Manövrieren an den Grenzen des § 129 StGB
Grenzfälle sind ein Test für die Tragfähigkeit juristischer Dogmatik. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die sog. Raser-Fälle, die u.a. zu einer vertieften Befassung mit der Vorsatzlehre veranlasst haben, nicht von den Taten jener, die Straßen blockieren, um mehr Klimaschutz anzumahnen. Die Aktionen der sog. Letzten Generation haben unter anderem eine Debatte um die Grenzen des Nötigungstatbestandes und die Weite des Notwehrrechts angestoßen. Noch bevor sich Gerichte höherer Instanz näher mit dem Verhältnis zwischen Versammlungsfreiheit und Verwerflichkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB befasst haben, begegnet der interessierten Fachöffentlichkeit und vor allem den Mitgliedern der Letzten Generation ein neues Problem: Stellt das Bündnis von Klimaaktivisten eine kriminelle Vereinigung dar, deren Unterstützung strafbar sein könnte?
Um einen Grenzfall handelt es sich dabei zunächst in tatsächlicher Hinsicht. Typischerweise agieren kriminelle Vereinigungen arkan oder verbergen jedenfalls ihre Straftaten hinter legalen Tätigkeiten: Man denke an kleine Unternehmen, die vordergründig einen Geschäftsbetrieb unterhalten, vor allem aber der Geldwäsche dienen, oder an Motorradclubs, deren Mitglieder gelegentlich nicht einmal über eine Fahrerlaubnis verfügen, wohl aber von Einnahmen aus dem Handel mit Betäubungsmittel profitieren. Diejenigen hingegen, die sich auf Straßen festkleben oder anderweitig den Verkehr blockieren, verdecken ihr Verhalten nicht, sondern handeln vor den Augen der Öffentlichkeit; sie stellen sich bereitwillig der Strafverfolgung. Dies auch deshalb, weil ihr Handeln nicht von egoistischen Motiven getragen ist, sondern weil sie sich auf einen altruistischen Zweck berufen: Sie wollen den Gesetzgeber zur Verabschiedung von Gesetzen veranlassen, die der Erreichung völkerrechtlich verbindlicher und verfassungsrechtlich zwingender Ziele dienen. Daher ist es, beiseite gesprochen, auch falsch, ihnen eine Fehlvorstellung von einer repräsentativen, parlamentarischen Demokratie zu unterstellen; vielmehr nutzen sie den öffentlichen Raum, um im politischen Feld Impulse auszulösen, die den Gesetzgeber zum Handeln veranlassen.
Der wesentliche Unterschied zu anderen Interessenvertretungen besteht darin, dass die Letzte Generation diesen Einfluss nicht durch Hintergrundgespräche, (lancierte) Presseartikel oder Gutachten zu nehmen versucht, sondern durch Verkehrsblockaden, die vor allem Nicht-Mitglieder des Deutschen Bundestags treffen und die sich daher – nicht zu Unrecht – als Objekte fühlen, auf deren Rücken die Auseinandersetzungen ausgetragen werden. Ob sie dadurch auch Opfer strafbarer Nötigungen geworden sind, ist noch nicht endgültig ausgemacht. Dies hängt von versammlungsrechtlichen Einzelfragen (Anmeldung, Auflösungszeitpunkt etc.) und den angedeuteten verfassungsrechtlichen Grundfragen ab. Zudem wäre sub specie § 240 StGB zu klären, ob das Festkleben auf der Straße anders zu behandeln ist als beispielsweise das Lahmlegen des Verkehrs durch Fahrten hunderter Lastwagen oder Traktoren durch Berlin oder das „Spazieren“ auf Verkehrsflächen in Dresden.
