Russian Elites, Proxies, and Oligarchs – Make them Pay!
Russland und seine starken Männer sollen buchstäblich für die Kriegsschäden in der Ukraine zahlen. Und wie der Zufall es will, liegen dreistellige Milliardenbeträge scheinbar auf dem Silbertablett in westlichen Jurisdiktionen bereit. Diese Verlockung ist zu groß, als dass der Gedanke des schnellen Zugriffs nicht die Imagination von Politikern, Wissenschaft, Think Tanks oder Journalisten befeuern würde. Trotz aufkommender warnender Zwischenrufe, die keine Rechtsgrundlage für Breitbandkonfiskation sehen (The Economist, Seizing opportunities, June 11th 2022, p. 62), kann sich die Idee beharrlich in politischen Zirkeln und gesellschaftlicher Diskussion behaupten; womöglich auch als Ausdruck einer gewissen Ohnmacht gegenüber der russischen Feuerwalze. In Ermangelung einer eigenen substanzhaltigen Verteidigungspolitik überrascht es unter diesen Vorzeichen nicht, dass auch die EU Ende Mai mit einem eigenen Vorschlag auf den Plan getreten ist, um nicht nur die Wirksamkeit ihrer Sanktionen zu erhöhen, sondern auch eine rechtliche Grundlage für den Zugriff auf russische Vermögenswerte zu schaffen. Konkret hat es die Kommission auf die Vermögenswerte von Russian Elites, Proxies and Oligarchs, kurz: REPOs, abgesehen. Es ist natürlich reiner Zufall, dass der jüngste Zuwachs der großen EU-Akronymfamilie im amerikanischen Recht als Kurzbezeichnung für die Zwangsenteignung (repossession) dient.
Die Vorschläge sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert und geben schon aufgrund ihrer verschachtelten Struktur Anlass für eine analysierende Einordnung. Die Kommission schlägt vor, die Durchsetzung von Sanktionen mit unionsweit einheitlichen Strafandrohungen zu stärken und auf diesem Weg elegant zugleich einen Rechtsgrund für die Einziehung involvierter Vermögenswerte zu schaffen. Diesem Vorhaben stehen ungeachtet seiner politischen Opportunität erhebliche sanktionstechnische, unionsrechtliche und vor allem strafrechtliche Bedenken entgegen, die erhebliche Zweifel an Zulässigkeit und Erfolgsaussichten nähren.
Sanktionen gegen REPOs
Im Zentrum der Vorschläge steht das EU-Sanktionsregime zum Schutz der territorialen Integrität der Ukraine, das bereits seit 2014 existiert und auch die neuen Sanktionen trägt, welche nach Russlands Invasion verhängt wurden. Gestützt auf Art. 29 EUV und Art. 215 AEUV sowie GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik)-Beschluss 2014/145 erließ der Rat Verordnungen Nr. 833/2014 und Nr. 269/2014. VO 269/2014 enthält das typische smart oder targeted sanctions-Inventar, das auf die Antiterrorismusresolutionen des UN-Sicherheitsrats zurückgeht: Einfrieren von Vermögenswerten und Verbot des Zurverfügungstellens von Vermögenswerten (Art. 2), Meldepflichten (Art. 8 Abs. 1) und Verbote von Umgehungshandlungen (Art. 9). Gemäß Art. 15 Abs. 1 VO 269/2014 sind bei Verstößen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende, nicht notwendig strafrechtliche (Mindesttrias) Sanktionen vorzusehen und auch die Einziehung von Taterträgen ermöglichen sollen.
