Entwicklung den richtigen Weg ein und können wegweisend auch für Investitionsabkommen zwischen anderen Ländern sein. Das TTIP kann so zu einer globalen Richtgröße werden.
Interne Konstitutionalisierung als Alternative
Bis echte multilaterale Lösungen Wirklichkeit werden, bleibt neben der inkrementellen Veränderungen des materiellen Rechts in bilateralen und regionalen Abkommen daher aus meiner Sicht nur der Weg, verfassungsrechtliches Denken in die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit hineinzutragen und darauf hinzuwirken, dass sich Anwälte und Schiedsrichter die verfassungsrechtlichen Implikationen ihrer Tätigkeit bewusst machen und ihre Rechtsprechung stärker auf die Verfassungswerte Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte ausrichten. Dies bedeutet zunächst eine radikale Abkehr von der handelsschiedsgerichtlichen Vorstellung, wonach Funktion von Schiedsverfahren allein die Streitbeilegung ist, und die damit verbundene Anerkennung der verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Funktionen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit.
In einem zweiten Schritt sollte daraus die Konsequenz folgen, dass schiedsgerichtliche Rechtsfortbildung bedacht zu betreiben ist, Widersprüche in der Schiedsrechtsprechung nach Möglichkeit zu vermeiden sind und demokratische Prozesse und Grundrechte Dritter im Ausgleich mit Interessen ausländischer Investoren nicht ohne zwingende Notwendigkeit verkürzt werden dürfen. All dies folgt öffentlich-rechtlichen Vorstellungen stärker als handelsrechtlichen. Dadurch würde sichergestellt, dass Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nicht zu einem Antagonisten verfassungsrechtlicher Werte wird, sondern vielmehr zu einem Instrument ihrer Erfüllung.
Zu einer solchen internen Konstitutionalisierung könnte neben einer bewussteren Ausrichtung der Rechtsprechung am Einzelfall und der Anwendung demokratie- und grundrechtsfreundlicher Überprüfungsstandards vor allem die Ausrichtung investitionsschiedsgerichtlicher Rechtsprechung an rechtsvergleichend gewonnenen Grundsätzen des öffentlichen Rechts und deren Anwendung durch nationale, supranationale und internationale Höchst- und Verfassungsgerichte beitragen. Mit anderen Worten: Investitionsschiedsgerichte sollten sich fragen, wie der ihnen unterbreitete Sachverhalt durch nationale Verfassungsgerichte, supranationale Gerichte, wie den Europäischen Gerichtshof, oder internationale Gerichte, wie den Europäischen oder den Inter-amerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, beurteilt würde. Dies erlaubt die Selbstversicherung, dass sich Investitionsschiedsgerichte vom Ergebnis und der Argumentation her in einem durch Rechtsvergleichung abgesicherten Rahmen verfassungsrechtlicher Wertungen bewegen, welche auf breiter Basis als angemessener Interessenausgleich zwischen Investitionsschutz und öffentlichem Regulierungsinteresse gesehen werden. Dies erlaubt Schiedsgerichten von der Legitimität verfassungsgerichtlicher Judikatur zu profitieren.
Öffentlich-rechtliche Rechtsvergleichung kann auch das Instrumentarium für eine investitionsschiedsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle von Akten öffentlicher Gewalt liefern. Durch Rechtsvergleichung ermittelte allgemeine, öffentlich-rechtliche Grundsätze beinhalten etwa den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder den Grundsatz des Vertrauensschutzes als Leitprinzipien für die Auslegung investitionsrechtlicher Standards wie des „fair and equitable treatment“. Ebenso kann vergleichendes öffentliches Recht dabei helfen, die Prozessmaximen von Investitionsschiedsverfahren an öffentlich-rechtliche Vorgaben anzupassen. Insbesondere Transparenz und Möglichkeiten der prozessualen Beteiligung Dritter, wie im Rahmen des TTIP vorgesehen, sind hier zu nennen.
Die Praktikabilität eines solchen Ansatzes ist in der Schiedspraxis bereits auf fruchtbaren Boden gefallen. Verschiedene Schiedsgerichte, z. B. in den Fällen Total./.Argentinien (Rdnrn. 111, 128 ff.), Toto./.Libanon (Rdnr. 166) oder Occidental./.Ecuador (Rdnrn. 402-404), verwendeten öffentlich-rechtliche Prinzipien, die sie mittels Rechtsvergleichung aus dem nationalen und internationalen öffentlichen Recht entwickelten, um die Auslegung von Investitionsschutzabkommen zu leiten. Diese Entscheidungen und die damit verbundene interne Konstitutionalisierung zeigen, dass das internationale Investitionsschutzrecht weniger eine Bedrohung verfassungsrechtlicher Werte darstellt, als vielmehr der rechtsstaatlichen Kontrolle und Legitimierung von öffentlichem Handeln in einer globalen Welt und damit genuin verfassungsrechtlichen Anliegen dient.
Fokus auf Schiedsrichter<