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20 July 2023

Schmerzgriffe als Technik in der polizeilichen Praxis

Zur Verselbständigung und Normalisierung polizeilicher Gewalt

Bereits seit längerer Zeit kommen in (Teilen) der Polizei Techniken der Gewaltanwendung zum Einsatz, die als Schmerzgriffe bezeichnet werden. In der englischsprachigen Debatte werden diese Techniken unter dem Schlagwort „pain compliance“ diskutiert, was deutlich macht: Durch Schmerzen soll Gehorsam durchgesetzt werden. Besondere Beachtung haben diese Techniken zuletzt im Zusammenhang mit der Räumung von Sitzblockaden der „Letzten Generation“ gefunden, sie werden aber etwa auch bei Personen- oder Fahrzeugkontrollen eingesetzt. Mit den Blockaden wollen die Aktivist*innen auf die drastischen Auswirkungen des Klimawandels aufmerksam machen und einen Politikwechsel erreichen. Wie verschiedene Videoaufnahmen dokumentieren, werden von der Polizei bei den Aktionen immer wieder Schmerzgriffe gegen Klimaaktivist*innen angedroht und auch angewendet, um so die Räumung der Straße durchzusetzen oder diese zu erleichtern.  Lars Ritter, einer der betroffenen Aktivist*innen, hat mittlerweile mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage gegen eine solche Maßnahme erhoben, um deren Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen.

Der folgende Beitrag betrachtet polizeiliche Schmerzgriffe sowohl aus einer rechtlichen, als auch aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive. Rechtlich stellen sich Schmerzgriffe als problematisch dar, da sie vor allem auf eine Willensbeugung der Betroffenen durch (Angst vor) Schmerz abzielen. Die polizeiliche Praxis überformt zudem die rechtlichen Vorgaben zur Anwendung von Schmerzgriffen zugunsten einer effizienten polizeilichen Einsatzdurchführung. Sozialwissenschaftlich bzw. kriminologisch können Schmerzgriffe daher als Normalisierung und Verselbständigung polizeilicher Gewaltpraxen verstanden werden.

Von Nervendruck- und Hebeltechniken

Schmerzgriffe werden von der Polizei angewendet, um bei den Betroffenen ein polizeilich erwünschtes Verhalten zu erreichen. Im Fall der Sitzblockaden werden sie etwa genutzt, um Personen, die das Befolgen eines Platzverweises verweigern, dazu zu bringen, sich aus einer bestimmten Körperhaltung zu lösen und die Straße zu verlassen. Unter den Begriff werden dabei durchaus unterschiedliche Techniken gefasst: einerseits punktuelle Kompressionen einzelner neuronaler Punkte oder Areale im Körper (Nervendrucktechniken), andererseits die Überstreckung bzw. Überbeugung einzelner Gliedmaßen (Hebeltechniken).

Bei den sogenannten Nervendrucktechniken wird ein punktueller neuronaler Reiz gesetzt, der Schmerzen auslöst. Die Schmerzen sind hier „nicht Nebenprodukt der Durchsetzungsmaßnahme, sondern die Durchsetzungsmaßnahme selbst”.1) Diese führt nicht unmittelbar zu dem polizeilich beabsichtigten Tun (etwa aufzustehen und die Straße zu verlassen). Die Kompression der Nervenstränge muss erst aufhören, damit die betroffene Person frei von Reflexen andere Bewegungen ausführen kann. Auf einer Veranstaltung zum Thema beim diesjährigen Kongress des Republikanischen Anwält*innenvereins (RAV) schilderte Thomas Kunkel als Vertreter der Vereinigung demokratischer Ärzt*innen (VDÄÄ) sehr eindrücklich, dass während der akuten Schmerzreizsetzung eigentlich kaum eine Handlung durchführbar sei. Als betroffene Person wolle man nur, dass der Schmerz aufhöre; dies gelänge aber nur, wenn der polizeiliche Griff gelockert werde. Insofern könne durch die Anwendung einer Nervendrucktechnik de facto nur ein Dulden oder Unterlassen herbeigeführt werden.

Bei Hebeltechniken können die betroffenen Personen im Gegensatz dazu den entstehenden Schmerz dadurch vermeiden oder beenden, dass sie mit ihrem Körper in die Richtung nachgeben, in die gehebelt wird. Hier sind die Techniken also nicht nur mittelbar mit dem beabsichtigten Erfolg verbunden. Der Schmerz ist eher ein Nebenprodukt, nicht das eigentliche Ziel der Maßnahme. Derartige Techniken meinte wohl auch die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik, die in einem Interview mit der Berliner Morgenpost für die Berliner Polizei in Anspruch nahm, keine Nervendrucktechniken bzw. Schmerzgriffe im engeren Sinn anzuwenden:

„Aber es gibt Griffe, die, wenn sich jemand etwa schwer macht oder fallen lässt beziehungsweise dem vorgegebenen Bewegungs- und Richtungsimpuls nicht folgt, zu Schmerzen führen können […] Darüber sollen die Kollegen schon aufklären.“

In einem Video von dem Vorfall, der zu einer erheblichen öffentlichen Debatte geführt hatte und nun das Verwaltungsgericht Berlin beschäftigt, wird allerdings deutlich, dass die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Formen von Schmerzgriffen wie auch zu anderen Formen der polizeilichen Durchsetzung von Maßnahmen nicht immer klar und eindeutig ist. Möglicherweise wurden in dem konkreten Fall sowohl Nervendruck- als auch Hebeltechniken angewendet und schließlich wurde das polizeiliche Ziel vor allem durch das Wegtragen erreicht, wobei die Schmerztechniken parallel dazu angewendet wurden. Ähnliches beschrieb zum Beispiel auch eine betroffene Person, die im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts KviAPol („Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“) schilderte, wie die Polizei unterschiedlichste Schmerzgriffe anwendete:

Als Blockierender in einer gewaltfreien Sitzblockade war ich bereit, mich ohne Widerstand wegtragen zu lassen. Es gab anscheinend Anweisung, nicht zu tragen, so sollten wir BlockiererInnen durch die Anwendung von Schmerzen zum freiwilligen Verlassen bewegt werden. Ich wurde mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Methoden bearbeitet (Griff in die Augen, Überdrehen des Kopfes, so dass kein Sprechen mehr möglich ist, Griff in den Kehlkopf, Schmerzpunkte mit einem harten Gegenstand gedrückt an Schlüsselbein, unter dem Ohr und anderen Punkten, Knien auf meinem Rücken, während meine Füße verdreht werden, Quetschen meiner Hoden mit der Hand, Knien auf meinem Kopf, während mein Gesicht im Schotter liegt).“ (Lfdn. 10.160)

Schmerzgriffe im engeren Sinn zielen nicht auf eine unmittelbare körperliche Wirkung, um ein polizeiliches Ziel zu erreichen. Stattdessen sollen sie eine psychische Wirkung entfalten, indem sie den Willen der Betroffenen beugen und diese dazu bringen, das gewünschte Verhalten vorzunehmen. Ähnliches gilt strenggenommen auch für andere polizeiliche Gewaltmittel, wie den Einsatz eines Schlagstocks: Durch den Schlag selbst steht niemand auf, vielmehr dient der entstehende Schmerz (und noch präziser: die Angst vor erneutem Schmerz) dazu, die betreffende Person zu einem Handeln zu zwingen. Anders ist es etwa bei einem einfachen Wegschieben einer Person ohne die intendierte Zufügung von Schmerzen. Während Nervendrucktechniken als Schmerzgriffe im engeren Sinne dabei alleine auf die Willensbeugung durch (Angst vor) Schmerz zielen, dienen die Hebeltechniken eher dazu, andere Formen der Durchsetzung der polizeilichen Maßnahme zu begleiten und zu unterstützen. In welchem Umfang diese Techniken eingesetzt werden, lässt sich nicht bestimmen, da die polizeiliche Praxis in dieser Hinsicht sehr intransparent ist und auch statistisch nicht erfasst wird, wie die Antwort des Hamburgischen Senats auf eine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider aus dem Jahr 2019 zeigt. Dies gilt nicht nur für Schmerzgriffe, sondern insgesamt für polizeiliche Zwangsanwendungen.

Rechtliche Bewertung

Die rechtliche Zulässigkeit von Schmerzgriffen ist lange kaum thematisiert worden. Mit ihrer im Jahr 2022 erschienenen Dissertation hat Dorothee Mooser diese Lücke gefüllt und die rechtliche Zulässigkeit von Nervendrucktechniken ausführlich untersucht.

Mooser problematisiert erstens, dass bereits zweifelhaft ist, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Anwendung von Nervendrucktechniken durch die Polizei gibt. Wie dargestellt, dient die Anwendung dieser Techniken nicht unmittelbar der Erreichung des polizeilichen Ziels, sondern fügt alleine Schmerzen zu. Nach Mooser handelt es sich damit nicht um unmittelbaren Zwang im Sinne der Verwaltungsgesetze, da solche Maßnahmen die unmittelbare Herbeiführung eines rechtmäßigen polizeilichen Ziels bezwecken müssen.2) Nervendrucktechniken seien aber gar nicht dazu geeignet, jemanden zur Vornahme einer Handlung zu zwingen. Sie bezweckten erst als sekundäre Folge – möglicherweise sogar erst nach einer erneuten Aufforderung zum Handeln – die Umsetzung des polizeilich erwünschten Verhaltens. Insbesondere gebe es keine Rechtsgrundlage für Konstellationen, in denen durch den Schmerzgriff ein Handeln der Betroffenen (und nicht nur ein Dulden oder Unterlassen) bezweckt werde.3)

Zweitens ist – selbst wenn man die bestehenden gesetzlichen Regelungen für einschlägig hält – in der Praxis die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Schmerzgriffen durch die Polizei oftmals fraglich. Dies betrifft zunächst die Erforderlichkeit. Gerade bei Sitzblockaden stehen in der Regel mildere Mittel wie das Wegtragen zur Verfügung, um die polizeiliche Maßnahme durchzusetzen und die Räumung der Straße zu erreichen. Der Einsatz von Schmerzgriffen in einer solchen Lage wälzt die polizeiliche Verantwortung für die physische Durchsetzung eines polizeilichen Ziels unzulässig auf den Körper der Betroffenen ab. Gerade in diesen Konstellationen können Schmerzgriffe Mooser zufolge zugleich auch eine nicht nur bagatellhafte unmenschliche Behandlung und damit im Einzelfall einen Verstoß gegen das Folterverbot aus Art. 3 EMRK darstellen, insbesondere wenn das Verhalten der Betroffenen die Anwendung von Nervendrucktechnik nicht erforderlich gemacht hat.4)

Darüber hinaus ist nach Mooser auch die Angemessenheit insbesondere von Nervendrucktechniken zweifelhaft, da deren Effekte aufgrund der Subjektivität von Schmerzempfinden nicht graduierbar seien. Insofern sei es zum Beispiel nicht möglich, zunächst einen milderen Schmerz zuzufügen und diesen erst zu steigern, wenn das Ziel der polizeilichen Maßnahme ansonsten verfehlt würde, oder den Schmerzreiz zu reduzieren, wenn die betroffene Person den polizeilichen Anweisungen bereits nachkomme.5) Dies schlage sich nicht zuletzt auch in einer uneinheitlichen Anwendungs- und Bewertungspraxis in den verschiedenen Polizeibehörden der Länder nieder, die auf ein fehlendes geteiltes Verständnis der Angemessenheit von Schmerzgriffen verweist.6)

Drittens kommt im Zusammenhang mit Schmerzgriffen der Androhung des unmittelbaren Zwangs besondere Bedeutung zu. Diese ist einerseits rechtsstaatliche Verfahrensvoraussetzung und daher nur ausnahmsweise entbehrlich. Andererseits spielt sie eine zwiespältige Rolle, wenn eine Maßnahme – wie bei den Schmerzgriffen – zuvorderst auf die psychische Beugung des Willens der Betroffenen zielt. Namentlich kann die Androhung ebenso der Beugung dienen und daher als eine Vorstufe des eigentlichen Schmerzgriffs verstanden werden. Die Androhung einer extralegalen Gewaltanwendung ist angesichts dessen keine „unglückliche Wortwahl“, wie Möstl behauptet. Vielmehr kann sie als selbständiger Verwaltungsakt selbst rechtwidrig sein und damit eine Bedrohung darstellen.

Wirkungen und Folgen für Betroffene

Polizeiliche Schmerzgriffe führen – wie der Name sagt – primär zu Schmerzen, die individuell sehr unterschiedlich sein können. Im Unterschied zu anderen Gewaltanwendungen wie Schlägen oder Tritten bleiben kaum sichtbare Wunden zurück. Gleichwohl handelt es sich um eingriffsintensive Maßnahmen, die insbesondere längerfristige psychische Folgen haben können.

Die unmittelbare Folge eines Schmerzgriffes – der Schmerz selbst – ist subjektiv und kann auch von der körperlichen Konstitution von Betroffenen abhängig sein. Besondere körperliche Konstitutionen bestimmter Betroffener, wie etwa vorangegangene Frakturen oder Gelenkerkrankungen, können dabei die Schmerzwirkung potenzieren.7) Diese werden zumeist den diensthabenden Beamt*innen nicht bekannt sein, so dass eine einzelfalladäquate Dosierung der Schmerzwirkung kaum möglich erscheint. Auch über die Frage der Wirkung des Schmerzes hinaus spielt die körperliche Konstitution der Betroffenen eine Rolle. Ein akuter Schmerzreiz führt zur Ausschüttung von Hormonen, die unter anderem den Blutdruck ansteigen lassen können. Dies kann etwa bei Personen mit Bluthochdruck gefährlich werden. Auch eine Intoxikation von Betroffenen kann das Schmerzempfinden verändern und herabsetzen, so dass eine fortgesetzte oder verstärkte Anwendung von Schmerzgriffen zu Brüchen, Zerrungen und Gewebeverletzungen führen kann.8) Kunkel beschreibt die Wirkung eines Schmerzgriffs daher als „Kaskade von lokalen und systemischen Reaktionen, die weit von den intendierten Wirkungen entfernt liegen können“.  Derartige Konstellationen sind dabei keine in der Diskussion zu vernachlässigenden Sonderfälle. Sie stellen vielmehr genau den Maßstab dar, an dem sich eine rechtsstaatliche polizeiliche Praxis messen lassen muss: Kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit garantiert werden, dass der Person, die von einer polizeilichen Maßnahme betroffen wird, keine Schäden entstehen, die über das absolut notwendige Maß hinausgehen?9)

Abseits vom momentanen Schmerz können durch einen technisch nicht korrekt durchgeführten Schmerzgriff auch längerfristige Folgen wie „Bewusstlosigkeit und Durchblutungsstörungen bis hin zu anhaltenden Nervenschäden bei der betroffenen Person“ auftreten, was in der Polizei teilweise auch bekannt zu sein scheint.10) Eine befragte Betroffene in der Studie KviAPol beschrieb als Folgen der Anwendung von Schmerzgriffen:

„Im Nachhinein wurde festgestellt, dass mir mehrere Wirbel rausgesprungen sind und ich habe immer noch Probleme mit meinem Handgelenk, welches über mehrere Minuten umgedreht und überdehnt wurde.“ (Lfdn. 4.038)

Auf der psychischen Ebene kann das Gefühl, sich in polizeilicher Hand zu befinden und dabei Schmerzen zugefügt zu bekommen, denen man sich nicht entziehen kann, zu Ohnmachtsgefühlen bei den Betroffenen führen. So schilderte ein*e Betroffene*r in einem Freitextfeld der KviAPol- Befragung eine Situation nach Auflösung einer Sitzblockade:

„Ein Polizist griff mir ins Gesicht, sodass seine Hand im Handschuh meine Augen, Nase und Mund bedeckten, und drehte meinen Kopf und Hals weit zur Seite und nach hinten, Ich hatte Tage später noch Schmerzen dabei meinen Nacken und Hals zu bewegen. […] Die Beamtin und der Beamte, die mich festnahmen, beendeten die Schmerzgriffe auch dann nicht, als sie mich schon aus der Sitzblockade/Kundgebung herausgezerrt hatten. An Brustkorb/Seite und Armen waren später flächige blaue Flecken zu sehen. Beim Abführen zu den weiter wegstehenden Kastenwägen verstärkten sie ihre Schmerzgriffe sogar noch weiter. Auch als ich sie darauf hinwies, dass sie mich doch jetzt festgenommen hatten und sie keinen Widerstand von mir zu erwarten hätten. Stattdessen verstärkte der Polizist oder vielleicht auch beide ihren Griff. […] Auf meine Frage/Aufforderung, die Griffe zu lockern, sagte der Polizist verächtlich, dass ich vorher nur gegen die Schmerzgriffe verbal protestiert hätte, um Aufmerksamkeit bei den Umstehenden zu erlangen. Für mich entstand der Eindruck, dass er es mir deswegen auf dem weniger von Umstehenden beachteten Weg zu den Polizeiautos nicht gönnen wollte, schmerzfrei(er) zur Verwahrung in der Wanne zu kommen. […] Meiner Meinung nach sind sie relativ brutal vorgegangen, weil sie konnten: Wir waren nicht besonders viele und wir waren überwiegend nicht-weiße Personen.“ (Lfdn. 4.829)

Aus medizinischer Sicht ist Schmerz ein Stimulus für Angstgefühle und das sogenannte Schmerzgedächtnis kann Vermeidungsverhalten nach sich ziehen. Insofern können polizeiliche Schmerzgriffe auch zu einer Einschüchterung der Betroffenen führen und etwa im Kontext politischer Aktionen eine Abschreckungswirkung entfalten.

Schmerzgriffe als verselbständigte Gewaltpraxis

Die Etablierung von Schmerzgriffen als Gewalttechnik in der polizeilichen Praxis ist ein anschauliches Beispiel sowohl für eine Verselbständigung und Entgrenzung der Polizei wie auch für eine Tendenz der Normalisierung von Gewalt in der Polizei.

Die Polizei wird als Institution mit Gewaltbefugnis durch das Gesetz mit unterschiedlichen Gewaltmitteln ausgestattet. Das Recht macht dabei jedoch aufgrund seiner Funktion als abstrakter und ausfüllungsbedürftiger Regelungsrahmen nur eingeschränkte Vorgaben. Die Polizei hat daher nicht nur eine exekutive, sondern – wie schon Walter Benjamin problematisierte – auch eine quasi-legislative Funktion. Sie selbst bestimmt durch ihre Rechtsauslegung und Praxis (mit), wie weit ihre Gewaltkompetenz reicht; die Gewaltanwendung ist allenfalls im Nachgang durch die Judikative überprüfbar. Diese quasi-legislative Funktion gilt zunächst für den konkreten Einsatzmoment, kann sich aber auch längerfristig in der Etablierung neuer Formen und Techniken der Gewaltanwendung niederschlagen. Eine solche Etablierung durch und in der Polizei orientiert sich nicht alleine an rechtlichen Maßstäben, sondern ebenso an polizeilichen Erwägungen zur Effizienz und Praktikabilität bestimmter Vorgehensweisen. In einem polizeilichen Maßstab geht es bei der Bewertung von Gewaltanwendungen neben Fragen der Legalität und Legitimität stets auch um die praktischen Anforderungen des Einsatzalltags.11)

Die Anwendung von Schmerzgriffen durch die Polizei ist auf gesetzlicher Ebene nicht ausdrücklich geregelt. Wie bereits gezeigt, lassen sich die Techniken auch nicht bzw. nur eingeschränkt unter die bestehenden Regelungen über die Anwendung unmittelbaren Zwangs fassen. Man kann also sagen, dass diese gesetzlichen Vorgaben durch die Etablierung von Schmerzgriffen durch die polizeiliche Praxis nicht nur weiter konkretisiert und ausgelegt, sondern teilweise auch überformt werden. In einem dokumentierten Fall lehnte es etwa ein Polizeibeamter ab, eine*n Demonstrant*in von der Straße zu tragen und begründete dies damit, er „habe Rücken“. Die betroffene Person durch eine (für die Polizei) weniger energieintensive Maßnahme wie einen Schmerzgriff dazu zu bewegen, die Straße zu räumen, stellt sich hier für die Polizei als effizient und damit als vorzugswürdiges Vorgehen dar. Auch Überlegungen zum personellen Aufwand können eine Rolle spielen: So kann es notwendig sein, mehr Personal zur Durchsetzung einer polizeilichen Maßnahme ohne Schmerzgriffe heranzuziehen – dies kann sich jedoch aus Perspektive der Polizei als nicht praktikabel darstellen. Solche Praktikabilitätserwägungen können auf diese Weise das polizeiliche Verständnis der eigenen Gewaltkompetenz prägen und damit eine verselbständigte polizeiliche Gewaltpraxis befördern.

Die damit beschriebene Überformung gesetzlicher Anforderungen wird dadurch begleitet, dass diese Techniken nicht nur in der Praxis der Polizei, sondern auch in der Ausbildung und in Form untergesetzlicher Normierungen schrittweise etabliert und normalisiert werden.12) Sie finden sich in Dienstvorschriften, polizeilichen Lehrplänen und Einsatzvorgaben, die von der Organisation selbst entwickelt werden und sich an den Anforderungen der Praxis orientieren. Über diese untergesetzlichen Normierungen von Schmerzgriffen, anhand derer die Etablierung dieser Praxis nachvollzogen werden könnte, ist allerdings wenig bekannt. So sind weder konkrete Inhalte der Einsatzlehre noch die entsprechenden Dienstvorschriften für die Öffentlichkeit zugänglich und transparent, weswegen die Organisation „Frag den Staat“ eine IFG-Klage erhoben hat.

Normalisierung von Gewalt in der Polizei

Schmerzgriffe bringen darüber hinaus ein besonderes Potential für die Normalisierung von Gewalt in der polizeilichen Praxis mit sich. Erstens sind sie aus Sicht der Polizei, wie schon beschrieben, äußerst praktikable und effektive Techniken zur Arbeitsbewältigung.13) Das wurde etwa auch in Interviews mit Polizeibeamt*innen im Rahmen der Studie KviAPol deutlich:

„Man muss das erlebt haben. Der Mann saß im Auto, war betrunken, hat sich geweigert, aus dem Auto auszusteigen, also was passiert? Man nimmt den linken Arm und drückt mit dem Daumen hier rein, das ist ein Schmerzpunkt, dadurch geht die Hand auf. Die Hand wird nach außen gebogen über die B-Säule, das erklärt das Hämatom. Dann fällt der nach unten und fällt hier auf die Quertraverse und mit der rechten Gesichtshälfte auf den Asphalt. Somit erklären sich diese Verletzungen ganz einfach. Der Mann ist mehrfach aufgefordert worden, das Fahrzeug zu verlassen, das hat er nicht gemacht, sondern [er] wollte betrunken in seinem Fahrzeug weiter sitzen bleiben. Also hat der Polizeibeamte reingegriffen, hat den Schlüssel abgedreht, hat ihm den Arm nach hinten gebogen, um ihn so aus dem Fahrzeug zu bugsieren. Verfahren eingestellt.“ (Interne Ermittlungen/C2.3: 79)14)

Die Anwendung eines Schmerzgriffes wird hier als überpersönlicher Automatismus dargestellt („also was passiert? […] Man […] drückt mit dem Daumen hier rein, das ist ein Schmerzpunkt […]“). Sie wird als sehr wirksam und universell einsetzbar verstanden. Schmerzgriffe gelten angesichts dessen in der Polizei als „sauberer Zugriff“15); sie hinterlassen keine Spuren und schonen institutionelle Ressourcen.