Erfasst werden natürliche oder juristische Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die in einem besonderen Verfahren (Art. 14 mit Anhörung, Begründungspflicht und periodischer Kontrolle) durch den Rat per Durchführungsverordnung gelistet wurden, weil der Rat sie als Verantwortliche, Financiers oder Unterstützer von Handlungen ermittelt hat, die die „territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (Art. 3). Förderungsleistungen können direkt oder mittelbar durch Unterstützung der verantwortlichen politischen Entscheidungsträger erfolgen. Dieser Anhang ist mittlerweile auf 1175 (natürliche Personen) beziehungsweise 101 (juristische Personen und Einrichtungen) Eintragungen angeschwollen und liest sich wie ein „Who is Who“ der politischen, ökonomischen und Sicherheitsnomenklatur der Russischen Föderation.
Überfliegt man die Begründungen, kommen zwei, oft kumulierte Begründungsstränge zum Vorschein. Da ist zum einen die aktive materielle und finanzielle Unterstützung von russischen Entscheidungsträgern, die für die Annexion der Krim und die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich sind (z.B. durch gepflegte Weingärten oder Zurverfügungstellung luxuriöser Anwesen für private Zwecke), aus der eigener Profit geschlagen wurde. Zum anderen sind da eigene politische, administrative oder geschäftliche Tätigkeiten, welche die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen (z.B. durch Lieferung von Rohstoffen zur Aufrechterhaltung der Transportwege zwischen Russland und besetzten Gebieten, kremlfreundliche Berichterstattung und Propaganda oder Geschäftstätigkeiten auf okkupiertem Territorium, welche die Anbindung an Russland verstärken). Gemein ist ihnen, dass diese Akte im Kontext des Ukraine-Konflikts jeweils als Gefährdung der Sicherheit und Stabilität Europas eingestuft werden. Sie werden, wenn auch nicht adäquat kausal, wohl aber im Sinne einer fühlbaren Förderungswirkung direkt mit der Untergrabung oder Bedrohung der territorialen Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine in Verbindung gesetzt.
Auf Schatzsuche
Nachdem sich lange kaum jemand für derartige Maßnahmen interessierte, ist mit der russischen Invasion Jagdfieber ausgebrochen. Hobbydetektive fotografieren Villen, tracken Yachten und multistaatliche Task Forces versuchen, Vermögen zu lokalisieren und ihren wahren wirtschaftlichen Berechtigten zuzuordnen. Unterschwellig macht sich dabei bereits Ernüchterung breit, denn die Sache ist komplizierter als gedacht. Eine echte Neuigkeit ist das allerdings nicht. Man hätte nur Experten konsultieren müssen, die sich seit Jahrzehnten dem regelmäßig fruchtlosen Kampf gegen Finanzkriminalität und ‚Grand Corruption‘ widmen.
Nun soll das anders werden. Der Kommissionsvorschlag sieht drei wesentliche Neuerungen vor. Die Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, einheitliche Regelungen zur strafrechtlichen Sanktionierung von Verstößen gegen restriktive Maßnahmen im Sinne von Art. 215 AEUV (vulgo: Sanktionen) zu schaffen. Gegenwärtig sind die Mitgliedstaaten nach Art. 15 Abs. 1 VO 269/2014 lediglich verpflichtet, wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen für Pflichtverletzungen zu schaffen. Die Kommission weist zutreffend darauf hin, dass diese unionsrechtstypische Regelungstechnik eine sehr disparate, fragmentierte Regelungslandschaft hervorgebracht hat, welche die wirksame Durchsetzung von Unionsrecht gefährdet (COM (2022) 247 final, S. 4 ff.); insbesondere würden Verstöße nicht durchgängig konsequent strafrechtlich (wie im deutschen AWG) geahndet. Zur Durchsetzung hält die Kommission den Einsatz von Strafrecht aber für erforderlich. Strafrecht braucht es aber vor allem auch, um die rechtspolitisch gewünschten Einziehungen zu ermöglichen. Denn als unmittelbare Konsequenz der aktuellen Rechtslage fehlt es an einem gemeinsamen Anknüpfungspunkt für das harmonisierte strafrechtliche Einziehungsrecht der Union. Über die aktuell verfügbaren strafrechtlichen Mittel ist eine Einziehung nahezu unmöglich, da die Herkunft von Oligarchenvermögen nur selten rückverfolgbar ist und vor allem der Nachweis der Illegalität im Falle von Grand Corruption oder State Capture regelmäßig nicht geführt werden kann. Dies soll sich künftig dadurch ändern, dass der Sanktionsbruch selbst zur Straftat erhoben und die involvierten Vermögenswerte vermeintlich einziehbar werden. Dreh- und Angelpunkt des Vorschlags ist damit die Kriminalisierung von Verstößen gegen restriktive Maßnahmen.
