Man wird ja wohl mal fragen dürfen?
Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Kommunikation aus dem Parlament
Dass die Regierung nicht einfach daherreden kann, was ihr gerade in den Sinn kommt, sondern auch in ihrer öffentlichen Kommunikation an die Verfassung gebunden ist, insbesondere an die Grundrechte und die Chancengleichheit der Parteien, gehört mittlerweile – nicht zuletzt aufgrund umfassender verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung – zum verfassungsrechtlichen Allgemeinplatz. Aber wie ist es eigentlich um die öffentliche Kommunikation des Bundestages bestellt? Anlass, sich diese Frage einmal genauer anzusehen, bietet ausgerechnet eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, die thematisieren will, in welcher Form sich NGOs öffentlich äußern dürfen, die als gemeinnützig anerkannt sind und/oder Projektförderung der öffentlichen Hand erhalten. Ein Schelm, wer hier Ironie erkennen will.
Aber fangen wir am Anfang an: Für die Kommunikation im Parlament kennt das Grundgesetz spezifische Regeln, die ein größtmögliches Maß an freiem, einschüchterungsfreiem Diskurs ermöglichen sollen. Zentrale Vorschrift ist dabei die in Art. 46 Abs. 1 GG verankerte Indemnität. Sie verhindert, dass Abgeordnete wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die sie im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan haben, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Eine Ausnahme gilt lediglich für verleumderische Beleidigungen. Das bedeutet freilich nicht, dass alles diesseits dieser Grenze uneingeschränkt gesagt werden dürfte. Aber für die Sanktionierung (etwa in Form eines Ordnungsrufs oder einer Wortentziehung, im Extremfall auch eines Sitzungsausschlusses) ist allein der Bundestag selbst zuständig. Dabei hat er die verfassungsmäßigen Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zu wahren.
Was aber, wenn es gar nicht um die Kommunikation im Bundestag, sondern um die Kommunikation des Bundestages geht? Wenn es also gar nicht um die Mandatstätigkeit der Abgeordneten, sondern um die Informationstätigkeit des Verfassungsorgans geht? Dann ist das Parlament als Verfassungsorgan selbstverständlich gem. Art. 20 Abs. 3 GG an die Verfassung und insbesondere gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Diese Verfassungsbindung wird in der Praxis selten auf den Prüfstand gestellt. Die aktuellen Entwicklungen des Parlamentarismus in Deutschland machen es aber gerade nötig, sich mit den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Fragen einmal näher auseinanderzusetzen.
Parteipolitische Kriegserklärung durch ein Verfassungsorgan?
Ein erstes Beispiel für einen solchen Konflikt und dessen verfassungsrechtliche Lösung liefert eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs NRW vom Frühjahr 2022. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Organstreitverfahren der AfD-Landtagsfraktion gegen den Landtagspräsidenten. Dieser hatte nämlich einen Gesetzentwurf der Fraktion zurückgewiesen und nicht zur parlamentarischen Beratung zugelassen, weil die namentliche Nennung einer Journalistin deren Persönlichkeitsrechte verletze. Grundlage dafür war § 71 der Geschäftsordnung des Landtags. Danach soll die Präsidentin bzw. der Präsident parlamentarische Vorlagen zurückweisen, wenn sie gegen die parlamentarische Ordnung verstoßen, durch ihren Inhalt den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllen, Gegenstände behandeln, die nicht zur Zuständigkeit des Landtags gehören, oder ein Eingreifen in die richterliche Unabhängigkeit bedeuten. So schwierig und problematisch der Begriff der parlamentarischen Ordnung auch sein mag, im vorliegenden Fall konnte der Verfassungsgerichtshof ihn für eine wichtige Klarstellung nutzen: „Zur Wahrung der parlamentarischen Ordnung gehört grundsätzlich auch die Gewährleistung der Grundrechtsbindung des Landtags und seiner Untergliederungen gemäß Art. 4 Abs. 1 LV i. V. m. Art. 1 Abs. 3 GG. Die parlamentarische Behandlung eines beim Landtagspräsidenten eingereichten Beratungsgegenstands hat als Ausübung öffentlicher Gewalt hinsichtlich der äußeren Form die grundrechtlich geschützten Positionen privater Dritter zu beachten.“ Aus diesem Grund hielt es die Zurückweisung des Antrags und damit auch die fehlende Veröffentlichung als Drucksache wegen der sonst entstehenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für verfassungskonform.