Zweitens wird die Zufügung von Schmerzen in der Polizei offenbar als wenig eingriffsintensive Maßnahme verstanden, weil sie nicht mit körperlichen Verletzungsfolgen verbunden ist. So wurde in anderen Interviews der Studie KviAPol die Artikulation von Schmerz durch Betroffene (etwa bei verkanteten Handschellen) als „Gejammer“ beschrieben:

„[…] Das tut weh, die Hände werden dick, tun weh, das ist aber ganz normal, da passiert aber nichts.“ (Vollzug/ C3.7: 60)16)

Bei einem solchen Verständnis liegt polizeilicherseits die Annahme nahe, Schmerzgriffe seien nicht mit sonstigen Formen unmittelbaren Zwangs zu vergleichen, sondern auf einer darunter liegenden Stufe angesiedelt, weil sie „nur“ Schmerzen erzeugen, aber keine „echten“ Verletzungen herbeiführen würden. So weist Mooser darauf hin, dass in einzelnen Landespolizeien für die Frage der Verhältnismäßigkeit auf die Folgen einer Nervendrucktechnik abgestellt werde, nicht aber auf die Schmerzen an sich.17)

Derartige Annahmen stehen einerseits im Widerspruch zu den oben beschriebenen Wirkungen und Folgen der Schmerzzufügung für die Betroffenen. Die Polizei setzt sich hiermit über die Perspektive der Betroffenen hinweg und stellt ihre eigenen Interessen an einer raschen und effektiven Durchführung von Maßnahmen in den Vordergrund. Andererseits können sie zu einer Normalisierung18) und unreflektierten Anwendung von Schmerzgriffen als Gewalttechniken führen, die die bestehenden rechtlichen Vorgaben überformt und in der Praxis in Frage stellt: Das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip macht polizeiliche Gewalt zur ultima ratio. Sofern andere Mittel zur Erreichung eines legalen Zwecks ergreifbar sind, müssen diese stets vorrangig angewendet werden. Wer aber die Zufügung von Schmerzen als besonders leichten Eingriff versteht, wird bei der Suche nach milderen Mitteln selten fündig werden. Dies zeigt sich etwa in der Auffassung des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern in Moosers Studie:

„Die Anwendung [von Schmerzgriffen] sei bei einigen Beamten schon in einen Automatismus übergegangen, sodass diese Techniken immer eine der ersten Maßnahmen im Einsatz darstellen würden.“19)

Wohin diese Normalisierung bei einzelnen Beamt*innen führen kann, zeigt eindrücklich das bereits eingangs erwähnte Video von einer Sitzblockade von Klimaaktivist*innen in Berlin. Der Polizeibeamte droht dort einen Schmerzgriff mit massiven Folgen an: „Sie werden die nächsten Tage, nicht nur heute […] werden Sie Schmerzen beim Kauen haben und beim Schlucken“. Dass derart gravierende Folgen von dem Beamten in der vorliegenden Situation als verhältnismäßig betrachtet werden, zeugt einerseits davon, dass Schmerzen offenbar als wenig gravierend und eingriffsintensiv betrachtet werden. Andererseits erscheint die Androhung nicht alleine als Erfüllung der Verfahrensvoraussetzung für die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Vielmehr mutet sie angesichts des Auftretens des Beamten und des Duktus der Androhung als eigene Maßnahme an, als Bedrohung, die nicht (nur) über eine bevorstehende Maßnahme informiert, sondern per se den Willen des Betroffenen beugen soll.

Fazit

Unter den Begriff der Schmerzgriffe werden verschiedene Techniken gefasst, die in der polizeilichen Praxis zunehmend zur Anwendung kommen. Sie zielen (primär) auf eine psychische Wirkung, indem sie den Willen der Betroffenen beugen und abschrecken sollen. Sie sind damit Sinnbild einer sich als gewaltavers begreifenden Gesellschaft, die eine staatliche Institution mit dem Erhalt der bestehenden Ordnung mittels Gewalt beauftragt. Für die Betroffenen haben Schmerzgriffe gravierende Folgen. Die rechtliche Zulässigkeit von Schmerzgriffen als besonderer Form des unmittelbaren Zwangs ist umstritten und bislang nicht geklärt.

Schmerzgriffe können als Entgrenzung polizeilicher Gewaltpraxis verstanden werden. Zugleich wohnt ihnen eine Tendenz zur Normalisierung von Gewaltanwendung inne. Erstens werden Schmerzgriffe von Polizeibeamt*innen trotz der erheblichen Folgen für die Betroffenen als eher mildes Mittel eingeschätzt, weil sie selten sichtbare physische Verletzungen hinterlassen. Schmerzen erscheinen als normal und unter Umständen sogar als notwendiger Bestandteil des Polizierens. Ähnlich wie beim Taser, der trotz seines tödlichen Potenzials als eher eingriffsarmes Instrument eingeschätzt wird, kann eine solche polizeiliche Betrachtungsweise dazu führen, dass diese Techniken entsprechend ausgedehnt, angedroht und angewendet werden. Zweitens perpetuieren Schmerzgriffe den Anspruch auf absolute Autorität der Polizei, indem es jedenfalls bei den Nervendrucktechniken einzig um die Beugung des Willens der Betroffenen geht. Ein solches polizeiliches Vorgehen duldet keine Rückfrage, keine Verhandlung und kein Opponieren mehr. Der Schmerzgriff bricht jeden Widerspruch und reduziert eine mündige Person auf ihren verletzbaren Körper zugunsten eines effizient durchführbaren Einsatzes.

Diese Entgrenzung zumindest nachträglich juristisch wieder einzuhegen, wird nun die Aufgabe der Verwaltungsgerichte und möglicherweise auch des Bundesverfassungsgerichts sein.

References

References
1 Mooser, Nervendrucktechniken im Polizeieinsatz, S. 209. Baden-Baden, 2022.
2 Anders als das Zwangsgeld soll sogenannter unmittelbarer Zwang primär nicht den Willen der Adressat*innen beugen und eine psychische Wirkung erzielen, sondern ähnlich wie die Ersatzvornahme unmittelbar zum polizeilich beabsichtigten Erfolg führen.
3 Vgl. Mooser 2022, S. 92.
4 Ebd., S. 120 und 182.
5 Ebd., S. 200 f.
6 Ebd., S. 52 ff. Vgl. für den US-amerikanischen Kontext Terrill und Paoline III, Examining Less Lethal Force Policy and the Force Continuum: Results From a National Use-of-Force Study. Police Quarterly 16/1, 2013, S. 38-65.
7 VG Hamburg, 5 K 1971/11 Urteil vom 22.1.15.
8 Kaminski und Martin, An analysis of police officer satisfaction with defense and control tactics, S. 135. Policing, 23/2, 2000.
9 Ähnliche Probleme ergeben sich beim Einsatz von Distanzelektroimpulsgeräten (Taser), deren Einsatz in den meisten Fällen die betroffene Person nur kurzzeitig außer Gefecht setzt, die jedoch bei Personen mit Intoxikationen, Herzvorerkrankungen oder Schwangerschaften auch deutlich gravierendere Folgen haben können. Auch in Deutschland kam es im Zusammenhang mit der Verwendung von Tasern bereits zu Todesfällen.
10 Mooser 2022, S. 52.
11 Vgl. Abdul Rahman et al., Gewalt im Amt, S. 209 ff. Frankfurt/New York, 2023.
12 Vgl. auch Kaminski und Martin 2000, S. 134.
13 Seigel beschreibt die Polizei als „violence workers“: “Police realize — they make real — the core of the power of the state. […] It is simply about what their labor rests upon and therefore conveys into the material world. […] It takes work to represent and distribute state violence.“ (Seigel, Violence Work, S. 10 f. Durham, 2018).
14 Abdul-Rahman et al. 2023, S. 243.
15 Mooser 2022, S. 51.
16 Abdul-Rahman et al. 2023, S. 242.
17 Mooser 2022, S. 55.
18 Dass polizeiliche Gewaltanwendungen (und spezifisch Schmerzgriffe) auch von der weißen Dominanzgesellschaft normalisiert werden, zeigt sich etwa in einem Video vom Tigerentenclub, in dem den Kindern von zwei Polizeibeamt*innen die Anwendung eines Schmerzgriffs demonstriert wird.
19 Mooser 2022, S. 50.

SUGGESTED CITATION  Espín Grau, Hannah; Singelnstein, Tobias: Schmerzgriffe als Technik in der polizeilichen Praxis: Zur Verselbständigung und Normalisierung polizeilicher Gewalt, VerfBlog, 2023/7/20, https://verfassungsblog.de/schmerzgriffe-als-technik-in-der-polizeilichen-praxis/, DOI: 10.17176/20230721-012120-0.

139 Comments

  1. Jakob Hohnerlein Thu 20 Jul 2023 at 23:12 - Reply

    Vielen Dank für diesen sehr eindrücklichen Beitrag! Etwas irritiert war ich allerdings von Ihrer Einschätzung, die Polizei werde quasi-legislativ tätig. Dass rechtliche Vorgaben bisweilen lückenhaft und interpretationsoffen sind, bringt natürlich auch im Polizeirecht mit sich, dass sie auf der Anwendungsebene ergänzt werden – aber wir halten aus guten Gründen daran fest, dass über die Interpretation polizeirechtlicher Regelungen letztverbindlich die Gerichte entscheiden, und zwar nicht nur für den Einzelfall (also bei erledigten Maßnahmen erst im Nachhinein), sondern mit dem Ziel einer generellen Klärung für die Praxis. Mit dem Ermessen verbleibt der Polizei zwar ein gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer Spielraum, der aber insbesondere mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz klaren Grenzen unterliegt. Bei den Schmerzgriffen bestehen, wie sie ja selbst im Weiteren darlegen, keinerlei rechtliche Zweifelsfragen: Die Maßnahmen sind jedenfalls in aller Regel mangels Erforderlichkeit rechtswidrig. Dass sie milder als Wegtragen sind, kann niemand ernsthaft behaupten. Umso schwerwiegender ist natürlich, wenn sich in der Polizei rechtswidrige Praktiken etablieren. Das zeigt, wie wichtig die nun anhängigen Gerichtsverfahren sind. Dabei wäre auch zu hoffen, dass etwaige Verwaltungsvorschriften, die den Einsatz von Schmerzgriffen aus Praktikabilitätsgründen zulassen, klar als rechtswidrig benannt werden.

    • Wayne Wed 26 Jul 2023 at 23:52 - Reply

      Dass Schmerzgriffe ähnlich mild wären wie einfaches Wegtragen behauptet ja niemand, auch nicht die Polizei.
      Die Einhaltung der Erforderlichkeit wird aber regelmäßig so definiert, dass kein milderes, gleichsam effektives Mittel zur Verfügung steht, die Gefahr abzuwenden. Und Wegtragen ist jedenfalls dann ineffektiver, wenn man hierzu den Kräfteansatz signifikant erhöhen müsste.

      Davon einmal abgesehen unterscheidet der Artikel selbst ja bereits zwischen Schmerzgriffen und Griffen, die auf schmerzhafte Weise eine Bewegungsrichtung vorgeben. Mir zumindest ist kein Fall bekannt, indem ein Schmerzgriff ausschlielich auf den psychischen Effekt abgezielt hätte – alle Videos, die hier verlinkt wurde und besonders aber auch das Eingangs erwähnte, haben eine eindeutige Ziel- und Bewegungsrichtung.

      • Frey Fri 22 Sep 2023 at 11:46 - Reply

        Das “mildeste Mittel” betrifft die Perspektive dessen, der es zu erleiden hat, also der Demonstrant oder polizeilich Angegangene.

        Es ist NICHT dazu da, Verwaltungsvorgänge (z. B. wegen Personalmangels oder höheren Aufwands) effektiver zu machen.

        Wegtragen ist definitiv ein milderes, gleichsam effektives Mittel.
        Dass es zur Verfügung stehe, die Gefahr abzuwenden, ist Aufgabe von Politik und Polizei, s. Personalpolitik der letzten 30 Jahre.

        Ob hier überhaupt eine “Gefahr abzuwenden” sei, stelle ich infrage.

        Vgl. Ihr
        “Die Einhaltung der Erforderlichkeit wird aber regelmäßig so definiert, dass kein milderes, gleichsam effektives Mittel zur Verfügung steht, die Gefahr abzuwenden.
        Und Wegtragen ist jedenfalls dann ineffektiver, wenn man hierzu den Kräfteansatz signifikant erhöhen müsste.”

  2. Weichtier Sat 22 Jul 2023 at 09:07 - Reply

    HEP und TS: „Die Anwendung eines Schmerzgriffes wird hier als überpersönlicher Automatismus dargestellt („also was passiert? […] Man […] drückt mit dem Daumen hier rein, das ist ein Schmerzpunkt […]“). Sie wird als sehr wirksam und universell einsetzbar verstanden. Schmerzgriffe gelten angesichts dessen in der Polizei als „sauberer Zugriff“15); sie hinterlassen keine Spuren und schonen institutionelle Ressourcen.“

    Laut einem Bericht der BZ vom Januar 2023 haben allein Berliner Polizisten inzwischen 233.000 Einsatzstunden in Zusammenhang mit Straßenblockaden und anderen Protesten der „Letzten Generation“ geleistet: (https://www.bz-berlin.de/berlin/233-000-stunden-mehrarbeit-fuer-berliner-polizei-wegen-klima-klebern
    233.000 Stunden entsprechen ca. 140 Polizistenjahre. Also ein Jahr lang waren Polizisten mit Aktionen der „Letzten Generation“ beschäftigt und nicht mit streitenden Ehegatten und Nachbarn, mit randalierenden Fußballfans, grölenden alkoholisierten Menschen nach Mitternacht in der Fußgängerzone (oder einer Raubkatze oder einem Wildschwein) etc. etc. Alles Menschen, mit denen ich als honette bürgerliche Existenz nicht in näheren Kontakt treten möchte. Solange institutionelle Ressourcen knapp sind, ist diese Knappheit für mich durchaus ein relevanter Gesichtspunkt. Der Kuchen kann halt nur einmal gegessen werden.

    Außerdem fällt mir auf, dass in dem Beitrag von „Aktivisten“ die Rede ist, aber nicht von „Polizisten“, sondern von der Polizei. Es mag sein, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht die Grundrechtsträgereigenschaft von Polizisten bei den Aktionen der „Letzten Generation“ nicht relevant ist. Ich finde aber, dass die Aktionen der „Letzten Generation“ Autofahrer und Polizisten zu OBJEKTEN ihrer Inszenierungen machen. „Respekt“ für diese Gruppen von Menschen kommt dadurch nicht zum Ausdruck.

    • Moritz Wed 26 Jul 2023 at 08:59 - Reply

      Ich kann mir nur schwer vorstellen das Techniken, wie in dem oben gezeigten video, bei dem Umgang mit den sogenannten “Klimaklebern” polizeiliche Ressourcen schonen. In der Zeit, in der in dem video der Schmerzgriff erst beschrieben und dann angewendet wurde, hätte der Aktivist auch einfach von der Straße weggetragen werden können. Das ist der kurzfristige Aspekt. Hier hinzu kommt allerdings auch ein sehr wichtiger langfristiger Aspekt. Das festkleben auf einer Straße mag sehr störend sein, allerdings ist es auch absolut friedlich. Wenn friedlicher Protest mit polizeilicher Gewalt begegnet wird, schädigt das auf der einen Seite das Verhältnis der protestierenden zum Staat. Es kann auch die Bereitschaft der protestierenden zu extremeren Maßnahmen erhöhen, sei das mehr Widerstand gegen die Polizei oder möglicherweise sogar gewaltsame Protestaktionen. Das allerletzte was irgendjemand will, sei das bei der Polizei oder bei der weiteren Gesellschaft, ist eine Spirale der Eskalation bei Klimaprotesten.

      • Weichtier Wed 26 Jul 2023 at 17:01 - Reply

        Für das Protokoll: Absolut friedlich demonstrieren für mich die Zeugen Jehovas, die an einer Straßenecke mit dem „Wachtturm“ in der Hand stehen und für ihren Glauben Zeugnis ablegen. Und ob jede Demonstration, die ohne einen körperlichen Angriff auf Dritte auskommt (sondern „nur“ deren Freiheit zur Bewegung verunmöglichen), bereits friedlich ist (wenn auch nicht absolut friedlich), daran habe ich auch Zweifel. Zwischen friedlich und körperlichem Angriff gibt es für mich eine erhebliche Bandbreite.

        • Widowaldmeister Wed 26 Jul 2023 at 19:07 - Reply

          Touche… zumal die Klimakleber wissentlich und willentlich Personen- und Sachschaden durch ihre Handlung in Kauf nehmen. Man denke nur an die erste große Aktion, als der Rettungswagen nicht zu der schwerverletzten Frau (vom Betonmischer überollt) durchkam.
          Die Polizei macht mehrmals deutlich auf die durchzuführende Handlung (Anwendung des Schmerzgriffes) aufmerksam… in der Regel sehr lautstark. Ich habe dazu schon mehrere Videos gesehen und finde darin kein Fehlverhalten. Zumal die Polizei durch diese Maßnahme auch versucht andere Menschen zu schützen (siehe z.B. den schweren Verkehrsunfall in Nürnberg mit Schwerverletzten), da sich die Klimakleber i.d. Regel unvermittelt und plötzlich auf die Fahrbahn werfen und hinsetzen.

        • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:37 - Reply

          Sie Anwendung von Techniken, die als Folter einzuschätzen sind, sind in diesen Situationen völlig unverhältnissmäßig oder fangen wir an Schmerzgriffe auch beim nächsten Streit an der Discounterkasse einzuführen, weil es ihrer Auffassung von friedlich nicht entspricht?

    • Der Horst Wed 26 Jul 2023 at 12:45 - Reply

      Die Gesamtheit der Polizisten nennt man Polizei. Die Gesamtheit der Aktivisten nennt man wie?

      Gewalt ist keine Ressource, die man nach Knappheit regulieren kann. Wenn die Bevölkerung soviele Straßen blockiert, dass die Polizei nicht mehr hinterher kommt, diese Blockaden zu lössen, dann nennt man sowas außerparlamentarische Opposition. Also eine Anzahl an Menschen, die mit ihren Forderungen soviel Druck auf die Regierung (also Exekutive) ausüben, dass diese ihre Politik ändern muss. Das ist der Kern jeder Demonstration und Protests. Eben weil es keine Demokratie ist, alle paar Jahre ein Kreuz zu machen und dann über sich regieren zu lassen. Parteien waren nur einen sehr kurzen Moment in der Geschichte Deutschlands in der Bevölkerung angekommen. Eine Mehrheit der Bevölkerung war aber in Deutschland bisher nicht in Parteien organisiert. Deshalb ist der “Druck der Straße” ein Ausdruck der Demokratie in Deutschland und auch andernorts.

      Die Polizei darf auf politischen Protest nicht mit Gewalt reagieren. Das wäre ansonsten nicht mehr demokratisch. Ganz einfach, weil Schmerzen und Angst politische Überzeugungen zerstören. Ein Mittel von herzlosen Diktatoren, um politische Opposition zu verhindern oder zu vernichten. In der Polizei einer demokratischen Gesellschaft ist das verboten.
      Schmerzen und Gewalt sind Mittel der Dominanz. Zulässig sind sie bei lebensbedrohlichen Gefahren, weil die Anwendung dessen milder ist, als die Gefahr hervorbringt.

      Auch in der Erziehung von Kindern ist Schmerz und Gewalt verboten. Die Gesellschaft toleriert solche Erziehung nicht mehr. Polizisten sind keine Ausnahmen davon. Zumal sie keine Erzieher sind. Polizisten sollen das gemeinschaftliche Leben der Gesellschaft bewahren, was hier im Land durch die Bewahrung von Recht und Ordnung verstanden wird. Dazu gehört IMMER, das nicht nur eine Seite ein Recht auf Recht und Ordnung hat. Und genau da liegt das eigentliche Problem (auch in der Gesellschaft). Der Extremismus, bzw. die Einseitigkeit. Die Ganz-oder-Garnicht-Mentalität. Das ist das größte Problem einer normalen Polizei.

      • Frederik Wed 26 Jul 2023 at 13:20 - Reply

        “Die Polizei darf auf politischen Protests nicht mit Gewalt reagieren” ist grundsätzlich richtig. Hierfür bedarf es allerdings der Voraussetzung, dass es sich um eine angemeldete Protestaktion handelt, da es sich hier sonst nicht mehr um legalen Protest, sondern um eine Straftat handelt. Zur Verhinderung der Fortsetzung von Straftaten darf die Polizei sehrwohl Gewalt einsetzen. Vor allem, da sie vorher mehrfach zu rechtmässigem Handeln auffordert und für den Fall der Nichtbeachtung sogar die Gewaltanwendung ankündigt. Jeder dieser Straftäter muss sich also im klaren sein, welcher Folge er sich da aussetzt.
        Und die Ausführungen zur “außerparlamentarischen Oppositon” sind, sorry, absoluter Mumpitz. Die aktuellen Protestaktionen sind keine Mittel einer Demokratie, denn die “Anzahl an Menschen” die hier agiert, ist eine MINDERHEIT, also deutlich nicht die Mehrheit der Bevölkerung, deren Meinung in einer Demokratie entscheidend sein sollte. Wenn eine Minderheit durch solche Protestaktionen das Gesetz mit Füßen tritt, dann wird hier mit Sicherheit keinerlei demokratisches Mittel angewandt. Das ist eher ein Mittel, um mit einer “Anzahl an Menschen” die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zu TERRORISIEREN!!
        Ja, es gibt das Recht für alle, ihre Meinung zu sagen und zu protestieren. Eine Meinung zu äussern heisst aber nicht, dass man sie anderen durch solche Aktionen aufzwingen darf! DAS ist verboten. Denn auch die anderen haben das Recht auf ihre Meinung. Und auch das Recht der Bewegungsfreiheit, dass regelmässig durch die Protestler mit Füßen getreten wird.
        Wenn die Protestler wirklich meinen, das in diesem Maße die Mißachtung von Gesetzen und des fremden Eigentums seien durch die Wahrnehmung ihrer verfassungsmässigen Rechte abgedeckt, dann sind sie aber mal ganz gewaltig auf dem Holzweg. Hier hat der Staat oftmals gar keine andere Wahl, als sein Gewaltmonopol in diesen Fällen um- bzw. einzusetzen!

