Verantwortungseigentum!
Der Gesetzesentwurf zur GmbH mit gebundenem Vermögen
Eine Gruppe von Professorinnen und Professoren schlug 2020 die Schaffung einer „GmbH in Verantwortungseigentum“ (GmbH-VE) vor. Der Gesetzesentwurf wurde 2021 aktualisiert und in „GmbH mit gebundenem Vermögen“ (GmbH-gebV) umbenannt. Der Vorschlag soll eine besondere Form des Eigentums an Unternehmen ermöglichen, indem er die Rechte auf Profite ausschließt. Wird in Tagespresse und Fachzeitschriften um das Thema gestritten, geht es meist um nicht weniger als die Grundfesten der deutschen Wirtschaftsordnung. Tatsächlich eröffnet die GmbH-gebV einen sinnvollen ersten Schritt auf dem Weg zu nachhaltigerem Kapital. Will der Vorschlag dem Anspruch einer „Transformation der Wirtschaft in Richtung Verantwortung und Sinnhaftigkeit“ gerecht werden, könnte eine Einbettung ökologischer und sozialer Standards dieser realistischen Utopie eine noch konkretere Gestalt verleihen. Jedenfalls sollte sich der Gesetzesentwurf zu dem Ziel einer nachhaltigen „verantwortungsvollen“ Wirtschaftsweise bekennen.
Der aktuelle Gesetzesvorschlag
Anders als bei einer „normalen“ GmbH dürfen Überschüsse einer GmbH-gebV weder aus laufendem Betrieb noch in der Liquidation an die Gesellschafter ausgeschüttet werden (sogenanntes „Asset-Lock“). Verantwortungseigentümer beteiligen sich also nicht am Unternehmen, weil sie sich davon Profite für sich selbst erhoffen. Stattdessen sollen sie intrinsisch motivierte Treuhänder der Gesellschaft sein, die das Unternehmen lenken und weiterentwickeln, weil sie von der Sinnhaftigkeit dessen wirtschaftlicher Tätigkeit überzeugt sind. Dabei können sie für ihre Leistungen eine angemessene Vergütung erhalten, welche ein auskömmliches Leben und eine Altersvorsorge ermöglichen. Der treuhänderischen Stellung der Gesellschafter entsprechend soll zudem nicht Verwandtschaft oder Vermögen über die Weitergabe der Gesellschafterstellung entscheiden, sondern die Zugehörigkeit zu einer „Fähigkeiten- und Wertefamilie“. Im Kern werden dadurch Unternehmen nicht mehr als Mittel zum Zweck von Profiten verstanden, sondern Profite als Mittel zum Zweck des Unternehmens (Reiff, ZIP 2020, 1750, 1753 f.).
Der aktualisierte Gesetzesvorschlag einer „GmbH mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)“ reagiert auf zahlreiche Kritik und sieht neben der Umbenennung insbesondere verbesserte Absicherungen gegen Missbrauch vor. Zudem wurden der Gläubigerschutz sowie Interessen von Stakeholdern bei der Umwandlung zur GmbH-gebV stärker berücksichtigt. An den Kernbestimmungen hat sich allerdings nichts geändert. Nach den §§ 77a, 77f und 77g GmbHG-gebV soll das Vermögen der Gesellschaft „gebunden“ sein. Die Gesellschafter haben unabänderlich keinen Anspruch auf Auszahlung der Gewinne nach § 29 Abs. 1 GmbHG. Darüber hinaus sind Anteile nur mit Zustimmung aller Gesellschafter übertragbar (§ 77c GmbHG-gebV). Ihre Vererblichkeit kann sogar ganz ausgeschlossen werden.
Asset-Lock und Verbandsautonomie
Wie ist die Möglichkeit, Gesellschaftsvermögen dauerhaft zu binden, verfassungsrechtlich zu beurteilen? Dem Vorschlag zur GmbH-VE (GmbH-gebV) wird vorgeworfen, er schränke die Verbands- und Privatautonomie gravierend ein, indem er „sogar künftige Generationen an das heute für richtig Befundene binde“ (Grunewald/Hennrichs, NZG 2020, 1201, 1202). Die Abänderbarkeit der Satzung sei zu Recht ein zentraler Grundsatz des Gesellschaftsrechts. Wer künftige Generationen unabänderlich durch einen Asset-Lock binde, der beschränke zudem die Rechte potentieller Nachfolger.
