Ziviler Ungehorsam als Demokratie
Spätestens seit dem Frühjahr 2022 ist ziviler Ungehorsam in Deutschland wieder in aller Munde. Die Justiz, Wissenschaft und die politische Öffentlichkeit sind durch die Protestaktionen insbesondere der „Letzten Generation“ mit dynamischen Entwicklungen konfrontiert. Immer im Raum, aber selten ausgesprochen, steht dabei die Kernfrage: Wann ist es gerechtfertigt, Gesetze zu brechen, um für ein höheres Ideal einzustehen? Ein Blick in die Geschichte sozialer Bewegungen zeigt: Dann, wenn es um existenzielle Krisen geht.
Ziviler Ungehorsam als „tiefe Gesetzestreue“
In seinem Hauptwerk „Eine Theorie der Gerechtigkeit“, das als zentrales Werk der politischen Philosophie gilt, fasste der amerikanische Philosoph John Rawls diese Frage so:
„An welchem Punkt ist die Pflicht, sich den von einer Gesetzgebungs-Mehrheit beschlossenen Gesetzen […] zu fügen, angesichts des Rechtes zur Verteidigung seiner Freiheiten und der Pflicht zum Widerstand gegen Ungerechtigkeit nicht mehr bindend?“1)
Rawls geht es um Schwächen innerhalb eines weitgehend gut funktionierenden repräsentativ-demokratischen Systems. In diesem Fall können sich Menschen aufgrund autonomer und verantwortlicher Entscheidungen mit zivilem Ungehorsam als einem öffentlichen Appell an den Gerechtigkeitssinn der Mehrheit ihrer Mitbürger:innen richten und deutlich machen, dass bestimmte Maßnahmen, Regelungen oder Gesetze im Widerspruch mit den allgemein geteilten Gerechtigkeits- und/oder Verfassungsgrundsätzen stünden. Ziviler Ungehorsam drückt insofern eine „tiefere Gesetzestreue“2) aus. Mit dieser Konzeption entwickelte Rawls eine sehr einflussreiche und stark rezipierte Aufarbeitung und Definition des Konzepts zivilen Ungehorsams. Er sieht die Rolle von zivilem Ungehorsam als „eine der Stabilisierungskräfte eines konstitutionellen Systems“3). Im Rahmen der Gesetzestreue sei ziviler Ungehorsam „ein letzter Ausweg, um die Stabilität einer gerechten Verfassung zu erhalten“4). Ziviler Ungehorsam trägt seiner Auffassung nach zur Erhaltung und Stärkung der gerechten Institutionen bei und ist elementarer Bestandteil des demokratischen Systems: Die Aktivist:innen erkennen grundsätzlich die demokratischen Institutionen an und fordern die Politiker:innen zum Handeln auf. Gegenstand des Protests ist die Gefährdung grundlegender Prinzipien, im Fall der Klimabewegung der Erhalt unseres Ökosystems und unserer Lebensgrundlagen.
Die Kerneigenschaft, in der sich der Protest der Letzten Generation also von anderen, eindeutig legalen Formen unterscheidet, ist, dass dabei Gesetze gebrochen werden, um auf ein Problem aufmerksam zu machen.
Ein ähnliches Verständnis wie John Rawls entwickeln auch Ronald Dworkin und Jürgen Habermas. Sie verstehen zivilen Ungehorsam in einem liberalen Sinne und berufen sich deshalb zu seiner Rechtfertigung auf Elemente des bestehenden Rechtssystems und Gerechtigkeitsvorstellungen, die der politischen Ordnung zugrunde liegen, sowie auf den geteilten Gerechtigkeitssinn der Mitbürger:innen – ziviler Ungehorsam hat damit vor allem eine symbolische und kommunikative Bedeutung.
