14 May 2024
Half-baked decision
Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden (BGH 1 StR 106/24), dass sein Begriffsverständnis zur „nicht geringen Menge“ im Betäubungsmittelgesetz (7,5 g THC) pauschal auf die wortgleiche Neuregelung im Konsumcannabisgesetz zu übertragen sei. Dies stellt eine nach Art. 103 Abs. 2 GG unzulässige Analogie dar und überschreitet damit die Grenze zulässiger Auslegung im Strafrecht. Denn eine nicht geringe Menge THC kann nicht mit einer nicht geringen Menge Cannabispflanzen, um deren Besitz es in der Entscheidung ging, gleichgesetzt werden. Continue reading >>
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04 November 2023
Eindruck von einem Richter
Dem BGH zu Folge reicht es für die Versetzung einer Richter:in in den Ruhestand nach § 31 DRiG aus, wenn das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Person der Richter:in oder in ihre Amtsführung in hohem Maße Schaden genommen hat. Fundamentale Eingriffe in die richterliche Unabhängigkeit hängen danach von der öffentlichen Meinung ab. Was im Grundsatz richtig ist, kann ohne Grenzziehungen durch das Grundgesetz missbrauchsanfällig sein. Continue reading >>16 June 2023
EU-Recht bricht Völkerrecht? Der Trugschluss der europäischen Calvo-Doktrin
Am 27. Juli 2023 wird der BGH drei Urteile in Rechtssachen verkünden, die alle um eine Frage kreisen: geht EU-Recht in internationalen Schiedsgerichtsverfahren zwischen EU-Investoren und EU-Mitgliedstaaten immer vor, selbst wenn dadurch ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der immer und auf alle Vertragsparteien bezogen Rechte begündet, berührt wird? Diese scheinbar rein rechtsdogmatische Frage hat völkerrechtshistorisch, wirtschaftspolitisch und rechtspolitisch weitreichende Folgen. Es geht um nicht weniger als um die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland sowie die EU und alle ihre Mitgliedstaaten weiterhin bereit sind das Völkerrecht zu achten, und zwar gerade in einer Zeit, in der die Notwendigkeit der Wirksamkeit völkerrechtlicher Rechtsbindungen nicht hoch genug gewertet werden kann. Continue reading >>22 March 2022
Der Gesetzgeber als letzte Hoffnung für Lockdown-Betroffene
Der Bundesgerichtshof wies am 17. März sämtliche Ansprüche auf staatliche Entschädigung für Einnahmeausfälle während Betriebsschließungen in der ersten Pandemie-Welle im März 2020 zurück. Ohne die Details der schriftlichen Urteilsbegründung abwarten zu müssen, steht eines bereits fest: Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung, sondern dem Gesetzgeber überlassen. Er ist nun die letzte Hoffnung der Betroffenen auf eine finanzielle Kompensation, gegebenenfalls auch nur als Wirtschaftshilfe. Continue reading >>
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04 August 2021
Eine Kommunikationsordnung für Soziale Netzwerke
Entscheide nach Deinen Regeln, aber entscheide rational, transparent und frei von Willkür. In diese Formel lassen sich die beiden Facebook-Urteile des Bundesgerichtshofs vom 29.7.2021 zum Umgang von Betreibern Sozialer Netzwerke mit nutzergenerierten Inhalten auf ihren Plattformen gießen. Eine prima facie-Auseinandersetzung mit den Urteilen auf Grundlage der Pressemitteilung zeigt, dass das Zivilrecht selbst unter Zuhilfenahme der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten keine abschließenden Antworten zu liefern vermag. Continue reading >>
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21 December 2020
Staatshaftung im Lichte der Grundrechte
Mit seinem Urteil von 2016 war der BGH das erste Gericht, das staatshaftungsrechtliche Ansprüche beim Einsatz von Streitkräften im Ausland kategorisch und pauschal ausschloss. An der Herangehensweise und dem argumentativen Fundament des BGH-Urteils übt das BVerfG in einem letzte Woche veröffentlichten Beschluss nun deutliche Kritik. Continue reading >>
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19 December 2020
Fingerzeig an die Karlsruher Kollegen
Mehr als 10 Jahre ist der tödliche Bombenabwurf in der Region Kunduz unter Beteiligung der Bundeswehr her. Jetzt hat eine Kammer des BVerfG dazu einen Beschluss veröffentlicht und damit einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Anwendbarkeit des nationalen Amtshaftungsrechts auf den Einsatz von Streitkräften im Ausland geleistet. Die Kammer ist dabei insbesondere der ablehnenden Haltung des BGH mit gewichtigen verfassungsrechtlichen Argumenten entgegengetreten. Die Entscheidung stärkt damit den Grundrechtsschutz, aber endgültig klären kann sie die amtshaftungsrechtliche Problematik leider noch nicht. Continue reading >>
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02 July 2020
Im Namen des Gesetzes
Die Frage, ob die grammatisch männliche Ansprache eine Frau in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ihren Rechten aus Art. 3 GG verletzt, bleibt vorerst weiter unbeantwortet. Die Verfassungsbeschwerde einer Sparkassenkundin, die gegen ihre Ansprache als "Kunde" in den Formularen der Bank geklagt hatte, hat das Bundesverfassungsgericht wegen Begründungsmängeln als unzulässig zurückgewiesen (Beschl. v. 26.05.2020 Az. 1 BvR 1074/18). Damit bleibt vorerst offen, ob ein Recht auf Nichtdiskriminierung durch Sprache besteht. Die Auseinandersetzung mit der Argumentation der Vorinstanz zeigt jedoch, dass in den Augen des BVerfG auch rechtliche Texte bis hin zum Grundgesetz selbst einem Sprachwandel unterworfen sein können, der gesellschaftliche Realitäten widerspiegelt. Continue reading >>27 May 2019
Ein Rückschritt im Dialog der Gerichte: Der BGH übergeht den EGMR
Der Dialog zwischen dem BGH in Karlsruhe und dem EGMR hat spätestens seit den Caroline-Urteilen aus Straßburg gut funktioniert. In einem Urteil aus dem letzten Monat scheint der III. Zivilsenat des BGH dagegen den Blick über den Rhein zu scheuen. Bei der Frage, ob ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention vorliegt, verlässt er sich ausschließlich auf seine eigene Rechtsprechung und übergeht den EGMR. Continue reading >>
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09 September 2011