In der Geschäftsordnung des Bundestages fehlt eine entsprechende Norm. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht entsprechende Pflichten unmittelbar aus der Verfassung selbst folgen könnten. Denn auch bei der Veröffentlichung von Drucksachen ist die Bundestagspräsidentin an die Verfassung und insbesondere an die Grundrechte gebunden. Es gibt keinen Grund, warum die ausgefeilte Rechtsprechung zum staatlichen Informationshandeln nicht auch für sie gelten sollte.
Legt man aber nun diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe an, offenbaren sich in jüngster Zeit deutliche verfassungsrechtliche Problemfälle im Bundestag. Der erste Fall betrifft dabei den Entschließungsantrag zur Migration, der am 28. Januar 2025 mit Stimmen von CDU/CSU, AfD und FDP beschlossen wurde. Bei aller Empörung über das Verfahren ging dabei ein Detail unter, das für das hier besprochene Thema von Relevanz ist. In dem Antrag heißt es nämlich:
„Die AfD nutzt Probleme, Sorgen und Ängste, die durch die massenhafte illegale Migration entstanden sind, um Fremdenfeindlichkeit zu schüren und Verschwörungstheorien in Umlauf zu bringen. Sie will, dass Deutschland aus EU und Euro austritt und sich stattdessen Putins Eurasischer Wirtschaftsunion zuwendet. All das gefährdet Deutschlands Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Deshalb ist diese Partei kein Partner, sondern unser politischer Gegner.“
Der Bundestag hat also tatsächlich beschlossen, dass die AfD „unser“ politischer Gegner, d.h. der politische Gegner des Bundestages als Verfassungsorgan, ist. Es ist offensichtlich, dass eine solche parteipolitische Kriegserklärung eines Verfassungsorgans die Chancengleichheit der Partei aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt (und zwar unabhängig davon, dass die Abgeordneten der AfD diesem Antrag zugestimmt haben).
Der Bundestag steht nicht über den Grundrechten
Das zweite, aktuell gerade deutlich intensiver diskutierte Beispiel ist die Kleine Anfrage, die die CDU/CSU-Fraktion jüngst zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“ gestellt hat. In diesen 551 Fragen geht es vor allen Dingen darum, Informationen über ausgewählte zivilgesellschaftliche Akteure zu erfragen. Die Fragen lauten dabei etwa: „Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e. V. von internationalen Organisationen oder NGOs aus dem Ausland Gelder erhält und wenn ja, welche sind das und wie viel?“, „Haben Vorstände oder Führungspersonen der CORRECTIV gGmbH politische Ämter oder enge Verbindungen zu Parteien?“ oder „Gibt es Kooperationen zwischen der CORRECTIV gGmbH und partei-nahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung?“ Daneben finden sich offene Aufforderungen zu wilder, empirisch in keiner Weise begründbarer Spekulation, etwa: „Haben die Kampagnen der CORRECTIV gGmbH nach Einschätzung der Bundesregierung direkte Auswirkungen auf Wahlergebnisse oder politische Entscheidungen?“ oder „Gibt es Belege dafür, dass die CORRECTIV gGmbH einseitige Narrative in politischen Debatten fördert, und wenn ja, welche?“
Nach harscher öffentlicher Kritik erklärte die Fraktion ihr Vorgehen damit, dass die Prüfung der rechtmäßigen Verwendung von Steuermitteln der Allgemeinheit eine Kernaufgabe des Parlaments sei. „Mit unserer Kleinen Anfrage wollen wir prüfen, ob einzelne NGOs sich in dieser Hinsicht steuerlich rechtmäßig verhalten.“ Genau in dieser Aussage offenbart sich das zentrale Problem dieser Anfrage und das sehr grundlegende Missverständnis der Fraktion von ihrem Fragerecht. Denn das Fragerecht der Fraktionen, das aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG folgt, ist ein parlamentarisches Recht zur Kontrolle der Regierung. Einige Fragen in der kleinen Anfrage beziehen sich auf die Arbeit der Regierung und sind daher auch vom Fragerecht umfasst. Ein Großteil der Punkte weist diesen Bezug zur Regierungsarbeit aber gerade nicht auf, sondern richtet sich der Sache nach ausschließlich gegen bestimmte NGOs. Manchmal wird dies mit einem mehr als oberflächlichen Regierungsbezug zu bemänteln versucht, oft auch nicht. Die Prüfung, ob einzelne Bürgerinnen und Bürger sich steuerlich rechtmäßig verhalten, ist hingegen gerade keine Aufgabe des Parlaments, sondern der Finanzbehörden, die dann in gewissem Maße ihrerseits von der Regierung kontrolliert werden, und ggf. der Gerichte. Diese Kontrolle erfolgt dann in entsprechenden Verwaltungsverfahren, die nicht öffentlich sind. Das dient nicht zuletzt auch der Wahrung der Grundrechte der Betroffenen, die auf diese Weise davor geschützt werden, an den Pranger gestellt zu werden. Das Parlament darf also die Regierung bei der Kontrolle der Kontrolleure kontrollieren. Aber es darf nicht selbst diese Kontrolle vornehmen.