        • Frey Fri 22 Sep 2023 at 12:16 - Reply

          Gut und schön, dennoch MUSS die Exekutive die Verfassung achten, die Schranken-Schranken. Wegtragen bleibt das mildeste Mittel.

          Es ist sowohl Gewaltandrohung (die selbst psychische Gewaltausübung ist) wie auch physischer Gewaltausübung zu unterlassen, eben weil es ein milderes Mittel gibt.

      • Namier Jazmati Wed 26 Jul 2023 at 15:09 - Reply

        Das ist mit Abstand die nüchternste und differenzierteste Perspektive auf das Thema, die ich bisher lesen durfte. Danke, dass Sie Ihre Meinung und Ansicht geteilt haben!

      • Caotic Wed 26 Jul 2023 at 23:16 - Reply

        du denkst, wenn sich genug auf die straße kleben, das dann die politiker umdenken? und die autofahrer und co machen das dann einfach mit? ich mag dinen optimismus 😀
        1. die politiker werden garnix machen.
        2. wird die selbstjustiz gegen solche aktionen stärker und stärker.
        ” Polizisten sollen das gemeinschaftliche Leben der Gesellschaft bewahren,…” also verhindern das die mehrheit der bevölkerung als geisel gehalten wird bei solchen aktionen?

      • Turms Thu 27 Jul 2023 at 02:22 - Reply

        “Die Polizei darf auf politischen Protest nicht mit Gewalt reagieren. Das wäre ansonsten nicht mehr demokratisch. Ganz einfach, weil Schmerzen und Angst politische Überzeugungen zerstören. Ein Mittel von herzlosen Diktatoren, um politische Opposition zu verhindern oder zu vernichten. In der Polizei einer demokratischen Gesellschaft ist das verboten.”

        Das ist schon im Ansatz eine falsche und verdrehte Behauptung.
        Politischer Protest ist dann nicht mehr ein von der Verfassung ghedeckter politischer Protest, wo er die Rechte anderer gezielt verletzt.
        Damit stellen sich die Protestierenden außerhalb der demokratischen Verfassung. UNd daher handlet sich dann bei polizeilichen Maßnahmen gegen diese Personen auch nicht um Maßnahmen gegen politische Demonstranten, sondern um politisch motivierte Kriminelle. Damit handelt es sich eben nicht um demokratie feindliche Handlungen der Polizei, sondern demokratie feindliche Handlung der politischen Kriminellen.

        Wer hier Täter- und Opferrollen verdreht und vergisst, wer hier die demokratische Grundordnung verläßt argumentiert unlauter!

      • Ralph Thu 27 Jul 2023 at 08:49 - Reply

        “Also eine Anzahl an Menschen, die mit ihren Forderungen soviel Druck auf die Regierung (also Exekutive) ausüben, dass diese ihre Politik ändern muss. ”

        Das ist dann das Gegenteil von Demokratie.
        Sicher, hier teilen viele die Ansichten von LG, in der Mehrheit der Bevölkerung ist das jedoch nicht der Fall.
        Stellen Sie sich vor eine andere Anzahl von Menschen versucht mit ihren “Forderungen soviel Druck auf die Regierung (also Exekutive) ausüben, dass diese ihre Politik ändern muss. “. Lassen Sie diese Menschen mal Reichsbürger sein. Würden Sie dann begrüßen, dass die die Politik zu Handlungen nötigen, die Sie nicht wollen? Oder doch lieber, dass die Polizei dafür sorgt, dass die das alltägliche Leben nicht zu sehr negativ beeinflussen?

    • Mit offenen Augen Wed 26 Jul 2023 at 14:58 - Reply

      233.000 Stunden entsprechen (233000 / 24) = 9708,33 Tagen, die ergeben (9708 / 30) =323,6111 Monate, entsprechen (323 / 12) =26,97 Jahre.
      Also Aktionen, die seit einem Jahr laufen, haben zu knapp 27 Jahren Arbeitsleistung geführt? Wieviele Beamte sind da bitte mit beschäftigt?

      • Schlauberger Wed 26 Jul 2023 at 15:15 - Reply

        Sie arbeiten sicher auch 24/7 richtig?

      • J.-M. R. Wed 26 Jul 2023 at 15:47 - Reply

        … ich würde nicht 24 Stunden Arbeitszeit an 365 Tagen pro Jahr ansetzen. Realistischer sind 8 Stunden an ca. 220 Tagen im Jahr.

      • Weichtier Wed 26 Jul 2023 at 17:05 - Reply

        Bei 220 Arbeitstagen im Jahr und 40 Wochenstunden und einem gewissen Krankheitsstand komme ich bei den kolportierten 233.000 Überstunden auf die 140 Polizistenjahre (und nicht auf 26,97 Polizistenjahre).

        • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:40 - Reply

          Ja und jetzt teilen sie die 140 Jahre bitte durch 18500 Vollzugsbeamte. Das sind weniger als 3 Tage pro Beamter, das hört sich schon nichtmehr so beeindruckend an …

          • Paul Hoffmann Thu 27 Jul 2023 at 01:09

            Dann rechne dir nochmal kurz aus was das für ein volkswirtschaftlicher Schaden ist. Ich würd für einen Polizisten im Einsatz so mind. 50€ die Stunde ansetzen (inklusive Autos, Ausrüstung, Versicherungen etc.). Da sind eventuelle Straßenschäden und Verwaltungsaufwand der Bearbeitung noch nichtmal dabei.
            Das klingt dann nämlich schon wieder mehr beeindruckend. Über Zehn Millionen nur um die Polizisten dahinzubringen und ihre Arbeit machen zu lassen.
            Und das um Leute abzutransportieren, die zum Großteil genauso von Steuergeldern subventioniert sind. Die Letzte Generation als Aktivisten zu bezeichnen ist eh schon gewagt, wenn man bedenkt, dass sie Angestellte in einer Organisation sind. Wie gesagt auch indirekt (Acht geben beim Faktencheck lesen, dann erklärt sich das) mit staatlichen Fördermitteln unterfüttert, hauptsächlich aus den USA.

            Wenn denn wenigstens ihre Prämisse stimmen würde oder eine Notwendigkeit gegeben wäre, dann könnte man ja etwas Sympathie abgewinnen. Da sie aber wie der verlängerte Arm einer mit 14,8% Stimmen gewählten Regierungspartei aussieht und handelt und diese genauso klar erkennbare Brücken in die Lande der Finanziers hat, erübrigt sich die Sympathie. Man verkennt daher eher noch wie wenig harmlos und verfassungsfeindlich diese Truppe eigentlich ist.
            Wenn man nur geringfügig ins Schwurbeln geraten würde, könnte man meinen es ist der militante Arm der Grünen, der den institutionell gewollten Druck auf die Straße bringen soll. Aber wie gesagt, so etwas wäre ja hart abwegig.

            Daher zurück zum Hätscheln der “Aktivisten”: Lieber etwas zu hart anpacken und eventuell einen Lerneffekt und -reiz setzen, den die Eltern schon verpasst haben, als weiter die Mehrheit der Bevölkerung nötigen zu lassen. Polizeiarbeit sollte auch eine abschreckende Wirkung haben, wenn man mit ihr in Kontakt kommt. Für mich hat es so in der Vergangenheit ganz gut geklappt und ich hab es auch so gebraucht. Wie eben so ziemlich alle, die ein Autoritätsproblem haben und ihren Dickkopf durchsetzen wollen, auch wenn man Unrecht hat oder tut.

            Grüße

      • Arne Thu 27 Jul 2023 at 20:59 - Reply

        Der Druck der Straße ist eben keine Demokratie mehr, wenn es über das garantierte und vorhandene Demonstrationrecht hinausgeht. Was wäre, wenn Rechtsradikale anfangen würden, Druck auf der Straße durch Nötigung etc. auszuüben. Wäre das dann auch Demokratie? Wohl nicht. Also das Kreuz in unserer representativen Demokratie ist ausreichend, neben dem Demonstrationsrecht und der freien Meinungsäußerung, die wir zum Glück noch haben. Überdies ist das Kreuz ja nicht nur alle vier Jahre, sondern es gibt ja immer wieder dazwischen Wahlen auf kommunaler Ebene und in den Bundesländern, die auch immer wieder Indikatoren für die Regierung ist.

        Was die Schmerzgriffe angeht: die Darlegungen möchte ich gar nicht anzweifeln, jedoch kommen diese Griffe ja nur dann zu Anwendung, wenn Körperkontakt notwendig wird und wer löst diesen aus? Das sind ja wohl die Kleber. Wie sonst sollen denn Polizisten das Recht auf freie Bewegung für alle anderen Bürger in diesem Lande durchsetzen?

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:32 - Reply

      @weichtier

      Das ist sehr schön, dass sie friedlich protestierende Menschen mit aggressiven und/oder alkoholisierten Menschen gleichsetzen und Personalmangel ist ganz sicher kein Grund Foltertechniken anzuwenden (nichts anderes sind Schmerzgriffe), oder fangen wir dann auch bei Strafverhören wieder an Folter anzuwenden, weil uns Personal für die Befragungen fehlt? Nur weil sie persönlich mit diesen Aktivisten nichts zu tun haben wollen? Merkwürdiges Rechtsverständnis.

      • Weichtier Thu 27 Jul 2023 at 07:58 - Reply

        HEG und TS haben zur Folter lediglich ausgeführt: „Gerade in diesen Konstellationen können Schmerzgriffe Mooser zufolge zugleich auch eine nicht nur bagatellhafte unmenschliche Behandlung und damit im Einzelfall einen Verstoß gegen das Folterverbot aus Art. 3 EMRK darstellen, insbesondere wenn das Verhalten der Betroffenen die Anwendung von Nervendrucktechnik nicht erforderlich gemacht hat.“

        HEG und TS lassen die Frage offen, ob die Schmerzgriffe unter Folterverbot fallen („können darstellen“). Damit wurde aber nicht ausgeführt, dass sie unter das Folter darstellen. Ich habe mich auf den Beitrag HEG und TS. Unterlassen Sie bitte, mir Ansichten zu unterstellen, die nicht geäußert habe. Ich habe nicht geschrieben, dass Ressourcenschonung ein relevanter Gesichtspunkt für die Anwendung von Folter ist.

    • Robert M. Thu 27 Jul 2023 at 00:44 - Reply

      @weichtier

      Im Januar 2020 stirbt in Nürnberg ein Frau, weil die Feuerwehr wegen Falschparkern nicht rechtzeitig zum Einsatzort kommt.

      Ihrem kontruiertem Kausalzusammenhang folgend sind zur Gefahrenabwehr die Androhung von Folter (Ankündigung der Nutzung von Schmerzgriffen) bei zur Widerhandlung eines Parkverbotes geboten, wenn dadurch eine in der Zukunft auftretende mögliche Gefahr vermieden oder verhindert wird.

      Unter stetiger Berücksichtigung niemanden bevorteilen zu wollen würden alle Falschparker unter diese Rubrik fallen; und nach einer Woche hätten wir den Wilden Westen auf den Straßen.

      btw: Da Sie die Thematik der randalierenden Fussballfans auf’sTableau gebracht haben; wieviel von den Einnahmen am Merchandise und Werbespots werden doch gleich an die Polzei gezahlt; den immerhin handelt es sich dabei um keine Demonstration. Da wird fleissig verdient und der Steuerzahler; also alle Steuerzahler dürfen ihren Beitrag leisten.

      • Martinez Thu 27 Jul 2023 at 09:43 - Reply

        “Ihrem kontruiertem Kausalzusammenhang folgend sind zur Gefahrenabwehr die Androhung von Folter (Ankündigung der Nutzung von Schmerzgriffen) bei zur Widerhandlung eines Parkverbotes geboten, wenn dadurch eine in der Zukunft auftretende mögliche Gefahr vermieden oder verhindert wird.”

        Nein.

        Erstens handelt es sich bei dem hier thematisierten Phänomen nicht um Folter, da es hier nicht um das Herauspressen von Informationen oder Ansichten des Innenlebens der Betroffenen geht, sondern um das Befolgen einer polizeilichen Anordnung zur Gefahrenabwehr.

        Zweitens folgt das, was Sie mit den Falschparkern phantasieren, in keiner Weise dem Beitrag des Foristen, da ein falsch geparktes KfZ – was in der Tat eine Lebensgefahr von Menschen erhöhen kann, man denke an die berühmte Feuerwehreinfahrt – abgeschleppt werden kann. Da braucht es keinen unmittelbaren Zwang.

        Fänden Sie das Vorgehen der Polizei eigentlich auch unangemessen, wenn es sich gegen Rechtsextreme (“Umweltschutz ist Heimatschutz”) richten würde?

        • Hana Thu 27 Jul 2023 at 16:16 - Reply

          Wie das Auto abgeschleppt werden kann, kann die protestierende Person weggetragen werden. Die Situation ist exakt vergleichbar.

    • Barti Sun 17 Sep 2023 at 05:16 - Reply

      Ich bin Aktivist und habe es schon oft mitbekommen, dass Wegtragen in vielen Fällen deutlich schneller und mit weniger Aufwand zum Ziel führt als Schmerzgriffe. Somit halte ich es nicht für haltbar, dass Schmerzgriffe per se als effektiver gelten als Wegtragen. Habe es schon gesehen, dass über fünf Minuten ohne Erfolg Schmerzgriffe versucht wurden, was danach in einer Minute mit Wegtragen erledigt wurde.

    • Frey Fri 22 Sep 2023 at 11:59 - Reply

      Wie schon in meiner Antwort auf Wayne: Gewalt als verkürzendes/zeitsparendes/einschüchterndes Mittel darf NIEMALS die verfassungsrechtlichen Vorgaben ersetzen, erst recht nicht wegen “knapper institutioneller Ressourcen”.

      Das hieße, eine Personalkürzungspolitik zugunsten von Gewaltlegitimierung zu unterstützen, an ihr mitzuwirken.

      Welche Folgen hat es für eine Gesellschaft, wenn Zeugen wahrnehmen: Die Polizei droht Gewalt an, wendet Gewalt an – gegen sitzende, sich nicht physisch wehrende Menschen, die auch einfach weggetragen werden könnten.
      Es setzt ein Empfinden von Legitimation ein. Diese überträgt sich in die Gesellschaft, in die Schulhöfe und Straßen. In die Familien.

      So könnten Sie Gewalt gegen Kinder, Frauen, jedermann – auch verbale oder drohende – mit “Stress”, Zeitnot, knappen persönlichen Ressourcen zu rechtfertigen versuchen. Das wäre aber, wie auch die Polizeigewalt, menschenverachtend, die Menschen- und Grundrechte ignorierend und gezielt gegen sie verstoßend.

      Mit Blick zurück in die Geschichte erkennen wir, wie Gewaltsysteme entstehen, wie sie beginnen, wie sie legitimiert und normalisiert werden.
      Gerade mit diesem Wissen und Erkennen wäre es umso verwerflicher, solches zu wiederholen.

      “Solange institutionelle Ressourcen knapp sind, ist diese Knappheit für mich durchaus ein relevanter Gesichtspunkt.
      Der Kuchen kann halt nur einmal gegessen werden.”

  3. Michael We Wed 26 Jul 2023 at 07:54 - Reply

    Wer andere nötigt, der normalarbeitenden Bevölkerung stetig auf ie Nerven geht, in Kauf nimmt dass Rettungskräfte kein Durchkommen haben oder es toleriert das jemand zu spät zur Arbeit kommt und damit eine Kündigung erhält dem muss man schon zeigen, notfalls mit entsprechenden Mitteln, dass so ein miteinender nicht funktioniert. Was die LG macht ist dem Umweltschutzgedanken nicht zuträglich. Etliche Fahrzeuge stecken im Stau, verursachen somit noch mehr CO2 und durch diese Aktionen ensteht auf alle Fälle Ablehnung. Ich empfinde die LG als selbstgerecht, anmaßend und auch abstoßend. Für mich gehört diese Vereinigung verboten. P.S. Hört mit dem Gendern auf, das kann ja kein Mensch ertragen.

  4. Ralf Marx Wed 26 Jul 2023 at 08:26 - Reply

    Mit Sicherheit will niemand einen Polizeistaat und niemand will polizeilicher Gewalt ausgesetzt sein. Aber in einer Zeit, in der Respekt vor der Polizei und deren Anordnungen quasi nicht mehr existent ist, bedarf es leider vermehrt einem härteren Griff um Maßnahmen durchzusetzen.
    Und das verständlicherweise. Immer mehr Menschen mit einer fragwürdigen Meinung, immer mehr Gewalt gegen Polizisten, immer mehr Überstunden, immer mehr, immer mehr. Diejenigen, die hier nach Aufarbeitung von “polizeilicher Gewalt” rufen, mögen doch mal mitgehen bei Demonstrationen und Fußballspielen, mögen doch auch mal den Kopf und die Knochen hinhalten, damit wir hier alle so nett leben können.
    Vielleicht ändert sich dann mit änderung der Perspektive auch die Meinung.
    Das soll nicht als Relativierung und Legitimierung von Gealt dienen, aber in Zeiten, in denen jede kleinste Berührung als Polizeiliche Gewalt proklamiert wird, wie zum Beispiel zu PR-Zwecken bei den Straßenklebern und niemand berücksichtigt, dass einer Reaktion in der Regel auch eine Aktion vorausging, scheint eine objektive Betrachtung nicht mehr möglich und auch nicht mehr gewünscht.

    • Mit offenen Augen Wed 26 Jul 2023 at 14:35 - Reply

      Den Unterschied zwischen ‘kleinste Berührung’ und extremen Schmerz auslösende bewusste Anwendung von Schmerzpunkten sollte Ihnen mal jemand persönlich zeigen, an Ihrem Körper. Vielleicht bekommen Sie dann ja auch eine andere Perspektive und Meinung.
      Respekt vor der Polizei… Respekt verspielt die Polizei mit solchen Überaktionen, Angst ersetzt Respekt, und Angst führt zu fight, flight oder freeze. Wo fängt also das Problem an?
      Ich persönlich bin froh über jeden Tag, den ich ohne Polizei auskomme, aus persönlicher Erfahrung mit einigen ‘Prachtexemplaren toxischer Männlichkeit’ bei der Polizei. Und das waren alles Sachen, bei denen ich die Hilfe der Polizei gebraucht hätte, weil ich grundsätzlich regelkonform lebe.
      Das die Bezahlung unserer Ordnungshüter ein Witz ist, ist eben das System Deutschland. In 2022 hatte jeder 4. Arbeitnehmer ein Einkommen an der Armutsgrenze. Das schafft auch Agression…
      Das zuwenige in diesem gewaltaffinen Haufen mitmachen wollen ist ein weiteres Problem, etliche geben auf weil sie mit dem System nicht zurechtkommen, weil sie die Fehler darin und daran sehen und keine Änderung von innen kommt.
      Und unabhängige Studien dazu werden ja von den zuständigen Politikern schön verhindert.

      • Hx Wed 26 Jul 2023 at 17:12 - Reply

        Das sehe ich ziemlich genauso.
        Mit der Polizei, wie sich jetzt darstellt, möchte ich so wenig wie irgend möglich zu tun haben. Eine Behörde, die es, ähnlich wie die BW, nie geschafft hat, sich aus ihrer Vergangenheit zu lösen, die jeden Versuch der Reformation im Keim erstickt, aber gleichzeitig “Respekt” einfordert, die racial profiling betreibt, bekanntlich weit rechts steht, und der ich ihre demokratische Grundhaltung nicht abnehmen kann,….
        Danke, aber, Nein Danke.

        • Kneipenterrorist Wed 26 Jul 2023 at 20:19 - Reply

          Sorry, weder haben sich Polizei noch Bundeswehr NICHT von ihrer Vergangenheit gelöst, noch ist die deutsche Polizei besonders aggressiv und/oder handgreiflich. Im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern ist unsere Polizei eine Ansammlung von Soziopädagogen. Ich würde mir mehr Druck wünschen, damit auch der letzte Gesetzesbrecher endlich mal Respekt vor ihr hat.

    • Monkey Wed 26 Jul 2023 at 18:41 - Reply

      ….”in der Respekt vor der Po- lizei und deren Anordnungen nicht mehr existiert”…..
      wie soll auch. Respekt ist keine Uniform, die man sich anzieht! Respekt ist, ausser man subsumiert hierunter auch “Angst vor”, wie es häufig konnotiert ist, etwas, was man sich “erarbeiten” muss! Wer jedoch seit Bestehen der Republik den Rechtsstaat missachtet und ad absurdum führt, hat keinerlei Anspruch darauf, “respektiert” zu werden! Seit “ewig” wird die Judikative (der Rechtsstaat) nicht gegen Kirchenfunktionäre- Pfaffen und ähnl. Gesindel- wegen Missbrauch tätig! Dies stellt vorsätzl. Strafvereitelung im Amt dar und ist eines der schwersten “rechtsstaatlichen” Verbrechen, das überhaupt denkbar ist, da es den Rechtsstaat grundsätzlich aus den Angeln hebt! Beteiligt mittelbar auch die Po- lizei als “Exekutive”, die ebenso an das “von Amts wegen verfolgen” eines Offizialdeliktes gebunden ist, wie die Staatsanwaltschaften und Gerichte. Da dies nachweislich nicht geschieht- wie in vielen anderen Bereichen dto.- erübrigt sich “Respekt” von vornherein! Dass hier dann noch Einer frech “einen angeblich bekannt gewordenen Fall eines grundlos schreienden Blockierers” als Beweis anführt, scheint systemisch, wenn gleichzeitig jede “Behauptung” der Po- lizei als grundsätzlich wahr darzustellen versucht wird. Dass sich im Gegensatz zu einem “angeb. Blockierer” Polizisten nachweislich zu Falschaussagen vor Gericht verabreden und von der zust. Staatsanwältin einfach nicht “zur Verantwortung” gezogen werden, der “Beschuldigte” hingegen jahrelang mit Verfahren überzogen wird, ist nicht nur “eines Rechtsstaates unwürdig”, es offenbart die grundsätzl. kriminelle Intention des gesamten “Apparates”, was das Widerstandsrecht gem. Art. 20 Abs. 4 gegen “Jeden der die Verfassung ausser Kraft setzt” in Gang setzt!

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:42 - Reply

      Warum werfen sie die AKtivisten mit aggressiven Randalierern in einen Topf? Damit vielleicht ein Hauch von Verhältnismässigkeit legitimiert werden kann?

