Warum der Impfstatus bei der Corona-Triage doch eine Rolle spielen darf
1. Wenn infolge der COVID-Pandemie nicht mehr alle lebensbedrohlich Erkrankten intensivmedizinisch versorgt werden können, drängt sich die Frage auf, ob deren Impfstatus bei Auswahlentscheidungen einbezogen werden dürfte. Ich werde mich im Folgenden dafür aussprechen.
Anders sieht dies die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Notfall- und Intensivmedizin (DIVI), die in der neueste Version der klinisch-ethischen Empfehlungen zu Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie Ende November empfahl, den Impfstatus nicht zu berücksichtigen. In der Pressemeldung vom 26.11.2021 wird dies so begründet: „Die Hilfspflichten im Gesundheitswesen bestehen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen unabhängig vom Auslöser beziehungsweise dem vorangehenden Verhalten des bedürftigen Patienten“. Georg Marckmann, Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin, erklärt diese Festlegung damit, dass „erstens in der Regel nicht hinreichend sicher nachzuweisen [sei], dass die Erkrankung ursächlich auf ein gesundheitsschädigendes Verhalten des Patienten zurückzuführen ist. Zweitens beruhe das Verhalten häufig nicht auf einer freien, selbstbestimmten und damit selbst zu verantwortenden Entscheidung. Drittens fehlen allgemein akzeptierte Standards, für welche selbst verursachten und frei gewählten gesundheitsgefährdenden Handlungen der Einzelne in welchem Ausmaß Verantwortung tragen soll. Dies gilt nicht nur für Übergewicht, Rauchen oder Risikosportarten, sondern auch für die Entscheidung zum Verzicht auf eine SARS-CoV-2-Impfung.“
Das medizinethische Verdikt gegen die Berücksichtigung von Vorverhalten überzeugt für Normallagen – aber auch für den tragischen Extremfall? Meine These ist: Die Grundregel ist gut begründet; die Begründungen passen aber nicht mehr, wenn nicht mehr alle versorgt werden können, die intensivmedizinische Behandlung benötigen.
2. Für Normallagen muss an der Empfehlung festgehalten werden, in der Intensivmedizin die Ursachen des behandlungsbedürftigen Zustands auszublenden, soweit diese nicht für den Behandlungsmodus klinisch relevant sind.
Erstens dürfte bei multifaktoriellen Phänomenen die Einschätzung „überwiegend auf eigenes Verhalten zurückzuführen“ meist schwerfallen, etwa bei gesundheitsschädlichem Verhalten der verbreiteten Art (Übergewicht, Rauchen, Alkoholkonsum). Bei Risikosport kann der Zusammenhang deutlicher sein, aber es ist auch möglich, dass den konkreten Unfall nicht der Patient, sondern Dritte herbeigeführt haben.
Zweitens sprechen selbst dann, wenn die Feststellung „offensichtlich selbst verursacht“ möglich ist, in Normallagen wichtige normative Gründe dafür, diese Information als irrelevant zu behandeln. Wenn eine Frontalkollision durch einen Geisterfahrer verursacht wurde, der auf der Autobahn absichtlich die falsche Fahrtrichtung eingeschlagen hat, müssten alle lebensgefährlich Verletzten versorgt werden, auch der Geisterfahrer, selbst wenn die Hintergründe der Kollision zweifelsfrei feststünden. Solange Behandlung möglich ist, wäre Unterlassen der möglichen Behandlung nur als Sanktionierung zu erklären. Es ist aber unter keinen Umständen Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens, Sanktionen für pflichtwidriges Vorverhalten zu verhängen.
Es gehört zu den Errungenschaften moderner, arbeitsteiliger Gesellschaften, dass medizinische Behandlung von moralischen Urteilen und Sanktionen völlig entkoppelt ist, selbst wenn ein Fall für die Strafjustiz vorliegt. Erst recht gilt dies für Sachverhalte, bei denen nicht eindeutig ist, inwieweit Pflichten gegen andere oder im Eigeninteresse bestehende Klugheitsregeln missachtet wurden. Im Normalfall müssen daher selbstverständlich auch Impfgegner bei Erkrankung ohne Wenn und Aber medizinisch versorgt werden.
Es ist außerdem nachvollziehbar, dass Intensivmediziner aus ihrer berufspraktischen Perspektive die Entscheidungsregel „bei lebensbedrohlichen Erkrankungen spielt vorangehendes Verhalten keine Rolle“ auf Extremsituationen übertragen. Sie sind in der zugespitzten Lage einer Pandemie physisch und psychisch sehr stark belastet. Daher werden viele es als Zumutung empfinden, sich ausgerechnet unter extremem Stress auf Parameter einlassen zu sollen, die der vertrauten Herangehensweise fremd sind.
