18 September 2024

Zahlen lügen nicht?

Schein und Sein des Regierungsentwurfs zum Bundeshaushalt 2025

Das Budgetrecht gilt als Königsrecht des Parlaments. Es ist eines der wichtigsten Instrumente, mit denen der Deutsche Bundestag das Regierungshandeln steuert und kontrolliert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zählt das Haushaltsbewilligungsrecht zum „Kern der parlamentarischen Rechte in der Demokratie“. Jedes Jahr entscheidet die Legislative, welche finanziellen Mittel der Exekutive zugewiesen oder verweigert werden.

Weil der Haushalt eines der zentralen Gestaltungsinstrumente der Politik ist, münden die parlamentarischen Beratungen über ihn traditionell in einer politischen Generaldebatte, bei der es um mehr als nur um Zahlen geht. Von der Migrationspolitik über die Wirtschaftspolitik bis hin zur Sozialpolitik: Der Kurs der Regierung steht zur Diskussion. Dieser politische Schlagabtausch zwischen Regierungsmehrheit und Opposition ist eines der festen Rituale, bei dem es stets um das große Ganze geht.

Der aktuelle Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 (BT-Drucksache 20/1240) – als „in Zahlen gegossenes Regierungsprogramm“ – bietet jedoch Anlass, das eher nüchterne Zahlenwerk einer eingehenden verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen. Denn die Folgen eines verfassungswidrigen Haushalts können kaum überschätzt werden, wie das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 eindrucksvoll zeigte (vgl. dazu insbesondere die auf dieser Seite veröffentlichten Debattenbeiträge). Gerade angesichts dieser Entscheidung ist der aktuelle Haushaltsentwurf verfassungsrechtlich kritisch zu hinterfragen.

Insbesondere die Höhe der im Entwurf ausgebrachten Globalansätze ist verfassungsrechtlich fragwürdig. Es liegt nahe, dass damit der Haushaltsgrundsatz der Klarheit und Wahrheit verletzt wird. Erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen auch die – noch zu beschließenden – Änderungen im einfachen Haushaltsrecht zur „periodengerechten“ Veranschlagung von Zinsausgaben sowie die Eigenkapitalzuführung und Darlehensgewährung an die Deutsche Bahn.

Der Haushaltsentwurf und seine Entstehung

Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 enthält globale Haushaltspositionen – d.h. solche Positionen, die zwar eine bestimmte Höhe ausweisen, aber sachlich nicht einem bestimmten (Sach-)Titel zugeordnet sind – in Höhe von insgesamt knapp 50 Milliarden Euro. Darin enthalten sind allgemeine Globale Minderausgaben (sog. Bodensatz-GMA) in Höhe von rund 12 Milliarden Euro, was rund 2,5 Prozent des Gesamthaushaltsvolumens von 488,61 Milliarden entspricht. Dazu kommen Globale Mehreinnahmen (GME) und Globale Mindereinnahmen im Saldo von 6,93 Milliarden Euro. Diese hohen Globalansätze erklären sich dadurch, dass sich die Bundesregierung im Zuge der Haushaltsaufstellung nicht auf konkrete Ausgabenkürzungen einigen konnte, um den verfassungsrechtlich zwingenden formalen Haushaltsausgleich (Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG: „Der Haushaltsplan ist in Einnahme und Ausgabe auszugleichen.“) zu erreichen.

Ein im September 2024 von Kube im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion erstattetes rechtliches Kurzgutachten äußert erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Regierungsentwurf – vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Globalansätze mit dem verfassungsrechtlichen Haushaltsgrundsatz der Klarheit und Wahrheit.

Globale Minderausgaben (GMA) und Globale Mehreinnahmen (GME)

GMA sind weder im Grundgesetz noch im einfachen Haushaltsrecht (HGrG, BHO) geregelt, sondern „ein Kind der Haushaltspraxis“ (Gröpl, in: Gröpl (Hrsg.), BHO/LHO, 2. Aufl. 2019, § 11 Anh. Rn. 1). Sie beruhen auf der Erfahrung, dass die im Haushaltsplan in einer bestimmten Höhe veranschlagten Ausgabeermächtigungen häufig nicht vollständig in Anspruch genommen werden. Es handelt sich um Ausgabenkürzungen, deren Umsetzung der Exekutive im Haushaltsvollzug überlassen wird. Der Haushaltsgesetzgeber gibt lediglich die Höhe (und bei spezifischen GMA auch den Bereich) der Kürzung vor.