Die Form der Vermögensbindung wird aber keiner GmbH aufgezwungen, sondern von den Gesellschaftern frei gewählt. Die darin zum Ausdruck kommende Vertragsfreiheit ist gerade der Kern der Privatautonomie nach Art. 2 Abs. 1 GG. Eine Grenze zum Schutz vor Fremdbestimmung zieht das BVerfG nur bei einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien, welches bei Gründung einer GmbH kaum vorliegt. Die langfristige Vermögensbindung durch die Formwahl der GmbH-gebV im Gesellschaftsvertrag berührt höchstens die Verbandsautonomie.
Die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 schützt iVm mit Art. 2 Abs. 1 GG das Recht des Verbands, seine eigenen Angelegenheiten und Rechtsverhältnisse selbst zu regeln. Zu dieser Verbandsautonomie gehört das Recht kollektiver Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts durch Satzung. Der Grundsatz der Verbandsautonomie soll aber neben Bildung und organisatorischer Gestaltung des Verbands auch „die Selbstbestimmung des Verbands und seiner Mitglieder vor einer Entäußerung [bewahren], die die eigene Willensbestimmung nahezu vollständig zum Erliegen bringt.“ Die zivilgerichtliche Rechtsprechung leitet daraus ab, dass Gesellschafter sich selbst und ihre Nachfolger nicht durch sogenannte „Ewigkeitsklauseln“ entmachten dürfen. Ausdrücklich unabänderliche oder nur theoretisch abänderbare Satzungsbestimmungen sind nichtig, da sie der Vereins- bzw. Verbandsautonomie widersprechen. Wenn der Asset-Lock wirklich als Ewigkeitsklausel zu verstehen ist und nicht einfach nur als neue Gesellschaftsform, dann würde er danach in Art. 9 Abs. 1 GG eingreifen.
Der Eingriff ginge von den Gesellschaftern aus, welche die Selbstbindung einstimmig (§ 77b Abs. 1 S. 1 GmbHG-gebV) beschließen. Soweit es nur eigene Rechte betrifft, muss die Beschränkung für die Gesellschafter daher im Rahmen der Privatautonomie zulässig sein. Nachfolgende Gesellschafter, welche Anteile im Rahmen eines Kaufs oder einer Schenkung erwerben, haben zum Zeitpunkt des Beschlusses mangels Gesellschafterstellung noch kein Recht auf Gewinnausschüttung. Der Erwerb eines GmbH-Anteils unter Vermögensbindung entzieht ihnen kein Recht, sondern gewährt ihnen von Anfang an einen nur eingeschränkten Handlungsspielraum. Nichts anderes kann im Rahmen von Art. 9 GG für potenzielle Erben oder Ansprüche im Rahmen eines Zugewinnausgleichs gelten. Soweit die Selbstentmachtung in die individualrechtliche Dimension der Vereinigungsfreiheit eingreift, ist keine Position eines Dritten außerhalb der entscheidenden Gesellschafter betroffen.
Die Verbandsautonomie hat aber auch eine ordnungspolitische Dimension. Die Möglichkeit unbegrenzter Selbstbindung kann zur (wirtschaftlich schädlichen) Handlungsunfähigkeit von Gesellschaften führen, wenn sich unabänderliche Satzungsbestimmungen später als unzweckmäßig herausstellen. Der grundrechtliche Schutz zielt dabei nicht auf subjektive Rechtspositionen künftiger Gesellschafter, sondern die (ökonomische) Funktionsfähigkeit der Verbände an sich. Der Vorschlag zur GmbH-gebV lässt das Verbot von Ewigkeitsklauseln aber bis auf eine Ausnahme intakt. Und die Vermögensbindung der Gesellschafter berührt die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Verbandes jedenfalls nicht direkt. Die Vermutung aus juristischen Kreisen, dass der Wegfall von profitbezogenen Anreizen zu Apathie und Desinteresse der Gesellschafter führe (Arnold/Burgard/Roth/Weitemeyer, NZG 2020, 1321, 1326), ist nach empirischen Studien zur unternehmerischen Motivation zweifelhaft. Zudem können Gesellschafter der GmbH-gebV für ihre Tätigkeit eben auch angemessen vergütet werden (§ 77g Abs. 2 GmbHG-gebV). Grundsätzlich ist in der wirtschaftlichen Praxis die Geschäftsführung ohnehin oft von den Gesellschaftern personell getrennt. Zudem wird die finanzielle Handlungsfähigkeit des Verbandes durch den Vermögenserhalt eher erweitert oder gesichert. Insgesamt lässt die gesetzgeberische Einführung eines optionalen Asset-Lock so keine grundrechtlich relevante Beeinträchtigung der Verbandsautonomie befürchten.