3. Aus einer Außenperspektive liegt es jedoch näher, zwischen Normal- und Extremlage zu differenzieren. Schließlich ändert sich die Situation in Extremlagen einer Pandemie grundlegend. Die Alternativen sind dann nicht mehr „alle lebensbedrohlich Verletzten und Erkrankten werden behandelt“ versus „unzulässige Sanktionierung Einzelner für ihr Vorverhalten durch Behandlungsverweigerung“. Vielmehr liegt, worauf Uwe Volkmann kürzlich nochmals hingewiesen hat, die Tragik ja genau darin, dass es keine Lösung gibt, die allen die bestmögliche Überlebenschance garantiert. Der ernsthaften Beschäftigung mit solchen Situationen ist nicht mit dem Verweis zu entkommen, dass versucht werden muss, tragische Konflikte zu vermeiden, etwa durch Aufschub nicht akut notwendiger Operationen und Verlegung von Patienten. Wenn trotzdem die Zahl der lebensgefährlich Erkrankten rasant wächst, ist nicht die Frage, ob Menschen sterben, die mit intensivmedizinischer Behandlung vermutlich überleben könnten, sondern nur, wen dieses Schicksal trifft.
Ich gehe im Folgenden von zwei Prämissen aus. Die erste ist, dass sich die Struktur medizinethischen Begründens ändert, wenn Auswahlentscheidungen erforderlich werden. In Normallagen besteht ein zweipoliges Verhältnis zwischen denjenigen, die über die Behandlung entscheiden, und der erkrankten oder verletzten Person. Dieses Normalbild muss, wenn faktische Umstände eine Auswahl erzwingen, zu einem Dreieck ausgeweitet werden (eine graphische Vereinfachung; es können natürlich mehr als zwei Patienten betroffen sein). Die dann außerordentlich schwere Last der Begründung besteht vor allem gegenüber denjenigen, die dringend benötigte Intensivbehandlung nicht erhalten. Begründung kann reale Kommunikation sein, auch gegenüber den Angehörigen Verstorbener. Primär geht es aber um Begründbarkeit im Sinne einer ethischen Rechtfertigung. Mein Argument, warum der Impfstatus kein von vornherein unzulässiges Kriterium ist, behält den Bezug zu betroffenen Individuen. Es geht hier nicht um utilitaristisch zu begründende Gesamtnutzenmaximierung. Dies ist deshalb zu betonen, weil Weyma Lübbe in einem Beitrag zum Verfassungsblog auf utilitaristische Modelle eingeht, die aggregierte Effekte hervorheben, d.h. die größere Zahl rettbarer Leben, wenn Intensivstationen nicht Patienten mit erwartbar langer Behandlungsdauer aufnehmen.
Meine zweite Prämisse ist, dass die erforderliche Begründung eine möglichst hohe Rationalität aufweisen soll. Dagegen könnte eingewandt werden, dass in Extremlagen auch rationale Begründbarkeit nicht mehr eingefordert werden könne – solange ein halbwegs geordneter Krankenhausbetrieb möglich ist, ist aber dieses nochmals verschärfte Katastrophenstadium nicht erreicht. Eine Präferenz für rationale Argumente spricht vor allem gegen den Rekurs auf Zufallsverfahren (etwa Losen). Dies ist nur als letzter Notbehelf in Erwägung zu ziehen, wenn weder die klinische Erfolgsaussicht noch irgendeine andere rationale Begründung die Differenzierung zwischen lebensgefährlich Erkrankten trägt.
4. Eine rationale Begründung für unabwendbare Priorisierungsentscheidungen ist, dass eine entscheidungsfähige, volljährige Person wesentlich oder gar ausschließlich durch eigenes Verhalten ihre Notlage verursacht hat. Wenn die Zahl der Unfallopfer nach der oben erwähnten Kollision die Kapazitäten erreichbarer Intensivstationen übersteigt, sollte nicht die Versorgung des Geisterfahrers Priorität haben, sondern vorrangig die Unfallopfer aus dem anderen Fahrzeug behandelt werden (eine andere Beurteilung wäre nur angemessen, wenn bei ihnen keine ernsthafte Überlebenschance besteht).
Bei lebensgefährlich Erkrankten, die sich gegen die ausgebrochene Krankheit nicht impfen ließen, obwohl dies möglich war, kann ihre persönliche Risikopräferenz entscheidend sein. Es spielt dabei keine Rolle, ob andere die Entscheidung gegen eine Impfung als hinreichend faktenbasiert und deshalb gut nachvollziehbar bewerten. Das ist hervorzuheben, weil sich im gegenwärtigen öffentlichen Diskurs Debattenstränge überschneiden. Wer die Entscheidung gegen eine Impfung als unfassbare Dummheit und/oder als Verstoß gegen moralische Pflichten einordnet, reagiert meist mit dem Gefühl der Empörung. Wenn Priorisierungsentscheidungen von Empörung über Impfverweigerer getragen werden, erhalten sie das tadelnde und strafende Gepräge, das im Gesundheitswesen unbedingt und immer, auch in Extremlagen, zu vermeiden ist. Es könnte zu einer Entemotionalisierung beitragen, wenn individuelle Entscheidungen, die z.B. mögliche Nebenwirkungen der Impfungen (zu) hoch gewichten, toleriert würden – dies allerdings verbunden mit dem Hinweis auf den hohen Grad an Eigenverursachung bei späterer schwerer Erkrankung und auf mögliche Konsequenzen, wenn die Kapazitäten der Intensivmedizin erschöpft sind.
