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20 June 2023

Von der Nachhaltigkeit zur Resilienz und einem planetaren Grundgesetz

Das Rechtskonzept der nachhaltigen Entwicklung ist trotz vielgestaltiger Konkretisierungsversuche noch immer mit erheblichen Ambivalenzen und Implementierungsproblemen behaftet. Zu stark scheinen die widerstreitenden Interessen zu sein, die im gängigen Drei-Säulen-Modell (Ökonomie-Ökologie-Soziales) nur scheinbar in Einklang gebracht werden. Obwohl das Konzept der Nachhaltigkeit seit den 1970ern auf der internationalen Agenda steht und Eingang in verschiedene Rechtstexte gefunden hat, mehrt sich die Kritik (grundsätzlich: AtKisson, Benson/Craig und Viñuales; für eine Kritik am Drei-Säulen-Modell auch: Ekardt). Die inflationäre Nutzung des Konzepts, etwa im Kontext der EU-Taxonomie Verordnung, droht den Inhalt weiter zu verwässern.

Dennoch scheint es mir verfrüht, das Ende der Nachhaltigkeit auszurufen (so aber z.B. Kersten, S. 48). Stattdessen soll hier der Fokus auf eine weitere Konkretisierung bzw. Ergänzung des Konzepts der Nachhaltigkeit gelegt werden (allgemein zur Konkretisierung z.B.: Gehne). Dafür bieten sich das Konzept der Resilienz und die damit eng verbundenen planetaren Grenzen an (vgl. zu letzterem auch: Mittwoch, S. 34). Die Verankerung planetarer Grenzen im Grundgesetz und deren weitere Konkretisierung im einfachen Recht würden es Deutschland erlauben, seinen „fair share“ dazu beizutragen, dass die Menschheit zurück in den „safe operating space“ gelangt (Rockström et al.; Steffen et al.; Persson et al.; Wang-Erlandsson et al.; Rockström et al.), und dies nicht ‚nur‘ für den Klimawandel, sondern auch für andere planetare Existenzbedrohungen wie das Artensterben.

Von der Nachhaltigkeit zur Resilienz des Erdsystems

Angesichts der sich zuspitzenden planetaren Krisen gibt es seit längerem Forderungen, das Konzept der Nachhaltigkeit aufzugeben und stattdessen auf das Konzept der Resilienz zu setzen (vgl. etwa: Benson/Craig, 2013). Beide Konzepte schließen sich aber nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Ein nicht-nachhaltiges System ist auf Dauer nicht resilient. „Resilience thinking“ ist insbesondere in den Bereichen wichtig, in denen ein Festhalten am status quo der Notwendigkeit weicht, mit nicht mehr abwendbaren Folgen umzugehen bzw. sich auf diese vorzubereiten (z.B. Klimaresilienz). Gleichzeitig geht es der ökologischen Resilienzforschung darum, diejenigen Belastungsgrenzen zu identifizieren, deren Erreichen die Resilienz von Ökosystemen überfordert. Bezogen auf das Erdsystem lenkt ein solches Denken den Blick auf Kipppunkte und andere kritische Schwellen (dazu jüngst der IPCC).

Die Planetaren Grenzen

Damit sind wir bei den planetaren Grenzen. Maßgeblich unter Schirmherrschaft des Stockholm Resilience Centre entwickelt, soll das Konzept der planetaren Grenzen der Menschheit einen „safe operating space“ aufzeigen. Es beruht auf der Annahme, dass erst das relativ stabile Erdklima des Holozäns menschliche Zivilisationen ermöglichte. Im Anthropozän gefährdet die Menschheit selbst die Stabilität und Resilienz des Erdsystems (Rockström et al.) und wird damit zum zivilisatorischen Risiko (vgl. Ord). Deshalb schlagen Befürworter*innen des Konzepts die Einhaltung neun planetarer Grenzen für Klimawandel, Versauerung der Ozeane, stratosphärischer Ozonabbau, atmosphärische Aerosolbelastung, biochemische Kreisläufe, Süßwasserverbrauch, Landnutzungsänderung, Artensterben und die Einbringung neuartiger Substanzen (z.B. Plastik) vor. Diese Grenzen beruhen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Vorsorgegrundsatz. Sie kommen allerdings nicht ohne Wertungen aus, da die Schwellenwerte mit erheblichen wissenschaftlichen Unsicherheiten behaftet sind und auch die Interaktionen zwischen verschiedenen Erdsystemfunktionen schwer zu prognostizieren sind. Zum Teil wurden konkrete Belastungsgrenzen auch erst im letzten Jahr entwickelt (z.B. für sog. Novel Entities und die Nutzung von Trinkwasser) und sind wissenschaftlich umstritten (zur Kritik im Überblick: hier)