Kollektive Selbstentfaltung auch ohne Profit
Es steht noch die Frage im Raum, ob der Gesetzgeber nicht vielleicht verfassungsrechtlich daran gehindert wäre, die GmbH-gebV als bloße Variante der GmbH beziehungsweise insgesamt als Kapitalgesellschaft zu konzipieren. Tatsächlich war aus Kreisen des BMJV in dieser Hinsicht Skepsis zu hören. Kapitalgesellschaften seien ihrem Wesen nach darauf ausgerichtet, für ihre Gesellschafter Profite zu erwirtschaften. Deswegen könne nicht einfach das GmbH-Recht reformiert, sondern es müsse eine neue Gesellschaft geschaffen werden, in der ein Asset-Lock integrativer Bestandteil der Gesellschaftsform ist.
Grundsätzlich kommt dem Gesetzgeber für die Ausgestaltung des Verbandsrechts aber ein weiter Spielraum zu. Das BVerfG sieht den Gesetzgeber durch Art. 9 Abs. 1 GG nicht an die überkommenen Rechtsformen gebunden. Die Anforderungen an die Gesetzgebung stellt das BVerfG funktional auf. Sie sind Mittel zum Zweck des Schutzes der Vereinigungsfreiheit und der darin liegenden Möglichkeit kollektiver Selbstentfaltung.
Angesichts dieser funktionalen Betrachtung hat der Einwand, eine GmbH-gebV könne keine Variante einer Kapitalgesellschaft darstellen, weil die Vermögensbindung letztlich gegen dogmatische Kategorienbildung verstoße, zumindest keine verfassungsrechtliche Relevanz. Es ist nicht ersichtlich, dass aus diesem Kategorienbruch eine nachteilige Folge für den Schutz oder die Funktionsfähigkeit des Verbandswesens zu erwarten wäre. Ganz im Gegenteil erweitert eine neue GmbH-Variante die Palette der Formen kollektiver Zusammenschlüsse. Aus Perspektive des Verbandes ist Profit der Gesellschafter kein notwendiges Element kollektiver Selbstentfaltung. Das bloße Unbehagen, dass eine Regelung konzeptuell aus dem Rahmen fällt, kann keine Grenze der demokratisch legitimierten Gestaltungskraft des Gesetzgebers darstellen. Tatsächlich liegt wohl hier auch nicht der wahre Grund zur Skepsis, sondern im gefühlten Angriff auf eine liberalistische Eigentums- und Wirtschaftsordnung.
Anteilseigentum und Wirtschaftsordnung
In den Augen des Vorstands der Deutschen Stiftung Eigentum etwa kapert die Idee des Verantwortungseigentums „den Begriff des Eigentums und verkehrt ihn dabei in Wahrheit ins Gegenteil“. Aus dieser Sicht begreift das Grundgesetz Eigentum als Zuordnung eines Werts zu einer Person. Die GmbH mit Vermögensbindung ziele bewusst auf eine Auflösung dieses Personenbezugs und widerspreche daher dem grundrechtlichen Eigentumsgedanken.
Es ist zwar richtig, dass die Grundrichtung von Artikel 14 GG der Schutz des Privateigentums vor dem Zugriff des Staates ist. Aber dieses Privateigentum kann eben auch einer juristischen Person in Form eines Wirtschaftsunternehmens als Grundrechtsträger zugeordnet sein. Das Gesellschaftsrecht stellt dann eine Verknüpfung des abstrakt einem kollektiven Verband zugeordneten Vermögens zu daran beteiligten Einzelpositionen her. Das kann über Aktien oder etwa über Gesellschaftsanteile erfolgen. Gesellschaftsrecht ermöglicht so eine private Organisation von Kollektiveigentum an Unternehmen. Natürlich unterliegt der einzelne Anteil an einem Unternehmen wiederum dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes. In diesen Anteilen überlagern sich Eigentum und Verbandsautonomie.