Wenn Priorisierung erforderlich wird, muss nicht erörtert werden, ob die ungeimpfte Person bei ihrer Entscheidung Erkenntnisse zu Impf- und Krankheitsrisiken hinreichend verarbeitet hat (was meist nicht der Fall sein wird). Selbst wenn sie sich tatsächlich auf eine plausible Gesamtabwägung berufen könnte (etwa, weil sie aufgrund ihrer Lebensumstände zu weitgehender Selbstisolation in der Lage und bereit war), bliebe es legitim und rational, darauf zu verweisen, dass die Präferenz, Impfrisiken zu entgehen, es zwangsläufig mit sich bringt, das Restrisiko einer Erkrankung hinzunehmen. Unter den extremen Zwängen einer Pandemie (nochmals: nicht in Normallagen!) ist dies eine hinreichende Begründung, um ggf. andere Erkrankte zu priorisieren. Von Selbstverursachung darf auch dann ausgegangen werden, wenn nicht systematisch überlegt und abgewogen wurde. Auch ein Unterlassen, das auf mehr gefühlter als durchdachter Abneigung gegen Arztbesuche oder „Gedöns“ beruht, führt dazu, dass die Folgen zu wesentlichen Anteilen als selbstverursacht gelten.
5. Es ist mit Einwänden gegen die hier skizzierten Überlegungen zu rechnen. Einer ist, dass eine vergleichende Bewertung der jeweiligen Eigenverursachung komplizierter sei. Auch bei Patienten, die nicht an COVID erkrankt sind, könnte ein sehr großer eigener Anteil am Akutbefund festzustellen sein, etwa wenn verschriebene Medikamente nicht eingenommen wurden. Bei der Frage, inwieweit verbummeltes Impfen auf eigener Entscheidung beruht, kann es Grenzfälle geben, etwa bei möglicher beginnender Demenz.
Mein Argument ist jedoch nicht, dass ein Vergleich des Verhaltens eines ungeimpften, an COVID Erkrankten mit anderen Patienten stets unter dem Aspekt der Eigenverursachung zu einem eindeutigen Ergebnis führen würde. Eine Forderung, den Impfstatus immer und automatisch zu berücksichtigen, wäre deshalb zu schematisch. Zu bedauern ist nur, dass die Empfehlungen der DIVI in umgekehrter Weise kategorisch die Option ausschließen wollen, den Impfstatus in Priorisierungsentscheidungen einzubeziehen. Die Erwartung, mit der vergleichenden Bewertung der klinischen Erfolgsaussichten jede unvermeidbare Priorisierungsaufgabe lösen zu können, könnte zu optimistisch sein – es ist vorstellbar, dass mit diesem Kriterium keine hinreichende Differenzierung möglich ist. Aus strafrechtlicher Sicht ist darauf hinzuweisen, dass jedenfalls bei einer sog. ex ante-Triage größere Spielräume bestehen, wenn es darum geht, ohne Strafbarkeitsrisiko in möglichst rational begründbarer Weise zu entscheiden.
Also ich habe den Text jetzt mehrmals gelesen, kann jedoch noch immer nicht Ihr Fazit finden:
Wollen Sie,
1. daß ungeimpfte Personen bevorzugt werden, da geimpfte Personen (angeblich) gegen schwere, also intensivmedizinisch zu behandelnde Verläufe geschützt sind, und somit nicht die Intensivstationen in Anspruch nehmen können,
oder wollen Sie,
2. daß geimpfte Personen bevorzugt werden, weil diese entgegen den Behauptungen von RKI, Politikern und früher auch PEI (seit Anfang September 2021 nicht mehr) tatsächlich nicht gegen schwere Verläufe geschützt sind?
Warum sollen, falls Sie sich für 2. aussprechen, Personen, die neben einem allgemeinen Lebensrisiko (vgl. BVerfG vom 19.05.2020, 2 BvR 483/20) auch noch ein besonderes selbst zu verantwortendes Risiko (die Impfung mit Stoffen, die zuvor noch nie wegen ihrer erheblichen Nebenwirkungen und nun auch nur bedingt zugelassen wurden) eingegangen sind, bevorzugt werden?
Genau diese Frage blenden Sie aus.
Die Argumentation ist, dass Ungeimpfte ihre Krankheit eigenverantwortlich in Kauf nehmen und daher, bei sonst gleichen Kriterien, Geimpfte zu bevorzugen sind.
Ich frage mich aber, ob diese Annahme zutrifft. Ungeimpfte riskieren ja nicht willentlich eine Erkrankung, sondern sind normalerweise Opfer von Angstmacherei auf sozialen Medien. Man kann ihnen also nicht Eigenverantwortung, sondern allenfalls Unwissen oder Fehleinschätzung vorwerfen. Das aber sollte kein Kriterium bei der Triage sein.