Das Planetare Grundgesetz

Das Potential der planetaren Grenzen ist es, dem Konzept der ökologischen Nachhaltigkeit durch die Formulierung quantifizierbarer Belastungsgrenzen klarere Konturen zu geben. Man könnte es auch wie die Veranstalter*innen dieses Symposiums „starke Nachhaltigkeit“ nennen. Dieser Ansatz baut auf bisherige Konzeptionen eines ökologischen Rechtsstaats, eines ökologischen Verfassungsstaats, eines Umweltstaats und eines ökologischen Grundgesetz auf, geht aber auch entscheidend darüber hinaus. Räumlich nimmt das planetare Grundgesetz den gesamten Planeten in den Blick. Inhaltlich könnten sich aus den planetaren Grenzen Rückschlüsse auf das verfassungsrechtliche Mindestschutzniveau ergeben.

Zweifelhaft ist, inwiefern das naturwissenschaftliche Konzept der planetaren Belastungsgrenzen de constitutione lata bereits in den Grundrechten oder Art. 20a GG zu verorten ist. Grundsätzlich dürften alle planetaren Grenzen vom Gesetzgeber verfassungsrechtlich zu berücksichtigen sein (vgl. für Art. 20a GG: Calliess). Natürlich bedrohen Artensterben, die Versauerung der Ozeane, das Ozonloch, die Vermüllung des Planeten und die Überschreitung anderer planetarer Grenzen allesamt die von Art. 20a GG geschützten natürlichen Lebensgrundlagen.

Allerdings besteht bisher primär für den Klimawandel eine verfassungsrechtlich relevante Konkretisierung durch einfaches Gesetz (dazu: Klimabeschluss, Rn. 208 ff.; für eine Dogmatik der Selbstbindung: Möllers/Weinberg, S. 1075), welches auf völkerrechtlich anerkannte und wissenschaftlich fundierte Belastungsgrenzen verweist. Selbst für den Klimawandel wollte das Bundesverfassungsgericht aber kein klares nationales Budget anerkennen, auch wenn es einen solchen Ansatz als Orientierungsgröße heranzog (kritisch dazu: hier). Neben dem weitgehend gelösten Problem des Ozonlochs ist es bisher nur für den Klimawandel gelungen, auf wissenschaftlicher Grundlage, im internationalen Verhandlungsprozess eine konkrete und rechtlich bedeutsame Zielbestimmung zu fassen, die annäherungsweise mit der entsprechenden planetaren Grenze übereinstimmt. Für viele der anderen planetaren Grenzen fehlt es an vergleichbaren übergeordneten Zielvorschriften (vgl. French/Kotzé).

Dies bedeutet nicht, dass es keine übergeordneten Zielvorgaben gäbe, nur sind diese bisher weniger wissenschaftlich konsentiert und teilweise auch nicht rechtlich bindend (z.B. Aichi Biodiversity Targets und Kunming/Montreal Global Biodiversity Framework). Auch im nationalen Recht gibt es durchaus umweltrechtliche Vorschriften, die als verfassungsrechtlich bedeutsame Konkretisierung des Staatsziels Umweltschutz angesehen werden können und die für die Einhaltung planetarer Grenzen relevant sind. So sind etwa die in § 1 Nr. 1 BWaldG verorteten Ziele der Erhaltung und „erforderlichenfalls“ Mehrung des deutschen Waldes für die planetare Grenze der Landnutzung relevant, die sich an Prozentsätzen der globalen Bewaldungsflächen orientiert. § 20 Abs. 1 BNatSchG sieht das Ziel vor, dass 10% der Fläche jedes Bundeslandes unter Schutz gestellt werden soll, was für die planetare Grenze für die Biodiversität relevant ist. Allerdings dürfte dies allein nicht für eine Übertragbarkeit der Figur der eingriffsähnlichen Vorwirkung ausreichen.  Zudem ist sehr fraglich, ob diese Zielvorgaben für die Einhaltung planetarer Grenzen ausreichen. Der konsumbasierte Fußabdruck Deutschlands entlang der Lieferketten wird damit jedenfalls nicht adressiert. Das restriktive deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bietet dafür – anders als der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission und die noch weitergehenden Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments – auch kaum Anhaltspunkte, da es das internationale Umweltrecht nur sehr fragmentarisch einbezieht.