Der Schutz aus Art. 14 GG erfasst nach dem BVerfG die „Substanz des Anteilseigentums in seiner mitgliedschaftsrechtlichen und vermögensrechtlichen Ausgestaltung“ und so für das Aktieneigentum auch die „Verkehrsfähigkeit der Aktie“. Aber ein GmbH-Anteil ist keine Aktie. Zwar ist auch ein Gesellschaftsanteil der GmbH nach § 15 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich übertragbar. Die aufwendige notarielle Form der Übertragung (§ 15 Abs. 3 GmbHG) und mögliche weitere Voraussetzungen durch Gesellschaftsvertrag (§ 15 Abs. 4 GmbHG) zeigen aber, dass es hier um keine echte Verkehrsfähigkeit des Anteils geht. Der Grundgedanke der GmbH-Anteile besteht nicht in einer Marktfinanzierung, sondern der gezielten Unterstützung durch und Mitwirkung von Gesellschaftern an der unternehmerischen Tätigkeit unter Ausschluss des Risikos persönlicher Haftung.
Grundsätzlich bestimmt der einfache Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) bis zur Grenze der Institutsgarantie. Der Ausschluss freier Übertragbarkeit und profitorientierter Nutzung eines GmbH-Anteils ist strukturell nichts anderes als die Nutzungsbeschränkung eines Grundstücks im Rahmen von Denkmal- oder Naturschutz. Eigentum ist kein starres Naturrecht, sondern ein durch verschiedene gesetzliche Positionen geschaffenes Bündel von Rechten und Pflichten. Der Gesetzgeber kann einzelne Rechte aus diesem Bündel herausnehmen oder umgestalten. Im Fall der GmbH-gebV handelt es sich noch nicht einmal um eine zwingende Beschränkung, sondern nur um die zusätzliche Variante einer Eigentumsform, welche die Gesellschafter privatautonom wählen können.
Auch die Einschränkung der Vererbung des Anteils ist grundrechtlich unproblematisch. Inhalt und Schranken des Erbrechts bestimmt der Gesetzgeber ebenfalls nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Wenn im Recht der Personengesellschaften regelmäßig der Gesellschafter mit dem Tod aus der Gesellschaft ausscheidet (§727 BGB, §131 Abs. 3 HGB), kann der Übergang eines GmbH-Anteils an den Erben auch an die Zustimmung der Gesellschafter geknüpft werden. Das Institut der privaten Erbfolge wird durch diese spezielle gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung nicht in Frage gestellt. Der Erblasser hat der beschränkten Vererbbarkeit ohnehin zugestimmt. Dem Erben bleibt der Wert der Erbschaft durch die Erstattungsregelung in § 77c Abs. 3 Satz 4 GmbHG-gebV erhalten.
Aus der Interessenvereinigung DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V. ertönt die Warnung, mit der neuen Rechtsform solle dauerhaft sichergestellt werden, dass die Gesellschafter ihr Eigentum nicht nutzen könnten: „Das stellt unser ganzes bisheriges Gesellschaftsmodell zur Disposition“. Sollte der Einwand nur das Modell des Familienunternehmens meinen, reicht ein Hinweis auf die Freiheit gesellschaftsrechtlicher Formenwahl. Darüber hinaus enthält das Grundgesetz „keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung“ und legt sicher keine zwingend profitsteigernde Nutzung des Eigentums fest. Natürlich nutzt auch der Gesellschafter einer GmbH-gebV sein Eigentum, nur eben nicht in einer auf Gewinn abzielenden Weise. Das widerspricht nicht dem Modell des Grundgesetzes, sondern verwirklicht dessen Gedanken einer verantwortlichen Nutzung im Sinne der Sozialbindung von Art. 14 Abs. 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“.
Verantwortungseigentum und Gemeinnützigkeit
In der Bezeichnung Veran