    • Hans Olo Wed 26 Jul 2023 at 22:18 - Reply

      “Aber in einer Zeit, in der Respekt vor der Polizei und deren Anordnungen quasi nicht mehr existent ist”

      Belege? Oder nur Gefühl? Ich fühle keinen Respekt der Polizei gegen die Bevölkerung. Ich sehe Anmaßungen und Machtausnutzung. Ich sehe jeden Tag wie die Polizei zeigt wer hier das Sagen hat. Und sollte man die Fresse aufmachen, bekommt man nur noch mehr auf die Fresse. Alles natürlich voll legal und so.

    • Frey Fri 22 Sep 2023 at 12:34 - Reply

      Das Erlernen von friedlichem sozialem Miteinander, auch Respektieren der Gesetze und Regeln, wird ganz wesentlich in der Kindheit geprägt.

      Später dann sind Staatsbedienstete in Vorbildposition.

      Es ist Aufgabe der Politik, des Staatsapparats, für eine funktionable INFRASTRUKTUR zu sorgen. Durch adäquate Ausstattung mit Personal, sonstigen Mitteln (z. B. für Bildung und ausgeglichene soziale Teilhabe) u. v. m.

      Die Mitglieder der Gesellschaft regulieren das Miteinander bestenfalls selbst, und zwar fiedlich und ausgewogen. Dazu müssen sie z. B. Konfliktlösungs-Strategien erlernt und verinnerlicht haben, Lösungsfindungs-Strategien, Wissen um wie auch Achtung vor den Grundrechten jedes Menschen und um das Funktionieren des gesellschaftlichen Systems.

      M. E. haben die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung diesbzgl. großteils versagt. Die Voraussetzungen für eben dieses friedliche ausgewogene Miteinander, in dem man Kontroversen lösungsorientiert gestaltet und nicht hauptsächlich konfrontativ-gewaltvoll kurzzeitig auflöst und vertagt, aufheizt, diese Voraussetzungen wurden Stück für Stück aufgelöst, hintangestellt, wegrationalisiert.

      Nun, da wir “den Salat haben”, solle Radikalisierung, Gewalt der Weg sein?

      Hoffentlich nicht. Umkehr, Sich-Engagieren, Wählen, Grundrechte einklagen.

  5. Günther von Juriß Wed 26 Jul 2023 at 08:58 - Reply

    Es mag sicherlich einiges in den beschriebenen Verhalten einzelner Beamter übertrieben durch die Straftäter dargestellt sein, im Grunde werden aber nur die “üblichen” Polizeimaßnahmen beschrieben. Die Allgegenwart der Filmaufnahmen durch Smartphones stellt die Beamten vor immer neue Herausforderungen. Der kürzlich medial bekannt gewordene Fall des grundlos “wie am Spieß” schreienden Blockierers, verwässert die Beweiskraft derartiger Filmaufnahmen. Ob ein Schmerzgriff angewandt wurde oder dieses nur behauptet wird, ließe sich anhand objektiver Aufnahmen kaum feststellen. Wie hier sehr gut dargestellt, hinterlassen diese Schmerzgriffe zumeist keine Spuren oder körperliche Schäden. Da wir es bei den “Aktivisten” mit Straftätern zu tun haben und i.d.R. eine Festnahme durchgeführt wird, können auch die Widerstandshandlungen selbst zu Schmerzen führen. Mag sein das nun gerichtlich festgestellt wird das Schmerzgriffe ein unzulässiges Mittel darstellen, aber letztlich scheitern hier mögliche Rechtsfolgen für die Beamten an der fehlenden Beweisbarkeit. Insbesondere im Zusammenhang mit gezielt trainierten Straftätern wie bei der letzten Generation.

    • Nikolaus Richter Wed 26 Jul 2023 at 14:58 - Reply

      Guten Tag,
      Klimaaktivisten als “Straftäter” zu bezeichnen halte ich für äußerst grezwertig!
      Gewaltfreier Widerstand ist ein Grundrecht, auch wenns ihnen nicht passt, das gehört zur Demokratie dazu !
      Und ihnen noch einen schönen (gewaltfreien) Tag !

      • Stud Jur Wed 26 Jul 2023 at 19:45 - Reply

        Der Protest an sich ist keine Straftat, aber die Nötigung der Verkehrsteilnehmer eben schon – ergo sind die Straßenblockaden mangels Legalität strafbar und das Verhalten der “Aktivisten” eine Straftat.
        Schmerzgriffe sehe ich allerdings kritisch, gerade weil das Wegtragen ebenso möglich ist.

        • Turms Thu 27 Jul 2023 at 02:25 - Reply

          Es handlet sich dann eben nicht um “Aktivisten” sondern um politisch motivierte Kriminelle, um politische Straftäter,
          die gezielt mit den Straftaten riesige Schäden anrichten.

          ICh denke man muß zwingend diese Personen richtig benennen.

      • Kneipenterrorist Wed 26 Jul 2023 at 20:21 - Reply

        Klimaaktivisten per se nicht, sie sind jedoch Straftäter, wenn sie gegen Gesetze verst0ßen. Das Nötigen von Autofahrern, beschädigen von Privateigentum bzw öffentlichem Gut bezeichne ich sehr wohl als Straftat.

      • Javelier Wed 26 Jul 2023 at 23:40 - Reply

        Das Beschneiden der Bewegungsfreiheit Unbeteiligter ist keine Gewalt bzw Straftat? Der Versuch die Regierung mittels solcher Störaktionen zu erpressen ist auch keine Straftat? Witzig.

    • Stefan Wed 26 Jul 2023 at 16:54 - Reply

      Zumindest Schmerzgriffe, die nicht geeignet sind, den zu erzwingenden Erfolg unmittelbar herbeizuführen, zielen auf eine Willensbeugung aus Angst vor weiterer Gewalt ab. Das ist das Grundprinzip von Folter. Für mich verstößt diese Vorgehensweise gegen Art. 3 EMRK und stellt mangels Rechtfertigung zumindest eine rechtswidrige Körperverletzung dar. Mit dem Finger auf die andere Seite zu zeigen und diese als “Straftäter” zu bezeichnen, scheint mir vor dem Hintergrund bestenfalls unangemessen.

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:46 - Reply

      Würden keine Schmerzgriffe angewandt werden, gäbe es keine Diskussion um “grundlos”(allein die panische Angst vor Schmerzgriffen, kann zu so einer SItuation führen) schreiende Aktivisten. Typischer Fall von Täter Opfer Umkehr wieder.

    • Frey Fri 22 Sep 2023 at 12:52 - Reply

      “… hinterlassen diese Schmerzgriffe zumeist keine Spuren oder körperliche Schäden” – ich empfehle jeder und jedem einen Besuch in der “Stasi-Haftzentrale” in Berlin-Hohenschönhausen.

      Dort wird man von ehemaligen Insassen geführt und lernt über die “unsichtbare Folter”, zu der die DDR-Regierung nach Unterzeichnung eines internat. Folter-Unterlassungspakts überging:

      Sehen Sie sich die 1x1x2 m hohen Folterkammern an, in denen man stunden- und tagelang im kalten Wasser stand, im Dunkel – ohne körperlich langfristig sichtbare Spuren, Verfahrenseinstellung.

      Besonders einprägsam aber die psych. Folter: In der DDR gab es nur eine sehr überschaubare Menge an Designs und Modellen, auch für die Inneneinrichtung wie Tapeten, Teppiche, Auslegware, Telefone (samt Klingelton), Stühle, Tische, Lampen …
      Zur Folter gehörte, dass jede eingesperrte Person (selbst wenn man bereits festgestellt hatte, dass sie un”schuldig” war) mind. einmal in jedem Verhörzimmer der hochnotpeinlichen Befragung ausgesetzt sein musste.

      Die Folge:
      Die Person konnte sich niemals mehr, nirgendwo, irgendwie entspannt oder gar sicher fühlen. Wo auch immer sie sich aufhalten würde, die Ausstattung um sie herum würde sie unvermittelt mit den Stress- und Angsterfahrungen in der Stasihaft verbinden.

      Allein der alles durchdringende Geruch des Linoleums, das quasi überall verlegt war, versetzt einen Menschen unmittelbar in seine Erinnerungen, ehemalige DDR-Bürger werden verstehen.

  6. Realist Wed 26 Jul 2023 at 09:57 - Reply

    Es gibt immer zwei Möglichkeiten: den Anweisungen der Polizei folgen = schmerzfrei; den Anweisungen der Polizei nicht folgen = Durchsetzen der Anweisungen im Zweifel auch mit schmerzhaften Mitteln.
    Die Polizei ist nie zufällig am Einsatzort, sondern um Rechte durchzusetzen, gegen die die “Aktivisten” etc. verstoßen. Einen Bankräuber nicht verhaften, weil er das nicht will, kommt ja auch nicht vor. Warum sollten “Aktivisten” da besser behandelt werden? Rechtsverletzung ist Rechtsverletzung. Dafür gibt es kein Mitleid. “Klimakleber” können auch friedlich protestieren, ohne Behinderungen der Allgemeinheit, ergo ohne Rechtsverletzung und damit ohne Schmerzbehandlung seitens der Polizei bei der Räumung.
    Letztendlich ist ein Klimakleber/Aktivist nichts anderes als jemand, der die Demokratie nicht akzeptiert, aber die Rechte seitens der Dmeokratie für sich selbst in Anspruch nehmen will. Das, liebe Klimaaktivisten, funktioniert eben nicht. Kommt mal in der Realität an. Diese hat nicht nur Rechte, sondern enthält eben auch Pflichten. Auch wenn euch das nicht schmeckt.

    • Monkey Wed 26 Jul 2023 at 18:52 - Reply

      “Es gibt immer zwei Möglichkeiten: den Anweisungen der Polizei folgen = schmerzfrei; den Anweisungen der Polizei nicht folgen = Durchsetzen der Anweisungen im Zweifel auch mit schmerzhaften Mitteln”.
      wer dies liest, wird automatisch gewahr, dass hier strafbare Nötigung durch “Po”- lizei verharmlost wird! Demonstrationen sind ” Wahrnehmung von Grundrechten”, Anweisungen, eine Demonstration zu unterlassen, sind demnach “verfassungswidrig”, dies mit “Androhung von Schmerzen- Gewalt” zu tun, ist kriminell!
      Dass “Behinderungen der Allgemeinheit” als “Rechtsverletzung” dargestellt und “angedrohte Gewalt” legitimiert wird, ist schon mehr als “hanebüchen”, es offenbart eine abgrundtiefe Abscheu vor dem Grundgesetz- auch Verfassung genannt! Dass”Bayern” eigene Vorstellungen von Verfassungsrechten hat, wie es bei der “widerrechtlichen bundesweiten Durchsuchungsaktion”, Beschlagnahme der Website etc. der Klimaaktivisten, darf nicht als Rechtfertigung für “strafbare Verleumdung- üble Nachrede” gegen Klimaaktivisten dienen! Die aktuellen “Sommerbrände” weltweit sollten jeden “Leugner” verstummen lassen!

    • Nikolas Vogt Wed 26 Jul 2023 at 19:01 - Reply

      Hätten Sie den Beitrag aufmerksam gelesen, wäre Ihnen nicht entgangen, dass Schmerzgriffe schon überhaupt nicht geeignet sind, “Anweisungen” durchzusetzen, da Betroffenen beinahe sämtliche Handlungsmöglichkeiten genommen werden.
      Tatsächliches Wirkmittel zur Durchsetzung einer ergangenen Anweisung ist somit allein die Furcht vor dem (erneuten) Einsatz eines Schmerzgriffes und eben kein irgendwie wirkender körperlicher Zwang. Durch Schmerz soll der Betroffene zum innerlichen Einlenken gebracht werden, hierin erschöpft sich der Zweck der Maßnahme.
      Das innerliche Wollen eines Menschen beeinflussen und brechen zu wollen, erscheint in einem Rechtsstaat überaus fragwürdig.

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:50 - Reply

      Keiner der AKtivisten hat sich gegen eine Festnahme gewehrt, damit hinkt der Vergleich zu ihrem Bankräuber nicht nur, sondern er kriecht. Zusätzlich ist eben Rechtsverletzung nicht gleich Rechtsverletzung, deswegen gibt es für unterschiedliche Vergehen auch unterschiedliches Strafmaße, oder vergeben wir fürs nächste über eine rote Ampel laufen demnächst lebenslänglich? Merkwürdiges Rechtsverständnis.

  7. waechter Wed 26 Jul 2023 at 09:58 - Reply

    Hi Zusammen, sehr interessante Diskussion und das Thema. Ich beobachte seit Jahren verschiedene Kanäle auf Youtube die über Polizeieinsäte in verschiedenen Ländern. Die Haus-Kampfschule der deutschen Polizei ist Ju Jitsu. In Japan-Kempo. In der USA schießen sie einfach. Wäre uns mehr Schießerei lieber? Ich persönlich hätte lieber die bessere Beobachtung der Beobachter und eine innere Abteilung die Polizei-Fälle unabhängig untersucht.

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:52 - Reply

      “Wäre uns mehr Schießerei lieber?”

      Nennt sich False Dilemma und ist eine fehlerhafte logische Argumentation. Natürlich ist es uns nicht lieber, es ist vor allem aber auch nicht die einzige Alternative, wie viele Länder (selbst die Bayrische Polizei lehnt Schmerzgriffe ab) mit weniger Polizeibrutalität deutlich zeigen.

  8. Kinderpsychiaterin Wed 26 Jul 2023 at 10:06 - Reply

    Der Artikel zeigt eindeutig die Gefahren, die durch Anwendung von Gewalttechniken entstehen. Aus meiner Sicht fehlt eine kritische Diskussion der möglichen Alternativen. Das “Wegtragen lassen” ist angenehm und gewaltfrei, aber nur für Aktivist:innen und Blockierende. Polizist:innen, die während eines Einsatzes immer wieder diese Lasten heben müssen, sind auch von Schmerzen und gesundheitlichen Schäden bedroht. Durch diese Betrachtung wird Gewalt der Polizei, besonders nicht unangemessene Gewalt nicht gerechtfertig! Aber es muss deutlich werden, dass es den “sanften” für alle unproblematischen Weg, mit diesen Formen von Widerstand umzugehen, nicht gibt, und das auch Polizist:innen menschliche Körper haben, die leiden können.

    • Mit offenen Augen Wed 26 Jul 2023 at 14:46 - Reply

      Es wäre eine Möglichkeit die Menschen auf einem Rollstuhl zu setzen und so wegzubringen. Wer dabei Widerstand leistet und verletzt wird ist selbst Schuld.
      Ich finde auch diese Proteste wären vor den Firmeneinfahrten, am Bundestag, wo immer eine Eigentümerveranstalltung stattfindet angebrachter, weil da müssen sich die damit auseinandersetzten, die was ändern können.
      Das der ‘normale’ Wähler sich so sehr von diesen Aktionen aufregen lässt, zeigt wie kaputt unsere Gesellschaft im Kern ist.
      In den 80ern wären schon längst einige Generalstreiks organisiert worden, aber die heutige Gewerkschaftsbosse müssen ja ihre Nachversorung in den Unternehmen sichern….

    • Frey Fri 22 Sep 2023 at 13:04 - Reply

      Und dafür die verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte aufgeben? Nein.

      Man könnte in den Polizei-Lehrplan eben auch schonende Tragegriffe integrieren, alle Handbücher dazu gibt es in der Pflege-Ausbildung.

      Auch könnten notfalls Hilfsmittel (wie in der Pflege genutzt werden) zur Ausstattung gehören.

      Nicht zuletzt haben die Japaner angesichts des Personalnotstands bereits längst sog. “Exo-Skelette” als Arbeitsmittel in Betrieb.
      Werden umgeschnallt wie die Schienbeinschoner. Helfen gelenk- und muskelschonend beim Heben/Bewegen von Lasten.

      Auch wieder ein milderes Mittel.

      (Man rechne bitte auch die gesellschaftlichen Folgekosten von Schädigungen von Demonstrierenden ein, ebenso die des Vertrauensabbaus in den Staatsapparat – Exekutive, Legislative, Judikative).

  9. Stefan Fenzel Wed 26 Jul 2023 at 11:44 - Reply

    Sehr geehrte Frau Grau – ich bin Anwalt; im Bereich VerwR tätig und nicht im StrafR – aber: Der Schmerzgriff scheint mir doch sehr nahe an etwas dran zu sein, was früher als “Folter” bezeichnet wurde; ähnlich das water boarding oder andere Dinge. Der Trend zur Gewalt ist nicht zu übersehen – was sich z.B. auch im martialischen Äußeren von bestimmten Polizeikräften äußert; ich würde jetzt auch gar nicht mal unterscheiden zwischen dem Vorgehen gegen die letzte Generation odet die Demonstranten, die mit bestimmten Corona Maßnahmen nicht einverstanden waren – es geht insgesamt in eine ziemlich autoritäre Richtung – mir ging es hier jetzt aber um den Begrif der Folter, der sich für mich aufdrängt. stefan fenzel

    • Monkey Wed 26 Jul 2023 at 18:59 - Reply

      Nicht zu vergessen, die deutlich sichtbare Zunahme von “Tötungen” durch “Ordnungs”organe. Es wird eine “putative Notwehr” zugrunde gelegt( Einer hat angeblich ein Messer gesehen….), um eine “Strafvereitelung im Amt” zu “ermöglichen”, wie es spektakulär im Fall Ian McLeod in Stuttgart am 25. Juni 72 “vorexerziert” wurde und seitdem gültige Norm ist und von der “schweigenden Mehrheit” hingenommen bis “begrüsst wird”!

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:54 - Reply

      Mit dieser Einschätzung stehen sie nicht allein.

      Zitat: Wenn die Polizei solche Griffe zum Erzwingen einer Handlung anwendet, also zum Beispiel, damit Aktivist:innen eine Straße verlassen, verstieße dies laut (Dorothee) Mooser sogar gegen das Folterverbot aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und das Grundgesetz.

    • Frey Fri 22 Sep 2023 at 13:10 - Reply

      Danke.

      S. auch das als normalisiert gelehrte/umgesetzte Verwenden von Gummigeschossen durch die frz. Polizei gegen Demonstrierende.

      Nachgewiesen: das Zielen auf Augen und das Gesicht. Wie im Iran. Der “harte” Staat, der “durchsetzungsstarke”, unterbindende.

      Auf arte gibt es entsprechende Beiträge zum Nachschauen.

  10. Fritz Schüler Wed 26 Jul 2023 at 11:47 - Reply

    Ich bin Arzt, Chirurg und habe auch Kampsport gemacht.
    In dem Video hat der Polizist vermutlich absichtlich übertrieben, um die Person zu verunsichern, damit er ohne Gewalteinwirkungen lieber aufgibt.
    Der eigentliche Akt in dem Video kann man (Arzt) aber sehen, dass die Gelenke nicht extrem überdehnt wurden und das “Opfer” massiv übertrieben hat (bewusst?) mit seiner Reaktion.
    Trotzdem ist Gewalt natürlich keine Lösung.

    • Rudolf Sachs Thu 27 Jul 2023 at 10:17 - Reply

      Sehr geehrter Herr Schüler, danke für Ihr Bemühen um fachkundige Objektivität. Sie haben sicher den betroffenen Aktivisten vorher im CT und MRT gehabt und können daher ausschließen, dass er eine schmerzhafte Gelenkdisposition hatte, gell? Manche können Ihre Schulter vor Schmerzen kaum noch bewegen, wenn sie nur nachts auf ihrem Arm gelegen sind. Aber das wissen Sie natürlich. Der Polizist weiß es im Zweifel nicht. Auf das Problem der Unmöglichkeit einer objektiven Dosierung des Schmerzes (eine entmenschlichte Vorstellung an sich bei genauer Betrachtung) im polizielichen Einsatz wurde im Artikel bereits hingewiesen.

      • Jumpy Thu 27 Jul 2023 at 14:51 - Reply

        @Sachs
        Beim besten Willen, aber wer schwere körperliche Gebrechen hat und trotz Aufforderung die Straße eigenständig zu verlassen dies nicht tut oder gezielt auf sein Gebrechen hinweist, hat halt schlicht Pech gehabt.

        Lassen Sie mich raten, man sollte dem polizeilichen Gegenüber im Vorfeld jeder polizeilichen Maßnahme künftig Anamnesebögen aushändigen um den physischen und psychischen Zustand des Gegenübers adäquat einschätzen zu können?
        Ich bitte Sie…
        Soll die Polizei die Blockierer nächstes Mal von der Fahrbahn singen? Natürlich erst nach Rückversichung, ob nicht zufällig bei jemandem durch Gesang Psychosen ausgelöst werden könnten!

  11. Pommes Leibowitz Wed 26 Jul 2023 at 12:31 - Reply

    Man kann eine einfache Sache kompliziert sehen und damit eine mögliche, pragmatische Antwort im Nebel verschwinden lassen, oder aber so einfach sehen, wie sie ist: Der Staat und seine Exekutiv-Organe haben das Gewaltmonopol.

    Störungen gegen die Öffentliche Ordnung sind eine Form von Gewalt, womit es Aufgabe der Polizei ist, das staatliche Gewaltmonopol wieder herzustellen. Mit allen dafür notwendigen Mitteln. Ziviler Widerstand mag unter bestimmten Bedingungen zulässig sein, er setzt aber nicht das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft, sondern muss halt die damit verbundenen Risiken persönlich tragen.

    • Frey Fri 22 Sep 2023 at 13:20 - Reply

      Diese Ansicht nehme ich mal als Beispiel für die Culture Clashs, die sich auch in der ausübenden Polizeigewalt spiegeln.

      Es geht hier einzig um die Verfassungskonformität (plus EMRK u. a. m.).

      Das MILDESTE Mittel IST anzuwenden, das sieht die VERFASSUNG vor.

      Es hat keinerlei Privat-Justiz zu geben, ganz besonders nicht bei staatl. Institutionen wie der Polizei. Auch nicht zur Verfahrensvereinfachung, z. B. aus Personalknappheit oder weil es schneller wäre.

      Mir scheint, dass auch die Prägung bzgl. Recht und -Anwendung im aktuellen, kulturell sehr gemischten, Miteinander zu Überschreitungen führt. Das darf es aber nicht.

      Die (angewandte) Verfassungstreue fehlt m. E. in weiten Teilen in den Integrationskursen, wie auch die Anwendung der StVO.

      Anders immigrierte Personen (Heirat, Arbeitsvisum, sonstige) erleben meist “Learning by Doing”, das ist eine immer schwierigere Situation, eine Leerstelle, wie ich meine.

      vs.:
      “… das staatliche Gewaltmonopol wieder herzustellen. Mit allen dafür notwendigen Mitteln. Ziviler Widerstand mag unter bestimmten Bedingungen zulässig sein, er setzt aber nicht das staatliche Gewaltmonopol außer Kraft, sondern muss halt die damit verbundenen Risiken persönlich tragen”

  12. Christoph Schneller Wed 26 Jul 2023 at 12:32 - Reply

    Ohne jeden Zweifel ist der Dienst der Polizei unverzichtbar. Aus diesem Dienst wird hier aber eine unbefristete Drohung, unter der unsere Freiheit nur noch die Aussetzung exekutiver Gewaltanwendung ist. Unter diesen Voraussetzungen wird es nicht lange beim “legitimen Foltern von Menschen” bleiben.