Das ist m.E. nicht richtig. Ich kenne persönlich eine Impfgegnerin, die keineswegs Angstmachern aufgesessen ist. Jedenfalls argumentiert sie komplett autonom. Der entscheidende Fehler scheint mir aber zu sein, dass Sie erwachsene Menschen quasi entmündigen. Sie sagen, das seien Leute, die Angstmachern aufsitzen und daher nicht eigenverantwortlich entscheiden. An dieser Stelle kann man das große Faß aufmachen, dass der Mensch womöglich weniger frei entscheidet als er denkt (nachträglich erklären wir ja immer, warum wir dies und das gemacht haben, aber war das im Moment der Entscheidung auch so?) und das ebenso große Faß, dass viele Menschen nicht in der Lage sind, die Komplexität des Lebens zu erfassen: Verzweifelte Mandantin stellt fest, dass sie keine Lohnfortzahlung in der Quarantäne bekommt, weil sie ungeimpft ist. Das habe ihr niemand gesagt. Vielleicht weil sie zu denen gehört, die sagen, ich hab die Nase voll von Corona, ich hör mir keine Nachrichten mehr an? Wenn wir Faß 1 mal als unbewiesen außer Acht lassen, dann müssen wir bei Faß 2 konstatieren: So lange wir es mit Volljährigen und nicht betreuten Menschen zu tun haben, müssen wir ihre Entscheidung auch ernst nehmen, auch wenn dazu gehört, dass sie sich auf die falschen Quellen eingelassen haben.
Typische Schwurblerlogik. Die Impfstoffe sind inzwischen an fast 4 Mrd. Menschen erprobt, das ist eine ausreichend große Datenbasis, um sagen zu können: Es ist deutlich gefährlicher, sich nicht impfen zu lassen als sich impfen zu lassen. Ob der Vorschlag von Prof. Dr. Hörnle ethisch zu vertreten ist, steht noch einmal auf einem anderen Blatt. Aber dass es Impfverweigerer sind, von denen derzeit die größte Gefahr ausgeht, steht außer Frage.
Ich selber werbe auch immer ganz intensiv dafür sich impfen zu lassen.
Sie vergessen aber einen ganz wichtigen Faktor bei Ihrer Aussage.
Den es gibt Menschen die haben schlichtweg Angst vor der Impfung. Ängste sind nun mal oft irrational.
Jemanden mit Flugangst werde ich auch nur schwer mit Statistiken wie sicher Fliegen ist davon überzeugen können in ein Flugzeug zu steigen.
Es gibt nicht nur die Schwurbler. Alle Leute in einen Topf zu werfen und deren Ängste nicht ernst zu nehmen ist auch Teil des Problems das wir gerade haben bei der niedrigen Impfquote.
Die Antwort erscheint mir ganz einfach: Das ist schlicht nicht Gegenstand dieses Textes. (Und das hätte Ihnen eigentlich auch auffallen können.)
Die Fragen, die Sie aufwerfen, wären (medizinische) Vorfragen im Rahmen der (ausdrücklich als primär herausgestellten) Entscheidung nach den Erfolgsaussichten der Behandlung. Wenn diese gleich oder zumindest “vergleichbar” sind (aus welchen individuellen Gründen auch immer), dann käme die hier erörterte Priorisierung in Betracht.
Hier die entscheidende Passage:
“Dies ist nur als letzter Notbehelf in Erwägung zu ziehen, wenn weder die klinische Erfolgsaussicht noch irgendeine andere rationale Begründung die Differenzierung zwischen lebensgefährlich Erkrankten trägt.”
Vielleicht kann ich helfen: Um diese Fragen geht es in dem Artikel schlicht nicht. Oder vielmehr: Das sind medizinische Vorfragen; erst wenn sich daraus (!) keine Priorisierung begründen lässt (weil die Erfolgsaussichten der Behandlung, aus welchen Gründen auch immer, vergleichbar sind), erst dann käme die hier diskutierte Priorisierung ins Spiel. Ausdrücklich hier im Text (was Sie vermutlich überlesen haben):
“Dies ist nur als letzter Notbehelf in Erwägung zu ziehen, wenn weder die klinische Erfolgsaussicht noch irgendeine andere rationale Begründung die Differenzierung zwischen lebensgefährlich Erkrankten trägt.”
Es ist schön, endlich einmal ein moralisches und juristisches Argument zu diesem Thema zu hören. (Ich teile die Einschätzung, dass die Empfehlung der DIVI die wichtigsten Besonderheiten, die hier berücksichtigt werden müssen, einfach ausblendet.)
Das Gedankenexpriment mit dem vorsätzlich handelnden Geisterfahrer bricht allerdings zusammen, wenn es um “Abneigung gegen Gedöns” geht. Wie wäre denn “Abneigung gegen Gedöns” rechtlich einzustufen? Als grobe Fahrlässigkeit? Oder nur einfache? Wie tief und unüberwindbar müsste beispielsweise der Ekel vor einer Spritze sitzen, um nicht mehr nachteilig berücksichtigt werden zu dürfen?