Ein Blick in die Schweiz

Wenig Beachtung in der deutschen Diskussion um eine Begrünung des Grundgesetzes hat bisher der Vorschlag einer Schweizer Volksinitiative erfahren, die planetaren Grenzen verfassungsrechtlich zu verankern. Anders als das deutsche Grundgesetz hat die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft (BV) einen eigenen Abschnitt zur Wirtschaft. Die dortigen Grundsätze der Wirtschaftsordnung (Art. 94 BV) sollen um einen Art. 94b ergänzt werden. Dieser Artikel beruht zunächst auf dem Grundsatz der Nachhaltigkeit und legt fest, dass die „Erneuerungsfähigkeit“ der Natur „den Rahmen für die schweizerische Gesamtwirtschaft“ bildet. Bei der Umsetzung dieses Grundsatzes soll auch der „Sozialverträglichkeit im In- und Ausland“ Rechnung getragen werden.

In einer Übergangsbestimmung (Art. 197) soll dann eine Frist von zehn Jahren gesetzt werden, bis „die durch den Konsum in der Schweiz verursachte Umweltbelastung […] die planetaren Grenzen gemessen am Bevölkerungsanteil der Schweiz nicht mehr überschreitet.“ Zwar soll die Bestimmung nicht für alle planetaren Grenzen gelten, namentlich erwähnt werden aber „Klimaveränderung, Biodiversitätsverlust, Wasserverbrauch, Bodennutzung sowie Stickstoff- und Phosphoreintrag.“

Besonders hervorzuheben ist, dass die Bestimmung die von der Schweiz verursachte Belastung des Planeten konsumbasiert adressiert und damit etwa auch Belastungen entlang der Lieferketten in den Blick nimmt. Ein solcher konsumbasierter Ansatz geht über den momentan in Deutschland gewählten territorialen Ansatz des Klimaschutzgesetzes (KSG) hinaus. Die Reduktion des konsumbasierten Treibhausgasausstoßes könnte etwa über Lieferkettengesetze oder Grenzausgleichsmechanismen angestrebt werden. Erste Ansätze hierzu finden sich im Kommissionsvorschlag für eine EU Corporate Sustainability Due Diligence Richtlinie (Artikel 15) und im Carbon Border Adjustment Mechanism, auf den sich der Rat und das EU Parlament im Dezember 2022 politisch einigten. Diese Maßnahmen werfen allerdings ihrerseits zahlreiche normative Fragen auf, die noch näherer Untersuchung bedürfen (z.B. deren Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der „common but differentiated responsibility“).

Zurück nach Deutschland

In Deutschland ist in den letzten Jahren eine lebhafte juristische Diskussion zur Begrünung des Grundgesetzes entbrannt. Die Einführung des Konzepts der planetaren Grenzen in das Grundgesetz findet sich jedoch bisher, soweit ersichtlich, nicht unter den Reformvorschlägen. Verortet man die planetaren Grenzen bereits de constitutione lata in Art. 20a GG und lässt man eine Subjektivierung über ein Grundrecht auf ein ökologisches Existenzminimum zu (näher: hier), gibt es dafür auf den ersten Blick auch keine Notwendigkeit.