Nun könnte man einwenden, dass mit der Kleinen Anfrage ja eigentlich gar nichts Schlimmes passiere. Die Bundesregierung müsse ja nicht antworten, wenn die Fragen nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fielen. Und es würden ja auch gar keine Behauptungen über die betroffenen zivilgesellschaftlichen Akteure aufgestellt, sondern lediglich Auskunft verlangt. Man wird ja wohl mal fragen dürfen?
Eine solche Argumentation verkennt allerdings, dass schon die Fragen als solche bestimmte NGOs an den Pranger stellen und gezielt Verdachtsmomente schüren. Aus der verschwörungsideologischen Szene, zu der das Geraune von den „Schattenstrukturen“ in der Einleitung ja durchaus gewisse Bezüge herstellt, ist der Mechanismus gut bekannt, dass weniger gezielte Falschaussagen getroffen werden, als einfach nur konsequent Fragen gestellt werden, die die verschwörungsideologischen Falschbehauptungen nicht als Tatsachen aufstellen, aber über die Frageform doch sehr hartnäckig insinuieren. Man stelle sich einmal vor, eine Bundestagsfraktion würde im Rahmen ihrer politischen Agenda gegen häusliche Gewalt die Frage an die Bundesregierung stellen: „Schlägt Ulf Poschardt seine Frau?“ Auf diese Weise wolle man kontrollieren, ob die Strafverfolgungsbehörden auch ihre Arbeit erledigten und genug gegen häusliche Gewalt getan wäre. Es liegt völlig auf der Hand, dass allein schon die mit der Fragestellung verbundene Unterstellung die Grundrechte von Ulf Poschardt verletzte, selbst wenn die Bundesregierung später antworten würde, dass ihr dazu keine Erkenntnisse vorlägen.
Strukturell identisch sind aber nun die Verhältnisse bei der Unionsanfrage zu den zivilgesellschaftlichen Akteuren. Die mit den Fragen verbundenen indirekten Unterstellungen und die Einschüchterungswirkung, die insgesamt davon ausgeht, derart negativ ins Licht der Öffentlichkeit gezogen zu werden, sind geeignet, die entsprechenden Vereinigungen und die für sie handelnden Akteure im Hinblick auf die Ausübung ihrer Meinungsfreiheit und ihre allgemeine Verbandstätigkeit einzuschüchtern. Dieser Einschüchterungseffekt wird dabei gerade durch diejenigen der 551 Fragen erreicht, die nicht auf die Kontrolle der Regierung, sondern auf die Kontrolle der NGOs gerichtet sind und daher von vornherein nicht vom Fragerecht nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gedeckt ist. Im Hinblick auf diese Fragen besteht daher auch keine verfassungsrechtliche Konfliktlage, sondern schlicht ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Grundrechte durch Informationshandeln des Bundestags.
Zum Schutz der Grundrechte der betroffenen Vereinigungen hätte die Bundestagspräsidentin die Anfrage daher in dieser Form zurückweisen müssen und nicht veröffentlichen dürfen. Bei allem Gewicht, das der verfassungsrechtlich garantierten Freiheit der Abgeordneten zukommt: Das Verfassungsorgan Bundestag steht nicht über den Grundrechten – auch nicht im Rahmen seines Informationshandelns.
