Polizei und Taser
Ein riskantes Einsatzmittel mit dem Potential der Normalisierung polizeilicher Gewaltanwendung
Immer mehr Landesgesetzgeber führen den Taser als weiteres polizeiliches Einsatzmittel neben Pfefferspray, Schlagstock und Schusswaffe ein. Innerhalb der Polizei stößt der Taser überwiegend auf Zustimmung (s. etwa hier und hier) und auch aus der Politik wird für den flächendeckenden Einsatz geworben. Dabei ist die fortschreitende Ausrüstung aus einer Reihe von Gründen, die im Diskurs oft zu kurz kommen, abzulehnen. So birgt der Beschuss einer Person mit einem Elektroimpulsgerät praktisch nur schwer zu kontrollierende gesundheitliche Risiken und endet in der Praxis immer wieder tödlich (s. etwa hier und hier). Weil bekannt ist, dass der Taser in einer Vielzahl von Fällen als Elektroschocker unmittelbar gegen den Körper von Personen gerichtet wird, um deren Willen zu beugen, ist außerdem zu befürchten, dass Beamte die Geräte künftig extensiv nutzen und sich damit eine Form erheblicher polizeilicher Gewaltanwendung schleichend normalisiert – nicht zuletzt deshalb, weil deren Einsatz in den meisten Ländern bislang nicht eigens oder jedenfalls nur rudimentär geregelt ist. Dass neben den eingangs genannten Einsatzmitteln nun ein viertes erforderlich sein soll, erscheint angesichts denkbarer Einsatzszenarien fernliegend. Vor dem Hintergrund von Fehltreffern sowie dienst- und strafrechtlicher Risiken sind die Elektroimpulsgeräte schließlich für die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten selbst tatsächlich und rechtlich riskant.
Lähmender Distanz- und schmerzhafter Kontaktmodus
Der Begriff Taser geht auf den Markennamen der Elektroimpulsgeräte zurück, die das Unternehmen AXON vertreibt. Dem äußeren Erscheinungsbild nach erinnert der Taser an eine Schusswaffe, unterscheidet sich jedoch in der Wirkung. Während Schusswaffen ihre Wirkung durch mechanischen Aufprall eines Geschosses erzielen, wirkt der Taser über einen Stromstoß. Der Stromstoß kann im Kontaktmodus ausgelöst werden, indem der Taser vergleichbar mit einem Elektroschockgerät unmittelbar gegen den Körper gerichtet wird und der hierdurch berührten Person Schmerzen zufügt. Bekannter ist der Einsatz im Distanzmodus. Hierbei wird der Taser über einen Abzug ausgelöst, wodurch zwei Pfeilelektroden mittels komprimiertem Stickstoff über eine Distanz von – je nach Modell – siebeneinhalb bis dreizehneinhalb Metern abgeschossen werden. Zwischen Taser und Pfeilelektroden besteht eine Kabelverbindung, über welche Stromimpulse auf die getroffene Person übertragen werden. Hierdurch wird eine Muskelkontraktion ausgelöst, durch welche die betroffene Körperregion bewegungsunfähig wird.
Medizinische Risiken des Taser-Einsatzes
In der Theorie klingt es plausibel, eine Person mittels Stromstößen zu lähmen, um ihr anschließend je nach Einsatzszenario gefahrlos Messer oder Schusswaffen abnehmen oder Handfesseln anlegen zu können. Die Stromstöße seien bei körperlich gesunden Personen nicht mit übermäßigen gesundheitlichen Risiken verbunden, da die vom Taser erzeugte Stromstärke mit etwa 1,2mA bzw. 1,5mA nur gering ist. Aufmerken lässt allerdings die umfassende Auflistung von Risikogruppen in den Anwendungshinweisen der Herstellerfirma AXON. Besonders anfällig seien ältere Menschen, Personen mit Herzproblemen, Asthma oder anderen Lungenproblemen, stark erregte oder körperlich erschöpfte Personen sowie Menschen, die unter dem Einfluss von Drogen stehen.