Unsichere wirtschaftliche, gesellschaftliche oder politische Entwicklungen machen es schwer, genau abzuschätzen, in welchen Haushaltsbereichen Ausgabeermächtigungen nicht vollständig ausgeschöpft werden. Deshalb weisen Haushaltspläne häufig sogenannte allgemeine GMA aus. Diese „Bodensatz-GMA“ können durch Einsparungen in allen Ressorts gedeckt werden. In welchen Haushaltstiteln weniger ausgegeben wird, bleibt damit dem Haushaltsvollzug durch die Exekutive überlassen.

GME wiederum sind Haushaltsansätze, denen die Erwartung einer Einnahme zugrunde liegt, deren Realisierung aber noch von Zwischenschritten abhängt, so dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit tatsächliche Einnahmen in den Haushaltsplan eingestellt werden können. In Betracht kommen beispielsweise Steuergesetze, die bereits in den Bundestag eingebracht, aber noch nicht abschließend beraten wurden. Der Entwurf des Haushaltsplans 2025 veranschlagt GME in Höhe von 14,27 Milliarden Euro. Abzüglich der eingestellten erwarteten Mindereinnahmen (Globale Mindereinnahmen) in Höhe von etwa 7,35 Milliarden Euro ergeben sich GME in Höhe von insgesamt rund 6,93 Milliarden Euro.

Haushaltsgrundsatz der Klarheit und Wahrheit

Der aus Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Haushaltsgrundsatz der Wahrheit verbietet bewusste Abweichungen von der Realität („Lügen“) im Haushaltsplan. Daraus ergibt sich die Pflicht des Haushaltsgesetzgebers, die voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsjahr so genau wie möglich zu schätzen („Schätzgenauigkeit“). Dem Gesetzgeber ist es insofern untersagt, Haushaltspositionen realitätsfremd hoch oder niedrig zu veranschlagen. Der verfassungsrechtliche Haushaltsgrundsatz der Klarheit gebietet, dass der Haushaltsplan möglichst übersichtlich und transparent ausgestaltet ist. Dadurch soll unter anderem die Nachvollziehbarkeit für die Abgeordneten sichergestellt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat Inhalt und Grenzen des Haushaltsgrundsatzes der Klarheit und Wahrheit bisher kaum konturiert. In seinem Haushaltsurteil vom 15. November 2023 hat es explizit offengelassen, ob das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 angesichts des weitreichenden Gebrauchs von globalen Ansätzen gegen den Haushaltsgrundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit verstoßen hat. In der Literatur sind die verfassungsrechtlichen Grenzen solcher Globaltitel umstritten (vgl. etwa die Rechtsgutachten von Siekmann, Iwers und Gröpl).

Verfassungsrechtliche Grenzen der Veranschlagung von GMA und GME

GMA werden zu verschiedenen Zwecken ausgebracht, insbesondere zur Abschöpfung des erfahrungsgemäß im Haushaltsvollzug verbleibenden „Bodensatzes“ nicht ausgeschöpfter Haushaltsmittel. In der Sache werden diese Bodensatz-GMA damit gerechtfertigt, dass im Vorfeld häufig nicht genau prognostiziert werden kann, in welchem Bereich des Haushalts Ausgabeermächtigungen nicht ausgeschöpft werden. Im Gegenteil könnte es dem Grundsatz der Haushaltsklarheit und -wahrheit widersprechen, wenn voraussichtliche Minderausgaben im Haushaltsplan nicht abgebildet würden. Vergleichbares gilt für GME: Der Haushaltsgesetzgeber ist verpflichtet, mit gewisser Wahrscheinlichkeit im Haushaltsjahr erzielte Einnahmen zu veranschlagen, um dem Grundsatz der Klarheit und Wahrheit des Haushalts zu entsprechen.

Indes lassen sich GMA und GME, die mit dem Ziel veranschlagt werden, den Haushalt nur zum Schein auszugleichen, kaum mit dem Haushaltsgrundsatz der Klarheit und Wahrheit vereinbaren (vgl. nur Tappe, in: Gröpl (Hrsg.), BHO/LHO, 2. Aufl. 2019, § 11 Rn. 65: „optische Sparsamkeit“). Ein solcher Scheinausgleich kann dann angenommen werden, wenn der Haushalt ohne entsprechend hohe Bodensatz-GMA oder GME ein nicht ausgeglichenes Defizit ausweisen würde, das im Widerspruch zum formalen Ausgleichsgebot des Art. 110 Abs. 1 Satz 2 GG stünde – die GMA oder GME also allein deshalb eingestellt werden, um den Haushalt formal zum Ausgleich zu bringen.