Obgleich all diese Fragen gegenwärtig offen sind, wird wegen der Gründung von bzw. der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Einige der von § 129 StGB aufgeworfenen Rechtsfragen sind hier und hier bereits angesprochen worden; im Kern dreht sich diese Debatte um die Berücksichtigungsfähigkeit sog. Fernziele. Hinzu kommen jedoch zwei weitere Aspekte. Sie werden bei der Prüfung relevant, ob die Begehung von Straftaten „eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist“ und die Letzte Generation daher gemäß § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB aus dem durch § 129 Abs. 2 StGB sehr weit gefassten Anwendungsbereich auszuscheiden ist. Zum einen ist von Bedeutung, in welchem Verhältnis die tatsächlich strafbaren Taten zu anderen nicht strafbaren Aktionen stehen. Angriffe auf die Pipelines und andere Einrichtungen der kritischen Infrastruktur sind klar strafbar, bislang aber zum Glück vereinzelt geblieben und prägen daher nicht das Erscheinungsbild der Letzten Generation; sie sind auch nicht repräsentativ für ihr Tätigkeitsspektrum. So bleiben im Wesentlichen Verkehrsblockaden, von denen, wie gesagt, abzuwarten bleibt, ob sie auch nach höchstrichterlicher Befassung überwiegend als strafbar einzustufen sind. Selbst wenn aber die Mehrheit der Klebeaktionen als strafbare Nötigung erachtet werden sollte, bliebe zu beachten, dass die strafrechtliche Beurteilung von Verkehrsblockaden nichts daran ändert, dass die Teilnehmer im Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG agiert haben. Nicht das Fernziel, wohl aber die Form, mit der das Ziel angestrebt wird, wäre dann bei einer grundrechtssensiblen Prüfung des § 129 Abs. 3 Nr. 2 StGB zu berücksichtigen. Diese könnte dann zu dem Ergebnis führen, dass das Unrecht insgesamt betrachtet gering und daher die Straftaten von untergeordneter Bedeutung im Verhältnis der Gesamttätigkeit der Letzten Generation sind.
All dies zeigt, dass die Ermittlungen wegen § 129 StGB zu einem sehr frühen Zeitpunkt begonnen haben und auf einer rechtlich alles andere als sicheren Grundlage stehen. Die Strafverfolgungsbehörden manövrieren an der Grenze des Tatbestandes. Dies heißt aber auch, dass alle, die die Letzte Generation als Mitglied unterstützen, sich der Gefahr von Ermittlungsmaßnahmen aussetzen, also an der Grenze dessen agieren, was man sich selbst guten Gewissens zumuten möchte und kann. Schon die Ermittlungen wegen § 129 StGB haben damit eine prohibitive Wirkung. Da die Prüfung des Verdachts in aller Regel viele Monate dauert, haben sie das Potenzial, ausgerechnet jene Personen der bürgerlichen Mitte von der Letzten Generation zu distanzieren, die diese Vereinigung vor einer Radikalisierung bewahren. Damit könnten die Ermittlungsverfahren auch und gerade dann eine fatale Wirkung entfalten, wenn sie letztlich im Sande verlaufen sollten.
In dem Beitrag wird bemängelt, dass die Ermittlungen “zu einem sehr frühen Zeitpunkt” und “[o]bgleich all diese Fragen gegenwärtig offen sind” durchgeführt werden.
Das kann nicht recht überzeugen. Die endgültige Klärung dieser Fragen kann letztlich nur durch die Obergerichte erfolgen, was aber genau die hier kritisierten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft voraussetzt.
Die Staatsanwaltschaft kann auch nicht etwa auf eine vorherige Klärung durch “die Wissenschaft” warten. Sie ist vielmehr selbst gehalten, den Sachverhalt aufzuklären (Untersuchungsgrundsatz) und, soweit sie einen Anfangsverdacht bejaht, entsprechende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten (Offizialprinzip).
An eine, wie auch immer geartete, wissenschaftliche Bewertung ist die StA dabei nicht gebunden.