Die explizite Einführung einer planetaren Dimension ins Grundgesetz hätte aber mehrere Vorteile. Zunächst würde damit der allfälligen Kritik vorgebeugt, das Bundesverfassungsgericht (und die Rechtswissenschaft) würden den Wortlaut des Grundgesetzes überdehnen und ihre Kompetenz überschreiten. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele der vorgeschlagenen planetaren Grenzen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind und ein Herunterskalieren auf die staatliche Verantwortungsebene (nationales Budget) häufig mit Wertungen verbunden ist, die vom demokratisch direkt legitimierten Gesetzgeber getroffen werden sollten. Angesichts dieser Unsicherheiten und den erwarteten Fortschritten in der besseren Erfassung der Funktionsweisen des Erdsystems, müssen rechtliche Bestimmungen entwicklungsoffen formuliert sein. Insofern läge es etwa nahe, das Konzept der planetaren Grenzen explizit ins Grundgesetz einzuführen und die nähere Konkretisierung dem einfachen Gesetzgeber zu überlassen, zusammen mit einer Aktualisierungspflicht (vgl. Klimabeschluss, Rn. 212). Für einzelne planetare Grenzen mag es sogar angezeigt sein, zunächst nur Ermittlungspflichten vorzusehen, bis eine Quantifizierung und gesetzgeberische Konkretisierung möglich ist.

Ein Vorschlag

Der Vorschlag, wie er in der Schweiz verfolgt wird, ist für das Grundgesetz nicht eins zu eins übertragbar, da es dem Grundgesetz an einem expliziten Teil zu den Grundsätzen der Wirtschaftsordnung fehlt. Zwar liegen konzeptionelle Überschneidungen mit der Schuldenbremse (Art. 109 GG) vor, doch passt sich eine Vorschrift zu planetaren Grenzen thematisch nicht in die Finanzverfassung ein.

Näher läge es da, den Art. 20a GG zu ergänzen und eine verfassungsrechtlich bedeutsame Konkretisierung in einzelnen Fachgesetzen oder sogar einem einheitlichen Gesetz zur Festlegung und Erforschung planetarer Grenzen vorzunehmen. So befürwortet etwa Kersten (S. 115) eine Reform des Art. 20a GG, die, ohne dies explizit zu machen, auch mehrere planetare Grenzen abdecken würde. Ein neu eingeführter Art. 20a Abs. 1 GG würde danach die Sätze beinhalten: „Die Artenvielfalt ist zu erhalten. Die Meere und das Klima sind zu bewahren.“ Zudem soll die Vorschrift um einen Absatz zur „Umweltgerechtigkeit“ ergänzt werden, die soziale, temporale und historisch/postkoloniale Dimensionen haben soll (S. 116 f.).

Damit wären die zwei „core boundaries“ Biodiversität und Klima abgedeckt (Steffen et al. (2015). Dennoch sollte eine grundrechtliche Bestimmung nicht auf diese planetaren Grenzen beschränkt sein, sondern entwicklungsoffen bleiben. Denkbar wäre es etwa, den Artikel 20a GG um weitere Absätze zu ergänzen, in denen zur Wahrnehmung der internationalen Verantwortung auf die planetaren Grenzen verwiesen wird und der Gesetzgeber zur Konkretisierung durch einfaches Recht und zur weiteren Beobachtung und Erforschung der Belastungsgrenzen verpflichtet wird.

Angelehnt an die Vorschläge der Schweizer Volksinitiative könnte Art. 20a GG etwa wie folgt gefasst werden:

Art. 20a GG

(1) Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

(2) Die planetaren Grenzen bilden den Rahmen für die deutsche Volkswirtschaft. Der Staat legt wissenschaftlich fundierte nationale Zielvorgaben zur Einhaltung planetarer Grenzen fest und leitet alle Maßnahmen ein, die zur Erfüllung der Zielvorgaben notwendig sind.

(3) Bei der Festlegung und Implementierung konkreter Belastungsgrenzen hat der Gesetzgeber den Vorsorgegrundsatz zu beachten. Die nationalen Budget- und Zielvorgaben tragen im Einklang mit dem Völkerrecht der historischen und ökonomischen Verantwortung Deutschlands angemessen Rechnung. Bei der Umsetzung muss der Sozialverträglichkeit im In- und Ausland Rechnung getragen werden.

