Alles hat ein Ende
Das Bundesverfassungsgericht beendet die Folgerichtigkeitsdogmatik im Wahlrecht
Vor wenigen Jahren war die Grundmandatsklausel wohl nur Kenner*innen des deutschen Wahlrechts bekannt. Breitere Prominenz erlangte sie 2021 dadurch, dass die Linke nur mithilfe der Grundmandatsklausel in den Bundestag einziehen konnte. Damals war noch nicht absehbar, dass sich nur zwei Jahre später Verfassungsrechtler*innen im ganzen Land um die Grundmandatsklausel streiten würden. Argumentiert wurde etwa, dass die Grundmandatsklausel nicht mehr in das „neue System“ der Wahlrechtsreform passe und daher verfassungswidrig sei.
Diese Argumente basieren auf der sogenannten Folgerichtigkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die weder inhaltlich überzeugen konnte noch tatsächlich notwendig war. Seit Ende Juli ist nun nicht nur klar, dass die Wahlrechtsreform im Hinblick auf die Streichung der Grundmandatsklausel verfassungswidrig ist (umfassend bereits Michl/Mittrop). Mit Blick auf das Folgerichtigkeitsdogma schenkt das Gericht reinen Wein ein und scheint sich nun endgültig davon distanziert zu haben – zumindest im Wahlrecht.
Großer Knall kurz vor Schluss
Auch schon bevor die Ampelkoalition die Grundmandatsklausel strich, war die Diskussion um das Wahlrecht nicht gerade arm an Emotionen. Mit der Einführung der sogenannten Zweitstimmendeckung versuchten sich die Ampelfraktionen an einem respektablen Wurf, um das Problem des „adipösen“ Bundestags unter Kontrolle zu bekommen. Und schon dagegen wehrte sich die Union mit Händen und Füßen. Eine vermeintlich kleine Änderung nach der ersten Lesung führte endgültig dazu, dass die Diskussion ohne Contenance geführt wurde. Die Ampelkoalition schaffte die Grundmandatsklausel (§ 6 Abs. 3 Satz 1 BWahlG aF) kurzfristig ab, mit Blick auf die Art und Weise ein „grobes politisches Foul“. Dabei wurden die Finger kurioserweise schnell auf jene Sachverständige gezeigt, die im Innenausschuss von den Unionsparteien eingeladen wurden und den Reformvorschlag der Ampelparteien – noch vor Abschaffung der Grundmandatsklausel – als verfassungswidrig eingestuft hatten. Einer der Gründe für die Verfassungswidrigkeit: die Systemwidrigkeit der Grundmandatsklausel. Dadurch dass das Prinzip der Zweitstimmendeckung die legitimatorische Kraft der Direktmandate schwächen würde, wäre die Grundmandatsklausel in diesem „neuen System“ ein Fremdkörper. Die Grundmandatsklausel sei daher „nicht mehr haltbar“ und „systemfremd, da sie insoweit das Direktmandat vom ansonsten bestehenden Erfordernis der Hauptstimmendeckung löst“.
Das Argument der fehlenden Folgerichtigkeit fußt auf vergangenen Entscheidungen des BVerfG, wonach der Gesetzgeber sich zwar frei für ein bestimmtes Wahlsystem entscheiden dürfe. In dem jeweiligen Wahlsystem müsse dann aber „Folgerichtigkeit herrschen“ (bereits 1952 in BVerfGE 1, 208, 246). Später präzisierte das BVerfG, dass „der Gesetzgeber […] vielmehr verpflichtet ist, das ausgewählte Wahlsystem ungeachtet verschiedener Ausgestaltungsmöglichkeiten in seinen Grundelementen folgerichtig zu gestalten“ (BVerfGE 120, 82, 103f.). Es dürften „keine strukturwidrigen Elemente“ eingeführt werden. Dies verdichtete sich – neben dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit – zur Grenze des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (BVerfGE 130, 212, 229).