Meinem Verständnis des Artikels nach bezieht sich der Autor mit “die Ermittlungen wegen § 129 StGB zu einem sehr frühen Zeitpunkt begonnen haben und auf einer rechtlich alles andere als sicheren Grundlage stehen” darauf, dass die Strafbarkeit solcher Straßenblockaden in der Rechtsprechung der Obergerichte (und zuletzt wohl des BVerfG) noch nicht abschließend geklärt ist, gleichwohl aber als notwendige Voraussetzung für den § 129 dienen muss. Insofern täte die Staatsanwaltschaft womöglich gut daran, zunächst die Strafbarkeit der Straßenblockaden klären zu lassen bevor darauf das Haus des § 129 aufgebaut wird.
Ergänzen möchte man zum Artikel nur, dass die Ermittlungen wegen § 129 für die Betroffenen von großer Schwere sind, wie eindrücklich in Statements derselben auf Twitter zu bemerken ist.
Und selbst wenn die StA (man will es ihr fast raten) unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht das volle Repertoire an Ermittlungsbefugnissen nutzt (man denke nur an Staatstrojaner) vermag allein die Sorge davor die Betroffenen (und ihr Umfeld!) im Ergebnis über Gebühr zu belasten.
Ein unverstellter Blick von außen zeigt eigentlich auf Anhieb die Problematik des § 129 und des ihn begründenden gesetzgerischen Versagens: gezogene Waffen im Schlafzimmer wegen Spendensammelns für Straßenblockaden, mit denen man die Regierung zu verfassungsgemäßen Handeln erinnern möchte? Eine Unmöglichkeit.
Auch das ist so allerdings nicht richtig.
Die Staatsanwaltschaft darf und soll ermitteln, wenn ein Anfangsverdacht bezüglich § 129 StGB besteht. Dafür genügt selbstverständlich auch ein Anfangsverdacht hinsichtlich der Taten, auf die sich die angebliche Vereinigung richtet (hier also bzgl. des Vorwurfs u.a. der Nötigung). Diesen hat die Staatsanwaltschaft offensichtlich ebenfalls bejaht, in vielen Fällen sogar einen hinreichenden Tatverdacht.
Die Strafbarkeit dieser Delikte muss dagegen nicht zweifelsfrei feststehen, geschweige denn höchstgerichtlich geklärt sein.
Demnach würde die StA u.U. sogar pflichtwidrig handeln, wenn sie zwar einen Anfangsverdacht bejahen würde, aber dennoch “zur Sicherheit” bis zur höchstrichterlichen Klärung von Ermittlungen absähe.
Sie vermengen hier zwei Ebenen. Die Verdachtsgrade der StPO beziehen sich auf die kognitive Dimension des Ermittlungsverfahrens, nicht aber auf die normative Dimension. Die StA ist verpflichtet, wegen aller “verfolgbaren Straftaten” einzuschreiten, sofern “zureichende tatsächliche Anhaltspunkte” vorliegen. Hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung des derart auf noch unsicherer Tatsachengrundlage modellierten Sachverhaltes muss sich die StA hingegen sicher sein. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens aufgrund eines Sachverhaltes, von dessen Strafbarkeit die StA nach vorläufiger Einschätzung selbst nicht ausgeht, dürfte nicht statthaft sein.
Dass die StA vor diesem Hintergrund pflichtwidrig handeln würde, wenn sie Ermittlungen nicht aufnähme, ist in dieser Generalität zweifelhaft. Jedenfalls ist die StA nicht verpflichtet gewesen, diese konkret äußerst einschneidenden Ermittlungsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt zu ergreifen. Ich kann auch nicht erkennen, welcher andere Zweck als Einschüchterung durch eine derartige Aktion verfolgt werden sollte. Lagen denn hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Betroffenen in naher Zukunft Beweismittel beseite schaffen wollten?
Auch bei der rechtlichen Frage, ob der unterstellte Sachverhalt eine Straftat darstellt, hat die StA einen Beurteilungsspielraum.