Obwohl ich die Ansicht teile, dass die Berücksichtigung des Impfstatus bei der Triage nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sehe ich doch große Schwierigkeiten in der Praxis.
Würde es nicht genügen, den Impfstatus mittelbar zu berücksichtigen? Beispielsweise würde ich damit rechnen, dass geimpfte Personen ohnehin eine bessere Überlebenschance (und eine kürzere Verweildauer) hätten, als ungeimpfte. Das Problem würde sich damit auch im Rahmen der geltenden Empfehlungen von selbst erledigen.
> Beispielsweise würde ich damit rechnen, dass geimpfte Personen ohnehin eine bessere Überlebenschance (und eine kürzere Verweildauer) hätten, als ungeimpfte
Jüngere ungeimpfte Menschen gewinnen Triage-Entscheidungen gegen ältere geimpfte. Selbst bei gleich „guten“ Aussichten: So können schlicht mehr Lebensjahre gerettet werden. Damit sind faktisch jüngere Leben „mehr“ wert.
Menschenleben sind jedoch nicht unterschiedlich viel wert. In Notsituationen scheint es daher besser, den Willen / das Verhalten der Menschen heranzuziehen und so abzuleiten, was gemacht werden soll.
Haben nicht die neue Bundesregierung und die Ministerpräsident:innen, die entgegen deutlicher Warnungen keine strengeren Kontaktbeschränkungen verhängt haben, ebenfalls zur (befürchteten) Corona-Triage beigetragen? Und was ist mit den Weihnachtsfeiern, bei denen Familienmitglieder kreuz und quer durch das Land fahren? Obwohl eine extreme Notlage besteht bzw. absehbar bevorsteht? Und tragen nicht die jahrzehntelangen Einsparungen im Gesundheitswesen und die knausrige Bezahlung des Pflegepersonals dazu bei, daß in kurzer Zeit Corona-Triagen unvermeidbar sein könnten, weil die Krankenhäuser unzureichend auf extreme Notlagen vorbereitet wurden? Mich überzeugt nicht, die Last der extremen Notlage den Ungeimpften aufzubürden, die zwar einen, aber nicht den einzigen Beitrag zur Verursachung der extremen Notlage geleistet haben.
Das geht doch am Problem vorbei. Die Politik, die zu niedrigen Krankenkassenbeiträge, etc liegen doch nicht im Krankenbett und warten auf eine ECMO.
Ich habe Schwierigkeiten zu erkennen, wo die Besonderheit der Pandemie-Situation liegen soll, die hier behandelt wird.
“Das medizinethische Verdikt gegen die Berücksichtigung von Vorverhalten überzeugt für Normallagen – aber auch für den tragischen Extremfall? Meine These ist: Die Grundregel ist gut begründet; die Begründungen passen aber nicht mehr, wenn nicht mehr alle versorgt werden können, die intensivmedizinische Behandlung benötigen.”
Triage ist grundsätzlich immer eine Situation, in der eine Ressourcenkonkurrenz durch -knappheit besteht. Das ist in der Pandemie nicht anders als sonst und wird ständig gelebt, etwa bei der Allokation von Spenderorganen. Die Knappheit der Behandlungsressource in der Pandemie eignet sich deshalb kaum dazu, eine Ausnahme zu begründen.
Ebenso erscheint die Situation, dass eine bisher unentscheidbare Konkurrenz bei exakt identischer Prognose entstehen könnte, eher von theoretischer Relevanz.
Die Argumentation von Prof. Hörnle kann ich (als verfassungsrechtlich interessierter Laie) gut nachvollziehen. In einer solchen „Extremlage“ befindet sich aber bereits der Rettungssanitäter am Unfallort des beschriebenen Geisterfahrer-Geschehens, wenn „Täter“ und „Opfer“ vergleichbar lebensgefährlich verletzt sind und er nur einen von beiden versorgen und in ein Krankenhaus transportieren kann. Das Kriterium „vorheriges schuldhaftes Verhalten“ dürfte seine Entscheidung beeinflussen.
Die von der DIVI veröffentlichten Leitlinien über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen fassen die Entscheidungskriterien aus medizinischer Sicht zusammen und schließen andere, objektivierbare Differenzierungsmöglichkeiten wie das Lebensalter, soziale Merkmale und auch den Impfstatus aus. Aus Sicht eines Mediziners verständlich, aber steht Medizinern in dieser Frage die alleinige Entscheidungskompetenz zu?
Das von Prof. Hörnle beschriebene Szenario des Geisterfahrers lässt sich auf den lebensgefährlich verletzten Geiselnehmer und seine Geiseln sowie den Amokläufer und seine Opfer ausweiten. Darf es aus ethischen Gesichtspunkten bei vergleichbaren Überlebenschancen keine Rolle spielen, wenn der eine die lebensbedrohliche Situation des anderen Beteiligten vorsätzlich herbeigeführt hat?