Tatsächlich verwendeten Autor*innen diesen Maßstab auf zweierlei Art, um die Wahlrechtsreform zu kritisieren: Einige folgern daraus, die Grundmandatsklausel sei unter dem reformierten Wahlrecht ein systemischer Fremdkörper – also eine strukturwidrige und damit verfassungswidrige Abweichung von der wahlrechtlichen Systementscheidung für eine konsequente Verhältniswahl. Für andere hingegen ist sie selbst Bestandteil und wird gerade zur Systembestimmung hinzugezogen: Weil die Grundmandatsklausel zunächst beibehalten wurde, würde die Wahl in den Wahlkreisen weiterhin eigenständig demokratische Legitimation vermitteln – und die Zweitstimmendeckung sei verfassungswidrig, da sie die eigenständige Bedeutung der Erststimme missachte. Oder um die Kritik auf den Punkt zu bringen: Das, was sich die Ampelparteien ausgedacht haben, hat einfach kein System!
Mythos und Willkür der Folgerichtigkeit
Das Folgerichtigkeitspostulat hat in der Rechtsprechung des BVerfG einen festen Platz (siehe Übersicht bei Payandeh). Nicht nur im Wahlrecht ist dagegen früh grundsätzliche Kritik laut geworden. In dem umstrittenen BVerfG-Urteil zum Nichtraucherschutz wandte sich Richter Byrde in seinem Sondervotum gegen das im Urteil prominent platzierte Folgerichtigkeitsdenken: „[Der] Kompromiss ist geradezu Wesensmerkmal demokratischer Politik. Das Bundesverfassungsgericht darf keine Folgerichtigkeit und Systemreinheit einfordern, die kein demokratischer Gesetzgeber leisten kann.“ Möglicherweise ist es der fromme Wunsch so mancher Rechtswissenschaftler*innen, dass der Gesetzgeber bei der Kreation von Gesetzen streng juristische Dogmatik und Systematik beachtet. In unserer parlamentarischen Mehrparteiendemokratie, die auf die Bildung von Koalitionsregierungen ausgelegt ist, ist die Kompromissfindung bei Gesetzesvorhaben jedoch täglich Brot (siehe Möllers). Man könnte noch weitergehen: Es würde zudem gegen das Demokratieprinzip verstoßen, wenn dem Gesetzgeber Folgerichtigkeitsanforderungen auferlegt werden, die sich nicht aus Freiheits- oder Gleichheitsrechten ergeben.
Dazu kommen – insbesondere im Wahlrecht – etliche praktische Probleme, und zwar bei der Definition des „Systems“. Wann etwa ist ein Merkmal systemwidrig und wann ein definierendes Merkmal des Systems? Diese Unsicherheiten führen zu Abgrenzungsschwierigkeiten, die bis zu einem gewissen Grad willkürlich erscheinen können (siehe Payandeh). Dies lässt sich prototypisch in der aktuellen Debatte beobachten: Für Grzeszick ist die Grundmandatsklausel entweder ein definierendes Element des Wahlsystems oder sie ist eine systemwidrige Ausnahme. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie solche (offensichtlichen) Ausnahmen überhaupt dazu beitragen können, ein System zu prägen; Grzeszick verweist im Übrigen auch auf die Ausnahme für unabhängige Kandidierende, die noch marginaler erscheint. Das macht deutlich, wie willkürlich die Einordnungen sind. Ausnahmen, wenn man sie als solche einordnet, leben ja gerade davon, dass sie eben nicht der üblichen Systematik entsprechen. Die Willkür der Folgerichtigkeitsdogmatik eröffnet im Übrigen auch der Kontrollinstanz – hier dem BVerfG – einen größeren Spielraum in der Beurteilung des Wahlrechts.