Dass die StA hier in diesem Rahmen selbst von der Strafbarkeit ausgeht, ist offensichtlich. Das gilt gerade für die Delikte, auf welche sich die behauptete Vereinigung richten soll. Denn insoweit wurde ja sogar schon Anklage erhoben.
Aus diesem Grund ist eben der Ursprungsvorwurf, hier sei verfrüht ermittelt worden, falsch. Wer, wenn nicht die StA, soll in diesem Stadium überhaupt die mögliche Strafbarkeit beurteilen? Offensichtlich nicht die Gerichte, deren Prüfung denklogisch nachgeschaltet ist.
Wenn die StA bzgl § 240 StGB Anklage erhebt, ergäbe es keinerlei Sinn, bei § 129 StGB von bloßen Ermittlungen abzusehen, weil die Rechtslage hinsichtlich § 240 ungeklärt sei. Davon geht die StA offenbar gerade nicht aus.
Der Zweck ist auch vermeintlicher Stimmenfang bei den Stammtischbürger: innen – die Landtagswahl in Bayern steht bevor und rechts von der CSU scharrt man vernehmlich mit den Hufen.
Allerdings gilt wie immer: Wer so denkt, wählt sowieso lieber das Original…
Sie bringen es genau auf den Punkt. Man könnte die Blockaden ja auch Erpressung werten, allerdings nicht im strafrechtlichen Sinn. Wer seine Vorstellungen in einem Rechtsstaat verwirklicht sehen will, dem stehen viele auch rechtliche Wege offen.
Hier ist anscheinend die Argumentation nicht ganz verstanden worden: Um zur Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln zu können, muss (sollte!) feststehen, dass es sich überhaupt um durch diese Vereinigung begangene Straftaten handelt. Dies ist bei der letzten Generation aber eben nicht höchstrichterlich geklärt. Wenn eine Vereinigung “gegründet” wird, um Falschgeld zu drucken und zu verteilen oder Schutzgelder zu erpressen und durch Gewaltanwendung deren Eintreibung sicherzustellen, dann liegen hier eindeutig vom Gesetz, den Gerichten und auch der Gesellschaft als solche anerkannte Straftaten vor, deren “gesicherte und effiziente Durchführung” der Zweck der Vereinigung ist. Entsprechend eng sollte der Gummiparagraph 129 eigentlich aus rechtsstaatlich-juristischer ebenso wie aus grundrechtlicher Sicht auszulegen sein, was aber offensichtlich nicht der Fall ist und entsprechende wohlbegründete Bedenken des unaufgeregt betrachtenden, über den Dingen stehenden Juristen wachrufen muss (was bei einigen dem Anschein nach instrumentalisierten Richter:innen nicht der Fall zu sein scheint).
Etwas anderes ist die Frage, ob dazu ermittelt werden muss, ob die Handlungen der Letzten Generation Straftaten darstellen. Dies wird aber zurzeit in einigen Gerichtsverfahren verhandelt und ist auf dem Weg durch die Instanzen. Erst wenn zweifelsfrei feststeht, dass Verkehrsblockaden eine strafrechtlich relevante Nötigung darstellen und das Ziel der Blockaden ethisch und moralisch unterhalb des Gewichtes der begangenen Straftat zu werten sind, kann eine Vereingung zur Durchführung dieser Blockaden als kriminell vorausgesetzt werden. Prüfen sollte man dann aber wirklich, wie mit Traktorkonvois und Spaziergängen in diesem Kontext zu verfahren ist.
Immerhin hat das BVG in seinen Urteilen zum Klimagesetz festgestellt, dass das Zerstören der Lebensgrundlage der jüngeren Mitglieder der Gesellschaft als verfassungswidrig anzusehen ist – insofern könnte das Recht, darauf durch zivilen Ungehorsam hinweisen zu dürfen, durchaus als höher anzusehen sein als das Gewicht der dazu begangenen Straftat.