Scheinausgleich durch Bodensatz-GMA und GME im Haushaltsentwurf 2025?

GMA und GME sind naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden, da sich selten konkret vorhersagen lässt, in welcher Höhe Ausgabeermächtigungen nicht beansprucht oder Mehreinnahmen tatsächlich erzielt werden. Insofern kann dem Haushaltsgesetzgeber ein Spielraum bei der Höhe der Veranschlagung eingeräumt werden. Der Umfang des Einschätzungsspielraums findet seine Grenze aber jedenfalls in der Verpflichtung zur Schätzgenauigkeit. Der Gesetzgeber ist insofern verpflichtet, alle maßgeblichen Umstände zur möglichst genauen und sachgerechten Bestimmung der voraussichtlichen Höhe der Position zu berücksichtigen.

Bei dem aktuellen Regierungsentwurf spricht allein schon die Höhe der Bodensatz-GMA für einen Verstoß gegen den Haushaltsgrundsatz der Wahrheit (genauer: der Schätzgenauigkeit) und damit für die Verfassungswidrigkeit des Haushaltsentwurfs. Zwar werden sich absolute Höchstgrenzen für die Bodensatz-GMA allenfalls näherungsweise bestimmen lassen. Indizwirkung kann aber der Veranschlagungspraxis der Vergangenheit zugemessen werden.

In den Haushaltsplänen der vergangenen Jahre lag der Anteil allgemeiner Globaler Minderausgaben zumeist deutlich unter einem Prozent des Haushaltsvolumens, teilweise sogar bei null Euro. Der seit dem Jahr 2021 deutlich gestiegene Umfang soll nun im Vergleich zum Haushaltsjahr 2024 nochmals um rund vier Milliarden Euro erhöht werden, so dass die Bodensatz-GMA etwa 2,5 Prozent der im Entwurf veranschlagten Ausgaben ausmachen. Auch die Entstehungsgeschichte des Haushaltsentwurfs lässt eher auf eine „optische Sparsamkeit“ schließen als auf eine realistische Einschätzung tatsächlich zu erwartender Minderausgaben.

Ähnliches gilt für die veranschlagten GME. Diese haben sich im Vergleich zum Vorjahr nach Abzug der Globalen Mindereinnahmen von rund 1,67 Milliarden Euro auf knapp 7 Milliarden Euro erhöht. Für die Jahre 2022 und 2023 wurden keine GME eingestellt. Anders als bei den Bodensatz-GMA begründet die im Jahresvergleich erhebliche Höhe der GME allein wohl noch keine verfassungsrechtlichen Zweifel. So könnten beispielsweise weitgehende Änderungen, etwa im Steuerrecht, geplant sein, die realistischerweise zu erheblichen Mehreinnahmen führen. Auch größere Abweichungen zu vorangegangenen Jahren sind also durchaus denkbar. Gleichwohl ist der Gesetzgeber zunächst dazu verpflichtet, nur solche GME zu veranschlagen, die überhaupt potenziell anfallen können. Ferner sind die Einnahmen wie sonst auch möglichst genau zu schätzen.

Der Entwurf rechtfertigt die veranschlagten GME im Wesentlichen mit den finanziellen Auswirkungen der von der Bundesregierung beschlossenen Wachstumsinitiative. Geplant sind in diesem Maßnahmenpaket unter anderem der Abbau unnötiger Bürokratie, größere Investitions- und Arbeitsanreize sowie Steuererleichterungen in Höhe von 30 Milliarden Euro. Dabei ist jedoch bereits fragwürdig, ob die mit den Maßnahmen verfolgten Ziele überhaupt erreicht werden können.

Die parlamentarische „Budgethoheit“ und „Budgetverantwortung“

Problematisch erscheinen die Bodensatz-GMA- und GME-Ansätze des Haushaltsentwurfs auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Bundestag und Bundesregierung im Haushaltskreislauf (Aufstellung, Feststellung, Vollzug, Abrechnung, Prüfung und Entlastung). Die Bundesregierung ist für die Aufstellung des Regierungsentwurfs und dessen Einbringung beim Deutschen Bundestag zuständig (Art. 110 Abs. 3 GG, § 30 BHO). Die Beratung und Feststellung des Haushalts durch Gesetz fällt in die Zuständigkeit des Deutschen Bundestages (Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Vollzug des Haushalts obliegt wiederum der Exekutive.