Die Frage, welche NGO finanziell durch den Bund unterstützt werden sollte, ist eine völlig legitime Frage und kann sehr wohl Gegenstand der Kontrolle durch das Parlament sein.
Die staatliche Anfütterung einer angeblichen “Zivilgesellschaft”, die dann den Politikern die Stichworte für das liefert, was die Politik will, ist eine fragwürdige Sache: eine scheindemokratische Show. Darüber muss offen diskutiert werden und es ist sehr zu begrüßen, dass die CDU/CSU diese Fragen stellt.
Die Prüfung der Gemeinnützigkeit obliegt den Finanzbehörden der Länder, da hat das Parlament erst mal nicht viel zu sagen. Die konkreten Fördersummen sind von vornherein öffentlich.
Heißt: Wenn die CDU/CSU tatsächlich das tun wollte wovon du sprichst, hätte sie das Ganze an die Länder geschickt. So war das eine reine Provokation, und ein Versuch zur Einschüchterung von ihnen nicht nahestehenden politischen und unpolitischen Organisationen.
Mal abgesehen davon, wenn es um politische Beeinflussung geht sollte man sich eher mal den Springer-Medien statt ein paar “Omas gegen Rechts” widmen.
Wenn ich die kleine Anfrage richtig verstehe, verfolgt sie vorgeblich zwei Punkte:
1. Liegen die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit laut der Abgabenordnung bei den unterstützen NGO vor?
2. Wird bei den staatlich finanzierten Organisationen die politische Neutralität hinreichend gewahrt? Eine direkte oder indirekte Wahlkampfunterstützung – sei es für oder gegen eine Partei – sei mit dem Grundsatz der Chancengleichheit nicht vereinbar.
Die Prüfung, ob einzelne NGOs sich steuerlich rechtmäßig verhalten (Frage der Gemeinnützigkeit) ist also nur einer der beiden Punkte, auf die die kleine Anfrage gestützt wird.
Es wird immer den einen oder anderen Leser von Fragen geben, der aus Fragen einen Einschüchterungsversuch herausliest. Und manchmal dürfte ein solches Herauslesen sogar intersubjektiv nachvollziehbar sein. Aus diesen Fragen kann aber auch die „aufrichtige“ Sorge von Abgeordneten um die ordnungsgemäße Verwendung staatlicher Mittel herausgelesen werden.
Nur eine Verständnisfrage:
DER § 38 (1) 2. Satz GG beginnt mit “Sie sind” und bezieht sich damit auf Satz 1, bezieht sich also auf Abgeordnete des Bundestags. Das abgeleitete Recht auf Fraktionen in Ihrem Text erschließt sich mir nicht ganz: Ich als ungebildeter Laie bin etwas verwirrt und brauche etwas Hilfe, um das besser zu verstehen.
Ich lebe in Hessen. Wenn ich das richtig verstehe, müßte ich in der Landesverfassung nachschlagen: Der »Art. 76 Verf des Landes Hessen lautet:
(1) Jedermann ist die Möglichkeit zu sichern, in den Landtag gewählt zu werden und sein Mandat ungehindert und ohne Nachteil auszuüben.«
Zum Verständnis:
Leitet sich hieraus ein analoges Recht wie beim § 38 (1) GG ab?
„Eine solche Argumentation verkennt allerdings, dass schon die Fragen als solche bestimmte NGOs an den Pranger stellen und gezielt Verdachtsmomente schüren. Aus der verschwörungsideologischen Szene, zu der das Geraune von den „Schattenstrukturen“ in der Einleitung ja durchaus gewisse Bezüge herstellt, ist der Mechanismus gut bekannt, dass weniger gezielte Falschaussagen getroffen werden, als einfach nur konsequent Fragen gestellt werden, die die verschwörungsideologischen Falschbehauptungen nicht als Tatsachen aufstellen, aber über die Frageform doch sehr hartnäckig insinuieren.“
Entspricht genau dem, wie z. B. Correctiv agiert. Also nicht aufregen. Einfach die 551 Fragen beantworten.
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Schönberger,
für Ihren Beitrag zu den drei genannten Vorgängen und Ihre Kommentierung vielen Dank.
