26 November 2025

Professionalisierung statt Mäßigung

Die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation

Ende November richten sich viele Augen auf Gießen. Am Wochenende soll dort die neue Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD) gegründet werden. Erwartet werden die größten Demonstrationen in der Geschichte der Universitätsstadt mit bis zu 50.000 Teilnehmenden aus dem gesamten Bundesgebiet – das entspräche über der Hälfte der Stadtbevölkerung. Schon jetzt deutet sich an, dass es sowohl inhaltlich als auch personell zahlreiche Kontinuitäten zur bisherigen Jungen Alternative (JA) geben wird. Statt einer ideologischen Mäßigung scheint es der neuen Jugendorganisation – wie auch ihrer Mutterpartei – vor allem um eine organisatorische Professionalisierung zu gehen.

Wozu Jugendorganisationen?

So viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten Jugendorganisation eher selten. Diese stehen üblicherweise – in der öffentlichen Debatte wie auch in der wissenschaftlichen Forschung – eher im Schatten ihrer Mutterparteien. Generell erfüllen Jugendorganisationen wichtige Funktionen für ihre Parteien: Sie sollen junge Menschen – gerne auch niedrigschwellig – mit politischen Themen und Ideen in Verbindung bringen („Sozialisation“), kompetentes Personal ausbilden sowie rekrutieren und zudem dazu beitragen, jugendspezifische Positionen in der Partei sowie in der Politik zu repräsentieren.

All diese Funktionen hat die JA in der Vergangenheit recht erfolgreich erfüllt. Sie organisierte für ihre etwa 2.300 Mitglieder und weitere Interessierte Veranstaltungen zur politischen Bildung und Vernetzung, etwa Workshops, Wanderungen oder schlichtweg Aperol Spritz-Abende. Auch ihrer Aufgabe als „Kaderschmiede“ ging die JA erfolgreich nach und so saßen zunehmend junge AfD-Abgeordnete in den Parlamenten, deren politische Karriere in der Jugendorganisation ihren Anfang genommen hatte. Insgesamt vertrat die JA auf diesem Weg – wie auch in den sozialen Medien und auf der Straße – viele Themen und Positionen, die sich auch in ihrem Programm „Jugend, die vorangeht!“ wiederfanden.

Auflösung aus Angst vor Verbot

Warum also hat sich die AfD Anfang 2025 von der JA getrennt und warum hat sich die JA daraufhin bereitwillig aufgelöst, obwohl die Beziehung zwischen beiden über die Jahre hinweg immer besser geworden war? Öffentlich erklärt wurde dies von der Partei mit dem Wunsch nach mehr Kontrolle und mehr „Durchgriffsrechten“ gegenüber ihrer Parteijugend. Entscheidender war aber wohl die Sorge vor einem möglichen Verbot der JA – womit sich die Mutterpartei auch selbst schützen wollte. Denn ein Verbot der JA, die bis dahin als Verein organisiert war, schien in gefährlicher Nähe. Schon seit 2023 wurde die JA vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextreme“ Organisation eingestuft und beobachtet. Dass im November 2024 auch JA-Mitglieder festgenommen wurden, die zu den mutmaßlich rechtsterroristischen Sächsischen Separatisten gezählt wurden, brachte das Fass zum Überlaufen.

Daher soll nun eine neue Jugendorganisation gegründet werden, die enger an die Partei gebunden ist. Mitglieder der Jugendorganisation sollen zukünftig immer auch Mitglied der AfD sein. Für sie gelten dann die offiziellen Regeln der Partei. So kann Fehlverhalten leichter sanktioniert werden – bis hin zum Parteiausschlussverfahren. Auch für die neue AfD-Jugendorganisation hat dieser Schritt Vorteile, denn sie behält wichtige inhaltliche, strategische und personelle Einflussmöglichkeiten in die Partei – etwa, indem sie an Programmen der AfD mitarbeiten oder Kandidierende auf Listenplätze setzen kann. Zudem erhält die neue Jugendorganisation mehr personelle und finanzielle Ressourcen. Allein die Tatsache, dass zukünftig alle unter 36-jährigen AfD-Mitglieder automatisch Mitglied der Jugendorganisation sein sollen, könnte diese schnell auf bis zu 6.000 Mitglieder oder mehr anwachsen lassen, das heißt auf ein Dreifaches der früheren JA.

Organisatorische Professionalisierung statt Mäßigung

Und was wird sich inhaltlich dabei ändern? Darüber wird seit einigen Wochen und Monaten viel spekuliert. Bislang deutet wenig darauf hin, dass sich die neue Jugendorganisation – die zukünftig vermutlich unter dem Namen „Generation Deutschland“ agieren wird – inhaltlich mäßigen wird. So sind auf dem Gründungskongress in Gießen nicht nur knapp 2.000 Gründungsmitglieder eingeladen, sondern auch zahlreiche Organisationen, Medien, Vereine und Influencer aus dem rechtsextremen Vorfeld, die sich mit Infoständen im Foyer präsentieren dürfen. Dazu zählen unter anderem die „Sezession“, der Jungeuropa-Verlag mit Verbindungen zum Verein „EinProzent“ oder auch der Anbieter „Nette Aufkleber“, von dem weit verbreitete Slogans wie „Sommer, Sonne, Remigration“ oder „Abschieben schafft Wohnraum“ stammen.