Ziviler Ungehorsam als Teil der „condition humaine“
Im Gegensatz zu diesem liberal-demokratischen Verständnis von zivilem Ungehorsam steht das Verständnis von Hannah Arendt und Robin Celikates. Arendt stellt die grundlegend politische Bedeutung von zivilem Ungehorsam ins Zentrum ihrer Überlegungen. Ziviler Ungehorsam entsteht, sofern viele Bürger:innen davon überzeugt sind, dass andere Möglichkeiten eine Veränderung herbeizuführen nicht verfügbar seien. Sie versteht das Bedürfnis der Menschen nach Veränderung als Teil der „condition humaine“5). Im Gegensatz dazu wurden die Rechtsordnungen mit dem Ziel entwickelt, Stabilität zu gewährleisten. Recht könne zwar stabilisieren und legalisieren, aber eben keine Veränderungen herbeiführen. Ziviler Ungehorsam lässt sich deshalb mit dem politischen Handeln der Bürger:innen rechtfertigen, die aus Arendts Sicht politische Wesen sind. Ziviler Ungehorsam ist daher Teil des „alltäglichen politischen Meinungsstreit[s]“6).
Auch der Philosoph Robin Celikates nimmt eine radikaldemokratische Perspektive ein und versteht zivilen Ungehorsam als Ausdruck einer politischen Praxis der Bürger:innen, die auf diese Weise Einspruch gegen politisches Handeln erheben können7). Dieser Weg gebe ihnen auch die „Möglichkeit des Einspruchs […], wenn […] ihnen die ‚normalen‘ institutionellen Wege verschlossen sind oder diese ihren Widerspruch nicht effektiv übertragen“8). Auf diese Weise könne ziviler Ungehorsam bestehende Demokratiedefizite ausgleichen und Beteiligungen ermöglichen.9) In ähnlicher Weise ordnet Hannah Arendt zivilen Ungehorsam als „Heilmittel für [die repräsentative Republik und] deren Legitimationsprobleme“10) ein. Ziviler Ungehorsam begründet sich aus der Perspektive von Arendt und Celikates in der andauernden performativen Herstellung des Demokratisierungsprozesses und nicht wie bei Rawls, Dworkin und Habermas im ‚Notstand‘ bestimmter Gerechtigkeitsdefizite.
Ziviler Ungehorsam als Reaktion auf existenzielle Krisen
Vor diesem theoretischen Hintergrund ist der zivile Ungehorsam der Klimaaktivist:innen zunächst allgemein als Anzeiger für einen gravierenden gesellschaftlichen Missstand zu verstehen. Gegenstand des Protests sind letztlich die Fundamente unserer Zivilisation: Im Fall der Klimabewegung der Erhalt unseres Ökosystems und unserer Lebensgrundlagen. Dies ist nach Rawls eine wichtige Bedingung für die Legitimität des Protests, ebenso wie das Verständnis von zivilem Ungehorsam als ultima ratio. Die Klimabewegung versucht seit über zehn Jahren auf unterschiedlichen Wegen, Veränderungen in der Politik herbeizuführen. Zahllose Petitionen, Klagen und landesweite Demonstrationen führten bisher nicht zu den notwendigen Veränderungen, um die Klimakrise einzudämmen. Deswegen nutzen Aktivist:innen jetzt vermehrt den zivilem Ungehorsam als politisches Instrument.