Erstaunlich, was der Bundestag kürzlich beschlossen hat –
und wie eine “Kleine Anfrage” 551 Einzelfragen umfassen kann.
Schönen Dank und Gruß
Bernd Arnold
Eigentlich ist es natürlich eine große Anfrage. Aber in der Tat müssten da ganz andere Bereiche wohl abgedeckt sein.
Da es hier wohl nur in die Breite geht nicht unbedingt die CDU tief graben will ist die sogenannte “kleine Anfrage” das richtige parlamentarische Mittel. Den Begriff “große kleine Anfrage” gibts leider nicht, er würde hier aber denke ich zutreffen 551 Einzelfragen sind eben sehr umfänglich. Zeigt allerdings auch das die Nachfragen wohl sehr breit gefächert sind. Das dürfte ein Antwortenkatalog werden.
Hallo Herr Preß,
aus Ihrer Rückmeldung ist mir nicht wirklich deutlich geworden, welche “andere Bereiche” Sie meinten und ansprechen wollten.
Sofern Sie finden, diese Anfrage gehe für die Union “nur in die Breite”, mutet dies für mich an als Wahlkampf sowie Einfluss auf die Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen.
Warum sollte die Union nicht “tiefer graben” wollen und nachprüfen lassen, welche Leistungen ihre nahestehenden Verbände aus öffentlichen Mitteln empfangen – und dies zur öffentlichen und parlamentarischen Diskussion stellen?
Fragt
Bernd Arnold
Es gibt einen strukturellen Unterschied zwischen der einzelnen Journalistin und zwischen den genannten NGOs – die Journalistin selbst geht nur ihrer (in der Regel neutralen und berichtenden) Arbeit nach, während NGOs gezielt versuchen, sich in der Öffentlichkeit zu betätigen, um die politische Meinung zu beeinflussen. Das ist ja der Kern ihrer Tätigkeit.
Bei einer solchen Tätigkeit kann man nicht anonym bleiben bzw. sich in einem ähnlichen Umfang auf, das dogmatisch bei juristischen Personen ohnehin heikle, Allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. eines seiner vielen Köpfe berufen. Die Tätigkeit selbst schließt per definitionem ein Berufen auf die Anonymität aus.
Also juristischer Laie geantwortet:
es geht hier nicht darum, dass jemand an und für sich anonym bleiben soll, ob Individuum oder juristische Person. Es geht darum, dass auch juristische Personen eine Schutz davor haben, namentlich in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden. Wenn man zum Beispiel die Bundesregierung fragen würden, ob Audi nach ihrer Ansicht Audi oder BMW beim Abgasskandal – ungeachtet der juristischen Bewertung – mehr Dreck am Stecken hat.
Die rechtliche Grundlage wäre in beiden Fällen die selbe – ein Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Unabhängig von der auch von anderen Personen aufgeworfenen Frage, ob juristische Personen sich auf dieses Recht berufen können, würde das von mir Gesagte auch in diesem Fall gelten. Die Frage der Unabhängigkeit solcher Institutionen zu stellen ist legitim, da sie sich selbst so darstellen. Man tut nichts, außer zu überprüfen ob die Selbstdarstellung korrekt ist.
Vielen Dank für die juristische Einordnung.
Eines geht aus dem Artikel jedoch nicht explizit hervor: haben juristische Personen in diesem Fall dieselben Grundrechte wie die Journalistin in dem angeführten Präzedenzfall aus NRW 2022? ä
Wow, vielen Dank
Mich hatte die Einseitigkeit der Anfrage irritiert, weniger die Zuständigkeitsproblematik, das sind interessante Überlegungen.
Anschlussfrage eines juristischen Laien: Eine “Kleine Anfrage” wird im Allgemeinen ohne Recherchen aus dem vorliegenden Wissensstand der Regierung beantwortet. Das kann sie aber absehbar hier bei vielen Fragen gar nicht, was auch den Fragestellern bewusst gewesen sein dürfte. Neben der Einseitigkeit ein weiterer Hinweis darauf, dass der Einschüchterungseffekt das eigentliche Ziel war?