Jetzt mag man dagegenhalten: Folgerichtigkeit ist ja kein Selbstzweck! Ein systematisch konsequentes Gesetz führt schließlich dazu, dass das Gesetz kohärent angewandt wird und gut verständlich ist. Das stimmt; jedoch braucht es dafür den Folgerichtigkeitstopos nicht. Eine konsequente Anwendung der Gleichheitsrechte würde regelmäßig zu denselben Ergebnissen führen. Dies wird erneut verständlich mit Blick auf das Urteil des BVerfG zum Nichtraucherschutz (BVerfGE 121, 317). Die Normen, die das BVerfG mit dem Hinweis auf die fehlende Systematik verworfen hat, hätten ebenso gut aufgrund einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung für verfassungswidrig erklärt werden können (Payandeh). Als weitere Schranke kommen zudem die verfassungsrechtlichen Gebote der Normenklarheit und Bestimmtheit in Betracht. Diese fordern eben nicht Systemreinheit, sondern lediglich, dass die Normbetroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten müssen können (BVerfGE 108, 169, 181). Sollten Gesetze so unklar und inkohärent sein, bieten die Gebote der Normenklarheit und Bestimmtheit ausreichend Munition, um das Gesetz anzugreifen.
Daher muss auch sorgfältig unterschieden werden, aus welcher Perspektive die Grundmandatsklausel kritisiert wird. So wurden auch Stimmen laut, die bemängelten, dass ein Sieg in drei Wahlkreisen nur unzureichend Legitimation vermitteln kann. Jedenfalls zu wenig, als dass eine Ausnahme zur Fünf-Prozent Hürde gerechtfertigt wäre (siehe hier). Der Unterschied ist ein kleiner, aber feiner: Weder wird mit einer angeblichen Systemwidrigkeit argumentiert, noch wird eine Konsequenz für die Systematisierung des Wahlrechts gezogen. Ob die Grundmandatsklausel eine gerechtfertigte Ausnahme ist, kann isoliert in einer nach Gleichheitsrechten ausgerichtete Prüfung beurteilt werden.
Folgerichtigkeit und Wahlgleichheit
Im Wahlrecht hatte das Folgerichtigkeitspostulat aber noch eine weitere, wahlrechtsspezifische Ausprägung. Denn das BVerfG blieb nicht bei der Feststellung stehen, dass das Wahlrecht folgerichtig und frei von widersinnigen Effekten sein muss. Die Entscheidung, nach welchem System gewählt wird, hat einen gewichtigen Einfluss auf den Maßstab der Wahlgleichheit nach Art. 38 I 1 GG. Wenn sich der Gesetzgeber für ein Mehrheitswahlrecht entscheidet, muss sich das Wahlrecht an dem Maßstab der Zählwertgleichheit messen lassen. Beim Verhältniswahlrecht muss jedoch zusätzlich dazu der Erfolgswert jeder Stimme gleich sein (stRspr. zuletzt auch in BVerfG, Urt. v. 30.07.2024, Rn. 148), d.h. jede Stimme muss den gleichen Einfluss auf die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse haben. Dies begründet das BVerfG damit, dass beiden Wahlsystemen eine „demokratische Legitimation in je eigener, voneinander ganz verschiedener Weise“ zukommt (BVerfGE 95, 335, 352). Aus der Tatsache, dass das Mehrheitswahlrecht zulässig ist, dürfe nicht abgeleitet werden, dass das Verhältniswahlrecht willkürlich eingeschränkt werden darf (bereits in BVerfGE 6, 84, 90).