Mit diesem Protest verleihen die Aktivist:innen ihrem Anliegen eine stärkere Sichtbarkeit, intensivieren die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Klimakrise, über die im Kontext der Proteste berichtet wird. Und sie weisen – im Anschluss an Robin Celikates – auf ein bestehendes Demokratiedefizit hin: Denn insbesondere jüngere Menschen sind einerseits politisch weniger stark repräsentiert und müssen andererseits stärker als die älteren Generationen mit den Konsequenzen der Klimakrise leben. Versteht man wie Arendt Demokratie als fortlaufenden Prozess (und nicht als ‚Staatsgebäude‘ mit seinen Institutionen), legitimiert gerade dessen Aufrechterhaltung und Erweiterung den aktuellen zivilen Ungehorsam. So wird, im Sinne Arendts, politische Veränderungen herbeigeführt. Rückblickend lässt sich auch für andere soziale Bewegungen wie die Anti-Atom-Bewegung feststellen, dass diese Strategie erfolgreich sein kann: „Tatsächlich hat die Bereitschaft zum zivilen Ungehorsam dazu geführt, dass die Proteste nicht länger ignoriert werden konnten und es zu einer breiten Diskussion des Anliegens der Protestierenden kam.“11)
Blickt man zeithistorisch in die deutsche Protestgeschichte, sind insbesondere Blockaden ein häufig genutztes Mittel des zivilen Ungehorsams – man denke an Mutlangen und weitere Orte in den 1980er-Jahren, wo Aktivist:innen der Friedensbewegung Zufahrten zu Kasernen und militärischen Einrichtungen blockierten, um gegen die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen zu demonstrieren und auf diese Weise Aufmerksamkeit für das Thema der Wiederbewaffnung und eines möglichen Atomkriegs zu schaffen. Auch die Anti-Atomkraftbewegung nutzte Straßen- und Gleisblockaden aus Protest gegen die Atommüll-Transporte nach Gorleben. Daneben wurde auch der Bau von Anlagen wie beispielsweise dem Atomkraftwerk in Wyhl am Kaiserstuhl oder einer Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf mit Aktionen des zivilen Ungehorsams verhindert.
Die bewegungssoziologische Analyse im Rahmen meiner empirischen Forschung zeigt: Ziviler Ungehorsam ist als Protestmittel immer dann besonders gut legitimierbar, wenn es um als existenziell wahrgenommene Krisen geht. So warnen die Aktivist:innen der Friedensbewegung in ihren Dokumenten vor der drohenden Gefahr des nuklearen ‚Overkills‘, also der Auslöschung der Menschheit durch dein Einsatz von Atomwaffen. Atomare Aufrüstung wird so als Schritt hin zu dieser existenziellen Gefahr verstanden. Die Aktivist:innen der Anti-AKW-Bewegung befürchten die weitrechenden Gefahren durch einen großen atomaren Unfall und sehen sich durch den GAU in Tschernobyl und später in Fukushima bestätigt. Auch die ungelöste Endlagerfrage und die Gefahren durch radioaktive Strahlung verstehen sie als Gefahr für Gesundheit und Leben. Die Besonderheit der deutschen Anti-AKW-Debatte im Vergleich zu europäischen Nachbarstaaten zeigt: Ob Risiken als existenzielle Gefahren verstanden werden, unterliegt Aushandlungsprozessen und Kämpfen um Deutungshoheit.
Unterlassen als Krise der Demokratie
Die aktuellen Proteste der Klimabewegung, insbesondere die Aktionen der „Letzte Generation“, betonen die langfristig lebensbedrohliche Krise in besonderem Maße, der die Entscheidungsträger:innen nur unzureichend begegnen. Sie beziehen sich ganz direkt auf wissenschaftliche Gutachten des Weltklimarats, völkerrechtliche Verträge wie das Klimaschutzabkommen von Paris sowie Rechtsprechung und Gesetze wie das deutsche Klimaschutzgesetz. Im Sinne Rawls also auf Elemente des bestehenden Rechtssystems und Gerechtigkeitsvorstellungen, die der politischen Ordnung zugrunde liegen. So lässt sich auch aus dieser liberal-demokratischen Perspektive ziviler Ungehorsam rechtfertigen.
In das Klimaschutzabkommen wurde von Seiten der Klimabewegung große Hoffnung gesetzt. Dass diese Zusagen und Gesetze nun nicht eingehalten werden, führt dazu, dass die Aktivist:innen mit immer größerem Nachdruck versuchen, die Politiker:innen zu den notwendigen Handlungen aufzufordern. Hinzu kommt ein großer zeitlicher Druck: Je mehr Zeit verstreicht, umso dringender und einschneidender werden die notwendigen Maßnahmen.