Danke! Der eigentliche Grund für so eine Anfrage wurde mir im o.g. Artikel schon ausführlich beantwortet. Fast alle dieser 551 Fragen hätte die CDU/CSU selbst herausfinden können. Das hier war ein Zeichensetzen.
Retourkutsche?
Correctiv recherchierte kürzlich die Think-Tanks, die der Union unter Mitwirkung Herrn Linnemanns zuarbeiten. Das Ergebnis konnte durchaus beängstigen, was da noch alles kommen könnte. Selbiges konnte durchaus als peinlich für die Union angesehen werden. Könnte es denn sein, dass die vielen “kleinen” Anfragen einen bestimmten Zweck verfolgten, nämlich irgendwie die NGOs zu diskreditieren und die Union rein zu waschen?
Die Auffassung, dass das Fragerecht der Abgeordneten nur zur “Arbeit der Regierung” besteht, scheint mir zumindest missverständlich ausgedrückt. Nach herkömmlicher Dogmatik und verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung dient das Fragerecht dazu, den Abgeordneten die für ihre Tätigkeit erforderlichen Informationen zu verschaffen, insbesondere auch zur Kontrolle der Regierung. In diesem Rahmen kann innerhalb des Regierungsapparates vorhandenes Wissen zu allen möglichen Problemen abgefragt werden – selbstverständlich auch dann, wenn die Regierung sich entscheidet, nichts zur Lösung dieser Probleme zu unternehmen, zum Beispiel weil sie diese nicht als Problem bewertet. Allerdings kann das Informationsrecht durch kollidierende, u.a. private, Rechtsgüter eingeschränkt sein. Wenn der Staat bestimmte Organisationen fördert und Informationen dazu hat, was diese Organisationen eigentlich tun, ist die Frage nach diesen Informationen m.E. ganz sicher nicht schon außerhalb des Anwendungsbereiches des Informationsrechts.
Ähnlich gelagert ist die Kleine Anfrage der Union zum Dezernat Zukunft (https://dserver.bundestag.de/btd/20/149/2014957.pdf).
Hier wird insinuiert, dass Dezernat Zukunft von dubiosen Großspenden aus dem Ausland gesteuert wäre; außerdem werden die Einflussmöglichkeiten von Dezernat Zukunft mit denen von Elon Musk verglichen. Im Lobbyregister gibt das Dezernat an, jährlich zwischen 20.000 und 30.000 EUR für Lobbyarbeit auszugeben bei Personalkapazitäten von 0,16 FTE. Was wäre mit dieser Anfrage? Reiht die sich hier nicht auch ein?
Ich bin kein Jurist, aber auch immer man die Anfrage juristisch einordnet geht es letztlich doch um die Frage, in wie weit “Nicht-Regierungsorganisationen” (NGOs) durch finanzielle Zuwendungen korrumpiert, oder instrumentalisiert werden können. Jedem Beamten wird Korruption unterstellt, sobald er auch einen (1) Euro an Geschenkwert entgegennimmt. Wer vom Staat und damit letztlich von der amtierenden Regierung Geld nimmt ist keine “Nicht Regierungsorganisation” mehr. Sie hat ihre Unschuld verloren! Wer seine NGO Arbeit in deutlichem Maß mit staatliche Geldern finanziert ist faktisch eine “GO”, eine Regierungsorganisation. Kein Hund beißt die Hand, die ihn füttert!
Die Autorin scheint hier einen wichtigen Zusammenhang übersehen zu haben: Die Fragen richten sich an die Bundesregierung. Die Bundesregierung soll also darlegen, ob ihres Wissens nach etwa persönliche Parteiverbindungen oder Verbindungen zu parteinahen Stiftungen bestehen. Wäre dies der Fall, liegt der Verdacht nahe, die Bundesregierung hätte wider besseren Wissens hier aus parteipolitischem Partikularinteresse Fördergelder in Millionenhöhe verteilt. Und in diesem Fall ginge es insbesondere um ein Fehlverhalten der Bundesregierung (und nicht lediglich der NGOs). Durch die Fragen wird also maßgeblich die Bundesregierung durch das Parlament kontrolliert, nicht die NGOs.