Der Bundestag hat allerdings nicht nur das Recht („Budgethoheit“ oder „Budgetrecht“), sondern auch die Pflicht zur Übernahme der Verantwortung für die Haushaltspolitik („Budgetverantwortung“ oder „Budgetpflicht“). Er muss nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „die Kontrolle über grundlegende haushaltspolitische Entscheidungen behalten“, darf sich also seiner Pflicht nicht durch die Verlagerung wesentlicher Entscheidungen der Haushaltspolitik entziehen. Das schließt auch das Verbot mit ein, „durch unbestimmte haushaltspolitische Ermächtigungen auf andere Akteure“ die Budgetverantwortung zu übertragen.

Diese Verantwortung bezieht sich zunächst nur auf wesentliche haushaltspolitische Entscheidungen. Zum Teil wird vertreten, dass GMA stets die parlamentarische Budgetverantwortung verletzen würden. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es dem Haushaltsgrundsatz der Klarheit und Wahrheit auch widerspräche, trotz voraussehbarer Minderausgaben auf eine Veranschlagung zu verzichten. Um eine „wesentliche haushaltspolitische Entscheidungen“ handelt es sich jedenfalls dann, wenn die Bodensatz-GMA nicht der Abschöpfung eines tatsächlich erwartbaren Bodensatzes dienen, sondern bewusste Entscheidungen über Einsparungen auf die Exekutiv-Ebene verlagern. Ohne Einsparung käme nur eine Überschreitung der Kreditobergrenzen im Vollzug (Art. 115 Abs. 2 Satz 4 GG) in Betracht. Eine solche ist aber nach der Konzeption der Schuldenbremse nur bei ungeplanten Entwicklungen im Haushaltsvollzug zulässig, nicht dagegen bei schon im Haushaltsplan angelegten („geplanten“) Defiziten, wie es bei von vornherein zu hoch angesetzten GMA vermutet werden könnte.

Durch die Veranschlagung von Bodensatz-GMA in Höhe von etwa 12 Mrd. EUR werden wesentliche Ausgabeentscheidungen faktisch vom Parlament auf die Exekutive verschoben. Letztere bestimmt im Rahmen des Haushaltsvollzugs weitgehend autonom darüber, auf welche Weise und in welchen Teilbereichen des Haushalts die Einsparungen vorgenommen werden. Insofern ließe sich im Falle einer Verabschiedung dieses Haushaltsentwurfes sogar von einer Selbstentmachtung des Parlaments sprechen.

Auf der anderen Seite verpflichtet der Bundestag die für den Vollzug des Haushaltsplans zuständige Exekutive zu Einsparungen, die in dieser Form voraussichtlich nicht umsetzbar sind. Der Deutsche Bundestag würde sich so seiner Verantwortung entziehen, selbst (gegebenenfalls unliebsame) Einsparungsentscheidungen zu treffen.

Umstrittene Eigenkapitalzuführung und Darlehensgewährung

Die mit 12 Milliarden Euro bereits historisch einmalig hohen GMA waren zu Beginn des Entwurfsverfahrens sogar noch höher angesetzt. Ursprünglich ist die Bundesregierung von Bodensatz-GMA in Höhe von 17 Mrd. EUR ausgegangen. Aufgrund der erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken bei der Veranschlagung von Bodensatz-GMA (besonders in dieser Höhe) wurden die Minderausgaben im Anschluss verringert.

Diese Reduzierung konnte insbesondere dadurch erreicht werden, dass der Deutschen Bahn anstelle eines Zuschusses nunmehr Eigenkapital in Höhe von 4,5 Milliarden Euro zugeführt werden soll. Zusätzlich soll der Bahn ein Darlehen des Bundes über drei Milliarden Euro gewährt werden. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei diesen Vorgängen um sogenannte finanzielle Transaktionen, so dass sie nicht auf die Schuldenbremse (Art. 115 Abs. 2 Satz 1 GG) angerechnet werden. In der Folge können diese Maßnahmen nach Auffassung der Bundesregierung aus zusätzlichen Krediten finanziert werden, was zu einer Reduzierung der GMA in entsprechender Höhe führt.

Ob die Darlehensgewährung und Eigenkapitalzuführung als finanzielle Transaktionen im Sinne der Schuldenbremse bewertet werden können, ist allerdings zweifelhaft, wie in einem Gutachten für das BMF von Hellermann, in einem Brief des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF an den Finanzminister und jüngst in dem Gutachten für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion von Kube deutlich wird.