Insofern decken die aktuellen Proteste einen dramatischen demokratischen Missstand auf und leisten damit einen wichtigen Beitrag dazu, einer zentrale Katastrophe unserer Zeit zu begegnen. Dies belegt auch eine britische Studie zu den Protesten von Extinction Rebellion, die zeigt, dass Proteste dazu beitragen können, dass sich das Bewusstsein in Bezug auf die Klimakrise verändern kann, auch wenn sich die Zustimmung zu den Protesten nicht verändert. Wir sollten daher zivilen Ungehorsam nicht wie in der überhitzten medialen Debatte als eine Form von Terror oder Erpressung verstehen, sondern sowohl mit Hannah Arendt als auch John Rawls als einen wichtigen Teil einer intakten und lebendigen Demokratie im Angesicht existenzieller Herausforderungen.
References
↑1 | Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 22. Aufl. 2020, S. 400. |
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↑2 | Forst, in: Höffe (Hrsg.), John Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit 2006, S. 202. |
↑3 | Rawls, [Fn. 1], S. 421. |
↑4 | Rawls, ebd., S. 422. |
↑5 | Arendt, in: Zur Zeit. Politische Essays (1943-1975) 1986, S. 139. |
↑6 | Heuer u. a., Arendt-Handbuch 2011, S. 338. |
↑7 | vgl. Celikates, Veränderungen an sich sind immer das Ergebnis von Handlungen außerrechtlicher Natur. Subjektive Rechte, ziviler Ungehorsam und Demokratie nach Arendt, RphZ Rechtsphilos. 2017, 31 (39–40). |
↑8 | Celikates, in: Das Politische und die Politik 2010, S. 290. |
↑9 | vgl. Celikates, [Fn. 4], 982, S. 991. |
↑10 | Straßenberger, Hannah Arendt zur Einführung 2018, S. 114. |
↑11 | Ebert, Erfolg durch Zivilen Ungehorsam?, Forschungsjournal Soz. Bewegungen 2012, 60 (61). |
Danke für den kompakten Überblick. Bezüglich gerade der Aktionsformen der Letzten Generation stellt sich allerdings im Hinblick auf die Deklaration als “ziviler Ungehorsam” oder “Widerstand als tiefere Gesetzestreue” die Frage, ab wann solche widerständigen Aktionen als demokratische Aktionen gelten dürfen.
Am deutlichsten sieht man das Problem bei den Straßenblockaden. Dass Straßen oder Zugänge durch Demonstrationen blockiert werden, ist nicht neu. Wo signifikante Mengen an solidarisierten Personen auftauchen, ergibt sich das schon von ganz allein. Die Polizei regelt das freundlicherweise. Die Letzte Generation überspringt allerdings den Schritt, durch Kommunikation eine signifikante, solidarische Menge zu erzeugen und hebelt gewissermaßen durch Festkleben ihre Gruppengröße. So reichen dann 10 oder 15 Leute, um eine Straße stundenlang zu blockieren, als ob eine liometerlange Großdemo vorbeimarschieren würde.
In den referierten Theorien scheint es keine Rolle zu spielen, von wie wenigen oder vielen die repräsentative Regierung mit Regelverstößen unter Druck gesetzt wird. Ich hege Zweifel, ob man es sich noch so einfach machen kann. Das “Recht auf Widerstand” wird inzwischen von allerhand Gruppen, auch im Sinne von Interessensgruppen, kurzerhand geltend gemacht. Sie benennen sich selbst als dazu Berechtigte. Aber können das auch nur eine Handvoll sein? Dürfte ein Einzelner sagen: “Ich bin der Widerstand gegen X” und dann Tausenden Menschen das Leben erschweren? Schwer, abstrakt zu entscheiden, aber mir wäre wohler, wenn nicht jedes Grüppchen sich selbst zu jedweden Formen zivilen Ungehorsam berechtigt fühlen darf.
Am Ende bleibt das paradoxe Problem, dass der Verstoß gegen Regeln selbst auch mindestens seine ungeschriebenen Regeln braucht. Die “tiefere Gesetzestreue” ist dafür möglicherweise der beste Ansatz, weil er die Widerständler und die, gegen die aufbegehrt wird, auf eine Plattform bringt.