Auch wenn diese differenzierte Maßstabsbildung auf den ersten Blick Sinn ergibt und auch als inhärente Funktionsbedingung des jeweiligen Wahlsystems verstanden werden kann, zeigt folgender Vergleich zwischen der Mehrheitswahl im Wahlkreis und der Fünf-Prozent-Hürde in der Verhältniswahl die tatsächlichen Konsequenzen dieses dogmatischen Konstrukts: Wenn man den Blick nur auf die Stimmen richtet, die im Sinne der Erfolgswertgleichheit keinen Einfluss auf die Sitzverteilung im Parlament haben, fallen bedeutend mehr Stimmen bei der Mehrheitswahl im Wahlkreis weg als bei der Fünf-Prozent-Hürde. Dies spiegelt sich aufgrund der differenzierten Maßstabsbildung jedoch nicht in der Prüfung des BVerfG wider, da die Mehrheitswahl eine zulässige Systemwahl des Gesetzgebers ist und daher nicht rechtfertigungsbedürftig ist. Etwas anderes gilt für die Fünf-Prozent-Hürde, an die das BVerfG hohe Rechtfertigungsanforderungen stellt, die sie zwar regelmäßig erfüllt, aber eben nicht immer (so etwa in BVerfGE 129, 300). Dieser beispielhafte Vergleich zeigt die Wertungswidersprüche auf, zu der die differenzierte Anwendung des Wahlgleichheitsmaßstabs führt (siehe Lenz). Aber auch verfassungsdogmatisch lässt sich dies angreifen: Bereits der einflussreiche Wahlrechtler Meyer kritisierte, dass der einfache Gesetzgeber durch seine Wahlfreiheit über das Wahlsystem auch den Inhalt der verfassungsrechtlich garantierten Wahlrechtsgrundsätze bestimmen kann. Dies ist laut Meyer eine „zumindest eigenartige Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung“ (H. Meyer, Wahlsystem und Verfassungsordnung, 1973, S. 119f.). Dagegen lässt sich legitimerweise einwenden, dass es sich – wie bei Art. 14 I GG – auch bei der Wahlgleichheit um normgeprägtes Verfassungsrecht handelt. Jedoch stellt sich die Frage, ob dies normativ bei einem so elementaren Gleichheitsrecht wie der Wahlgleichheit sinnvoll ist.
Das BVerfG sagt Adieu
Blickt man nun auf das aktuelle Urteil, lässt sich zunächst feststellen: Die Grundmandatsklausel wäre vom BVerfG nicht verworfen worden. In den letzten Randnummern des Urteils prüft das BVerfG relativ knapp, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, die Grundmandatsklausel – die nach neuem Wahlrecht Wahlkreisklausel heißen würde – wiedereinzuführen. Man kann aus den Zeilen zwar keine Euphorie der acht Richter*innen für eine solche Wahlkreisklausel herauslesen, die relevante Information ist aber folgende: Auch im neuen Wahlrecht wäre die Grundmandatsklausel, so wie sie bis zur Reform bestand, verfassungsgemäß (Rn. 275ff.). Und wenn man den Rest des Urteils sowie die großen Wahlrechtsurteile des BVerfG im letzten Jahrzehnt zu Rate zieht, kann man durchaus konstatieren: Der Zweite Senat spricht auffällig wenig über Folgerichtigkeiten und Systemwidrigkeiten. Bereits als das BVerfG 2012 die zu große Anzahl an ausgleichslosen Überhangmandaten im damaligen Wahlrecht bemängelte, verschwand das Konzept der Folgerichtigkeit und wurde durch die Formel „frei von willkürlichen oder widersinnigen Effekten“ ersetzt (BVerfGE 131, 316, 336). Insbesondere in der abstrakten Maßstabbildung erscheint das Konzept nun überhaupt nicht mehr – weder in dem Urteil zur Wahlrechtsreform der Großen Koalition aus dem Jahr 2020 (BVerfG, NJW 2024, 1251) noch in dem hier diskutierten Urteil. Die Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in Bezug auf das Wahlsystem findet seine Grenze jetzt „lediglich“ in den Wahlrechtsrundsätzen (Rn. 144). Zwar beschäftigt sich der Zweite Senat weiterhin mit Folgerichtigkeitsargumenten, aber nur um die darauf gerichteten Argumente der Antragsteller*innen zu entkräften (Rn. 170ff.). Die Zeiten, in denen das BVerfG gar andeutete, dass „bereits die Systemgerechtigkeit des Wahlsystems für sich genommen ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Durchsetzung des Grundsatzes der gleichen Wahl ist“ (BVerfG, NVwZ 2005, 568, 571) oder in denen die Überhangmandate alleine deswegen verfassungswidrig waren, weil sie nicht mit dem Grundcharakter des Wahlsystems kompatibel sind (BVerfGE 131, 316), scheinen somit vorbei zu sein.