Gesetzentwurf zur „periodengerechten Veranschlagung von Zinsausgaben“

Schließlich hängt der Ausgleich des Haushalts 2025 maßgeblich von einer geplanten Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) und der Bundeshaushaltsordnung (BHO) ab, die im Haushaltsentwurf 2025 zu GMA in Höhe von 7,3 Milliarden Euro führt.

Mit der geplanten Gesetzesänderung, die bereits zum Haushaltsjahr 2025 in Kraft treten soll, sollen Zinsausgaben im Rahmen der staatlichen Kreditaufnahme periodengerecht veranschlagt werden (BT-Drucks. 20/12771).  Nach der Begründung zum Gesetzentwurf wird damit das Ziel verfolgt, die Be- und Entlastungen durch Zu- und Abschläge bei der Ausgabe von Bundeswertpapieren (sogenannte Agien und Disagien) auf die Laufzeit des Wertpapiers zu verteilen und nicht mehr in dem Jahr der Fälligkeit zu verbuchen. Mit der neuen Verbuchungstechnik lockern Disagien, wie sie im aktuellen Zinsumfeld vor allem anfallen, kurzfristig die Grenzen der Schuldenbremse zulasten künftiger Haushalte. Angesichts dieser Entlastungswirkung zugunsten aktueller und zulasten zukünftiger Haushalte liegt die Vermutung nahe, dass die geplante Gesetzesänderung gar nicht der „periodengerechten“ Veranschlagung von Zinsausgaben dient, sondern der Vergrößerung von Verschuldungsspielräumen in der Gegenwart.

Unabhängig von der gesetzgeberischen Intention werden mit den geplanten Änderungen die verfassungsrechtlichen Haushaltsgrundsätze der Jährigkeit und Fälligkeit durchbrochen. Ob die Durchbrechungen gerechtfertigt sind, erscheint angesichts der strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Haushaltsgrundsätzen der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit im Zusammenhang mit der Schuldenbremse bestenfalls zweifelhaft.

Fazit

Angesichts der deutlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse geht die Bundesregierung mit den vorgeschlagenen Maßnahmen zum Haushaltsausgleich – Veranschlagung signifikant erhöhter GMA und GME, Eigenkapitalzuführungen und Darlehen statt Zuschüsse, Änderungen der Buchungstechnik bei Zinsausgaben – erhebliche verfassungsrechtliche Risiken ein.

Auch wenn die Bundesregierung mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Pflicht zur Vorlage eines etatreifen Haushaltsentwurfs verletzt hat, ist der Bundestag nun aufgerufen, sein Budgetrecht aktiv auszuüben und damit seine Budgetverantwortung wahrzunehmen, insbesondere indem er die Höhe der GMA und GME durch Priorisierungsentscheidungen auf ein angemessenes Maß reduziert. Passt der Bundestag die GMA und GME nicht an, würde er jedenfalls Teile seiner Budgetverantwortung in verfassungsrechtlich zweifelhafter Weise auf die Exekutive übertragen. Das wäre doppelt problematisch: Einerseits würde sich der Bundestag eines seiner zentralen Gestaltungsrechte begeben, sich zugleich aber auch der ihm zukommenden Verantwortung entziehen.


SUGGESTED CITATION  Meickmann, Till Valentin; Freund, Niklas: Zahlen lügen nicht?: Schein und Sein des Regierungsentwurfs zum Bundeshaushalt 2025, VerfBlog, 2024/9/18, https://verfassungsblog.de/verfassungsrecht-bundeshaushalt-2025/, DOI: 10.59704/fa5ee7250031bced.

2 Comments

  1. Weichtier Thu 19 Sep 2024 at 07:02 - Reply

    T.V.M. + N.F.: “Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2025 enthält globale Haushaltspositionen – d.h. solche Positionen, die zwar eine bestimmte Höhe ausweisen, aber sachlich nicht einem bestimmten (Sach-)Titel zugeordnet sind – in Höhe von insgesamt knapp 50 Milliarden Euro.”

    Globale Minderausgaben: 12 Mrd. Euro
    Globale Mehreinnahmen: 14,27 Mrd. Euro
    Globale Mindereinnahmen: 7,35 Mrd. Euro
    Eigenkapital Deutsche Bahn: 4,5 Mrd. Euro
    Änderung HGrG und BHO: 7,3 Mrd. Euro
    Macht summa summarum: 45,42 Mrd. Euro (wenn ich nichts übersehen habe und mich nicht verrechnet habe).