Auch die Studienlage weist nach wie vor erhebliche Erkenntnislücken zu den medizinischen Risiken im Praxiseinsatz auf. Dies hat insbesondere forschungsethische Gründe, da experimentelle Studien nur mit Personen durchgeführt werden, die keiner der vorgenannten Risikogruppen angehören. Oftmals setzen sich die Stichproben aus Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zusammen, weshalb in der Forschungsliteratur zu Vorsicht geraten und klargestellt wird, dass die Studienlage keine Aussage zu den medizinischen Risiken des Taser-Einsatzes gegenüber der Gesamtbevölkerung erlaubt. Konkreter wird eine dänische Forschergruppe, die davon abrät, den Taser gegenüber Personen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder emotional aufgewühlten Personen zu nutzen. Andere Forschungsarbeiten empfehlen, den Taser nicht gegenüber Menschen einzusetzen, bei denen Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung bestehen.
Risikogruppe psychisch erkrankte Personen und Menschen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss
Ungeachtet der medizinischen Empfehlungen und der Warnhinweise der Herstellerfirma AXON gelangt der Taser gerade gegenüber psychisch erkrankten Personen oder Menschen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss besonders häufig zur Anwendung. Eine Auswertung von Fällen polizeilicher Zwangsanwendung in England und Wales ergab, dass von der Anwendung des Tasers zu 44 % Personen mit einer psychischen Erkrankung betroffen waren. Ähnliches lässt sich für Menschen unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen beobachten. Die rheinland-pfälzische Polizei hebt in einer Untersuchung 14 Sachverhalte hervor, die exemplarisch für polizeiliche Taser-Einsätze stünden. Bei der Hälfte der Einsätze wurde der Taser gegen suizidale oder unter Drogen- oder erheblichem Alkoholeinfluss stehenden Personen eingesetzt. In Nordrhein-Westfalen hat der Gesetzgeber im ersten Entwurf eines Änderungsgesetzes zur Einführung des Tasers sogar explizit den Einsatz gegenüber psychisch kranken Gewalttätern oder Gewalttätern unter Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinfluss hervorgehoben.
In den USA zeigt sich nach mehrjähriger Erfahrung mit dem Taser eine signifikante Häufung von Todesfällen bei Personen mit psychischen Erkrankungen oder Menschen unter dem Einfluss von Drogen. Auch in Deutschland wird berichtet, dass Personen in zeitlicher Nähe zum Taser-Einsatz versterben oder dass Situationen angesichts von Fehltreffern bis hin zum tödlichen Gebrauch der Schusswaffe eskalieren. Blickt man darauf, auf wen in diesen Fällen mit dem Taser geschossen wird, so handelt es sich überwiegend um psychisch auffällige Personen oder Personen, die unter dem Einfluss von Drogen stehen.
Das Risiko von Sekundärverletzungen
Neben den unmittelbaren gesundheitlichen Risiken durch einen Taser-Beschuss ist das nur bedingt kontrollierbare Risiko von Sekundärverletzungen in Folge von Stürzen in den Blick zu nehmen. Ziel des Taser-Beschusses ist die über ein Spannungsfeld zwischen den Pfeilelektroden hergestellte Handlungs- und Bewegungsunfähigkeit der getroffenen Person. Als ideal wird ein Abstand der Pfeilelektroden von 30 cm angesehen. Ist der Abstand zu gering oder trifft nur eine der Pfeilelektroden, ermöglicht die „unmittelbare Zweitschussoption“ des Tasers einen erneuten Beschuss. Sobald zwei Pfeilelektroden im richtigen Abstand auf den Körper treffen, wird eine ganzheitliche Muskelkontraktion ausgelöst, in deren Folge es zu unkontrollierten Stürzen kommen kann. Nach der Dienstanweisung der Polizei NRW ist die Anwendung des Tasers daher unzulässig, wenn sich die Person an einer Stelle befindet, von welcher sie aus einer großen Höhe zu Boden stürzen könnte. In experimentellen Untersuchungen oder Trainingssituationen lässt sich das Risiko von Sturzverletzungen durch Matten oder andere Vorkehrungen reduzieren. In der Praxis sieht es naturgemäß anders aus. Oft sind es gerade unübersichtliche Situationen und unkontrollierte Handlungen des „polizeilichen Gegenübers“, welche aus polizeilicher Sicht unmittelbaren Zwang erforderlich machen, zugleich aber auch für eine stressbehaftete Einsatzlage sorgen. Unter diesen Bedingungen ist für den Schützen nur bedingt kontrollierbar, dass die getroffene Person nicht auf scharfkantige Objekte fällt oder aus großer Höhe zu Boden stürzt. Ein gesteigertes Verletzungspotential dürften Situationen aufweisen, in denen der erste Schuss keine Wirkung entfaltet und stattdessen bei der getroffenen Person einen Flucht- oder Bewegungsimpuls auslöst. Die Dynamik wird durch den fehlgeschlagenen Erstbeschuss gesteigert oder sogar erst verursacht, was bei einem wirksamen zweiten Treffer das Verletzungsrisiko durch Stürze erhöhen dürfte.