By the way, die jetzt von der Bundesregierung beabsichtigte Aufweichung des Klimagesetzes verstößt meines Wissens von vorneherein gegen europarechtliche Vorgaben und sollte als reines Zurückschrecken vor dem erpresserischen Vorgehen der FDP-Minister in der Regierung von vorneherein nicht die Unterschrift des Bundespräsidenten bekommen…
Also sind wir gesellschaftlich mittlerweile an dem Punkt angelangt, an dem “höhere Ziele” ausschlaggebend dafür sind, ob eine Nötigung und die Freiheitsberaubung dritter gerechtfertigt ist, oder nicht?
Frage: Wer bestimmt, welche politischen Ziele dabei legitim sind, und welche nicht? Die Regierung? Die “Wissenschaft”?Ein Parteisoldat wie Luisa Neubauer, die offen zugibt, dass für Demokratie keine Zeit sei? Oder Menschen, die während der vom Bundestag beschlossenen “Pandemie”, mit dem Grundgesetz in der Hand auf die Straße ziehen, und ihre Menschenrechte einzufordern?
letzteres wurde teils mit brutalster Gewalt, vom Staat unterbunden, ersteres bekommt eine Plattform zur besten Sendezeit im Rundfunk, und deren Ausläufer werden von Politik, der Polizei sowie den Medien mit Samthandschuhen angefasst.
Fangen wir an, das Motiv einer Straftat in die Beurteilung und Rechtssprechung mit einfließen zu lassen, hören wir auf in einem Rechtsstaat zu leben. Denn dann gelten nicht mehr für alle die gleichen Regeln, und verdienten damit zu Recht die Bezeichnung als Bananenrepublik, in der Straftaten zugunsten der aktuellen Regierung toleriert, und jede Form der Krtik mit eiserner Faust bekämpft wird.
Und falls es nicht offensichtlich ist, der unterschiedliche Umgang mit Querdenkern und Klimaterroristen, die ja nur ein paar schwere Straftaten begangen haben (lol), lässt mich und viele andere bereits glauben, dass wir in diesem Unrechtsstaat bereits angekommen sind.
Na dieser Kommentar ist ja nun so off topic u. (sexist) (Frau Neubauer) diskriminiernd , tatsachenfrei – “schwere” Straftaten-“Klimaterroristen” usw. – dass er die Moderationskriterien eigentlich nicht hätte passieren dürfen -Oder liege ich da falsch?
Von quivisexpopulo wurde der Beitrag „Soviel zum Thema Interkulturelle Kompetenz“ von Thomas Feltes gestern wie folgt kommentiert:
„Wenn ich weiss, dass mein Aussehen von Rechtsextremen als „Ausländer“ und „minderwertig“ gelesen wird, und ich einem bewaffneten Mann gegenüberstehe, der berechtigt ist, Gewalt anzuwenden und gleichzeitig weiss, dass solche Gewaltanwendung häufig ist, dann versetzt mich die Möglichkeit, dass es sich bei diesem Mann um einen Rechtsextremen handeln könnte, selbstverständlich in Angst und Schrecken. Auch wenn ich weiss, dass die meisten Polizisten keine Rechtsextremen sind und ihren Job anständig machen.“
Bei dem Kommentar habe ich mich gefragt, ob nur ein „Mann“ eine solche Reaktion auslösen kann oder auch eine Person, die weiblich oder divers gelesen werden kann. Trotzdem kann ich mit diesem Kommentar im Verfassungsblog leben. Ich denke Sie liegen da falsch, was die Anwendung der Moderationskriterien angeht.
nun, das Problem ist hierbei, dass Straftat nicht gleich Straftat ist: bei Diebstahl Unterschlagung Beschlagnahmung Entzug etc. spielt die Interpretation und das Ziel sehr wohl eine große Rolle – und das, obwohl vielleicht die gleiche Tat adressiert wird.