Ist es ethisch nicht zu vertreten, bei gleicher Überlebenschance zwischen einem 90jährigen Alleinstehenden und einem 30jährigen Familienvater zu differenzieren?
Fraglich erscheint es mir, ob eine solche Entscheidung in die Hände von Medizinern gelegt werden darf. Ihre Expertise wird in den meisten Fällen zu einer Differenzierung führen, aber es erscheint mir sicher, dass in Einzelfällen auch nicht-medizinische Aspekte die Entscheidung über Leben und Tod beeinflussen können und sollten.
In solchen Extremlagen auf weitere rational begründbare und sachgerechte Differenzierungsmöglichkeiten zu verzichten und stattdessen dem Zufall z.B. durch Losen den Vorzug zu geben, erscheint mir (verfassungsrechtlich) kaum vertretbar.
Dem Gedankenexperiment mangelt es an Übertragbarkeit. Ob ein Ungeimpfter sich schuldhaft verhalten, d. h. andere angesteckt hat oder sein eigener, Ressourcen belastende Krankheitsverlauf leichter gewesen wäre, wenn er geimpft gewesen wäre, lässt sich im Einzelfall nicht entscheiden (denn schwere Verläufe gibt es bei Geimpften und Ungeimpften, in der Häufung natürlich deutlich unterschiedlich! Aber hierf geht es ja um eine individuelle Zurechnung). Daran krankt auch die Analogie zum Geisterfahrer – bei dem ist die Identität und Beitrag zum Geschehen sicher hergestellt und wird nicht bloß statistisch vermutet. Hier ist die Frage, ob ein tatsächlicher Beitrag, den sich die Person zurechnen lassen muss, besteht, in der Regel wohl gar nicht klärbar. Es sind auch Fälle konstruierbar, in denen der Geimpfte unvorsichtig und schuldhaft die Infektion anderer verursacht hat, der Ungeimpfte dies aber durch umsichtiges Verhalten vermieden hätte. Die Begründung dafür, den bloßen Impfstatus heranzuziehen, dürfte dann schwierig werden.
Wenn man die Prämisse der rationalen Begründbarkeit akzeptiert und den Beitrag des Ungeimpften zur Entstehung der Ressourcenkonkurrenz herausstellen will, wäre zu zeigen, dass sich diese ursächliche Verbindung _im Einzelfall_ auch bejahen lässt. Pauschal kann man das jedenfalls nicht; für die Gruppe der Impfverweigerer sicher schon.
Diese Diskussion ist eigentlich unsere zivilisierten Gesellschaft unwürdig. Wenn man sich überlegt, wieviel Menschen im Gesundheitswesen für möglicherweise “selbstverschuldete” Erkrankungen arbeiten gehen und das auch über die Belastung anderer Jobs hinaus (Nächte, Wochenden, Feiertage), dann kann man doch nicht einfach alle Ungeimpften nicht behandeln. Wenn so argumentiert wird, dann hätten wir bald keinen Pflegenotstand oder Facharztmangel mehr. Fragt sich mal jemand, wie es den Menschen geht, die solche Entscheidungen treffen sollen?
PS: ich bin kein Impfgegner, aber dieses Schwarz-Weiß-Denken und die Spaltung dieser Gesellschaft macht mir mehr Angst als SARS-CoV-19.
Wo in diesem langen differenziert abwägenden Artikel steht, dass man “einfach alle Ungeimpften nicht behandeln” solle? Schwarz-weiß-Denken und Spalterei sollten Sie einmal bei sich selbst hinterfragen.
Der Vorschlag greift leider zu kurz.
Meine Partnerin darf sich leider nicht impfen lassen (Autoimmunkrankheit). Wir sind kein Impfgegner, im Gegenteil
Nach der Logik darf man sie dann eher sterben lassen.
Es ist nicht nur der behindert, dem ein Arm fehlt oder der spastische Lähmungen hat…
Für entscheidend halte ich den Halbsatz : “bliebe es legitim und rational, darauf zu verweisen, dass die Präferenz, Impfrisiken zu entgehen, es zwangsläufig mit sich bringt, das Restrisiko einer Erkrankung hinzunehmen.”
Gegenargumente:
1) Nicht durch Impfung allein kann man das “Restrisiko einer Erkrankung” verringern: Sport, gesunde Lebensführung, Kontaktbeschränunken verringern das Restrisiko ebenfalls, auch wenn ein quantitativer Unterschied zugestanden sein mag. Das Argument könnte so uferlos ausgeweitet werden und der Mensch wäre zu de facto zu absoluter Risikominimierung verpflichtet, ohne dass ein solches Argument in “Extremfällen” aus den Hut gezaubert werden kann. Du bist dick? Kann dann in Extremsituationen deine Entscheidung für diese Lebensführung in Betracht gezogen werden?