    Ich will ja nicht pinzig sein: Was hat es mit der Differenz von 4,58 Mrd. Euro (ca. 10%) zu den knapp 50 Mrd. Euro auf sich? Ist das eine globale „Rundungsdifferenz“?

    T.V.M. + N.F.: „Mit der geplanten Gesetzesänderung, die bereits zum Haushaltsjahr 2025 in Kraft treten soll, sollen Zinsausgaben im Rahmen der staatlichen Kreditaufnahme periodengerecht veranschlagt werden (BT-Drucks. 20/12771). Nach der Begründung zum Gesetzentwurf wird damit das Ziel verfolgt, die Be- und Entlastungen durch Zu- und Abschläge bei der Ausgabe von Bundeswertpapieren (sogenannte Agien und Disagien) auf die Laufzeit des Wertpapiers zu verteilen und nicht mehr in dem Jahr der Fälligkeit zu verbuchen.“

    Ist das jetzt der Beginn des Abschieds von der Kameralistik im Haushaltsrecht des Bundes und der Einstieg in die Doppik (Periodengerechtigkeit)? Warum ist man inkonsequent und geht nicht den ganzen Weg zur Doppik (wie in der kommunalen Doppik der Gemeinden des Landes Rheinland-Pfalz)? Dann könnten auch die Pensions- und Beihilfeverpflichtungen, die in 2025 von Bundesbeamten „erdient“ werden, im Haushalt periodengerecht ausgewiesen werden.

    • Meickmann, Freund Tue 1 Oct 2024 at 13:56 - Reply

      Vielen Dank für Ihren Kommentar.

      Zur Höhe der Globalpositionen im Haushaltsentwurf:
      Der Haushaltsentwurf enthält insgesamt über 35 Globalansätze. Dazu gehören auch die – für den Beitrag nicht weiter relevanten – spezifischen GMA (z.B. die mehrfach veranschlagten GMA infolge § 6 Abs. 11 HG 2016 oder die Position „Globale Minderausgabe Grundrente und GMA“ in Höhe von etwa 1 Milliarde Euro), die sich im Haushaltsentwurf 2025 insgesamt auf rund 7 Milliarden Euro belaufen. Der Entwurf bringt damit Globalpositionen in Höhe von etwa 48 Milliarden Euro („knapp 50 Milliarden Euro“) aus. Ebenfalls für unseren Beitrag nicht weiter relevant sind die Globalansätze betreffend die Sondervermögen Klima- und Transformationsfonds (insgesamt 12 Milliarden Euro), „Aufbauhilfe“ (240 Millionen Euro) und Bundeswehr (5 Milliarden Euro). Nicht zu diesen Globalansätzen gehören die Eigenkapitalzuführung und die Darlehensgewährung an die Deutsche Bahn. Diese Finanzierungsmethoden wurden gewählt, um die GMA in entsprechender Höhe zu verringern.

      Zur geplanten „periodengerechten“ Veranschlagung von Zinsausgaben:
      Genau dieser Aspekt ist einer der Kritikpunkte an der geplanten Neuregelung: Die vorgesehene teilweise (da nur Zinsausgaben betreffende) Änderung der Buchungstechnik führt zu einer Art „Mischsystem“. Es soll dem Grunde nach bei der Kameralistik für den Bund bleiben, Zinsausgaben (insbesondere anfallende Agien und Disagien) sollen aber verteilt auf die Wertpapierlaufzeit berücksichtigt werden – eine Buchungstechnik, die der Kameralistik wesensfremd und eher der staatlichen Doppik zuzuordnen ist.
      Über den Grund für diese selektive Umstellung kann man nur mutmaßen. Nahe liegt unseres Erachtens aber die Vermutung, dass es dem Gesetzgeber maßgeblich darum geht, die aufgrund der hohen Marktzinsen künftig (insbesondere auch im Haushaltsjahr 2025) entstehenden Belastungen des gegenwärtigen Haushalts (Disagien) abzuschwächen und zulasten künftiger Haushalte zu verteilen.
      Darauf deutet bereits der Umstand hin, dass – wie Sie angemerkt haben – keine vollständige Umstellung auf die staatliche Doppik erfolgen soll. Von einem „Abschied von der Kameralistik im Haushaltsrecht des Bundes“ und einem „Einstieg in die Doppik“ wird man also (noch?) nicht sprechen können.

      Interessant im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt 2025 ist auch die zwischenzeitlich erfolgte Anhörung zur Rechtmäßigkeit des Haushaltsentwurfs im Bundestag (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw39-pa-haushalt-1018948).

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