  13. Klaus Belsner Wed 26 Jul 2023 at 13:04 - Reply

    Ohne Zweifel steckt die Polzei oft in einem Zwiespalt zwischen Einsatzstunden und vorhandenen Personalresourcen, der effektiv beim einzelnen Beamten abgeladen wird und das sollten sich auch Aktivisten jedweder Zielsetzung vergegenwärtigen. Beamte vertreten den Staat, im Endeffekt also auch die Aktivisten selbst, und sie sind keine Punchingbälle, an denen man irgendeine tolle neue Idee ausprobieren kann/sollte, wie z.B. sich auf die Straße kleben und auf mildeste Behandlung hoffen, ….
    Aber die beschriebene Einordnung von Schmerzgriffen als ökonomische Methode, um Störungen zu beenden, könnte auch aus einem Handbuch der “Heiligen” Inquisition stammen. Natürlich ist diese Praxis bisher viel zurückhaltender, aber die Zufügung von Schmerzen als Werkzeug um den menschlichen Willen zu brechen ist findet/fand in beiden Fällen mit dem gleichen Ziel statt. Dieses Vorgehen in der Praxis, das man etwas überspitzt als Folter auf dem Verwaltungswege bezeichnen könnte, hat ganz klar den Charakter eines Tabubruchs und die Parlamente sollten sich damit auseinander setzen.
    Die Polizisten sollten mit dem Problem nicht allein gelassen werden, damit sie nicht in Grenzsituationen überfordert werden, sonst ist man Ruckzuck beim Waterbording als Verhörtechnik. Fachmännisch durchgeführt kann man damit sehr ökonomisch Verhöre von Verdächtigen abkürzen.

    • Lutz Friedrichsen Wed 26 Jul 2023 at 14:47 - Reply

      Jetzt mal ganz allgemein gesprochen erlebe ich es so, dass die Polizei überall ihren Kopf dafür hinhalten soll, wo die Politik versagt hat und man die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner scheut oder gar längst aufgebeben hat. Nach dem Motto “Wasch mich, mach` mich aber nicht nass!” soll die Polizei zwar alles Mögliche durchsetzen, soll aber dem “Rechtsbrecher” jaaaa nicht weh tun.
      Ich bin der (mit Sicherheit nicht irrigen) Meinung, dass sich ein Klimakleber dessen, was er da tut, voll bewusst ist und in diesem Bewusstsein vorsätzlich und gewollt einen Rechtsbruch begeht. Das beinhaltet dann aber auch das Wissen darüber, was die Polizei bei der Räumung einer Straße notfalls an Zwangsmaßnahmen anwenden wird, um dem geltenden Recht Geltung zu verschaffen.
      Ein Wort über die juristische Abhandlung = diese feinsinnigen Auslegungen kann man sich sicherlich sehr gut im Sessel am Kamin zu Hause überlegen. Die Polizisten vor Ort, die gerade eine Straße räumen müssen, haben wohl kaum Zeit und Muße, derartig “ausgewalzte juristischen Überlegungen” anzustellen….

      Lutz Friedrichsen

      • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 21:59 - Reply

        Der Verzicht auf Foltertechniken ist also „ausgewalzte juristische Überlegungen“ ?

        Und weil es anscheinend weit verbreitet ist Rechtsbruch ist nicht gleich Rechtsbruch. Deswegen haben wir ein dickes Strafgestzbuch (u.Ä.). Völlig undifferenziert Strafen und Folter anzuwenden zeugt von einem merkwürdigen Rechtsverständnis.

      • Frey Fri 22 Sep 2023 at 13:29 - Reply

        Beamte haben Streikverbot und “Neutralitäts”-Gebot, sind aber streng weisungsgebunden, oder?

        s. “… erlebe ich es so, dass die Polizei überall ihren Kopf dafür hinhalten soll, wo die Politik versagt hat”

        Wie kann die Polizei eigentlich diesbzgl. tätig werden, sich wehren, ihre Meinung äußern? Könnten sie selbst Demos (vor dem Parlament) abhalten?

      • Frey Fri 22 Sep 2023 at 13:35 - Reply

        GG Art. 1 (3)
        “Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.”

        vs.
        “Polizisten vor Ort, die gerade eine Straße räumen müssen, haben wohl kaum Zeit und Muße, derartig „ausgewalzte juristischen Überlegungen“ anzustellen” –

        nein, sie haben zuallererst die Verfassung, die Grundrechte der Bürger zu kennen und stets zu achten.

        Auch die im GG aufgeführte Stufenregelung, also: Das mildeste Mittel ist stets anzuwenden.

        Wer das in der Polizeiakademie nicht nachhaltig vermittelt oder erlernt, darf die Zulassung nicht erhalten.

  14. Daniel P. Wed 26 Jul 2023 at 14:13 - Reply

    Das ist das gleiche Spiel wie der Einbrecher, der mich verklagt, weil ich ihm beim Einbruch in meine Bude vermöbelt habe.

    “Du wertschätzt also dein Eigentum über seine Gesundheit?”
    “Verdammt noch mal ja, er selbst hat mit dem Einbruch in meine Wohnung die Entscheidung getroffen, dass mein Eigentum ihm wichtiger ist, als seine Gesundheit.”

    Wir sollten aufhören kriminelle Menschen wie Kinder zu behandeln. Rehabilitieren ist gut und schön aber Menschen im aktiven Begehen einer Straftat wie unschuldige Kinder zu behandeln hilft niemandem.

    Schmerzgriffe werden bei der Polizei angewendet, wenn man sich mehrfacher Aufforderung widersetzt hat. Wenn ich mich auf die Straße pflanze und dann auch noch die kleinkinderhafte Erwartungshaltung habe, dass die Polizei mich mit Risiko für die eigene Gesundheit aus dem Weg räumt, ohne mir dabei Schmerzen zu bereiten.. Wo kommen wir da hin?
    Es gibt einen Grund, warum professionelle Möbelpacker keine Kartons oder Möbel über 25 Kilo pro Person tragen sollen.
    Warum sollen wir der Polizei zumuten, widerständige 70+ Kilo Säcke weg zu tragen?
    Nur weil dies die wohlwollenste Möglichkeit ist, die Blockade zu beseitigen, heißt es nicht, dass es das angemessene Mittel ist. Warum sollte die Polizei hier ihre Ressourcen binden und noch dazu riskieren, dass sich Einsatzkräfte permanente Rückenschäden zuziehen, um Aktivist*innen mit dem Sozialverständnis kleiner Kinder nicht zu kränken?

    Wer hier von Polizeigewalt spricht, hat nicht verstanden was die Aufgabe der Polizei ist. Die Aufgabe der Polizei ist es die öffentliche Ordnung sicher zu stellen. Verbotene Aktionen wie die Straßenblockaden sind ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Es handelt sich hierbei nicht um angemeldete Demonstrationen. Hier sollten die “Aktivist*innen” keinerlei sozialen Schutz haben. Wer sich entgegen der öffentlichen Ordnung verhält, muss mit den Konsequenzen aus den eigenen Handlungen leben. Wenn diese nunmal blaue Flecken und Schürfwunden sind, dann haben sie das verdient.

    Die Polizei übersteigt hier zudem auch nicht ihre Befugnisse. Das Herstellen der öffentlichen Ordnung ist mit eskalierenden Mitteln gerechtfertigt. Wenn Aufforderungen nicht zum Erfolg führen, ist körperliche Überwältigung ein angemessenes Mittel. Schmerzgriffe sind hier sogar eine der mildest möglichen Varianten und durchaus zum Schutz der Polizei und der Aktivist*innen selbst zu bevorzugen.

    • Jumpy Thu 27 Jul 2023 at 15:07 - Reply

      Bin ganz Ihnen, abgesehen von dem Part, dass die Polizei hier nicht ihre Befugnisse überschreitet, denn leider tun dies einzelne Polizisten schon. Insbesondere die Angemessenheit und die Beendigung bei Zweckerfüllung von unmittelbarem Zwang werden leider noch zu oft überstrapaziert.
      Gleichwohl sehe ich unmittelbaren Zwang in Form von “Schmerzgriffen” oder Hebeln keineswegs als “Folter” und in vielen Fällen als angemessen und notwendig an (sofern eben auf die Angemessenheit und die Beendigung bei Zweckerfüllung geachtet wird).

  15. Ein Polizist Wed 26 Jul 2023 at 14:31 - Reply

    Warum soll das Wegtragen das mildere Mittel sein? Als Polizist kann ich sagen, dass kaum etwas ungünstiger trägt als ein Mensch und man sich so als Polizisit den Rücken kaputt macht. Die “Verhältnismäßigkeit” berücksichtigt hier überhaupt nicht, dass in der Uniform auch ein “Mensch” steckt. Und Wägen zum Draufrollen und Wegfahren von Sitzblockadeteilnehmern wird wiederum auf Verweis auf deren Menschenwürde abgelehnt.
    Es wäre so schön, wenn z. B. am 30.04 und 01.05 einfach mal alle Polizisten zu Hause bleiben würden. Nur um mal zu zeigen, was so ohne Polizei alles geht.

    • Hannah Espín Grau Wed 26 Jul 2023 at 14:53 - Reply

      Selbstverständlich ist es ein weniger eingriffsintensives (und damit milderes) Mittel Personen wegzutragen als ihnen Schmerzen zuzufügen, die kaum zu graduieren sind. Die Klage über Rückenschmerzen bei Polizeibeamt*innen mag aus Ihrer Perspektive nachvollziehbar sein – sie entbindet eine rechtsstaatliche Polizei dennoch nicht von der Verpflichtung, bei Eingriffen in individuelle Rechte dasjenige Mittel zu wählen, was die betroffene Person am wenigsten belastet.

      • hohfeld Wed 26 Jul 2023 at 16:14 - Reply

        “Die Klage über Rückenschmerzen bei Polizeibeamt*innen mag aus Ihrer Perspektive nachvollziehbar sein – sie entbindet eine rechtsstaatliche Polizei dennoch nicht von der Verpflichtung, bei Eingriffen in individuelle Rechte dasjenige Mittel zu wählen, was die betroffene Person am wenigsten belastet.”

        Das ist in der Pauschalität offensichtlich nicht richtig, zeigt aber deutlich, dass hier die Rechtsgüter der “Täter” verabsolutiert werden.

      • Martinez Wed 26 Jul 2023 at 16:52 - Reply

        Unter Berücksichtigung der Belastungen von Polizeibeamten im Zuge des Wegtragens ist aber zweifelhaft, ob es sich noch um ein gleich geeignetes Mittel handelt.

        Zum Thema Eingriffsgrundlage: gerade unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit lassen sich Schmerzgriffe womöglich damit rechtfertigen, dass sie als mildere Maßnahmen im Vergleich zu schwerwiegenderen Eingriffen wie etwa dem bloßen Wegschleifen – unzweifelhaft unmittelbarer Zwang und mit weniger Gefahren für die Bandscheiben der Beamten verbunden als das Wegtragen- fungieren.

        Dass hierbei Angstgefühle genutzt werden, steht überdies der Einordnung als unmittelbarer Zwang m.E. nicht entgegen, da gleiches auch für den Warnschuss gilt, der aber allgemein anerkannt ist.

        • der Erstaunte Wed 26 Jul 2023 at 18:44 - Reply

          > Unter Berücksichtigung der Belastungen von Polizeibeamten…

          Nein, das kann und sollte nicht die Grundlage für die grundsätzliche rechtliche Einordnung des Handlungsspielraumes sein. Oder wollen Sie Falschbehandlungen beim Arzt, Fehlurteile durch Richter etc. auch systematisch mit hoher Arbeitsbelastung oder “schlecht geschlafen” rechtfertigen/relativieren? Das öffnet die Büchse der Pandora und entzieht einer Rechtsordnung das Gleichbehandlungsgebot und erodiert die Rechtsstaatlichkeit.

          Ich bin doch erstaunt darüber, wie viele Kommentatoren hier ins autokratische Horn blasen. Um so mehr – vielen Dank für diesen wichtigen und umfassend recherchierten Artikel.

          • Martinez Thu 27 Jul 2023 at 09:06

            “Oder wollen Sie Falschbehandlungen beim Arzt, Fehlurteile durch Richter etc. auch systematisch mit hoher Arbeitsbelastung oder „schlecht geschlafen“ rechtfertigen/relativieren?”

            Bitte beachten Sie: Hier geht es nicht um das Rechtfertigen von unbeabsichtigten Fehlern, sondern von Maßnahmen.

            Mein Kommentar bezieht sich auf die im Text angesprochene sog. Verhältnismäßigkeitsdogmatik, die anerkanntermaßen bei der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen – hier: Polizei greift (wortwörtlich) schmerzhaft in “Aktivisten” ein – beachtet werden muss.

            Dabei gilt: Verhältnismäßig ist nur ein Eingriff, der 1. einen legitimen Zweck verfolgt und 2. geeignet, 3. erforderlich (= es darf kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung stehen) und 4. angemessen (insb. unter Abwägung der kollidierenden Rechtsgüter im konkreten Einzelfall) ist.

            In diesem Zweig des Threads hier geht es um den 3. Punkt, die Erforderlichkeit und die Frage, ob die Möglichkeit des Wegtragens einem Schmerzgriff nicht die Erforderlichkeit nimmt.

            Frau Grau bejaht dies, weil sie vor allem den Umstand bewertet, dass diese Maßnahme für den Betroffenen milder sei. Ich habe mit meinem Kommentar darauf hingewiesen, dass m.M.n. die zusätzlichen Belastungen der Beamten diese Maßnahme aber nicht “gleich geeignet” im vorstehenden Sinne sein lassen.

            Wenn Sie Ihren Kommentar nun vor diesem Hintergrund sehen, fragen Sie sich dann, ob nicht ein großer Teil dessen, was Sie im Leben stört und empört, womöglich auf Missverständnissen/Unkenntnis beruht?

      • Nachfrager Wed 26 Jul 2023 at 17:32 - Reply

        … das näher zu untersuchen (empirisch und normativ) wäre mal eine wirklich innovative Überlegung … wir, also “die” hM sind uns schnell einig, dass die Kosten, die dem Staat entstehen, bei der Beurteilung der Erforderlichkeit “einzupreisen” sind, einfach gesagt: ein teureres Mittel ist rergelmäßig nicht “gleich effektiv”. Warum sollte es von vornherein absurd sein, in die Erforderlichkeit und erst recht in die Angemessenheit auch einzustellen, ob der “Aktivist” (treffender wohl: “Störer”, in vielen Fällen “Straftäter”), sich in einer Weise verhält, die es dem Polizeibeamten – bekanntlich auch ein Grundrechtsträger – im wahrsten Sinne des Wortes unnötig “schwer” macht, einen – jedenfalls wirksamen – Verwaltungsakt durchzusetzen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn schon die höhere Belastung der Staatskasse (“teurere Alternative”) die Erforderlichkeit einer intensiveren Maßnahme “retten” kann, warum dann nicht möglicherweise auch die höhere (körperliche, gesundheitliche) Belastung der Staatsdiener?

        • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 22:02 - Reply

          Und jeder weiß, dass alle Straftäter gleich sind und völlig undifferenziert Gewalt und Folter angewendet werden darf. Willkommen zu Judge Dredd

      • Johnny Thu 27 Jul 2023 at 01:43 - Reply

        “[…]bei Eingriffen in individuelle Rechte dasjenige Mittel zu wählen, was die betroffene Person am wenigsten belastet.”

        Soweit ich mich recht erinnere, fordert die Prüfung der Erforderlichkeit: “[…]bei Eingriffen in individuelle Rechte VON MEHREREN (annähernd) GLEICH GEEIGNETEN MITTELN dasjenige Mittel zu wählen, das die Person am wenigsten belastet.

        Es wird nicht gefordert, dass die Polizei ein Mittel wählt, das vielleicht weniger eingriffsintensiv ist, aber dafür deutlich schlechtere Erfolgsaussichten hat. Bsp: Der Polizist muss nicht erst das Pfefferspray und den Schlagstock ausprobieren, bevor er auf einen Amokläufer schießt.

        Ich will damit nicht sagen, dass der Einsatz von Schmerzgriffen diesem Kriterium stets genügen würde, sondern zu einer objektiven Debatte beitragen.

    • Monkey Wed 26 Jul 2023 at 19:07 - Reply

      Ihr könnt gern grundsätzlich zu Hause bleiben mit dieser “Einstellung” und juristischem “Bullshit”! Es ist unerheblich, ob sich ein Uniformierter “den Rücken kaputt” macht, wenn er jemanden “wegträgt” (was immer zu 2.erfolgt), resp. “möglichst schmerzhaft” über den Boden schleift! Die Verhältnismässigkeit der Mittel ist ausschliesslich analog zur Gefahr für Leib und Leben gerechtfertigt, niemals aber “überbordend”, was die vorsätzliche Androhung und Anwendung von Gewalt ausnahmslos darstellt! Insofern verzichte ich gern auf “Straftäter in Uniform” und wäre froh, sie würden “anständigen Menschen” den Arbeitsplatz freimachen….

  16. Ralph Husung Wed 26 Jul 2023 at 14:50 - Reply

    Ich bin als rechtlicher Laie auf dieses Thema gestoßen, sympatisiere aber z.B. mit der “Letzten Genaration”. Unabhängig davon nimmt die Ignoranz durch Polizeiorgane aber auch die Politik insgesamt gegenüber berechtigten Interessen und Ängsten der Bevölkerung oder Teilen zu. Ich fürchte es ist ein Ausdruck von massiver Überforderung und Hilflosigkeit gegenüber künftigen, aktuellen oder auch akut presenten Problemen. Diese Probleme, durch im Falle der Polizei willkürliche, unangemessene Gewalt oder im Falle der Politik realitätsferne Verordnungen lösen zu wollen, führt zu Unverständnis, Enttäuschung, Wut, Widerstand und letztlich der Bildung Fronten innerhalb der Gesellschaft. Das ist ein selbst verstärkender Prozess und sollte deshalb unter allen Umständen vermieden werden. Aber Gewalt ist halt die Sprache der Dummen und manchmal sind halt Vorurteile nicht nur Vorurteile.

  17. Wolf Bruns Wed 26 Jul 2023 at 14:53 - Reply

    es ist richtig, dass die Polizeit in Deutschland ein Gewaltmonopol innehat, und dass sie das auch anwendet, um Gesetzen zur Geldung zu verhelfen. Es darf nicht von kriminellen Vereinigungen eine Gewalt ausgehen, die von der Polizei nicht beherrschabr ist. Dass es dann auch mal weh tun kann, ist nicht so verwunderlich.

    Aber – und das ist das eigentliche Problem: Es häufen sich offenbar die Fälle, in denen die Polizei nicht die Rechte des Volkes schützt, sondern nur die des Staates. Und das scheint mir bei den Klimaschützern der Fall zu sein. Mit anderen Worten: Wir dürfen nicht vergessen, dass in Deutschland das Volk der Souverän ist. Wir brauchen dringend mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Menschen, die Parteiendemokratie schrumpft zunehmend zu einem Machterhaltungs-Apparat. Und wenn der das Gewaltmonopol auf seiner Seite hat, dann gute Nacht.

  18. Wolf Bruns Wed 26 Jul 2023 at 15:04 - Reply

    Ergänzung zu meinem Kommantar von eben: Es muss natürlich “Geltung” heißen, nicht “Geldung”. Lässt sich das korrigieren?

    Und: Wenn man die Klimaschützer als kriminelle Vereinigeng hinstellen möchte, dann wäre logischer Weise auch die Gewerkkschaft Verdi eine solche: Beide schränken aus berechtigten Interessen die Bewegungsfreiheit der Bürger ein. Das Recht der Gewerkschaften ist im Grundgesetz verbrieft. Das Recht auf zivilen Ungehorsam zum Erreichen höherer Ziele sollte vielleicht auch da verankert werden.

    • Martinez Thu 27 Jul 2023 at 09:17 - Reply

      Also, es ist eben keine logische Folge, Gewerkschaften als kriminelle Vereinigung anzusehen, denn diese begehen regelmäßig gerade keine Nötigung:

      Ein Streik stellt als Arbeitskampfmaßnahme keinen Eingriff in fremde Rechte dar (wenn man einmal das zivilrechtliche Konstrukt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb außer acht lässt), sondern das bloße Unterlassen der Arbeitshandlungen. Wenn das die Lokführer machen, fährt eben manche Bahn nicht. Da die Passagiere aber auch sonst nicht eigenhändig Züge steuern würden, werden sie davon nicht abgehalten und somit nicht genötigt.

      Ganz anders der Klebeprotest. Es ist also nicht immer alles so einfach, wie man meint (vor allem, wenn man dann nochmal genau über die Flashmob-Entscheidung des BAG nachdenkt…).

  19. Genderman Wed 26 Jul 2023 at 15:09 - Reply

    Was ist ein “Beamt”?

  20. Dr. Andreas Trupp Wed 26 Jul 2023 at 15:59 - Reply

    Meine Rechtsauffassung ist die folgende:

    Im Polizeirecht wird bei der Anwendung unmittelbaren Zwangs zwischen einfacher körperlicher Gewalt und Gewalt mit Hilfsmitteln oder mit Waffen unterschieden. Der Zwang dient zur Durchsetzung eines vom Betroffenen rechtlich geschuldeten Tuns, Duldens oder Unterlassens. Durch die Bezeichnung als “unmittelbarer” Zwang wird deutlich, dass — anders als etwa beim nicht unter den unmittelbaren Zwang fallenden Zwangsgeld — nicht auf die Willensentschließung des Betroffenen einzuwirken ist (daran läge ein MITTELBARER Zwang), sondern das vom Betroffenen geschuldete Verhalten UNMITTELBAR herbeizuführen ist.

    Der begrifflich als Waffe eingeordnete Polizeiknüppel (der im Beitrag erwähnt wurde) darf daher nur zur Erzwingung eines geschuldeten UNTERLASSENS eingesetzt werden. Die Schmerzzufügung soll in diesem Fall die Fortsetzung einer bereits begonnenen aktiven Handlung physisch unmöglich machen und ist daher ein geeignetes Mittel der unmittelbaren Durchsetzung einer Unterlassenspflicht.

    Ist der vom Zwang Betroffene hingegen zu einem aktiven Tun verpflichtet, darf der Polizeiknüppel nicht eingesetzt werden. Denn hier wäre die Schmerzzufügung nur ein Mittel der Einwirkung auf den Willen des Betroffenen und damit ein MITTELBARER Zwang. Wäre es anders, so müsste der Einsatz von Polizeiknüppeln auch zur Erzwingung einer vom Betroffenen rechtlich geschuldeten Auskunft zulässig sein. Darin ist aber eindeutig eine unzulässige Folter zu sehen.