2) Entscheidungen müssen getroffen werden. Fraglich ist nur, welche Kriterien man eben unter moralischen Aspekten zulässt/in der Entscheidung berücksichtigt. Persönliches Verhalten darin mit einzubeziehen, halte ich GERADE in Extremsituationen für fragwürdig. Wie ist es im Krieg? Darf man dann im Zweifel(Ausschluss med. Grunde etc., siehe Artikel) zunächst die eigenen Soldaten behandeln, weil die anderen sich ja für die ‘falsche’ Seite entschieden haben und sich dem Risiko ausgesetzt haben, angeschossen zu werden? Folgt man dem Argumenten der Autorin, wäre in Extremsituationen die Todesstrafe möglich für das Verhalten, das im Unterlassen der Risikominimierung besteht. Ich finde das gruselig.
3) Viele Dinge in dem Artikel werden als ‘gut’ oder ‘rational’ vorausgesetzt, sind zumindest diskutabel sind. “Das Wort Gedöns” z.B. ist verfehlt. Ich empfinde es als sehr undifferenziert, Impfungen und Arztbesuche stets als ‘gut’ oder ‘rational’ darzustellen, ohne zumindest in Abwägung zu treten. Es klingt platt, aber die Welt ist nun mal grau, nicht schwarz oder weiß. Rationalität kann nicht die ultima ratio sein, vielmehr muss der Mensch in seiner Gesamtheit als fühlendes und fehlbares Wesen betrachtet werden. Letzterer Aspekt kommt mir in dem Artikel zu kurz.
Gut, dass Juristen keine Mediziner sind. Wendet man die dahinter liegende Logik “selbst Schuld – deswegen ab in die zweite Reihe”, konsequent an, feiern Neoliberale und Darwinist:innen in unserem Sozial- und Gesundheitssystem Party. Wohin das führt, kann man in den USA wunderbar beobachten.
Denn man kann das Prinzip auf Raucher, schuldhafte Diabetiker, Übergewichtige, auf Menschen, die sich ständig falsch ernähren, Alkohol trinken, usw auch anwenden.
Ich pflichte Herrn Tietze deshalb zu 100% bei.
Man kann es auch etwas nüchterner sehen: Allgemein dürfte akzeptiert sein, daß bei der Corona-Triage die akute Prognose das wesentliche Kriterium sein sollte. Hierbei spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle: Neben dem Alter und den Vorerkrankungen gehört hierzu eben unbestreitbar auch der Impfstatus! Wenn also die behandelnden Ärzte zu dem Schluß kommen, daß die Prognosen für Patient A und Patient B aufgrund aller mit Ausnahme des Impfstatus verfügbaren Daten kaum zu differenzieren sind, aber im Gegensatz zu Patient A Patient B geimpft ist, dann ist Patient B zu bevorzugen. Der Impfstatus trägt nun mal Wesentliches zur Prognose bei und ist demnach als ein Faktor zu berücksichtigen – was sonst? Allenfalls wäre zu diskutieren, ob der Impfstatus stärker gewichtet werden sollte als andere Faktoren – was u.U. sogar aus medizinischen Gründen angemessen erscheinen kann. Es ist im übrigen eine durchaus ärztlich-ethische Überlegung, ob man einen Geimpften sterben läßt, damit z.B. ein bekennender Impfgegner gerettet wird. Nicht zu vergessen: Es gab und gibt Coronapatienten, die selbst bei Ankunft auf der Intensivstation noch eine Impfung vehement ablehnen! Wie soll man damit umgehen?
Wenn der Impfstatus die Prognose beeinflusst, darf er auch bisher berücksichtigt werden, so wie andere die Prognose beeinflussende Umstände. Das ist aber ein anderer Fall als der hier betrachtete, in dem der Impfstatus zwar unterschiedlich, die Prognose aber dennoch identisch sein soll und bisher das Losverfahren differenzieren sollte.
Herr Tietze, der laut Ihrem Kommentar „hier betrachtete [Fall], in dem der Impfstatus zwar unterschiedlich, die Prognose aber dennoch IDENTISCH sein soll“ existiert in dieser Schärfe nicht. Das ist pure Theorie (siehe mein Kommentar weiter unten)! Richtig ist, daß in der klinischen Praxis immer eine Grauzone bleibt. Dann können meinetwegen zwei Coronapatienten ähnliche (nicht identische!) Prognosen haben. Wenn aber nun einer der beiden nicht geimpft ist, dann hat der Geimpfte in der Regel ein Plus – trotz ansonsten „ähnlicher“ Prognosen. Und dann sollte statt endloser „Ethik“-Exkursionen ganz nüchtern der Impfstatus entscheiden. Das ist praktikabel und ethisch auch vertretbar.
Danke für die gute und schlüssige Argumentation.
Dennoch möchte ich einen weiteren Aspekt in die Überlegung einbringen.
Ein schuldhaftes oder fahrlässiges Verhalten setzt einen monokausalen Zusammenhang voraus. Impfdurchbrüche verhindern diesen.