Die Kommission will aber noch einen Schritt weiter gehen. Wie Medienberichte verdeutlichen und Einziehungsbemühungen bei Kleptokratengeldern in der Vergangenheit vielfach demonstriert haben, ist es mit der Schaffung von Rechtsgrundlagen und Tatbeständen nicht getan. Es bedarf tiefgreifender Veränderungen der Verfolgungsinfrastruktur, um auch nur ansatzweise eine Chance zu haben, REPO-Vermögenswerte aufspüren und beschlagnahmen zu können. Hintereinander gestaffelte shell companies, langfristig aufgebaute Strohmänner und labyrinthische money trails sind nur zu knacken, wenn ausreichende Informationszugänge, transnationale Austauschkanäle, fachliche Expertise und personelle Stärke vorhanden sind. Besonderes Potenzial wird dabei den schon lange bestehenden, aber vielsagend wenig bekannten Asset Recovery Offices zugeschrieben. Wachgeküsst sollen sie alsbald zügig Vermögenswerten nachjagen. Das schon bestehende EU Sanctions Whistleblower Tool soll durch besseren, transnationalen Hinweisgeberschutz in den Mitgliedstaaten komplementiert werden.
Die Kommission hat damit in sehr kurzer Zeit ein eindrucksvolles Paket geschnürt. Sie will aus dem politischen Momentum Kapital schlagen und weiß dabei offenbar die Granden in Kommission und Rat hinter sich. Das ändert jedoch nichts daran, dass sanktionstechnisch, unionsrechtlich und strafrechtsdogmatisch Bedenken gegen die Pläne bestehen.
Inkompatible Zielsetzungen
Zunächst führte das Straf- und Einziehungstandem zu einer Verwässerung der Trennlinie zwischen Reparationen nach Friedensschluss und Sanktionsdurchsetzung zur Friedensschaffung. Die Einziehung von REPO-Vermögen verträgt sich nicht mit der Funktionslogik des EU-Sanktionssystems. Zweck der Sanktionen ist es, politischen Druck auf Putin und seine Entourage auszuüben; nicht jedoch die Generierung von Mitteln zum Wiederaufbau, geschweige denn das Austrocknen der kleptokratischen russischen Sümpfe. Der Handlungsanreiz des Einfrierens von Vermögen und geschäftlichen Kaltstellens liegt in der Freigabe der Mittel bei Beseitigung der Friedensstörung. Ein auf Einziehung ausgelegtes System erhöhte nicht den sicherheitspolitischen Druck auf REPOs, ihre Macht zur Beendigung der russischen Aggression einzusetzen. Es verringerte nicht nur den Anreiz, kooperativ zu sein und auf Veränderungen hinzuwirken, sondern schüfe ein zusätzliches Umgehungsmotiv. Man wird den Kommissionsplänen aber zugestehen müssen, dass die Einziehung darin akzessorisch bleibt und nur zum Einsatz kommen kann, wenn tatsächlich Umgehungsversuche unternommen wurden.
Auf der Suche nach einer primärrechtlichen Grundlage
Schwerer wiegen primärunionsrechtliche Bedenken. Restriktive Maßnahmen sind ein elementares Instrument zur Realisierung der außen- und sicherheitspolitischen Ziele der Union. Das Unionsrecht sieht für die GASP diverse Möglichkeiten vor, um Beiträge zum Schutz der Werte der EU wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit oder des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu leisten. Strafrecht gehört nicht dazu. Die primärrechtlichen Regelungen zur GASP enthalten keine entsprechende Kompetenz. Vielmehr nehmen Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 und Art. 31 EUV Legislativakte generell vom Handlungsinstrumentarium aus.