    Für die Schmerzzufügung durch bestimmte Polizeigriffe kann rechtlich nichts anderes gelten als für den Einsatz von Polizeiknüppeln. Derartige Griffe sind daher zur Erzwingung eines aktiven Tuns unzulässig.

    • Johnny Thu 27 Jul 2023 at 01:20 - Reply

      Woher die Erkenntnis ein Schlagstock dürfe nur zur Durchsetzung eines unterlassene verwendet werden? Aus dem Gesetz geht dergleichen nicht hervor. Auch praktisch sind Fälle des Durchsetzen eines Tuns denkbar: “Lassen Sie die Waffe fallen!” – Schlag auf den Waffenführenden Arm.

      Strikt verboten ist lediglich die Anwendung von unmittelbarem Zwang zur Abgabe einer Erklärung – Folter.

      • Rudolf Sachs Thu 27 Jul 2023 at 10:30 - Reply

        Ich glaube, Sie missverstehen die Begriffe “mittelbar” und “unmittelbar”. Herr Dr. Trupp hat das sehr nachvollziehbar erläutert.

      • Dr. Andreas Trupp Thu 27 Jul 2023 at 10:47 - Reply

        Hallo Johnny! Wie ich schon ausführte, hat der Gesetzgeber die Überschrift “unmittelbarer Zwang” gewählt. Sie ist Teil des Gesetzestextes. Die in dem betreffenden Kapitel enthaltenen Normen sind daher einschränkend auszulegen.

        Die in den Polizeigesetzen enthaltene Regelung, wonach unmittelbarer Zwang zur Abgabe einer Erklärung ausgeschlossen ist, hat vor diesem Hintergrund deklaratorischen Charakter. Keinesfalls kann daraus geschlossen werden, dass in anderen Fällen eines geschuldeten aktiven Tuns der unmittelbare Zwang, z.B, durch den Polizeiknüppel, zulässig ist.

        Ferner ist der Unterschied zwischen “Erklärungen” und “Auskünften” zu beachten. Die Polizeigesetze sprechen von “Auskünften” und nicht von “Erklärungen”, zu deren Abgabe jemand verpflichtet sein könnte. Zur Abgabe von (rechtsgeschäftlichen) “Erklärungen”, z.B. zur Anweisung an seine Bank, sein Schließfach zu öffnen, kann jemand nur nach anderen Vorschriften als dem Polizeigesetz verpflichtet sein. Auch die Zivilprozessordnung enthält für den Fall Durchsetzung einer Verpflichtung zur Abgabe von Willenseerklärungen eine besondere Regelung (wonach die Erklärung mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt). Die Polizeigesetze bzw. die Gesetze über den unmittelbaren Zwang wollten an diese Systematik anknüpfen und besonders klarstellen, dass unmittelbarer Zwang zur Abgabe von Willenserlärungen unzulässig ist.

        Nach Deiner Logik müsste hingegen — da “Erklärungen” nicht dasselbe wie”Auskünfte” sind — der Einsatz des Polzeiknüppels zur Erzwingung einer “Auskunft” durchaus zulässig sein. Das aber würde Folter gestatten und kann deshalb kein richtiges Ergebnis sein.

        Fälle, in denen der Polizeibeamte in Notwehr zum Schutz von Rechtsgütern der eigenen Person handelt, bleiben bei all diesen Betrachtungen allerdings außen vor.

    • Martinez Thu 27 Jul 2023 at 09:30 - Reply

      Das steht auch so im Text, ja. Mich überzeugt diese These allerdings nicht. Hier wird vor allem der Begriff “unmittelbar” herangezogen, interpretiert und sodann eine gesetzliche Wertung hineingelesen. Dabei definieren die Gesetze den Begriff selbst, im Falle etwa von § 50 Abs. 1 PolG Baden-Württemberg nämlich wie folgt:

      “Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.”

      Da steht nicht “nicht zur Willensbeugung”, sondern “jede [!] Einwirkung”. Womöglich lässt sich die unterschiedliche Wirkungsweise von Zwangsgeld und -haft mit der Beugungswirkung gut beschreiben, aber das muss deshalb nicht notwendigerweise zu einem gesetzlichen Kriterium (= Tatbestandsmerkmal) erhoben werden.

      Nur nebenbei: der Begriff “unmittelbar” kann auch schlicht zur Beschreibung des Anwendungsbereichs gemeint sein, nämlich unvermittelte Einwirkung auf Person oder Sache. Dies würde auch erklären, warum die Ersatzvornahme nicht unter dieselbe Kategorie fällt, da sie auch durch Dritte vermittelt werden kann.

      • Dr. Andreas Trupp Thu 27 Jul 2023 at 11:29 - Reply

        Hallo Martinez! In der knappen Definition des Gesetzes, wonach unmittelbarer Zwang jede Einwirkung auf Personen und Sachen durch einfache körperliche Gewalt oder …. ist, werden nur die MITTEL des Zwangs, nicht hingegen der vom Gesetz verlangte Zweck beschrieben. Würde man den unmittelbaren Zwang nicht bloß auf die Erzwingung eines Unterlassens (oder einer Duldung), sondern auch zur Erzwingung eines aktiven Tuns, also zur Willensbeugung des Betroffenen, benutzen dürfen, so wäre – wie oben gegenüber Johnny ausgeführt – der unmittelbare Zwang auch zur Erteilung einer (von einer “Erklärung” zu unterscheidenden) Auskunft zulässig.

        Du schreibst: “Womöglich lässt sich die unterschiedliche Wirkungsweise von Zwangsgeld und -haft mit der Beugungswirkung gut beschreiben, aber das muss deshalb nicht notwendigerweise zu einem gesetzlichen Kriterium (= Tatbestandsmerkmal) erhoben werden.”

        Doch, das muss es (meiner Meinung nach). Auch in der ZPO wird die Erzwingung eines geschuldeten aktiven Tuns (unvertretbare Handlung) anders geregelt als die Erzwingung eines geschuldeten Tuns oder Unterlassens. Der Schmerzzufügung entspricht im letzteren Fall das “schmerzhafte” Ordnungsgeld (§ 890 ZPO), das bei der Erzwingung einer Duldung oder Unterlassung zum Einsatz gelangt, während die Verpflichtung zu einem aktiven Tun (unvertretbare Handlung) mit der Verhängung eines Zwangsgeldes (§ 888 ZPO) durchgesetzt wird. Der Unterschied zwischen Zwangsgeld und Ordnungsgeld besteht darin, dass der Schuldner die Beitreibung des Zwangsgeldes sogar noch im letzten Moment verhindern kann, indem er das geschuldete aktive Tun an den Tag legt. Beim Ordnungsgeld ist das anders; es wirkt daher wie eine Strafe, d.h., es handelt sich im weiten Sinne um eine “Schmerzzufügung”. Würde man im Bereich der Verwaltungsvollstreckung auf diese Unterscheidung verzichten, so würde man – angesichts des Austausches des Ordnungsgeldes durch körperlichen Zwang unter möglichem Einschluss von Waffen – wie dargestellt den Bereich der Folter betreten.

        • Martinez Thu 27 Jul 2023 at 15:46 - Reply

          Hallo Andreas, zu dem Kommentar möchte ein, zwei Anmerkungen machen.

          Zum Thema §§ 888, 890 ZPO: ich bin mir schon nicht vollends sicher, ob aus dem Vergleich mit zivilprozessualen Normen ein Erkenntnisgewinns in hiesiger Thematik möglich ist. Aber unabhängig davon erklärt sich der Unterschied zwischen Ordnungs- und Zwangsgeld schlicht aus der Natur der Sache. Wie sollte denn ein Zwangsgeld für eine Unterlassung ausgestaltet sein? Bekommen das meine Erben erstattet, wenn ich mir bis zuletzt eine bestimmte verleumderische Aussage verkniffen habe?

          Das mit der Folter sehe ich ehrlich gesagt noch nicht dargestellt. Was ist denn Ihre Definition?

          Zum Thema “unmittelbarer Zwang” habe ich eine Folie von Herrn Prof. Paul Kirchhoff gefunden, die aus seiner Vorlesung stammt. Dort schreibt er auszugsweise:

          *Die Ersatzvornahme ist vom unmittelbaren Zwang zu unterscheiden. Die
          Ersatzvornahme kommt nur bei vertretbaren, der unmittelbare Zwang hingegen bei
          vertretbaren und unvertretbaren Handlungen als Zwangsmittel in Betracht.
          Unmittelbarer Zwang liegt auch immer dann vor, wenn körperliche Gewalt gegen die
          Person des Pflichtigen ausgeübt wird. Wird auf Sachen physisch eingewirkt, liegt eine
          Ersatzvornahme vor, wenn die dem Pflichtigen gebotene Handlung unmittelbar
          vorgenommen wird (Realisierungsfunktion). Die von der Polizei vorgenommene
          Handlung ist mit der vom Störer „geschuldeten“ identisch. Unmittelbarer Zwang ist
          demgegenüber gegeben, wenn die Einwirkung auf die Sache den Erfolg nur mittelbar
          herbeiführt (Beugefunktion), die Handlungen nicht identisch sind.*

          file:///home/mart/Downloads/uni_hd_jura_material_4920.pdf

          Ich finde, das trifft es ganz gut. Insbesondere handelte es sich bei einem Wegtragen der Demonstranten wohl eher um eine Selbstvornahme, da (hieran sieht man: ein aktives Tun ist nicht stets eine unvertretbare Handlung) die geschuldete Handlung von der Polizei und eben nicht vom Vollstreckungsschuldner durchgeführt wird.

          • Dr. Andreas Trupp Tue 8 Aug 2023 at 14:16

            Hallo, habe Deinen oder Ihren Post erst jetzt gelesen.

            “Zum Thema §§ 888, 890 ZPO: ich bin mir schon nicht vollends sicher, ob aus dem Vergleich mit zivilprozessualen Normen ein Erkenntnisgewinns in hiesiger Thematik möglich ist.”

            Warum sollte das nicht möglich sein? In beiden Fällen geht es um den Vollzug staatlicher Anordnungen. Im Bereich der ZPO dient der Vollzug einem privaten Interesse, im Bereich der Verwaltungsvollstreckung einem öffentlichen. Dieser Unterschied ist aber hier unbedeutend und macht sich eigentlich nur bei den Prozessmaximen des jeweiligen gerichtlichen Erkenntnisverfahrens bemerkbar.

            “Aber unabhängig davon erklärt sich der Unterschied zwischen Ordnungs- und Zwangsgeld schlicht aus der Natur der Sache. Wie sollte denn ein Zwangsgeld für eine Unterlassung ausgestaltet sein? Bekommen das meine Erben erstattet, wenn ich mir bis zuletzt eine bestimmte verleumderische Aussage verkniffen habe?”

            Ja, der Unterschied zwischen einem Ordnungsgeld und einem Zwangsgeld erklärt sich eben aus dem Unterschied zwischen einem geschuldeten Unterlassen/Dulden auf der einen Seite und einem aktiven Tun auf der anderen Seite. Dieser Unterschied ist die Natur der Sache. Wenn das Zwangsgeld wegen dieser Natur der Sache nicht sinnvoll zur Durchsetzung von Unterlassungen angewandt werden kann (was ja unbestritten ist), so ist es doch nur verständlich, dass andere Zwangsmittel, nämlich der unmittelbare Zwang, sinnvollerweise nicht zur Durchsetzung einer Pflicht zum aktiven Tun eingesetzt werden kann.

            Ich erinnere zudem an folgendes: Wäre der unmittelbare Zwang auch zur Erzwingung eines aktiven Tuns zulässig, so wäre er auch zur Erzwingung einer “Auskunft” zulässig, da das im Polizeirecht statuierte Verbot des Einsatzes von unmittelbarem Zwang zur Abgabe einer “Erklärung” über die Erwingung einer “Auskunft” nichts sagt. Denn “Erklärung” und “Auskunft” sind verschiedene Dinge. Wenn unmittelbarer Zwang auch zur Erzwingung eines aktiven Tuns zulässig wäre, dürfte ich daher als Polizeibeamter einem Störer, der nach Erkenntnis der Polizei eine Geisel in einem Erdloch eingesperrt hat, durch unmittelbaren Zwang, also durch Schmerzzufügung mit Hilfe eines Gummiknüppels, zu der von ihm geschuldeten “Auskunft” (=aktives Tun) über den Aufenthaltsort der Geisel zwingen. Das aber wäre Folter.

            Was die zitierten Ausführungen von Vater Kirchhoff betrifft, so sind diese für mich nicht wirklich erhellend. Er schreibt: “Unmittelbarer Zwang liegt auch immer dann vor, wenn körperliche Gewalt gegen die Person des Pflichtigen ausgeübt wird.” Das ist unbestritten, sagt aber nichts darüber aus, zu welchem Zweck diese Gewalt ausgübt werden darf. Er erstreckt die Anwendbarkeit des unmittelbaren Zwangs zwar auf “unvertretbare” Handlungen; da er aber Duldungen und Unterlassungen gar nicht erwähnt, ist anzunehmen, dass er mit “unvertretbaren Handlungen” auch – oder vielleicht auch NUR – Duldungen und Unterlassungen meint.

            Anschließend ist bei ihm nur noch vom unmittelbaren Zwang gegenüber SACHEN die Rede. Bislang haben wir aber nur über unmittelbaren Zwang gegenüber PERSONEN diskutiert. Beim unmittelbaren Zwang gegenüber SACHEN habe ich nichts dagegen, diesen auch zur Erzwingung eines aktiven Tuns, nämlich des Entfernens der Sache, anwenden. Das ergibt sich für mich bereits daraus, dass der unmittelbare Zwang gegenüber Sachen jedenfalls dann nicht von der (bei einer Verpflichtung zum aktiven Tun zweifelsfrei in Betracht kommenden) ERSATZVORNAHME deutlich zu unterscheiden ist, wenn das Polizeigesetz als Ersatzvornahme nicht nur den Einsatz eines beauftragten Dritten definiert, sondern auch die Selbstausführung durch die Polizei darunter fallen lässt.

            Vater Kirchhoff will diese Überlappung zwischen unmittelbarem Zwang gegenüber Sachen und Ersatzvornahme dadurch beseitigen, dass NICHT von Ersatzvornahme, sondern allein vom unmittelbarem Zwang gegenüber Sachen gesprochen werden dürfe, wenn die Selbstausführung gar keine Selbstausführung im engeren Sinne ist, sondern der Wille des Pflichtige durch die ihm eingeflößte Angst um die Sache gebeugt werden soll (so dass der Pflichtige dann doch in eigener Person zur Tat schreitet). Ob diese begriffliche Abgrenzung zwischen Ersatzvornahme (in Form der Selbstausführung durch die Polizei) und unmittelbarem Zwang gegenüber Sachen zu teilen ist, soll hier dahinstehen.

            Ihr oder Dein Kommentar zu Vater Kirchhoff, nämlich:

            “Ich finde, das trifft es ganz gut. Insbesondere handelte es sich bei einem Wegtragen der Demonstranten wohl eher um eine Selbstvornahme, da (hieran sieht man: ein aktives Tun ist nicht stets eine unvertretbare Handlung) die geschuldete Handlung von der Polizei und eben nicht vom Vollstreckungsschuldner durchgeführt wird”

            passt deshalb nicht. Denn Kirchhoff hat den Fall des Wegtragens von Demonstranten gar nicht behandelt, sondern nur den Fall des Wegtragens von SACHEN.

            Für mich stellt das Wegtragen von Demonstranten die Durchsetzung einer Pflicht zu einem aktiven Tun durch Ersatzvornahme in Gestalt der Selbstvornahme durch die Polizei dar. Die örtliche Versetzung des eigenen Körpers ist für mich eine vertretbare aktive Handlung ähnlich der örtlichen Versetzung einer Sache.

      • Dr. Andreas Trupp Thu 27 Jul 2023 at 11:33 - Reply

        Hallo Martinez! Oben muss es natürlich heißen “Auch in der ZPO wird die Erzwingung eines geschuldeten aktiven Tuns (unvertretbare Handlung) anders geregelt als die Erzwingung eines geschuldeten Duldens oder Unterlassens.” Ich hatte statt “Duldens” “Tuns” geschrieben.

      • Martinez Thu 27 Jul 2023 at 15:22 - Reply

        Ich will mich korrigieren: das steht jetzt in § 64 Abs. 1 PolG.

  21. Aufmerksamer Beobachter Wed 26 Jul 2023 at 16:25 - Reply

    Was haben Terroristen und Poliziszen gemein?

    Beide nutzen Angst (vor Schmerz) um ihr Ziel zu erreichen.

    Was ist der Unterschied?

    Der eine kämpft gegen den Staat, der andere wird von ihm bezahlt.

    “Gewalt bringt nur vorübergehende Siege; Gewalt, indem sie viel mehr soziale Probleme schafft, als sie löst, bringt niemals dauerhaften Frieden.”

  22. Beschaedigter Buergerin Wed 26 Jul 2023 at 16:29 - Reply

    Ich finde es Gut mal ausführliches zu diesem Thema zu lesen zu bekommen, das auch mal auf die Seite des Bürgers dermassen aufgeschlüsselt eingeht. Bisher habe ich ja ehr noch zu lesen bekommen, dass Polizisten/innen nach solchen Einsätzen sich als die Geschädigten bei Ihrer Dienststelle melden, da sie sich genötigt fühlten Gewalt einzusetzen. Was eine herbe Verdrehung darstellt. Da wird dann das Opfer der eingesetzen Polizeigewalt, zum Täter. Immerhin ist es nach Gesetz und meiner Aufassung an der Polizei dem Bürger auf Augenhöhe und mit noetiger Zurückhaltung zu begegnen, um zu verhindern, unnötige Schäden anzurichten. Und vor allem, um zu verhindern, dass der Bürger die Polizei nur noch als Gefahr wahrnimmt. Dafür ist es bei mir leider mitlerweile zu spät. Durch eine Lebensgeschichte mit Verletzungen, Trauma uvm, ist mein Vertrauen in die Ordnungsmacht so Gut wie nicht mehr vorhanden. Und ich sehe auch als ordentliche Bürgerin, welche bisher eigentlich keinen Grund geboten hat, in Massnahmen dieser Art zu geraten, die immer agressiver auftretenden Beamten sehr kritisch. Durch meine Erkrankungen und meinen aktuellen gefaehrlichen Lebensumständen, besteht bei ungerechtfertigter Einschränkung, Schmerzzufuhr, Einschüchterung uae, die Gefahr für die Beamten, mich dermassen zu triggern, das ich meinerseits meine Kampfsport und auch Druckpunkterfahrung instinktiv mit maximaler Effizien, ohne Rücksicht auf mein Wohl einsetze. Was im Endeffekt auch zu Verlusten unter dem Personal führen könnte. Sollte man mich überwälltigen, könnte die Spirale aus Einsperren, weiterer Gewaltmassnahmen, kein Zugang zu Medikamenten, usw… die Spirale immer schön weiter befeuern. Die Chance ist Gut, dass so eine Situation mit einer Kugel in meinem Kopf endet. Da wohl kaum irgend eine Einsatzkraft von mir ablassen, mir Zeit geben wird, um aus diesem mentalen Zustand an der frischen Luft mit großem Abstand wieder rauszukommen. Gefesselt oder eingesperrt in einer Zelle, werde ich wie ein Raubtier im Wahn drauf warten zuzuschlagen… Das alles klingt jetzt bestimmt, wie jemand der laut rumbrüllen und Stimmung machen möchte. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bin eigentlich eine stille und Harmonieorientierte Person. Ich mag nicht auf Demos gehen. Ja mir sind sogar die meisten Musikveranstaltungen zu laut und anstrengend und führe ein beschauliches und ruhiges Leben. Ich habe meine Traumas und Erkrankungen relativ Gut unter Kontrolle, solange meine Umgebung ruhig ist, ich nicht beschränkt, bedroht, verletzt werde. Auch hilf mir meine Bedarfsmedikation dabei, Gut durch den Altag zu kommen. Aber auch ich musste schon etliche male mitbekommen, wie die Polizei statt freundlich, erwachsen, auf Augenhöhe, diskussionsbereit, doch meist ehr verbal Authoritär und schon beinnahem mit der Hand an der Waffe auf einen einschüchternd zugeht. So entstehen erst Recht aufgeladene Situationen. Und die “falschen Personen”, mit Vorbelastungen, Krankheiten, Gewaltproblemen uae können leicht in eine Eskalationsspirale hineinbewegt werden. Mir scheint es muss etwas getan werden. Ich verstehe die Überforderung der Beamten, Angesichts der immer problematischeren Zustaende in Deutschland. Allerdings wird uns, in meinen Augen, der vermehrte oder sogar ausschliessliche EInsatz von Einschüchterung und Gewalt im Einsatz, nur immer schneller in eine “Bürger sehen die Polizei als Feind” Situation bewegen. Das ist absolut nicht Gut. Aber ich höhre die immer lauter werdenden Stimmen meiner Mitmenschen gegen dieses Ordnungsorgan faktisch überall. Es bereitet mir mittlerweile tiefe Sorgen. Und ich fürchte, wenn es in Deutschland weiter in diese Richtung geht, wird das für meine psychische Gesundheit und mein Überleben sicherlich nicht positiv sein.

    • Johnny Thu 27 Jul 2023 at 14:55 - Reply

      Ich kommentiere hier, weil mir auffällt, dass in dieser Diskussion vielfach die Forderung nach einer Polizei “auf Augenhöhe” fällt, die Maßnahmen erst mit dem Gegenüber diskutiert, bevor sie sie erlässt etc.
      Da sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt hat und Autorität und Gewalt aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden sind, ist das nachvollziehbar. Es ist aber auch eine Verkennung der Sachlage.
      Ein Polizist tritt, bei der Ausübung des Dienstes als Vertreter des Staates auf, nicht als Privatperson. Er steht daher de facto rechtlich nicht auf der Augenhöhe eines Bürgers. Verpflichtet ist er in erster Linie nicht dem Bürger, sondern dem Gesetz und dem Dienstherren (Staat).
      Das Polizeirecht versetzt den Polizisten stets in eine Position der Autorität, weil er im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung Anordnungen gegenüber Privatpersonen erteilen darf und muss. Er tut dies nach “pflichtgemäßem Ermessen”.
      Auf eine Diskussion muss er sich also nicht einlassen.