Auch eine Professorin darf Ihre Meinung sagen. Und sie muss auch nicht befürchten, stigmatisiert zu werden. Ein juristischer Beitrag ist der Artikel allerdings nicht: „Kriegserklärung“, „Einschüchterungsversuch“, „bemänteln“ – das sind alles markige Werturteile, nichts von rechtlicher Substanz. Einen Bogen spannen zu wollen über Freiheit der Abgeordneten nach Art. 38 und Art. 46 GG, um das Recht des Parlamentes zur Kontrolle der Verwaltung (Exekutive) einzuschränken, stellt dann die grundlegenden Rechte des Parlaments eher auf den Kopf. Wenn Abgeordnete nicht einmal mehr fragen dürfen, in welchem Umfang NGOs finanziert werden, ob die Mittel rechtmäßig und gemeinnützig verwendet werden, dann versucht jemand einzuschüchtern. Als ob NGOs Angst vor Stigmatisierung haben müssten. Der Aufschrei der Betroffenen offenbart panische Angst, dass Bürger die Wahrheit wissen. Gerade manche dieser Gruppen propagieren unermüdlich „politische Kriegserklärungen“ gegen rechte Wähler. So nennt die Verfasserin das selbst, wenn es ausnahmsweise mal aus den Reihen der CDU-Fraktion kommt (Antrag Migration) – als wolle sie sich schützend vor die AfD stellen. Ob alle 551 Fragen zu beantworten sind, mag dann die Exekutive in eigener Verantwortung entscheiden.
EIn Teil der Fragen mag über das Ziel hinausschießen, aber der konkrete Anlaß – von Ministerien geförderte NGOs veranstalten unmittelbar vor der Wahl Großdemonstrationen gegen fast die gesamte parlamentarische Opposition – berührt doch durchaus das Fragerecht der Abgeordneten zur Regierungsarbeit. Die Minister der Regierung stehen den Ministerien vor und genehmigen Fördergelder, die – so zumindest der Verdacht, den es durch die Anfrage auszuräumen gilt – möglicherweise gezielt zur einseitigen Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Regierungsinteresse gebraucht oder mißbraucht werden.
Die betroffenen Organisationen positionieren sich öffentlich politisch einseitig, pflegen intensive Netzwerke mit Regierungsparteien, und einige nehmen es mit der Abgrenzung zu Straftätern (gewaltbereite Antifa) nicht so genau. Wenn es da einen Fördersumpf mit Steuergeldern gibt, muß er trockengelegt werden.
“sondern schlicht ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Grundrechte durch Informationshandeln des Bundestags.”
Diesen Satz sollte man sich mehrfach auf der Zunge zergehen lassen. Fragen, die die Budgethoheit des Parlaments betreffen (Wo geht das Geld hin? Wie werden sie steuerlich behandelt?), sollen gegen Grundrechte verstoßen?
Vielleicht sollte sich die Autorin einmal Art. 20 II 1 GG ins Gedächtnis rufen. Der ist nicht nur Feigenblatt. Und hinsichtlich Anfragen zu Lobbyverbindungen mit der Politik kann ich mich an keinen einzigen Artikel darüber erinnern, der behauptet hätte, dass eine solche Frage die Grundrechte der Lobbyvereinigungen beeinträchtigt hätte. Aber da ging es ja auch im die “Bösen” 😉 .
Wir haben also einen verfassungswidrigen Entschließungsantrag und eine verfassungswidrige kleine Anfrage. Welche Konsequenzen hat das nun?
Vielen Dank für diesen Artikel.
Das Framen alleine durch das Stellen der Fragen ist dreist und durch diesen Artikel sehr schön rechtlich beleuchtet.
Ich kann die ganze Argumentation nicht nachvollziehen. Jede Anfrage stellt immer irgendjemanden oder irgendetwas an den Pranger – das ist völlig normal und irgendwie ja auch Sinn jeder Anfrage. NATÜRLICH sind Anfragen immer eher etwas polemisch und provokant formuliert. Bei allen Fraktionen !
“Ist es Richtig das die Bundeswehr X-Geld für Y ausgegeben hat obwohl ….?”
Jede Institution die von unseren Steuergeldern finanziert wird (auch NGO wenn sie gefördert werden) muss sich die Frage gefallen lassen ob es Zweifel an deren Tätigkeit gibt. Eine Anfrage legt den Finger in eine (potentielle) Wunde.