Die Kommission versucht daher die GASP und den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR), in dem die strafrechtlichen Unionskompetenzen beheimatet sind, miteinander zu verschränken und damit zur Durchsetzung restriktiver Maßnahmen auf strafrechtliche Kompetenzen zum Schutz des RFSR zuzugreifen. Eine entsprechende Kompetenz enthalten aber auch die zentralen Artikel 83 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV nicht. In Art. 83 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV findet sich jedoch eine Passerelle-Klausel, welche die Kommission fruchtbar machen will. Danach kann der Rat korrespondierend zur Kriminalitätsentwicklung einen einstimmigen Beschluss fassen, um den enumerativ aufgeführten Kriminalitätsbereichen im Zuständigkeitsbereich der Union weitere hinzuzufügen; vorausgesetzt, es handelt sich um besonders schwere Kriminalität, die aufgrund der Art oder der Auswirkungen der Straftaten oder aufgrund einer besonderen Notwendigkeit, sie auf einer gemeinsamen Grundlage zu bekämpfen, eine grenzüberschreitende Dimension hat (Abs. 1).
In Ermangelung anderer Kompetenzen müssen Sanktionsverstöße durch dieses Nadelöhr gezwängt werden. Erst danach könnte im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren eine strafrechtliche Richtlinie zur Annäherung der nationalen Vorschriften in diesem Bereich verabschiedet werden und eine weitere Richtlinie zum Ausbau der Asset Recovery und Einziehungsbefugnisse mit entsprechend erweitertem Anwendungsbereich folgen.
Kompetenzerweiterung?
Die Kommission forciert nun einen solchen Erweiterungsbeschluss und versucht zu begründen, warum Verstöße gegen restriktive Maßnahmen diese Qualität aufweisen. Ihre Ausführungen müssen dabei im Zusammenhang mit dem von der Kommission vorgestellten Gerüst der angestrebten Richtlinie gesehen werden. Dort wird konkretisiert, welche Tathandlungen aus dem Kreis potenzieller Rechtsverletzungen künftig strafbar sein sollen.
Ein solcher Ratsbeschluss wäre ein Novum. Seit Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags ist eine Erweiterung zwar mehrfach erwogen, aber nie getroffen worden. Die politische Großwetterlage könnte nunmehr den Unterschied machen. Primärrechtlich wird man jedoch hinterfragen müssen, ob Embargoverletzungen dem erfassten Phänotypus der besonders schweren, grenzüberschreitenden Kriminalität entsprechen. Auch wenn die aufgeführten Kriminalitätsbereiche nicht exakt definiert und ihre Ränder unscharf sind, gibt es aufgrund der zugehörigen Rechtsakte und der Normgenese gleichwohl ein ungefähres Verständnis von erfassten und nicht erfassten Taten. Demgegenüber ist vorliegend bei Umgehungs- und Unterstützungshandlungen schon ein grenzüberschreitendes Verhalten nicht zwingend erforderlich. Es fehlt zudem an einem intrinsisch bemakelten oder besonders schutzbedürftigen Tatobjekt. Soweit Umgehungshandlungen gelisteter Personen zum Erhalt der Verfügungsgewalt über prima vista legales Vermögen strafbar sein sollen, bedarf auch die besondere Schwere einiger Begründung. Als schwere transnationale Kriminalität im strengen Sinn lassen sich Sanktionsbrüche mithin nicht eindeutig einordnen. Damit ist nicht gesagt, dass Teilausschnitte, zum Beispiel geldwäscheähnliche Handlungen, nicht als Kriminalität im Sinne von Art. 83 Abs. 1 AEUV zu qualifizieren sein können, aber eben nicht Sanktionsbrüche in toto und in ihrem spezifischen Charakter als Verstoß gegen GASP-Verordnungen. Einzuräumen ist aber, dass die Klausel anfällig für rechtspolitischen Aktionismus und die Einhaltung der immanenten Erweiterungsgrenzen kaum justiziabel ist.
