20 September 2024
Solingen 93/24
Zweimal Solingen, zweimal unterschiedlichste extremistische Motivlagen, und doch: zweimal Solingen als Verstärker für Verschärfungen des Asylrechts, einmal 1993, und ganz aktuell 2024 mitzuerleben beim Migrationsgipfel und neuen Asylpaketen, gefordert nicht nur von rechts, sondern umgesetzt aktuell von der Ampelregierung. Damals wie heute waren die Anschläge, im Vorfeld wie im Nachgang, von einem Wording begleitet, dass Verunsicherung, Wut, Ärger und scheinbare Hilflosigkeit erzeugt(e) – und nein, das ist nicht verständnisvoll gemeint. Eine rechtssoziologische und kriminologische Perspektive zeigt, wie gefährlich Diskursverschiebung und Gesetzesverschärfungen als alleiniges „Allheilmittel“ in Reaktion auf das Attentat sind. Diese Spirale erhöht die Gefahr, dass sich weitere „Solingen“ – hier oder anderswo – ereignen. Continue reading >>
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30 October 2023
Forschungsfreiheit im Strafprozess
2020 lehnte erstmals ein Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht für Forschende ausdrücklich ab. Dass Forschende ihren Proband*innen so keine Vertraulichkeit zusichern können, macht ihre Forschung schwer bis unmöglich. Nun hat sich das Bundesverfassungsgericht in der Sache geäußert - obwohl die zugrundeliegende Verfassungsbeschwerde verfristet einging. Im Kern stärkt das Bundesverfassungsgericht die Vertraulichkeit empirischer Kriminalitätsforschung. So müsse eine umfangreiche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden, im Zuge derer auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung empirischer Kriminalitätsforschung zu berücksichtigen sei. Strafverfolgungsbehörden dürfen Forschung nicht durch die Beschlagnahme ansonsten vertraulicher Forschungsdaten verunmöglichen. Gleichwohl bleiben wichtige Folgefragen offen. Continue reading >>20 July 2023
Schmerzgriffe als Technik in der polizeilichen Praxis
Bereits seit längerer Zeit kommen in (Teilen) der Polizei Techniken der Gewaltanwendung zum Einsatz, die als Schmerzgriffe bezeichnet werden. In der englischsprachigen Debatte werden diese Techniken unter dem Schlagwort „pain compliance“ diskutiert, was deutlich macht: Durch Schmerzen soll Gehorsam durchgesetzt werden. Rechtlich stellen sich Schmerzgriffe als problematisch dar, da sie vor allem auf eine Willensbeugung der Betroffenen durch (Angst vor) Schmerz abzielen. Die polizeiliche Praxis überformt zudem die rechtlichen Vorgaben zur Anwendung von Schmerzgriffen zugunsten einer effizienten polizeilichen Einsatzdurchführung. Sozialwissenschaftlich bzw. kriminologisch können Schmerzgriffe daher als Normalisierung und Verselbständigung polizeilicher Gewaltpraxen verstanden werden. Continue reading >>13 January 2023
Rechtsstaatliche und strafverfahrensrechtliche Ernüchterung nach der „Berliner Silvesternacht“
Nach gut zwei Wochen bietet die Berliner Silvesternacht weiterhin Anlass für Schlagzeilen und Talkshows. Kein Wunder – so kurz vor den Berliner Wiederholungswahlen. Insbesondere die rechtspopulistisch angehauchte Anbiederung der Berliner CDU, die nach den Vornamen der Tatverdächtigen fragt, erhitzte noch einmal die ohnehin wahlbedingt leicht reizbaren Gemüter in Berlin. Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey (SPD) wiederum forderte ein Umdenken der Strafjustiz, um so mit schnellen Strafen ein schlagkräftiges und rechtsstaatliches Zeichen gegen diese verrohten Jugendlichen zu setzen. Eine Vornamensabfrage hält sie hingegen für den falschen Ansatz. Continue reading >>17 November 2022
„Klima-RAF“ herbeireden
Derzeit erleben wir nahezu täglich und in ganz Europa, dass junge Menschen in unterschiedlichen Formen Protest erheben, um auf den voranschreitenden Klimawandel hinzuweisen. Alexander Dobrindt forderte härtere Strafen für „Klima-Chaoten“, um eine Radikalisierung zu vermeiden. Sollte der Protest besonders streng geahndet werden? Meine These lautet, dass selbst im Falle einer Strafbarkeit ein Labeling als Öko-Terrorismus beziehungsweise Schwerkriminalität nicht nur falsch, sondern sogar schädlich ist. Continue reading >>22 February 2021
Auf Schritt und Tritt
Anfang Februar hat das Bundesverfassungsgericht einen Beschluss veröffentlicht, in dem es die sogenannte elektronische Fußfessel für verfassungsgemäß erklärt – jedenfalls derzeit. Da auch zehn Jahre nach ihrer Einführung keine Langzeitstudien zum kriminalpräventiven Effekt der elektronischen Aufenthaltsüberwachung vorliegen, nimmt das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zu Recht in die Pflicht, die Maßnahme zu evaluieren. Wieso das Bundesverfassungsgericht auf die verpflichtende Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Gefährlichkeitsprognose verzichtet, leuchtet vor dem Hintergrund des intensiven Grundrechtseingriffs, der mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung einhergeht, hingegen nicht ein. Continue reading >>
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