Fehlende sprachliche und rechtliche Präzisierung
Die meisten Länder bezeichnen den Taser als Distanzelektroimpulsgerät. Das ist ungenau, weil hierdurch der nicht-lähmende, dafür aber äußerst schmerzhafte Einsatz als unmittelbar gegen den Körper gerichteter Elektroschocker sprachlich relativiert wird. Präziser ist daher die in Bayern und Niedersachsen gewählte Bezeichnung als Elektroimpulsgerät, die den Kontakt- und Distanzmodus gleichermaßen zum Ausdruck bringt.
Auch in rechtlicher Hinsicht mangelt es an Präzision. Angesichts der ungeklärten medizinischen Risiken und des eskalativen Potentials durch Fehltreffer ist der Taser als Waffe mit hoher Eingriffsintensität einzuordnen. Im Gesetzgebungsverfahren der Länder ist daher von sachverständiger Seite auf das Erfordernis einer rechtlichen Einhegung des Taser-Gebrauchs hingewiesen worden. Insbesondere seien ermessenslenkende Vorschriften zum Nicht-Gebrauch gegenüber Risikogruppen zu formulieren. Ansatzweise ist dies in Berlinumgesetzt worden, wo der Taser nur gebraucht werden darf, wenn dadurch ein zulässiger Gebrauch von Schusswaffen oder ein zulässiger und mit erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen verbundener Gebrauch des Schlagstocks vermieden oder eine Selbsttötung oder erhebliche Selbstbeschädigung verhindert werden kann. Untersagt ist zudem der Gebrauch gegen Risikogruppen wie Schwangere oder Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wobei unklar bleibt, wie Erkrankungen der inneren Organe von Beamtinnen und Beamten in der Einsatzpraxis überhaupt erkannt werden sollen. In den übrigen Ländern fehlt es an besonderen Verfahrensvorschriften zum Gebrauch des Tasers. Überwiegend ist der Taser als Waffe eingeordnet und damit dem Schlagstock gleichgestellt. Zum Teil ist er lediglich als Hilfsmittel körperlicher Gewalt vergleichbar dem Pfefferspray eingestuft. Die Folge ist eine fehlende Lenkung des Auswahlermessens. Unzureichend ist es, die Auswahl zwischen immerhin vier mitgeführten Einsatzmittel (Pfefferspray, Schlagstock, Taser und Schusswaffe) nur durch die allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen zur Anwendung unmittelbaren Zwangs und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu begrenzen.
Gefahr der Normalisierung polizeilicher Gewaltanwendung
Die fehlende rechtliche Einhegung des Tasers dürfte dazu führen, dass dessen Einsatz künftig nicht nur auf die Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben begrenzt wird. Vielmehr dürfte die flächendeckende Ausrüstung von Polizeibeamten mit Elektroimpulsgeräten das Potential besitzen, dass der Taser auch in Fällen zur Anwendung gelangt, die bislang mittels herkömmlicher Eingriffs- und Kontrolltechniken gelöst worden sind. Langfristig dürfte sich der Taser daher für Bürgerinnen und Bürger nicht als im Vergleich zu Schlagstock und Schusswaffe milderes Einsatzmittel darstellen, sondern einen Beitrag zur Normalisierung polizeilicher Gewaltanwendung leisten.