Rechtfertigung von Straftaten kennt unser Rechtsystem schon wesentlich länger als die Debatte um Covid-Beschränkungen oder Klimaproteste, die Notwehr ist normhistorisch unproblematisch über das Reichsstrafgesetzbuch von 1872 hinaus zurückverfolgbar. Motive von Straftaten haben weiterhin nicht nur Auswirkungen auf die Rechtfertigung, auch in der Strafzumessung schlagen sie sich in Form von z.B. § 46 Abs. 2 StGB nieder.
Welche Ziele politischer Natur dabei Einfluss haben dürfen sind bereits umfangreich Gegenstand verschiedener Rechtsprechungsorgane geworden, vgl. Laepple (Urt. v. 08.08.1969 – 2 StR 171/69), die “Sitzblockadenentscheidung” (Urt. v. 10. 01.1992 – 1 BvR 718, 719, 722, 723/89 -) oder die ,,Zweite Reihe – Rechtsprechung” (Urt. v. 20.07 1995 – 1 StR 126/95 -).
Was ihren Unmut gegenüber der Definitionsmacht rechtfertigbaren Handelns angeht, so ist die Antwort schlicht, dass diese beim gesetzlichen Richter liegt. Insofern kann man beruhigt feststellen, dass auch die Richterschaft nicht blind für die Problematik ist, so sorgt eine einfache Google-Suche nach Urteilen über ,,Klima-Kleber” für Informationen zu verschiedenen Herangehensweisen an die Thematik der Rechtfertigung. Es ist und bleibt eine Einzelfallentscheidung.
“Zudem wäre sub specie § 240 StGB zu klären, ob das Festkleben auf der Straße anders zu behandeln ist als beispielsweise das Lahmlegen des Verkehrs durch Fahrten hunderter Lastwagen oder Traktoren durch Berlin oder das „Spazieren“ auf Verkehrsflächen in Dresden.”
Das bezieht sich wohl auf die Bauerndemos, ist aber nicht wirklich besonders klärungsbedürftig, da das Bundesverfassungsgericht hierzu Vorgaben gemacht hat:
“Bei dieser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Zweck-Mittel-Relation sind insbesondere die Art und das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.”
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2011/03/rk20110307_1bvr038805.html
Kurz gesagt: Es macht einen Unterschied für die Abwägung, ob die Demonstration vorher bekanntgegeben wird und Leuten Ausweichgelegenheiten möglich sind, oder ob man sie überfallartig für Stunden an ihrer Fortbewegungsfreiheit hindert, indem man einfach auf die Straße marschiert und sich vor wartenden Autos anklebt.
Und noch ein Artikel mit demselben Einschlag, aber auch denselben argumentativen Mängeln wie andere, es ist leider etwas ermündend. Zum Argument der „Heimlichkeit“ sei schon gesagt, dass es für die allermeisten Straftatbestände irrelevant ist, ob der Täter diese „heimlich“ verwirklicht. Das gilt auch für die kriminelle Vereinigung. Darauf folgt die übliche Diskussion über altruistische Fernziele, die gleich einmal das Tor weit aufschlägt über die Frage, welche Fernziele denn jetzt wirklich „altruistisch“ sind. Mit dieser Begründung kann ich auch sagen, dass Rockerbanden als Fernziel ja eigentlich nur Motorradfahren haben. Warum ausgerechnet der Rechtsstaat bei ganz offen begangenen Straftaten begehenden Gruppierungen auf eine „Deeskalation“ dadurch hinwirken soll, einfach nicht oder nicht so streng zu ermitteln, muss man auch nicht so wirklich verstehen. Die Annahme der Ausnahme nach § 129 III Nr. 2 StGB ist angesichts des Umstandes, dass gleichsam fast ALLE öffentlichkeitswirksamen Handlungen der LG Straftatbestände (und nicht „nur“ Nötigung, sondern auch etwa auch § 304 StGB) erfüllen, auch etwas gewollt.