Was mache ich als Arzt mit einem Patienten, der bereits zweimal geimpft ist, dieser Schutz jedoch nicht aufgefrischt wurde und dieser Mensch nun infiziert wurde. Hätte er sich rechtzeitig um eine Boosterung bemühen müssen? Hat er dieses vielleicht sogar versucht, jedoch noch keinen Termin bekommen?
Als betroffener Arzt kann ich dieses Dilemma nicht lösen, sondern nur vermeiden, indem ich nach anderen Kriterien urteile.
Nochmal: Es geht ja gar nicht so sehr um die Frage, ob sich der Patient um eine (Booster-)Impfung bemüht hat oder nicht. Es geht um die Frage, ob er geimpft ist – oder eben nicht. Und das geht dann als ein (entsprechend stark zu gewichtender) Faktor in die Prognoseabwägung ein. Nichtgeimpfte nehmen damit automatisch einen nicht unerheblichen Minuspunkt in Kauf. Wohlgemerkt: Aus medizinischen Gründen, nicht aus moralischen!
Das passt aber nicht auf den Fall, den Prof. Hörnle hier behandelt. Hier geht es um einen Fall, in dem die Prognose vergleichbar ist. Wenn der Impfstatus die Prognose beeinflusst, darf er natürlich berücksichtigt werden; so wie jede andere die Prognose beeinflussende Tatsache; das wäre ja die bisherige Empfehlung, rein nach Prognosekriterien zu entscheiden. Hier geht es aber um ‘gleiche Prognose, anderer [die Prognose nicht beeinflussender] Impfstatus’.
Ich sehe natürlich Ihren Punkt, doch das ist pure Theorie! Wenn man eine Prognose „exakt berechnen“ (!) könnte, wäre Ihr Einwand richtig. Dann müssten die Ärzte bei „exakt“ gleicher Prognose auf der Grundlage aller Faktoren inkl. des Impfstatus wohl doch auf einer „moralischen“ Grundlage entscheiden … oder schlimmer: Würfeln! Allerdings: Das gibt ja vielleicht das juristische Bedürfnis wieder, ganz sicher aber nicht die medizinische Realität. In der bleibt immer eine Grauzone. Diese darf (und muß!) selbstverständlich nach ärztlichem Ermessen mit der Prognose-relevanten Information zum Impfstatus gefüllt werden. Spätestens hier kommen die Konflikte mit konträren Grundhaltungen zum Tragen, über die man dann endlos diskutieren könnte, ohne jemals Übereinstimmung zu erzielen. Handeln müssen die geforderten Ärzte aber ad hoc! Also wie? Gebietet hier etwa die „Ethik“, den Geimpften zugunsten eines erklärten Impfgegners sterben zu lassen? Alternativ ein etwas schwierigeres Beispiel: Gebietet die „Ethik“ vielleicht, den Geimpften zugunsten eines unverschuldet Ungeimpften sterben zu lassen? Knifflig! Ich denke, die einzig rationale, medizinisch haltbare Entscheidungsgrundlage wäre in einer solch unklaren „Pattsituation“ der Impfstatus. Wie würden Sie denn ad hoc entscheiden? Die Frage richtet sich auch an den sog. Ethikrat, dem dringend zu empfehlen wäre, sich zu dieser Frage klar und praxisbezogen zu äußern.
Herr Tietze, ich möchte auf Ihren o.g. Einwand und zur Klarheit auch für Juristen meinen u.g. Kommentar gerne nochmal in einem Satz zusammenfassen:
Ähnliche Prognosen sind in der klinischen Praxis grundsätzlich nie exakt voneinander abzugrenzen, werden aber natürlich immer vom Impfstatus beeinflusst!
Was, verehrte Frau Hörnle, ist der Unterschied zwischen einer Extremsituation, die durch ein Großschadensereignis hervorgerufen wird, und einer Epidemie oder Pandemie? Würden Sie befürworten, dass die Schadensverursacher einer Explosion auch erst nach den anderen Opfern behandelt werden? Ein ungeimpfter Intensivpatient hat sein Risiko, schwer zu erkranken, falsch eingeschätzt. Er hat vielleicht – dies juristisch zu begründen wird schwierig werden- das Leben anderer konkret gefährdet und wenn dann ohne Vorsatz. Ein Mörder, der schwerverletzt nach einer Schießerei ins Krankenhaus eingeliefert wird, dessen Intensivstation akut überlastet wird, müsste nach Ihrer Logik, doch hinter einen leichtverletzten Polizisten zurückstehen mit dem Risiko zu versterben. Wird eine Ärztin/ ein Arzt aber so handeln dürfen, obwohl die “Schuld” des einen doch offensichtlich ist?
Wenn das so werden soll, dann muss in jede Aufnahmestation ein Volljurist gestellt werden, der die Patienten entsprechend einteilt. Wir würden hier die Büchse der Pandora öffnen und zwar ausgerechnet wegen derjenigen, deren “Schuld” gar nicht feststeht. Darf Corona soweit wirken, dass dadurch auch noch unser Humanismus drauf geht?