Reich werden mit euroskeptischen Verfassungsbeschwerden
Im Januar habe ich hier über einen klitzekleinen und auffällig unauffälligen BVerfG-Beschluss berichtet, in dem der Zweite Senat den Klägern im Eurorettungs-Verfahren trotz ihres Unterliegens das Recht zuspricht, ein Drittel ihrer Auslagen erstattet zu bekommen.
Das erschien mir ziemlich sonderbar, erstens dass das gesondert passiert und nicht im Urteil selbst, zweitens ohne Pressemitteilung und drittens überhaupt: Die hatten doch verloren, und zwar nicht nur zu zwei Dritteln, sondern ganz und gar. Was soll das?
Jetzt schreibt heute Heribert Prantl in der Süddeutschen (offline) auch über diesen Beschluss und fügt noch ein paar höchst erstaunliche Details hinzu:
Offenbar hat Gauweilers Bevollmächtigter Dietrich Murswiek beim Senat beantragt, einen Fantastilliardenbetrag als Gegenstandswert festzusetzen, und zwar mit dem charmanten Hinweis, bei der Eurorettung gehe es schon allein des Risikos für den Staatshaushalts um so irre viel Geld, dass 50 Millionen Euro Gegenstandswert nur rund ein Tausendstel des ökonomischen Wertes erfasse und daher schon mal auf jeden Fall vollkommen unangemessen wäre.
Ich weiß nicht, was Gauweiler und Murswiek für Absprachen haben. Aber jedenfalls, sofern sich das Anwaltshonorar am Gegenstandswert bemisst, kann man wohl davon ausgehen, dass ein Drittel Auslagenerstattung eine sehr, sehr substanzielle Summe ergibt.
Dazu kommt, dass Gauweiler ja nicht nur von Murswiek, sondern auch von seinem Kanzleipartner Wolf-Rüdiger Bub vertreten wurde. Wozu er den auch noch brauchte? Er wird sich bestimmt irgendwie nützlich gemacht haben. Ganz sicher aber wird er eine Rechnung stellen.
Geradezu rührend finde ich vor diesem Hintergrund die Offenherzigkeit, mit der der Zweite Senat in seinem Auslagenerstattungsbeschluss die Gründe darlegt, die ihn zu seiner Drittel-Billigkeits-Entscheidung bewogen haben:
Die Frage nach der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden wird unter dem Gesichtspunkt der Rüge einer Verletzung der dauerhaften Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages im Sinne der Beschwerdeführer beantwortet.
Die Zulässigkeitshürde genommen zu haben, war hier tatsächlich insofern ein besonderes Verdienst, als ich immer noch nicht recht verstanden habe, wieso die Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig war. Aber bitte, der Senat ist seit Maastricht der festen Überzeugung, dass das Grundgesetz befiehlt, dass die deutsche Europapolitik von jedem Bürger aus Sorge um die Demokratie in Karlsruhe vor Gericht gestellt werden kann.
So gesehen ist es konsequent, wenn die Bürger, die diese Mühe auf sich nehmen, dann auch auf ihre Kosten kommen. Man kann ihnen zwar nicht Recht geben, das nicht. Aber es ist doch sehr wichtig, dass sie trotzdem klagen. Denn sonst müsste der Senat womöglich ungefragt beiseite stehen. Und dass das nicht passiert, ist uns doch sicher ein paar Kröten wert, oder nicht?
Foto: Bill S, Flickr Creative Commons
Das ist allerdings tatsächlich komisch.
“Im Januar habe ich hier über einen klitzekleinen und auffällig unauffälligen BVerfG-Beschluss berichtet,”
Und ich habe damals schon gefragt, ob der Gegenstandswert in einem gesonderten Beschluss festgesetzt wird.
“Ich weiß nicht, was Gauweiler und Murswiek für Absprachen haben. Aber jedenfalls, sofern sich das Anwaltshonorar am Gegenstandswert bemisst,”
Spielt das RVG hier eigentlich irgendeine Rolle, wenn der Prozessvertreter kein Rechtsanwalt ist?
Interessant wäre zu wissen, wie hoch der Gegenstandswert jetzt konkrtet festgesetzt wurde. Außerdem, ob es eine Deckelung des Anwaltshonorars bei Gegenstandswerten in Millionenhöhe gibt. Dass das BVerfG sicherlich interessiert ist, auch Entscheidungen (von einiger Tragweite) treffen zu können ist logisch und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie schreiben ja auch “entspricht der Billigkeit”! Das bedeutet für mich (für Nichtjuristen) die Verfassungsbeschwerde war wichtig, da somit das BVerfG sich erst zu dem Themenkomplex äußern konnte. Deshalb will man den Beschwerdeführern auch finanziell entgegen kommen…
@ Anton. Wegen der Deckelung des Gegenstandswertes verweise ich auf § 22 RVG. Die Bevollmächtigten werden gegenüber den Klägern im Zweifel nicht nach RVG abgerechnet haben, sondern wahrscheinlich aufgrund einer Vergütungsvereinabrung. Grundlage der Auslagenerstattung durch die Staatskasse sind aber die sog. gesetzlichen Gebühren. Grds. veröffentlicht das BVerfG auch Beschlüsse, durch die der Gegenstandswert festgesetzt worden ist. Man darf gespannt sein, ob auch in diesem Fall.
@Detlef Burhoff
Der Beschluß ist am 19. Juni 2012 ergangen und vor kurzem veröffentlicht worden: http://dejure.org/2012,70514 (1.000.000 EUR).
Eine generelle Frage an Sie, als Experten, zum Verhältnis zwischen Vergütungsvereinbarung und Erstattungsanspruch: Wenn, wie hier, der Beteiligte eine Erstattung von 1/3 zugesprochen bekommt, bezieht sich das auf seine tatsächlichen (geringeren) Ausgaben oder auf das, was er seinem Prozeßvertreter eigentlich zahlen müßte? Im letzteren Fall würde er “hinzuverdienen” und es wäre nicht im Wortsinne “Erstattung”.
Und weiter: Wenn die Vereinbarung so lautet, daß bei einem Unterliegen die RVG-Unterschreitung gilt und bei einem Obsiegen der RVG-Satz (falls das überhaupt zulässig ist), dann müßte Gauweiler doch, um sein Drittel erstattet zu bekommen, effektiv zwei Drittel an seinen Anwalt aus eigener Tasche zahlen, oder? (“Arm werden mit euroskeptischen Verfassungsbeschwerden?”)