Anders verhält es mit den noch schwerer wiegenden historischen und systematischen Erwägungen. Der Rückgriff auf die Erweiterungsklausel scheint versperrt, weil sie nicht für die Erstreckung strafrechtlicher Harmonisierungsbefugnisse auf andere abschließend geregelte Politikbereiche gedacht war. Der RFSR grenzt sich vom GASP-Bereich klar ab. Letzterer sieht bewusst keine Kompetenzen zur Gesetzgebung vor. Um legislative strafrechtliche Maßnahmen in der GASP zu gestatten, bedürfte es einer Vertragsänderung. An dieser Stelle sei zudem an die Lissabon-Entscheidung des BVerfG erinnert, wonach die strafrechtlichen Kompetenznormen des RFSR eng auszulegen seien.
Kompetenzlücke
Damit schiede die geplante Verabschiedung einer direkt anschließenden Richtlinie zur Kriminalisierung von Sanktionsbrüchen aus. Gleiches gölte zwar nicht für die neue Einziehungsrichtlinie, da diese breiter angelegt ist. Doch wären restriktive Maßnahmen von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen.
Diese Erkenntnis wirft ein Schlaglicht auf einen allgemeinen Schiefstand. Die EU verfügt anders als ihre Mitgliedstaaten über keine ausgewiesene primärrechtliche Kompetenz, um ihre elementaren Grundwerte und vitalen Sicherheitsinteressen mit Mitteln des Strafrechts zu verteidigen. Sie kann die Falschetikettierung von Spraydosen kriminalisieren, aber nicht die Missachtung von Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa.
Strafrechtliche Bedenken
Diese Schlussfolgerung ändert nichts daran, dass das Anliegen, Sanktionsverstöße einheitlich zu kriminalisieren, seine rechtspolitische Berechtigung hat. Forum shopping und Fragmentarisierung des Rechtsraums gefährden die Erreichung der GASP-Ziele. In der aktuellen Krisenlage erscheint es daher nicht abwegig, dass die politischen Akteure sich über die Bedenken hinwegsetzen könnten. Die EU sollte sich jedoch vor übereilten Schritten hüten. Der Vorschlag wirft hinsichtlich der Deliktsnatur und der Einziehbarkeit der Vermögenswerte strafrechtsdogmatische Fragen auf, welche die Aussichten auf die Erreichung der rechtspolitischen Ziele erheblich schmälern.
Zunächst bleibt im Ungefähren, um was für ein Delikt es sich überhaupt handeln soll. Auf den ersten Blick stellt sich das Tatunrecht als eine Form des Verwaltungsungehorsams und damit um ein Rechtspflegedelikt im weitesten Sinn dar. Die Betrachtung bedarf allerdings weiterer Differenzierung, da die geplante Richtlinie diverse Begehungsarten unterschiedlicher Personenkreise auflistet. Dazu gehört auf den ersten Blick auch der Inhaber gesperrter Vermögenswerte. Das Verbot der Umgehungshandlungen nimmt ihn nicht aus. Seine Straftat bestünde darin, dass er sich als Vermögensinhaber weigert, sein Vermögen einer exekutiv angeordneten restriktiven Maßnahme auszusetzen. Kritiker könnten bereits gegenüber der Strafwürdigkeit dieser Konstruktion Bedenken anmelden. Abgesehen von allgemeinen ultima ratio-Erwägungen sind Selbstbegünstigung oder Selbstbefreiung in der Regel straflos, soweit keine anderen Rechtsgüter gefährdet werden. Die zu erwartende Gegenargumentation der Kommission dürfte genau an dieser Stelle ansetzen.