      Regelmäßig gebietet die Beamtenpflicht zur Bürgerfreundlichkeit der Verwaltung, dass der Polizist freundlich, deeskalativ und mit einer erklärenden Gesprächsstrategie auftritt.
      Stehen dem aber gewichtigere Interessen (gebotene Eile, gefährdung des Zwecks der Maßnahme, etc.) gegenüber, kann er von diesem Auftreten abweichen.
      Wenn man so will sind Polizisten Relikte autoritäter Herrschaftsgewalt, mit einem freundlichen Anstrich.
      Das ist jedenfalls ihre rechtliche Position. Ob einem das gefällt, oder nicht.

  23. Urs Wed 26 Jul 2023 at 16:32 - Reply

    Dagegen werden in der Schweiz seitens einiger Kantonspolizeien Haft und DNA-Proben für bloßes Fotografieren genommen, bei anderen Aktionen aber auch mal ein Arm ausgekugelt anläßlich einer Festnahme (Link 2 im Bericht):
    https://walliser-zeitung.ch/renovate-switzerland-aktivisten-muessen-dna-abgeben/

  24. Michael Wed 26 Jul 2023 at 16:44 - Reply

    Ist es nicht so, dass Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges – wozu auch ein Schmerzgriff gehört – zunächst angedroht werden müssen?

    Der rechtswidrig Handelnde hat durch Befolgen der polizeilichen Anordnung immer die Möglichkeit dem Schmerzgriff zuvor zu kommen.

    Gegen die polizeiliche Anordnung kann er jederzeit den Rechtsweg beschreiten.

    • Monkey Wed 26 Jul 2023 at 19:18 - Reply

      Das ist schlichtweg Unsinn…. “kann der Rechtsweg beschritten werden”. Die “Po”- lizei leidet zwischenzeitlich grundsätzlich unter einer “Anordnungsneurose”, wie die mio.fach erteilten “Platzverweise” erkennen lassen! Ein “Platzverweis” ist eine verwaltungsrechtliche Anordnung, gegen die Widerspruch möglich ist und die “grundsätzlich” an eine “formale Widerspruchsbelehrung” gebunden ist! Dass sich inzwischen auch “Jedermanns”ordnungshüter- Security- dieses “illegalen Mittels” bedienen, stellt Amtsanmaßung dar, ein Offizialdelikt, das jedoch “grundsätzlich” nicht verfolgt wird. Im Gegenteil wird ein “Betroffener” meist mit unhaltbaren Anschuldigungen (behauptete Beleidigung, Gewaltangriff etc.) überzogen und zu verurteilen versucht, um den “Rechtsstaat” reinzuwaschen! Wenn man dazu bedenkt, dass die Mehrheit der “Sicherheits”arbeiter abgeordnete Langzeitarbeitslose sind und der Rest “einen totalitäre Migrationshintergrund” hat, dann kann man erahnen, wie verkommen hier “gemauert” wird….

      • Johnny Thu 27 Jul 2023 at 01:13 - Reply

        “Ein „Platzverweis“ ist eine verwaltungsrechtliche Anordnung, gegen die Widerspruch möglich ist und die „grundsätzlich“ an eine „formale Widerspruchsbelehrung“ gebunden ist.

        Das stimmt zwar, ist aber belanglos. Ein Platzverweis nach Polizeirecht kann sofort mit Zwang durchgesetzt werden, da Rechtsmittel in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung haben.

        Darum folgende Empfehlung: Anweisungen der Polizei unter Protest befolgen. Dokumentieren. Ggf. später klagen vor dem Verwaltungsgericht.
        Auf keinem Fall Widerstand leisten, sonst findet man sich sehr schnell auf der Anklagebank wieder.

        • Monkey Thu 27 Jul 2023 at 12:40 - Reply

          “Ein Platzverweis nach Polizeirecht kann sofort mit Zwang durchgesetzt werden, da Rechtsmittel in diesem Fall keine aufschiebende Wirkung haben”…..
          das ist zwar “richtig”, setzt aber den Rechtsstaat ausser Kraft….wie i. Ü. bei allen “Verfügungen von Amts wegen”, die keine “aufschiebende Wirkung entfalten und im Baurecht bspw. den sofortigen Abriss einer “angebl. illegalen Bebauung” zur Folge haben, “vorsätzl. falsche Rechtsanwendungen durch Regierungspräsidien”, die “Einsprüche” mit “kostenbehafteter Zurückweisung” beantworten, im Wissen, dass im Verwaltungs”recht” Jahre ins Land gehen(können) und am Ende ein “Urteil” möglich ist, dass der “angegr. VwA” erledigt ist.
          Zitat:
          “Danach liegt Erledigung des Verwaltungsaktes vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche Beschwer nach Erlass des Verwaltungsaktes weggefallen ist, also vom Verwaltungsakt keine Rechtswirkungen mehr ausgehen, oder wenn aus anderen Gründen dem Widerspruchsführer mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes nicht mehr gedient ist”…..
          So hebelt man verfassungsgem. Recht aus!
          Kann man jetzt “pragmatisch” sehen, ist aber kein Zeichen von “demokr. Werte-Rechtsstaat”, trägt diktatorische “Züge”.

          • Jumpy Thu 27 Jul 2023 at 15:46

            Wieso sollte die mangelnde aufschiebende Wirkung den Rechtsstaat ausser Kraft setzen?
            Man kann doch nach gutdünken gegen alles klagen was nicht bei drei auf dem Baum ist. Und das ist gut so.
            Ebenfalls ist gut so, dass Maßnahmen nicht nur deshalb augenblicklich beendet werden müssen weil jemand sagt “ich widerspreche der Maßnahme”…
            Man stelle sich einen Verkehrsunfall vor bei dem der Krankenwagen mit der in lebensgefahr schwebenden Person nicht abfahren kann, weil ein Gaffer den Weg blockiert und auf die Weisung der Polizei mit der Aussage reagiert “ich widerspreche der Maßnahme”.
            Aber Respekt Monkey, in diesem Kommentar mal keine unterschwellige Beleidung der Polizei durch Anführungszeichen…

          • Dr. Andreas Trupp Fri 28 Jul 2023 at 10:38

            Hallo Monkey,
            nach Erledigung des belastenden Verwaltungsaktes kann der Betroffene die sog. “nachträgliche Feststellungsklage” beim Verwaltungsgericht erheben. Allerdings ist die Verwaltungsrechtsprechung meist sehr polizeifreundlich,.

  25. Rudolf Fetscher Wed 26 Jul 2023 at 16:44 - Reply

    Der Artikel ist typisch. Die Täter werden bemitleidet. Polizisten sind die Bösen. Ein schmerzhafter Griff wird als Folter bezeichnet. Soll sich die Polizei mit Wattebällchen gegen Steinwürfe wehren? Ich hätte nicht erwartet, dass ein Professor so eine Meinung vertritt.

    • Dr. Andreas Trupp Fri 28 Jul 2023 at 10:43 - Reply

      Hallo Rudolf, sowohl Störer als auch Polizisten können die Bösen sein. In Diktaturen sind nach der Eigendarstellung des Staates hingegen immer nur die Störer die Bösen. Die Begrenzung der Exekutivgewalt nach allgemeinen Kriterien ist eine wichtige Errungenschaft der politischen Aufklärung. Gerade in Deutschland müsste man — angesichts der Zeit von 1933-1945 — Wertschätzung dafür haben.

  26. Nadine Wed 26 Jul 2023 at 17:16 - Reply

    Ich denke, am besten würden Polizisten umfangreicher in ihrer Rhetorik, insbesondere in Anwendung des Appell geschult, dann würden Klimaaktivisten, randalierende Betrunkene oder Straftäter ganz sicher ohne jegliche körperliche Anwendung den Anweisungen der Polizei nachgehen. Für beide Seiten mit Sicherheit angenehmer. Entschuldigen Sie den leicht ironischen Unterton meines Kommentars, aber ich denke , diese Diskussion ist sehr theoretisch.

    • buchecker Wed 26 Jul 2023 at 22:05 - Reply

      Die Diskussion ist sicher nicht nur theoretisch und schön, dass auch sie friedliche Protestierer mit randalierenden Betrunkenen gleichsetzen.

  27. Toralf Wed 26 Jul 2023 at 18:19 - Reply

    Da kleben sich Menschen auf die Strasse, behindern die Freiheit anderer Bürger um die Politiker zu zwingen, Ihrem Anliegen zu folgen.

    Für mich ist das eine Form von Geiselhaft und kein ziviler Ungehorsam.

    Nein, das ist weder legitim noch legal und im übrigen eine ziemlich Phantasielose Form des Protestes.

    Dies muss von der Polizei mit geeigneten Mitteln unterbunden werden, wozu auch eine angemessene Form von Gewalt gehört.

    Ich betreue 15000 m² Land, die ich in eine Blühwiese umwandel bzw 4 Hektar Wald, den ich Zukunftssicher umbaue. Wer was für die Umwelt tun will ist gerne willkommen. Kost und Logis gibt es frei.

  28. thycho landin Wed 26 Jul 2023 at 18:22 - Reply

    die notwendigkeit der arbeit der polizei setzt eine grundrechtsintere qualität voraus.diese kann durchaus auch dazu führen,daß das was heute polizei ist
    einmal ganz anders gestaltet werden kann. staat legitimiert sich auch aus nicht autoritärem handeln,eben menschenrechtsdemokratisch.
    es wird hier von sogenannten polizisten von straftätern der letzten generation gesprochen. das aber sind gerade rechtswidrige vorverurteilungen.und genau da geht die unrechtliche gewalt schon wieder weiter..im denken schreiben,sagen..
    rechtstaatlich ist ein vermeidlicher straftäter nur dann einer ,wenn seine straftat
    zureichend festgestellt bzw. ihm haltbar begründet zugewiesen wurde in einem menschenrechtsstaatlichen prozess.zu dem meiner rechtsauffasung immer auch eine unabhängige menschenrechtsbeobachtende person gehört. die staatliche justiz und die privatanwälte verfolgen eigene interessen..wer aber überwacht das die beklagte person nicht übervorteilt wird..???
    eine zwingende dauernde notwendigkeit hat es daher nicht,,

  29. Max Wed 26 Jul 2023 at 19:02 - Reply

    Ich selbst bin seit Jahren bei der Kriminalpolizei tätig. Nach meinem Betriebswirtschaftsstudium und einer Jobzusage habe ich mich aus Überzeugung und dem Willen, der Gesellschaft einen Dienst zu leisten, für ein neues Studium bei der Polizei entschieden. Vor kurzem habe ich gekündigt und kehre in die Wirtschaft zurück. Ich sehe keine zunehmende Gewaltbereitschaft bei der Polizei, sondern Frustration und vielleicht sollten die Befürworter dieses Artikels in Zukunft selbst einmal einem Opfer eines schweren Verbrechens erklären, dass der Täter nicht gefasst werden konnte, weil wir ihm nicht wehtun wollten, dass wir ihn wegen des Datenschutzes nicht mehr finden konnten und dass selbst wenn wir ihn gefunden hätten, keine Strafe gefolgt wäre. Das wird dann abgeschlossen mit: „Wenn er morgen mit Freunden und Cousins vor Ihrer Tür steht, wütend über die Anzeige, dann werden Sie und Ihre Kinder das schon hinkriegen“. Dass ist mehr Alltag als Schmerzgriffe. Ich bin selbst im privaten Umfeld von Personen (die neu in diesem Land sind) gefragt worden, warum sie hier keine Schläge bekommen, egal welche Straftat sie begehen. Es folgen immer nur vollgeschriebene Briefe. Für diese Menschen war eine staatliche Reaktion auf Straftaten erstaunlicherweise nicht erkennbar.

    • Rudolf Sachs Thu 27 Jul 2023 at 11:10 - Reply

      Lieber Max, danke dass Sie Ihre verständliche Frustration über die häufige Wirkungslosigkeit des staatlichen Eingriffs gegen schwere Kriminalität mit dem Forum teilen.

      Wenn Sie von Opfern schwerer Verbrechen sprechen, denken Sie vermutlich an Banden- und Drogenkriminalität, Mord, Raub, Entführung, Vergewaltigung, Menschenhandel und sonstige Gewaltverbrechen.

      Dass Sie das in Zusammenhang bringen mit Protesthandlungen, die, Rechtmäßigkeit hin oder her, in ihrer Einwirkung auf Dritte vergleichbar sind mit einem Falschparker oder dem kommentarlos hingenommenen, alltäglichen Wahnsinn des Berufsverkehrs, den ALLE zu verantworten haben, die ohne Nowendigkeit für jeden Gang das Auto anwerfen, ist aber erschreckend und zugleich bezeichnend für eine in unserer Gesellschaft, insbesondere aber in beruflichen oder privaten Echokammern zunehmende Unfähigkeit zur Differenzierung in Wahrnehmung und Diskurs. Es ist letztlich eine extremistische Position, die nur die eigene Position sieht.

      Ein Hang zum extremen Denken mag bei manchem Aktivisten auf vorhanden sein, und ja, sie sind vielleicht lästig, aber sie tun niemandem vorsätzlich weh, und das rechtfertigt nicht den Einsatz von Foltertechniken zur Brechung des Willens.

      • Dr. Andreas Trupp Thu 27 Jul 2023 at 15:37 - Reply

        Lieber Rudolf, Du hast eine wichtige sozialpsychologische Ergänzung meiner “trockenen” juristischen Ausführungen vorgenommen! Letztlich sehe ich die Aktionen der “Klimakleber” — wenn auch aus anderen Gründen als den von der Rechtsprechung zum Nötigungstatbestand genannten, die für mich rechtsfehlerhaft sind — wie viele andere als rechtswidrig an. Dennoch ist meine innere Reaktion aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wesentlich milder als die vieler Kritiker.

    • Dr. Andreas Trupp Thu 27 Jul 2023 at 12:25 - Reply

      Hallo Max, Du schreibst: “Befürworter dieses Artikels in Zukunft selbst einmal einem Opfer eines schweren Verbrechens erklären, dass der Täter nicht gefasst werden konnte, weil wir ihm nicht wehtun wollten, dass wir ihn wegen des Datenschutzes nicht mehr finden konnten und dass selbst wenn wir ihn gefunden hätten, keine Strafe gefolgt wäre.”

      Zunächst einmal ist ein Verdächtiger, dem ein schweres Verbrechen vorgeworfen werden kann und der vorläufig festgenommen werden soll, zur Duldung seiner Festnahme verpflichtet. Hierzu darf unmittelbarer Zwang angewandt werden. Die Frage, ob hier zur Willensbeugung ein Schmerzgriff angewandt werden darf, sollte sich eigentlich nicht stellen. Denn Du willst kein aktives Tun von ihm, sondern nur die Duldung der Festnahme. Wehrt er sich, darfst Du den Widerstand brechen. Ist das nur bei Schmerzzufügung möglich, so muss der Verdächtige das grundsätzlich hinnehmen. Was Du nicht darfst: Du darfst ihn nicht bestrafen, weder für die vorgeworfene Straftat (die Anlass für die Festnahme war), noch für den geleisteten Widerstand. Das ist nicht Deine Aufgabe. Es mag sein, dass einige Leute andere Vorstellungen haben und sich eine strafende Polizei wünschen. Das ist aber nicht der Maßstab, auf den Du bei Deiner Vereidigung eingeschworen wurdest.

      Wenn jemand nicht bestraft würde, auch wenn Du ihn gefunden hast, so ist er offenbar keiner Straftat hinreichend verdächtig. Wo ist da der Missstand?

      Im Übrigen bin ich nicht davon überzeugt, dass das Selbstbild der eifrigen Kriminalpolizei wirklich immer zutreffend ist. Es gibt auch Fälle, in denen die Kripo nicht so recht Lust hat, Straftaten zu verfolgen.

  30. Wilhelm W. Wed 26 Jul 2023 at 19:09 - Reply

    Sehr geehrte Frau Grau, sehr geehrter Herr Prof. Dr. Singelnstein!
    Mir fehlt ein kreativer Lösungsprozess für dieses Problem von Ihnen als Rechtsexperten….!
    Vielleicht könnten Sie “Verhaltensregeln” für PolizistInnen UND “Verhaltensregeln” für KlimaktivistInnen erarbeiten, die “rechtlich gesichert” sind, sodass weder, die einen, noch die anderen Schaden nehmen oder über die Grenzen der jeweils anderen hinweggehen!
    Dann weiß jede/r KlimaktivistIn, was die Konsequenzen sind, wenn man sich nicht daran hält, man wird vorher darauf hingewiesen, was als nächste Stufe kommt und dann kann man sich für die eine (angenehme) oder (unfreiwillige, vielleicht unangenehmere) Maßnahme entscheiden. Hinten nach auf “armes Opfer von Polizeigewalt” tun wäre dann entbehrlich! …und PolizistInnen hätten rechtlich “Guidelines” und vielleicht körperlich und emotional weniger Probleme und weniger psychischen Stress bei ihrem Job und seiner Ausführung zum “Wohl für uns alle”…

    • Ralph Husung Thu 27 Jul 2023 at 02:58 - Reply

      Vielleicht wäre es ja besser, Aktivisten mal als mündige Bürger zu akzeptieren und nicht erst beharrlich zu ignorieren, um sie dann, wenn sie sich berechtigterweise publikumswirksamer Gehör verschaffen wollen, zu kriminalisieren. Damit hat die Politik das unangenehme Thema vom Tisch und die Lakeien vom Dienst (Polizei), die genauso gefrustet sind, dürfen sich damit auseinandersetzen.
      Also wie wäre es, wenn bei der Arbeit mal gedacht würde. Dann würde vielleicht zumindest der eine oder andere Polizist Unterschiede erkennen zwischen aktiven, gewaltbereiten Gegnern und körperlich passiven Aktivisten.
      Jeder Polizist persönlich hat ein Spektrum von Handlungsmöglichkeiten und es ist letztlich ihm persönlich vorzuwerfen, wenn er mit vollem Bewusstsein brutalere, einfachere Mittel wählt, als angemessene, aber anstrengendere, die mehr Engagement erfordern. Und wenn dann angeführt wird, ein Polizist soll doch bitte an seinen Rücken denken und dürfe deshalb einfach Gewalt/ Schmerzgriffe ausüben, dann sind wir im vorletzten Jahrhundert angekommen, wo Kinder mit dem Stock gezüchtigt werden sollten, damit dem Professor die Hand beim Schlagen der Kinder nicht so schmerzt. Ich würde sagen, diese Mitarbeiter der Polizei haben ihren Beruf verfehlt und eigentlich dort nichts verloren.

  31. Tanja Wed 26 Jul 2023 at 21:24 - Reply

    Ich habe in Berlin erlebt, wie brutal die Polizei von linken “Demonstranten” angegriffen wurde, wie soll sich denn da die Polizei verteidigen, eben auch mal mit einem “Aua”? Wir waren auch schon auf vielen Demonstrationen, haben mit der Polizei nie Probleme gehabt. Ich bin dankbar, das es diese Polizei gibt…

    • Rudolf Sachs Thu 27 Jul 2023 at 11:10 - Reply

      Hat hier irgend jemand geschrieben, das sich die Polizei nicht gegen brutale Angriffe wehren darf?

  32. Diegone Wed 26 Jul 2023 at 21:46 - Reply

    Ja, polizeiliche Gewalt ist unschön und sollte nur als ultima Ratio eingesetzt werden. Die Verfassungsmäßigkeit sollte eingehalten werden und der Gesetzgeber bessere Regeln aufzeigen. Dennoch möchte ich eher Kontakt mit einer/einem Polzist*in in Deutschland haben als in einem totalitärem Staat. Einen ausgeglichenen Artikel seitens Frau Hannah Espín Grau empfände ich dann erst als gegeben, wenn auch von der Gewalt gegen die Polizei, die uns Bürger schützen, untersucht und gesprochen würde bzw. Links verzeichnet wären. Muchos saludos.

  33. German Harry Wed 26 Jul 2023 at 21:50 - Reply

    Durch Schmerzen soll kein Gehorsam durchgesetzt werden, sondern lediglich Recht und Gesetz. Das ist auch so in den mannigfaltigen Polizeigesetzen festgelegt.

  34. Georg Schulze Wed 26 Jul 2023 at 22:13 - Reply

    Darf ich auf Deutsch schreiben?
    Wenn mich Polizisten bisher aufgefordert haben, dieses oder jenes zu tun, bin ich diesen Aufforderungen nachgekommen.
    Ich habe bisher keine Probleme mit polizeilicher Gewalt gehabt.

  35. Björn Wed 26 Jul 2023 at 23:21 - Reply

    Vorweg: nicht mein Rechtsgebiet, auf dem ich tätig bin, aufgrund meiner Ausbildungen, bei denen die Anwendung von körperlicher Gewalt jedoch dazugehörten (inklusive am eigenen Körper erfahren, und nein, nicht Polizei) folgende Gedanken:

    a) Die Annahme, dass der Einsatz eines Schmerzgriffs automatisch zu einer Paralyse bei demjenigen führt, bei dem die Technik zum Einsatz kommt, halte ich nicht für korrekt. Es bedarf der Übung und damit der Dosierung. Damit gelingt es aber, zum Beispiel Sperren zu lösen, zu entwaffnen aber auch denjenigen zu bewegen: die Dosierung ist es, die zu einer Handlung bei demjenigen führt, an dem ein Schmerzgriff zur Anwendung kommt. Hinzu kommt: bei einigen der Schmerzgriffe habe ich es als Ausübender in der Hand, diese mit einer zusätzlichen Druckrichtung durch zum Beispiel den eigenen Körper, die freie Hand in eine Bewegung des Gegenüber münden zu lassen.

    b) Meiner Kenntnis nach ist das Blockieren von Straßen Nötigung. Eine Vielzahl an Verurteilungen durch verschiedenste Gerichte unterschiedlichster OLG-Bezirke scheinen das stützen.

    c) Um eine Nötigung zum Abbruch zu bringen, gibt es meines Wissens Eskalationsstufen, die mit der Aufforderung beginnen, die Nötigungshandlung zu beenden, sich steigernd bis zur Anwendung geeigneter Mittel. Aus dem obigen Artikel konnte ich entnehmen, dass die Anwendung unmittelbaren Zwangs beispielsweise über Handhebel etc ebenfalls abgelehnt wird und als einziges adäquates Mittel des polizeilichen Handelns ein Wegtragen akzeptabel sei: der geringstmögliche Eingriff am Nötigenden.