Anhaltspunkte für die Bestätigung dieser These lassen sich aus den von Polizeibehörden und der Herstellerfirma AXON skizzierten Anwendungsszenarien entnehmen. Diese deuten darauf hin, dass im Taser das Potential zur umfassenden Lagebewältigung gesehen wird. Die nordrhein-westfälische Polizei berichtet, dass der Respekt vor dem Taser „riesengroß“ sei und auch aus Rheinland-Pfalz wird zunehmender Respekt angesichts der Ausrüstung mit dem Taser vermeldet. Evaluationsergebnisse aus Rheinland-Pfalz zeigen zudem, dass 39,7 % der Beamten eine Einsatzsituation erlebt haben, bei der der Taser im Zusammenhang mit Widerstandshandlungen eingesetzt worden ist. Die Mehrzahl der befragten Beamten gibt an, bei Widerstandslagen den Taser „definitiv“ oder „wahrscheinlich“ gegenüber anderen Festnahme- oder Einsatzmitteln zu bevorzugen. Auch die Herstellerfirma AXON vermarktet den Taser als taugliches Mittel im Einsatz gegen Widerstandsdelikte. Sie ordnet ihn ferner als Mittel der Wahl im Umgang mit psychisch auffälligen Personen ein.
Topos des Respekts- und Autoritätserhalt und der Umgang mit psychisch Erkrankten
Wendet man sich zunächst dem Topos „Respekt- und Autoritätserhalt“ sowie Einsätzen gegen psychisch erkrankte Personen zu, wird deutlich, dass die vom Taser zu füllen behauptete Lücke zwischen Schlagstock und Schusswaffe gar nicht besteht. Bezogen auf Respekt und Autorität gilt, dass dies keine rechtlichen Kategorien sind und sie daher seitens der Polizei nicht – und erst recht nicht unter Androhung unmittelbaren Zwangs in Form von Waffengewalt – eingefordert werden dürfen. Besonders bedenklich erscheint es, wenn der Taser explizit als Einsatzmittel zur Bewältigung von Konfliktsituationen mit psychisch kranken Menschen eingeordnet wird. Bereits jetzt ist zu beobachten, dass Polizeibeamte gegenüber psychisch erkrankten Menschen häufiger unmittelbaren Zwang anwenden als dies gegenüber Personen ohne psychische Auffälligkeiten der Fall ist. Die angebliche Eignung des Tasers zur Lösung von Konflikten mit psychisch kranken Menschen verstärkt eine gewaltbetonte Einsatzbewältigung gegenüber dieser Personengruppe. Dabei droht aus dem Blick zu geraten, dass es sich um eine besonders vulnerable Gruppe handelt, auf deren Schutzbedürftigkeit die Polizei schon aus menschenrechtlichen Erwägungen besondere Rücksicht zu nehmen hat. Auch in praktischer Hinsicht gilt, dass ein großer Teil der polizeilichen Kontakte mit psychisch kranken Menschen gewaltfrei gestaltet werden kann – sofern Beamtinnen und Beamte entsprechend aus- und fortgebildet werden.
Taser und Widerstandsdelikte
Im Kontext von Widerstandsdelikten bestehen bereits praktische Anwendungsprobleme. Der Abschuss von Pfeilelektroden wird wegen der dynamischen Situation nicht in Betracht kommen und der Taser kann seine vermeintliche Stärke, nämlich die getroffene Person handlungs- und bewegungsunfähig zu machen, in diesen Fallgestaltungen gar nicht ausspielen. Tatsächlich dürfte der Taser in Widerstandssituationen vor allem als Elektroschocker verwendet werden. Die Elektroschocks führen jedoch zu keiner Lähmung, sondern verursachen Schmerzen, durch die der Wille der Person gebeugt werden soll. Rechtlich unterliegt der Taser-Einsatz im Kontaktmodus damit nicht unerheblichen Bedenken, weil hierbei eine Willensbeugung durch Zufügung von Schmerzen bewirkt werden soll. Davon abgesehen stellt sich die Frage na