Durch das Junktim zwischen Einfrieren und territorialer Unversehrtheit und Unabhängigkeit der Ukraine wird der bloße Ungehorsam zu einer Friedensstörung hochgezont. Die Umgehung als solche mag „nur“ die Autorität des Rats herausfordern. Das Freiwerden der Vermögenswerte ließe sich dagegen infolge ihrer Verfügbarkeit für die Förderung der Aggression gegen die Ukraine mit einer gewissen Kreativitätsanspannung als abstraktes Friedensgefährdungsdelikt kategorisieren. Dies setzt aber wiederum voraus, dass die Konstruktion des „friedensgefährdenden Vermögens“ hält. Hier besteht einiger dogmatischer Klärungsbedarf. Die Wiederverfügbarkeit von Vermögenswerten eröffnet die Möglichkeit zu Förderungsleistungen, die eine Listung rechtfertigen könnten. Eine hinreichende abstrakte Gefahr im strafrechtlichen Sinn hat sich hier noch nicht materialisiert. Für Yachten, Gemälde, Villen, Geschäftsbeteiligungen an Tourismusunternehmen etc. ist ihr Eintritt auch schwer vorstellbar. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass das abstrakte Gefährdungsdelikt als dogmatische Kategorie in vielen EU-Mitgliedstaaten gar nicht bekannt ist und damit nicht zum unionsweiten Maßstab erhoben werden kann. Vielmehr gefährden die Unklarheiten über die Deliktsstruktur nicht nur die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung, sondern die Anwendbarkeit der Norm auf nationaler Ebene insgesamt.
In diesem Zusammenhang stellt sich die weitere Frage, welche Auswirkungen es auf die Strafbarkeit hat, wenn ein REPO sein Vermögen zunächst in Sicherheit bringt und nachträglich erfolgreich vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gegen seine Listung vorgeht. Die Embargotatbestände des deutschen AWG mit ihren vielfachen dynamischen Verweisungen gelten als Zeitgesetze. Fügt sich der Betroffene nicht der Duldungspflicht gegenüber der Ratsverordnung, änderte ein erfolgreicher Rechtsbehelf mangels aufschiebender Wirkung nichts an der Strafbarkeit während der Geltungszeit des Gesetzes. Der EuGH sieht das seit seinem Urteil in der Rechtssache E. und F. (C-550/09) anders, weil die Effektivität des Rechtsschutzes gefährdet wäre, wenn eine Aufhebung keine ex tunc-Wirkung entfaltete. Es entfiele also rückwirkend die Grundlage für eine Bestrafung durch nationale Instanzen. Man möchte sich nicht ausmalen, welche Folgen das hätte, wenn Vermögenswerte zwischenzeitlich schon eingezogen wurden und nun restituiert werden müssen.
Überprüfung der Listung
Derzeit lässt sich kaum abschätzen, wie streng der Gerichtshof bei der Prüfung der Listungsvoraussetzungen verfahren würde; vor allem welche Nachweishöhe und Beweise für eine Förderungswirkung verlangt würden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist dagegen mit heftiger Gegenwehr und einer Armada hochversierter und noch höher dotierter Anwälte zu rechnen. Bereits auf nationaler Ebene ist damit zu rechnen, dass schon die Klärung der wirtschaftlichen Berechtigung an den betroffenen Vermögenswerten zur Prüfung der objektiven Tatbestandsmäßigkeit Jahre in Anspruch nehmen kann. Auch die Kosten der Vermögensverwaltung während der Beschlagnahmephase sollen nicht unerwähnt bleiben. Sie belaufen sich bei den am meisten Aufmerksamkeit erregenden Oligarchen-Yachten auf rund 10 % des Gesamtwerts pro Jahr. Dass die vorgeschlagene EU-Richtlinie zur asset recovery auch Verbesserung bei der Verwaltung, Unterhaltung und Verwertung beschlagnahmter Vermögenswerte verlangt, ist überfällig u