Fazit

Der hier diskutierte Änderungsvorschlag des Grundgesetzes zur Konkretisierung von Art. 20a GG und dem ihm inhärenten Konzept der Nachhaltigkeit ist sicherlich nicht perfekt. Zudem hat er, wie viele vor ihm, wenig Chancen auf Umsetzung. Da gebe ich mich keinen Illusionen hin. Der Vorschlag soll eher eine Diskussion zur verfassungsrechtlichen Relevanz der planetaren Grenzen und deren Bedeutung für die Konkretisierung des Nachhaltigkeitsprinzips anregen. Neben der hier vorgeschlagenen expliziten Einführung einer planetaren Dimension in das Grundgesetz könnte eine verfassungsrechtlich bedeutsame Konkretisierung auch über einfache Gesetze erfolgen. Insgesamt sollte die Zuspitzung der Klimakrise nicht den Blick dafür verstellen, dass zahlreiche weitere planetare Grenzen bereits überschritten sind und es höchste Zeit ist auch hier stärker regulatorisch tätig zu werden.


SUGGESTED CITATION  Buser, Andreas: Von der Nachhaltigkeit zur Resilienz und einem planetaren Grundgesetz, VerfBlog, 2023/6/20, https://verfassungsblog.de/von-der-nachhaltigkeit-zur-resilienz-und-einem-planetaren-grundgesetz/, DOI: 10.17176/20230620-231017-0.

4 Comments

  1. cornelia gliem Tue 20 Jun 2023 at 15:17 - Reply

    danke für den interessanten Vorschlag und die grundlegende Darstellung der Möglichkeiten eines planetaren Grundgesetzes.

    • Andreas Buser Thu 22 Jun 2023 at 15:19 - Reply

      Danke für den netten Kommentar!

  2. Pyrrhon von Elis Fri 23 Jun 2023 at 09:51 - Reply

    Ich finde, man könnte Jherings Motto beachten, der Gesetzgeber müsse “reden wie ein Bauer, jedoch denken wie ein Philosoph”
    und die verfassung in ihrem eher lakonischen Sprachstil belassen. Irgendjemand meinte mal (vermutlich Isensee), das Grundgesetz
    solle kein “Staatsorganisationsstatut” sein.

    Einfacher wäre es doch den ersten Absatz zu belassen und ihn lediglich durch einen verbindlichen zweiten Absatz zu ergänzen,
    der dem Gesetzgeber zwingende Parameter mit entsprechend kompensierenden Handlungsraum vorgibt. Alles in die Verfassung stecken zu wollen,
    halte ich bei solchen Vorschlägen immer für etwas übereifrigen Aktionismus seitens der Vorschlagenden. Insbesondere weil
    die “wirtschaftspolitische Neutralität” des Grundgesetzes, so man diese alte Floskel ernst nimmt, sich ja realiter als recht
    erfolgreiches System durchgeschlagen hat.

    Mir scheint, die Klimakrise wird häufiger als Vorwand genommen, um unliebsame Änderungen durchdrücken wollen, mit dem Hinweis
    darauf, es wäre ohne Alternativen, in den sauren Apfel zu beißen. Eine Art ökologische pascalsche Wette.

    • Andreas Buser Fri 7 Jul 2023 at 11:57 - Reply

      Sehr geehrter Herr von Elis,
      danke für den Kommentar. Wie passend, dass Sie diese Frage dem Abkömmling einer Bauernfamilie stellen. Als solcher kann ich vielleicht beides: Schreiben wie ein Bauer und denken wie ein Philosoph (und andersherum).
      Zu den Anmerkungen:
      Auch ich halte eine Überfrachtung des Grundgesetzes (und im Übrigen auch der einfachen Gesetze) häufig nicht für sinnvoll. Ihr Vorschlag zur Einfügung “zwingender Parameter” würde allerdings wiederum nicht gerade kurz ausfallen. Insofern könnte man es vielleicht doch bei einem Verweis auf planetare Grenzen belassen und diese dann durch einfaches Gesetz verfassungsrechtlich bedeutsam konkretisieren.
      Inwiefern das Grundgesetz wirklich wirtschaftspolitisch neutral ist, und ob die Anerkennung planetarer Grenzen hier einen Paradigmenwechsel bringen würde, ist eine interessante Frage die einer tieferreichenden kritischen Analyse bedürfte. Wirtschaftspolitisch scheint mir das “wie” der Einhaltung planetarer Grenzen höchst umstritten (z.B. degrowth vs. green growth) weswegen von “Alternativlosigkeit” kaum die Rede sein kann.
      Bis dahin schöne Grüße

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