    Das aber ist für mich nicht einsichtig: in Konsequenz wäre dann eine Polizistin idR damit nicht in der Lage, bei mir mit 182 cm und einem Kampfgewicht von etwas über 100 kg eine polizeiliche Maßnahme durchsetzen zu können. Das aber macht keinen Sinn. Aus meinem früheren Beruf gedacht: in der Lage lebend wird diejenige Gewalt ausgeübt, die notwendig ist, um das Ziel zu erreichen. Je nach Fähigkeitsspektrum des Ausübenden kann damit die anzuwendende Gewalt unterschiedlich ausfallen. Polizeilich gedacht muss die Gewaltanwendung adäquat und angepasst sein – aber immer wirklich beschränkt auf das allergeringste Mittel aus Sicht des polizeilichen Gegenübers? Aus meiner Sicht bin ich dann nicht mehr durchsetzungsfähig.

    d) Was aus meiner Sicht völlig zu Recht durchaus der Klärung bedarf, wenn sie denn nicht doch schon vorhanden sein sollte:

    – Ist der Einsatz bzw. die Androhung körperlicher Gewalt im Rahmen einer Eskalationsstufe bei einer Nötigung legitimiert? Wenn ja, welcher Einsatz und wie.
    – Sind Schmerzgriffe per se ausgeschlossen?

    e) In Bezug auf das Thema Folter gestehe ich, dass ich da eine andere persönliche Sichtweise habe, wann Folter beginnt. Nicht jede exzessive Gewaltanwendung ist für mich Folter sondern ggfls eine körperliche Auseinandersetzung. Ansonsten denke ich an die damalige Diskussion in Bezug auf Markus Gäfgen und die jeweiligen Entscheidungen der Gerichte, wo die Frage des Übergriffs und die Frage der Folterung jeweils positiv beantwortet wurden. Aber meines Wissens auch umstritten sind. Daher empfinde ich es legitim, dass derjenige, der meint, seine Rechte sind verletzt worden, dagegen klagt. Dafür steht der Gang zu den Gerichten offen. Und das ist auch Demokratie: unterschiedliche Sichtweisen erst einmal respektieren, wobei Streitiges der Judikative zuzuführen ist.

    f) Und wir haben entgegen der Ansicht mancher Diskutanten immer noch eine Demokratie: sie ist verbesserungswürdig, aber das hängt auch von jedem Einzelnen ab, wie und womit er sich in unserem Staat miteinbringt: Demokratie wird nicht in die Wiege gelegt, ist nicht selbstverständlich sondern erfordert ein Mitwirken. Eine außerparlamentarische Opposition bedeutet noch lange nicht eine grundsätzliche Rechtfertigung für alles, was da unter diesem Deckmäntelchen läuft. Zum Glück haben wir Spielregeln, die im Großen und Ganzen aus meiner Sicht funktionieren.

    Danke für das Thema. Und die ruhige Diskussion hier.

    • Rudolf Sachs Thu 27 Jul 2023 at 11:30 - Reply

      Hallo Björn, dass Sie zum Thema Folter ihre eigene Meinung haben, steht Ihnen ja frei. Zum Fall Gäfgen, den Sie zitieren, sind sich die deutschen Gerichte und auch der Europäische Menschenrechtsgerichtshof aber einig: Bereits die Androhung körperlicher Gewalt zur Erlangung einer Information, die das Auffinden und die Rettung eines Entführungsopfers ermöglichen könnte, erfüllt den Tatbestand der unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK und verletzt die Menschenwürde nach Art. 1 GG in eklatanter Weise. Das ist in allen Instanzen sowohl im Verfahren gegen Gäfgen als auch gegen den Kriminalbeamten wie auch im Amtshaftungsprozess gegen das Land Hessen bestätigt worden. Dass die Law-and-Order-Szene dagegen wettert, ist nicht überraschend. Und dass es ungequem ist, ist wahr. Aber die Grenze zu ziehen und zu verteidigen ist wichtig, um Willkür zu vermeiden. Das Gewaltmonopol ist keine Lizenz zum Wehtun.

      • Björn Thu 27 Jul 2023 at 22:36 - Reply

        Lieber Herr Sachs,

        vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Anscheinend ist bei Ihnen aber meine Passage e) anders aufgenommen worden als ich sie beim Schreiben selbst verstanden hatte. Daher erlaube ich mir, Folgendes klarzustellen:

        1. Wann Folter aus meiner Sicht beginnt, unterscheidet sich anscheinend in Bezug auf den obigen Sachverhalt bezüglich des auf dem Fahrbahnboden Sitzenden. Diesbezüglich sind eine Reihe der Diskutanten wie auch die Autorin der Ansicht, dass durch das Nutzen des Schmerzgriffes Folter stattfinden würde bzw im Einzelfall stattfinden könnte, vgl. den obigen Verweis auf Mooser. Der Betroffene selbst hat meines Wissens zuerst im eV-Verfahren dieses geltend machen wollen, ist aber durch das angerufene Gericht auf den normalen Klageweg verwiesen worden. Eine entsprechende Klage soll dort auch nun anhängig sein. Ob Folter oder unmenschliche Behandlung dort angeführt wurde oder allgemein auf Art. 3 EMRK verwiesen wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Demgegenüber hatte ich mich abgegrenzt. Ob es hier tatsächlich zu einer Verwirklichung der notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen gekommen ist, das sehe ich für mich nicht. Das wird aber das erkennende Gericht entscheiden. Was für mich in Bezug auf den Vorgang als Frage im Raume gestanden hätte: war die Gewaltanwendung gerechtfertigt oder war sie überzogen. Aus dem Zusammenhang, den ich anscheinend zu verkürzt wiedergegeben hatte, schloß ich daraus, dass für mich Folter woanders beginnt.

        2. Aufgrund meiner anderen Sichtweise zu dem obigen Vorgang im Vergleich zu anderen hier im Forum habe ich auf den Fall Päfgen hingewiesen. Ich habe nochmals nachgesehen, ob ich etwas falsch im Kopf hatte. Tatsächlich, und daher danke ich Ihnen: Magnus Gäfgen hatte von angewendeter Folter an ihm gesprochen und diesen Vorwurf in seinen Klagen erhoben. Die Gerichte hatten das aber verneint, hingegen die unmenschliche Behandlung bejaht.

        3. Meinen Hinweis auf auf andere Stimmen gleichzusetzen mit eine Law&Order-Fraktion etc: das interpretieren sie fehl. In der akademischen Auseinandersetzung muss Platz sein für andere Ansichten, um einen offenen Diskurs zu führen. Derartiges sollte aber nicht nur auf den akademischen Ring begrenzt sein. Vielmehr ist die Diskussion Bestandteil unserer Demokratie, die bedingt, zuzuhören und die jeweiligen Argumente zu respektieren. Ich muss sie aber nicht akzeptieren. Sie können trotzdem Sichtweisen beleuchten, die ansonsten bei Betrachtung aus und in nur einer Richtung zu einem Tunnelblick führen würden. Das moralische Dilemma der Beteiligten – wäre das Leben des Jungen zu retten gewesen und was wäre hierfür gerechtfertigt oder auch nicht – sollte es zulassen, verschiedene Standpunkte durchaus zu respektieren.

        Und das Recht auf Respekt, d.h. eine vernünftigen Umgang, haben auch diejenigen, die unter Zuhilfenahme von Nötigungen versuchen, ihre politische Agenda durchsetzen zu wollen. Was aber nicht ausschließt, dass unmittelbarer Zwang zur Anwendung kommt. Ob dieser jeweils angemessen ausgeübt wurde, dafür haben wir die Gerichte. Dort werden die jeweiligen Rechte und getroffenen Entscheidungen zueinander abgewogen und ein Urteil gefällt. Deswegen sehe ich hier auch noch lange keine Lizenz zum Wehtun aufgrund der Zuordnung des Gewaltmonopols an die Polizei. Dafür haben wir die Gewaltenteilung.

        Ich hoffe, ich konnte mich verständlicher ausdrücken und wünsche dem Thema und der Autorin weiterhin einen interessanten Gedankenaustausch.

      • Michael Sat 29 Jul 2023 at 18:51 - Reply

        Wenn ich mich recht entsinne, war im Fall Gäfgen (bzw. Daschner) nicht umstritten, ob es sich um Folter handelte, sondern, ob ein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorlag. Das haben die Gerichte verneint.

        Wenn kein Hoheitsträger, sondern beispielsweise ein Verwandter des Jungen die Informationen aus Gäfgen herausgeprügelt hätte, hätte man demjenigen wohl einen Erlaubnistatbestandsirrtum zugute gehalten, weil er davon ausging, in Notwehr zu handeln.

  36. Wayne Thu 27 Jul 2023 at 00:03 - Reply

    Die Ausführungen sind in sich sehr schlüssig, aber ich würde behaupten, dass alle gezeigten und beschriebenen Situationen, die dieser Artikel beschreibt, nicht die eingangs gemachte Definition von Schmerzgriffen erfüllen:

    “Schmerzgriffe im engeren Sinn zielen nicht auf eine unmittelbare körperliche Wirkung, um ein polizeiliches Ziel zu erreichen. Stattdessen sollen sie eine psychische Wirkung entfalten, indem sie den Willen der Betroffenen beugen und diese dazu bringen, das gewünschte Verhalten vorzunehmen.”

    Selbst das belastendste Beispiel, in dem mit großen Schmerzen beim Kauen gedroht wird und dessen Formulierung möglicherweise rechtswidrig sein mag, weil diese rein auf den psychologischen Druck abzielt, ist an sich nicht zu beanstanden. Der gezeigte und gesetzte Schmerzpunkt macht ein Ausweichen nach oben nicht nur möglich, sondern notwendig und stellt damit eben nicht die psychische Reaktion, sondern die körperliche Reaktion des polizeilichen Gegenübers in den Mittelpunkt: Er soll aufstehen und tut dies infolge körperlichen Zwanges auch.
    Dass die Person danach wieder zu Boden fällt und andere Techniken angebracht werden, hat nichts damit zu tun, dass die Technik an sich verkehrt wäre, sondern damit, dass der Polizist offensichtlich schlecht ausgebildet ist. Bei richtiger Anwendung könnte die Person in Folge des körperlichen Zwanges sich eben nicht mehr zu Boden bewegen und würde dann mit Hilfe eines weiteren Hebels fortbewegt werden.
    Das Video zeigt also einen schlechten Ausbildungsstand und eine schlecht ausgeführte technik (ob die schlechte Ausführung zur Rechtswidrigkeit führt überlasse ich anderen.) Die Technik selbst jedenfalls ist eine der klassischsten Formen körperlichen Zwanges.

  37. Johnny Thu 27 Jul 2023 at 00:55 - Reply

    Die Äußerungen in diesem Artikel erscheinen nur schlüssig, wenn sie vor dem Hintergrund von Klimaprotesten betrachtet werden.
    Das wird deutlich, wenn hier beklagt wird, dass die Polizei sich über den Willen der Betroffenen hinwegsetzen würde und diese keine Möglichkeit für Rückfragen hätten.
    Wenn ein Polizist unter Zeitdruck Anordnungen verteilt, um Leben und Gesundheit anderer Menschen zu schützen, dann ist der Wille des Betroffenen und dessen Rückfragen in diesem Moment schlicht zweitrangig.
    Genau dies spiegelt sich auch im entsprechenden Polizeirecht wieder.
    Die pauschalen Behauptungen, Schmerzgriffe wären per se rechtlich fragwürdig, werden der Sache daher ebenfalls nicht gerecht.

    Beispiel: Eine Person im Drogenrausch beginnt sich mit einem Messer die Handgelenke aufzuschneiden. Zwei Polizisten reißen die Person zu Boden und fordern sie auf, das Messer loszulassen. Die Person klammert sich jedoch daran fest. Ein Polizist setzt einen Armbeugehebel ein, woraufhin der Betroffene das Messer fallen lässt.

    In derartigen Situationen bietet sich schlicht kein milderes gleich geeignetes Mittel, als einen Schmerzreiz zu setzen und für Diskussionen ist kein Raum.
    Hier wird der Unterschied zu den Klimaprotesten evident, wo regelmäßig keine erhebliche Verschärfung der Lage durch Zeitverzug zu erwarten ist und wo U.U. mildere Maßnahmen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten wären.

    Gleiches gilt für die wiederholt angeprangerte Einschätzung von Schmerzreizen als “milderem Mittel”. Das Zufügen von Schmerzen ist unzweifelhaft ein erheblicher Grundrechtseingriff.
    Nichtsdestotrotz ist die Frage “Was ist milder?” stets nur relativ zu beantworten.
    Ist der Einsatz eines Schmerzreizes milder als Wegtragen? Nein.
    Ist er milder als der Einsatz von Pfefferspray? eher ja.
    ist er milder als ein Schlag ins Gesicht? eher ja.
    Die Frage, ob ein Schmerzreiz das mildeste zur Verfügung stehende Mittel zur Erreichung des polizeilichen Ziels ist, kann nur anhand einer konkreten Situation beurteilt werden.
    Bei Anordnungen wie “Legen Sie die Waffe weg!”, “Lassen Sie ihre Frau los”, “Hören Sie auf nach dem (Blutentnahme-)Arzt zu schlagen!” usw. ist “Wegtragen” selten ein geeignetes Mittel.

    Übrigens gilt selbiges zum per Seitenhieb erwähnten Taser. Ist ein Taser-Einsatz gefährlich? Ja.
    Ist es gut, dass ein milderes Mittel, als der Schusswaffeneinsatz zur Verfügung steht, um einen wildgewordenen Axtmörder zu stoppen? absolut.

    Insofern wäre es wünschenswert den Ideologie-Regler etwas herunter zudrehen, denn grundsätzlich und psychologisch ist das Phänomen Schmerzen durch Polizei sehr spannend.

  38. Steven Sprung Thu 27 Jul 2023 at 05:53 - Reply

    Please consider the following complex, that there is an institutionally trained, to peer pressure subjected and conditioned, normal human being in uniform, representing the state or government who is existentially dependent on his, her or its employer, given the power to exercise force. They are – unfortunately – underpaid, undertrained, overworked and systemically dehumanized in order to fulfill tasks no rational human being would even consider executing and most of them love their jobs.

  39. ruebenmaster Thu 27 Jul 2023 at 07:20 - Reply

    Mal ganz ehrlich, die Polizei geht gegen Leute vor, die das Gesetz brechen. Egal wie arg sie es brechen, sie sind illegal in ihren Aktionen.
    Wer sich in Ordnung fügt, hat keine Schmerzen durch die Executive zu erwarten, so einfach.
    Das ständige kastrieren der Poizei und ihren Methoden führt dazu, dass die Anzahl der Anwärter zurück geht. Und was passiert wohl, wenn der Mob weiß, dass es viel zu wenige gibt und diese handlungsunfähig gemacht wurden durch solche Diskussionen? Es wird Anarchie geben. Ich wäre schon interessiert daran, wie diese Autoren dann berichten, wenn sie nicht mehr gefahrlos die Straße betreten können. Sie werden nach mehr Polizeigewalt schreien!
    In verschiedenen Städten gibt es schon Gebiete, wo selbst die Polizei nicht mehr hin will, da sie dort wissen, dass die Polizei nur samthandschuhe dabei hat und deshalb nicht handeln darf. Dort herrschen Clans und Kriminalität ganz offen. Auch eine Folge solcher Diskussionen wie hier.

    • Dr. Andreas Trupp Thu 27 Jul 2023 at 13:26 - Reply

      Hallo “ruebenmaster”. Du schreibst: “die Polizei geht gegen Leute vor, die das Gesetz brechen. Egal wie arg sie es brechen, sie sind illegal in ihren Aktionen.”

      Nein, das ist nicht richtig. Im Bereich der Strafverfolgung geht die Polizei gegen “Verdächtige” vor. Bei den meisten “Verdächtigen” kommt es zu keiner Verurteilung, daher kann man auch nicht behaupten, sie hätten das Gesetz gebrochen. Im Bereich der Gefahrenabwehr geht die Polizei nicht nur gegen Störer vor (d.h., gegen Personen, deren Verhalten eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt). Vielmehr darf sie an bestimmten Orten (gefährlichen oder gefährdeten) auch zur Abwehr einer bloß abstrakten Gefahr gegen unauffällige Passanten vorgehen.

      Du schreibst:

      “Wer sich in Ordnung fügt, hat keine Schmerzen durch die Executive zu erwarten, so einfach.”

      Das ist ZU einfach. Nach dieser Logik dürfte die Polizei auch Personen Schmerzen zufügen, die bei rot über die Fußgängerampel gelaufen sind. Staatliche Eingrissmaßnahmen sind nicht schon allein dadurch rechtmäßig, dass sie angekündigt wurden und für Betroffene daher keine Überraschung darstellen. Sie bedürfen vielmehr einer Ermächtigungsgrundlage. Die Verhängung von Strafen ist dabei sowohl nach dem einfachen Gesetz als auch der Verfassung den Gerichten vorbehalten.

      Du schreibst schließlich etwas sehr Wichtiges:

      “In verschiedenen Städten gibt es schon Gebiete, wo selbst die Polizei nicht mehr hin will, da sie dort wissen, dass die Polizei nur samthandschuhe dabei hat und deshalb nicht handeln darf. Dort herrschen Clans und Kriminalität ganz offen. Auch eine Folge solcher Diskussionen wie hier.”

      Nein, das ist nicht die Folge solcher Diskussionen, sondern der Auflehnung von Teilen der Polizei gegen ihre Dienstpflichten. Du sagst, die Polizei “wolle” nicht überall hin gehen; sie MUSS es aber, d.h., sie ist dazu gesetzlich verpflichtet. Sie darf dort sehr wohl Zwang anwenden, will es aber offenbar nicht, vielleicht, um die Lage bewusst “hochkochen” zu lassen. Der NRW-Innenminister Reus hat dies letztlich zugegeben, indem er mehrfach sagte, die Polizei habe vor seinem Amtsantritt die Clan-Kriminalität nicht in hinreichender Weise verfolgt, und erst unter seiner Amtszeit sei dies anders geworden. Konsequenterweise hätte er bei seinem Amtsantritt disziplinarische Maßnahmen wegen Untätigkeit einleiten müssen.

  40. Klaus-Helmut Dreißig Thu 27 Jul 2023 at 21:04 - Reply

    Hallo Herr Dr. Trupp,
    es mag ja zutreffend sein, dass es bei den meisten “Verdächtigen” zu keiner Verurteilung kommt. In der Tat kann man deshalb auch nicht behaupten, sie hätten das Gesetz gebrochen. Allerdings kann man genau so wenig daraus schließen, dass die Verdächtigen das Gesetz nicht gebrochen haben – oder? Wie Sie ja zutreffend feststellen, geht die Polizei (nur) gegen Verdächtige vor, sie ist nicht das judikative Organ…..

    • Dr. Andreas Trupp Tue 8 Aug 2023 at 14:22 - Reply

      Hallo Klaus-Helmut Dreißig,

      ich habe lediglich Deinen bzw Ihren Satz

      “die Polizei geht gegen Leute vor, die das Gesetz brechen. Egal wie arg sie es brechen, sie sind illegal in ihren Aktionen”

      kommentiert. Darin war nicht davon die Rede, dass Störer bzw Verdächtige das Gesetz MÖGLICHERWEISE brechen bzw gebrochen haben, sondern der Rechtsbruch wurde als Fakt dargestellt. Ich wolle also nur auf das Fehlen des Wortes “möglicherweise” aufmerksam machen.

  41. wvor Fri 28 Jul 2023 at 14:55 - Reply

    Hoppla. Die Polizei ist verpflichtet den Verkehrsfluss wiederherzustellen im Falle der Klimakleber, welche diesen blockieren. Die Klimakleber werden aufgefordert, den Platz zu räumen. Sie tun es nicht, sie folgen der Anweisung der Polizei in aller Regel nicht.
    Wegtragen der 60-100 kg schweren und sich häufig auch noch dagegen wehrenden Personen ist für die Polizisten ziemlich anstrengend und kann auch auf Dauer zu erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen der Polizisten bis hin zur Dienstunfähigkeit führen. Insbeondere, wenn es sich um weibliche Polizisten handeln sollte. Die Autorin des Artikels möge einmal ein paar ihrer Kollegen von einer Straße 10-15 m weit wegtragen, damit sie weiß, was das bedeutet.
    Danach kann sie sich gerne nochmals zur Androhung von Schmerzgriffen äußern. Es ist ja auch nicht so, dass die Klimakleber keine Wahl hätten: Sie werden aufgefordert, die Straße freizugeben, und es wird ihnen dann eben im Weigerungsfall angedroht, die Straße unter Anwendung von Gewalt freizuräumen. Kein Klimakleber braucht die Schmerzgriffe auszuhalten, es steht ihm frei, der Aufforderung Folge zu leisten. Wenn er das nicht tun möchte: dann kann es eben schmerzhaft werden, das ist dem Klebr ja dann vorher bewusst gemacht worden.
    Es ist ja nicht so, dass die Polizei diese aus purem Sadismus anwendet, sondern sie tut es, um die öffentliche Ordnung zügig wieder herzustellen. Und das sollte sie möglichst effizint tun dürfen. Dafür bezahlen die Steuerzahler die Polizei.

  42. Frey Fri 22 Sep 2023 at 11:35 - Reply

    Danke für diesen wertvollen Beitrag, wie auch viele weiter. Ich möchte hinweisend hinzufügen:

    Auch Reizsprays (“Pfefferspray”) werden als annehmbares Einsatzmittel schnell verwandt, können aber erhebliche bis tödliche Folgen haben.

    Asthmatiker können einen Lungenkrampf erleiden; Personen mit erst beginnender Asthmaerkrankung ebenfalls, sie wissen aber noch nichts von den Auswirkungen solcher Reize und haben nicht einmal ein Gegenmittel. Sie könnten also am Krampf ersticken oder auch Hirn-/Organschäden durch Sauerstoff-Minderversorgung erleiden.

    Das gilt auch für Embryonen.

    @Verfassungsblog:
    Gerade mit Ihrem Auftrag sollten Sie (bitte!) die Nicht-Ausforschung der Leserschaft gewährleisten, also NICHT mit youtube, twitter & Co. verlinken, wie im Beitrag mehrfach geschehen, (z. B. Link: Video von dem Vorfall).

    Sie wissen, dass jeder Klick samt IP in die Akte, das Profil kommt und Käufern wie auch (künftigen) Regierungen oder ggf. – je nach Polizeigesetz – Exekutiven zur Verfügung stehen wird.

    Ein Verfassungsblog sollte solche Unternehmen, ansässig in Rechtskreisen, die NICHT DSGVO-konform sind, grundsätzlich nicht unterstützen oder deren Produkte nutzen, zum Wohle und zum Schutze der Leserschaft und der Verfassung selbst.

    Digitalcourage bietet bspw. Sammlungen zu Alternativen an (https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung u. a. m.).

  43. Mahrla Thu 11 Jul 2024 at 11:06 - Reply

    Hier ein meines Erachtens nach schönes Beispiel für diesen Artikel

    https://www.youtube.com/shorts/rkt4b4N5hc8

    Der Mann wird förmlich von allen Seiten in den Kommentaren ausgelacht. Schaut alles so harmlos aus, und sogar die Polizisten lachen!

    Ich würde gerne eine fachmännische Meinung eines Orthopäden dazu wissen. 1/3 seines Körpergewichts lasten jeweils auf seinen überdehnten Handgelenken.

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