Das aktuelle Urteil zur Wahlrechtsreform ist nicht nur eine kluge Entscheidung, als dass der Zweite Senat damit eine verfassungspolitische Katastrophe bei der nächsten Wahl abwendet, die gedroht hätte, wenn die CSU trotz einer Vielzahl von gewonnenen Wahlkreisen ausgeschieden wäre. Gleichzeitig hat das BVerfG eine mit Blick auf den anwachsenden Bundestag fällige Reform des Wahlrechts bestätigt. Es lässt sich darüber hinaus auch nicht von systemfixierten Argumenten der Antragsteller*innen überzeugen und fokussiert sich stattdessen auf eine sorgfältige Prüfung der Wahlgleichheit. Es scheint, als ob das BVerfG sein lang gehegtes Folgerichtigkeitspostulat aufgegeben hat; nur im Hinblick darauf, dass sich der Maßstab der Wahlgleichheit nach dem vom Gesetzgeber ausgewählten System richtet, deutet sich kein Rechtsprechungswechsel an. Dies ist auch verfassungsdogmatisch um einiges herausfordernder, denn dafür müssten das BVerfG und die Wissenschaft einen neuen Wahlgleichheitsmaßstab entwickeln. Diesbezüglich existieren Ansätze, die jedoch in konträre Richtung gehen. Entweder wird die Zählwertgleichheit als Maßstab präferiert (Lenz, AöR 121 (1996), 337 (344 f., 346 ff.)) – auch im Hinblick auf den dann deutlich zurückgenommenen Prüfungsmaßstab des BVerfG – oder die Erfolgswertgleichheit (M. Morlok, in: H. Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 38 GG Rn. 106.).
Was bleibt
Die Diskussion um die Grundmandatsklausel hat vor allem gezeigt: Argumente, die auf eine systematische Einordnung des Wahlrechts fixiert sind, führen die Politik in die Irre und haben zur Folge, dass Konzepte grundlos überhöht werden. Eins bleibt klar: Warum gerade die Grundmandatsklausel eine verfassungspolitisch gerechte Ausnahme zur Fünf-Prozent-Hürde sein soll, war schon immer mehr als fraglich. Dafür genügt der Vergleich der Wahlen 2013 und 2021: Der Grund, weswegen die Linke 2021 in den Bundestag einziehen durfte, die FDP 2013 aber nicht, war alleine folgender: Die Linke hat in 3 von 299 (!) Wahlkreisen eine relative Mehrheit erzielt und diese Mehrheit war tatsächlich sehr relativ; in Leipzig hat Sören Pellmann für die Linke den Wahlkreis mit gerade mal 22,8% der Stimmen gewonnen.
Letztendlich haben die Kritiker*innen einen Punkt, wenn sie betonen, dass die Grundmandatsklausel besser in ein System passt, in dem die Mehrheitswahl eine bedeutende Rolle einnimmt, denn die Grundmandatsklausel setzt ja gerade auf das Prinzip der Mehrheitswahl. Sie sind daher aber auch aus denselben Erwägungen kritikwürdig: Eine relative Mehrheit von rund 22% sollte weder dazu führen, dass bei der Wahl im Wahlkreis knapp 80% der Stimmen wegfallen, noch sollte sie einen beachtlichen Anteil (eins von drei „Grundmandaten“) daran haben, dass eine gesamte Fraktion von der Sperrklausel ausgenommen wird. Genau das sollte von der Diskussion um die Grundmandatsklausel hängen bleiben: Eine Mehrheitswahl kann die politische Mehrheitsverhältnisse im Staatsvolk mehr schlecht als recht abbilden.