Und noch eins: Mit Habermas den widerständigen “Ungehorsam” als Form der Kommunikation zu verstehen, ist auch ein wichtiger Punkt und mehr als nur eine weitere Definition. Denn Kommunikation will nichts erzwingen, sondern eine Position vortragen und unüberhörbar machen. In dieser Hinsicht kann sich die LG nicht auf Habermas berufen, insofern sie, bevor sie sich zwecks eigener Existenz und Persistenz institutionalisierte, ganz konkrete Forderungen mit der Politik dealen wollte: Tempolimit 100 auf der Autobahn und wir stoppen die Blockaden.
Ich habe unbeschränkte Sympathie für die Ziele der LG, hege aber Zweifel an der Legitimität einiger Aktionsformen im Kontext solcher Deal-Angebote und vor dem Hintergrund, dass eine – damals noch – sehr kleine Gruppe an aller deliberativer Demokratie vorbei sozusagen eine konkrete Gesetzesvorlage durchzwingen will. Wenn das legitim wäre, wären ja künftig alle sozialen Bewegungen dumm, die nicht ebenfalls maximale Hebelkraft ansetzen und dazu einfach heftig schmerzende Regelverstöße ersinnen.
Ich fürchte, der dargelegte theoretische Rahmen braucht für die Praxis einige Verfeinerungen, stillschweigende Übereinkünfte und zivile Selbstbeschränkungen.
ich stimme Ihnen in zwei Punkten zu: die “Vergrößerung” der eigenen Anzahl durchs Festkleben (= der Aspekt der Anzahl von Demonstranten ist ja eigentlich so klar) sowie dass wahrscheinlich die Aspekte ZU als Kommunikation und Symbolik und die “tiefe Gesetzestreue” eher rechtlich derartige Aktionen einsortieren als der Gedanke, dass ZU zum normalen alltäglichen Demokratieverhalten dazugehören könne.
Bezogen auf meinen Vorredner wollte ich sagen, dass das größte Problem im Hinblick auf “Krisen der Demokratie” oder
auf “falsche demokratische Entscheidungen” ist, dass einer demokratischen Mehrheitsentscheidung ein wie auch immer
gearteten normativer oder gar epistemischer Wert zugemessen wird, statt sie einfach als Interessenaggregation zu betrachten, wie es die allgemeine
Sozialwahltheorie tut. Mit einem solchen Blick auf die Angelegenheit versteht es sich von selbst, dass eine Person eine
demokratische Entscheidung als krisenhaft empfindet, soweit die Entscheidung mit ihrer, selbstverständlich korrekten,
moralischen Auffassung kollidieren sollte. Das Konzept einer “falschen” demokratischen Entscheidung ist im Grunde
eigenartig, weil es die demokratische Entscheidung insoweit infrage stellt, als der Demos doch nicht
über jeden Gegenstand entscheiden kann und damit in seiner Souverenität beschränkt ist. Für einen Juristen ist diese Frage
zumindest in den Grenzen des Grundgesetzes insoweit uninteressant, als durch die Verfassung geklärt ist, was die absoluten
Grenzen demokratischer Entscheidungen sind.
Die einzige Theorie, die diesen normativen Anspruch einer Mehrheitsentscheidung als in der Entscheidung inhärent explizit anspricht
ist der klassische Utilitarismus in der Ausprägung Benthams, den ja Utilitaristen nach ihm selbst ablehnen, weil sie schon damals gemerkt haben,
dass ein reiner “felicity calculus” dazu führen könnte, dass es Mehrheitsentscheidungen gibt, die ihnen gegen den Strich gehen könnten.
Das größte Problem dieser Diskussion ist, dass man den demokratietheoretischen Widerspruch auflösen muss, einerseits vom
Souverenitätsanspruch der Demokratie auszugehen, andererseits davon auszugehen, dass die Demokratie durch Werte begrenzt
und bis zu einem gewissen Punkt bekämpft werden muss, wenn sie keine “richtigen” Entscheidungen trifft.