Diese Einladungsliste wurde auch vom AfD-Bundesvorstand abgesegnet, in dem ebenfalls zwei frühere JAler sitzen. Einer von ihnen ist Dennis Hohloch, der die Auswahl der Gäste damit begründete, dass sie „bei jungen Leuten hohe Reichweite und Attraktivität besäßen“. Tatsächlich mobilisierte die AfD in den letzten Wahlen – sei es zur Europawahl 2024, den ostdeutschen Landtagswahlen 2024 oder auch der Bundestagswahl 2025 – zunehmend junge Wähler:innen. Sie baut sich hier eine neue Stammwählerschaft auf, die sich von den anderen Parteien nicht (mehr) angesprochen fühlt und die AfD als völlig „normale“ Partei wahrnimmt. Das ist nicht der alleinige Verdienst der JA, doch haben ihre Online- und Offline-Aktivitäten maßgeblich dazu beigetragen. In Zukunft wird die neue Jugendorganisation – Seite an Seite mit ihrer Partei – auf noch professionellere Weise an ihrer langfristigen Etablierung arbeiten.

Personelle Radikalisierung

Für eine stärkere Professionalisierung spricht auch, dass nicht nur die Selbstauflösung der JA relativ geräuschlos über die Bühne ging, sondern es auch in den Monaten danach sehr ruhig war. Während einige JA-Accounts direkt gelöscht wurden, wurde es auch um andere frühere JAler sehr still. Selbst diejenigen, die einst lautstark gegen die Auflösung mobilisierten – etwa die brandenburgische Landesvorsitzende Anna Leisten – konzentrierten sich in den Folgemonaten auf vermeintlich Unpolitisches, etwa Fotos aus ihrem Sommerurlaub.

Ergebnis dieser geräuschlosen Vorarbeit ist auch eine abgestimmte Liste, wer in Gießen in den 15-köpfigen Bundesvorstand der neuen Jugendorganisation gewählt werden soll. Diese Liste wurde bereits im September von ausgewählten „Jugendkoordinatoren“ aus den einzelnen Landesvorständen verabschiedet, bevor sie nun – über zwei Monate später – öffentlich diskutiert wird. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass man hier recht erfolgreich an einem Strang zieht. Schon länger bekannt ist einzig die Kandidatur von Jean-Pascal Hohm, der den neuen Bundesverband anführen soll, viele Kontakte zur Identitären Bewegung hat und bereits Verschwörungstheorien wie die eines „Bevölkerungsaustauschs“ bediente. Hohm war der erste Vorsitzende der JA in Brandenburg und sitzt seit 2024 für die AfD im Landtag.

Auch die anderen Gesichter auf der Liste können kaum als „neu“ bezeichnet werden. Dazu gehören unter anderem Adrian Maxhuni, der bereits im JA-Bundesvorstand saß, und Jan Richard Behr, der von Rheinland-Pfalz aus in die Bundesebene aufsteigen soll. Nur in Nordrhein-Westfalen und Bayern, zwei eher zerstrittenen Landesverbänden, konnte man sich bislang nicht auf einen Kandidaten einigen. Dass das Personaltableau ansonsten bereits feststeht, scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zur AfD zu stehen: Diese wetterte in den ersten Jahren nach ihrer Gründung leidenschaftlich gegen die „Altparteien“ und wollte ihre eigene innerparteiliche Organisation zunächst basisdemokratischer gestalten. Davon ist heute kaum mehr etwas zu hören – auch nicht in der Jugendorganisation. Stattdessen unterstreicht das abgestimmte Vorgehen abermals, dass es eher um organisatorische Professionalisierung als um inhaltliche Neuausrichtung geht.

Spannend ist, dass sich neben Reinhild Goes, einer weitgehend unbekannten Kandidatin aus dem Kreisverband Göttingen, keine weiteren Frauen für den Vorstand finden. Damit weicht die neuzugründende Organisation vom europäischen Trend ab: Mittlerweile stellen viele Rechtsaußenorganisationen zunehmend Frauen in die vorderen Reihen. Damit sollen unter anderem breitere Zielgruppen erreicht, den Organisationen ein gemäßigterer Anstrich verliehen und dem Stigma des Rechtsextremismus begegnet werden.

Normalisierung trotz Radikalisierung?

Zukünftig wird genau das die zentrale Frage bleiben: Inwieweit es der neuen Jugendorganisation – gemeinsam mit ihrer Mutterpartei – gelingt, Rechtsaußenthemen, -positionen und -rhetorik in den gesellschaftlichen und politischen „Mainstream“ zu verschieben und sie zu normalisieren. Im kommenden Jahr stehen einige wichtige Landtagswahlen in Ost- sowie Westdeutschland an. Zu erwarten ist, dass die neue Jugendorganisation ihre Mutterpartei maßgeblich im Wahlkampf unterstützen wird, etwa indem sie Plakate aufhängt, auf Marktplätzen mit (jungen) Menschen spricht oder zielgruppenorientierte Social-Media-Kampagnen bedient.

Wie erfolgreich sie damit ist und welchen Einfluss sie nehmen wird, hängt maßgeblich von den Reaktionen der anderen Parteien, der Medien und der Zivilgesellschaft ab. So wird es nicht nur eine Rolle spielen, welche Positionen die neue Jugendorganisation der AfD tatsächlich vertreten wird, sondern auch, wie darüber berichtet wird. Auch für die Parteien bedeutet die zunehmende Professionalisierung der AfD, dass sie proaktiv an ihrer eigenen Performanz arbeiten müssen – etwa, indem sie eigene Themen setzen, jugendspezifische Anliegen ernst nehmen und ihre Online-Kommunikation stärken, statt Rechtsaußenthemen und -rhetorik hinterherzurennen. Zur Stärkung der liberalen Demokratie gehört zuletzt auch eine starke Zivilgesellschaft – die in Gießen deutlich Präsenz zeigen wird.


SUGGESTED CITATION  Heinze, Anna-Sophie: Professionalisierung statt Mäßigung: Die Gründung der neuen AfD-Jugendorganisation, VerfBlog, 2025/11/26, https://verfassungsblog.de/afd-jugendorganisation-giessen/.

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