Wenn alles mit rechten Dingen zugeht können die Frage einfach wahrheitsgemäss beantwortet werden oder wenn Fragen nicht zu beantworten sind erklärt werden warum – ganz trocken und ohne Aufregung.
Je mehr Aufregung entsteht, um so mehr entsteht der Verdacht das es tatsächlich eine Wunde gibt die gerade zu schmerzen anfängt weil jemand einen Finger hineingelegt hat. Sehr unklug – wenn das alles haltlos und aus der Luft gegriffen ist in aller Kürze abarbeiten und gut – habe selber hin und wieder Teile von Anfragen mit beantworten müssen – das ist demokratischer Alltag.
Ganz einfach, nochmal: Mit Kleinen Anfragen sollen die Abgeordneten das Regierungshandeln prüfen können. Was hat die Frage „Gibt es Kooperationen zwischen der CORRECTIV gGmbH und partei-nahen Stiftungen wie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung oder der Desiderius-Erasmus-Stiftung?“ mit direkt oder indirekt mit Regierungshandeln zu tun? Nichts, und darum ist die Frage nicht von der Regierung zu beantworten, damit schon die Fragestellung in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung fehl am Platz. Genauso die Frage „Inwiefern unterscheiden sich die Strukturen und Arbeitsweisen von mildtätigen gemeinnützigen Körperschaften und politisch aktivistischen gemeinnützigen Körperschaften?“, „Gibt es Beispiele für gemeinnützige Organisationen, die sich bewusst aus politischen Debatten heraushalten, und wenn ja, welche?“, „Wann wurde die Gemeinnützigkeit [von XYZ] letztmalig durch das zuständige Finanzamt geprüft?“ – die Finanzbehörden sind Länderverantwortung, diese Frage müsste also den Landesregierungen, nicht der Bundesregierung gestellt werden.
Außerdem: Es gibt Fragen, für die muss die Wunde erst künstlich geschlagen werden, um dann den Finger hineinzulegen.
Die “Kleine Anfrage” unterliegt doch der Diskontinuität, d.h., mit der Konstituierung des neugewählten Bundestages müßte diese Anfrage neu eingebracht werden. Würde da die SPD mitmachen?
Es ist m.E. also doch ein Einschüchterungsversuch.
@ Gerd Masurek:
Kleine Anfragen sind gem. § 104 der BTGO mit einer Frist von 14 Tagen zu beantworten: https://www.gesetze-im-internet.de/btgo_1980/__104.html
So lange wird der alte Bundestag noch bestehen.
Der Beitrag von Fiete Kalscheuer (https://verfassungsblog.de/staatliche-forderung-nichtregierungsorganisationen/) erscheint mir als sehr hilfreicher Einwurf, der zu einer unaufgeregten Debatte beiträgt. Er zeigt auf, dass das Anliegen der Anfrage am Ende nicht wirklich unplausibel ist und dass die Problematik dringend der näheren Betrachtung bedarf. Auszug:
“Dabei zeigt sich, dass ohne parlamentsgesetzliche Grundlage jedenfalls keine staatlichen Mittel (mittelbar oder unmittelbar) für die Organisation von Demonstrationen gegen politische Parteien verwendet werden können. Überdies ist kaum ein Parlamentsgesetz denkbar, in dem sich auf verfassungsrechtlich zulässige Weise regeln ließe, dass staatliche Zuwendungen für Demonstrationen im Wahlkampf gegen politische Parteien, die das Parteienprivileg nach Art. 21 Abs. 1 GG genießen, eingesetzt werden dürfen.”
– „Mit unserer Kleinen Anfrage wollen wir prüfen, ob einzelne NGOs sich in dieser Hinsicht steuerlich rechtmäßig verhalten.“
– “Die Prüfung, ob einzelne Bürgerinnen und Bürger sich steuerlich rechtmäßig verhalten, ist hingegen gerade keine Aufgabe des Parlaments”
Ich widerspreche. In DIESER HINSICHT schon, es geht ja nicht darum, ob irgendwelche Standardsteuern hinterzogen wurden, sondern um die grundsätzliche Frage der Gemeinnützigkeit. Allenfalls handelt es sich hier um eine etwas saloppe Formulierung, um nicht sagen zu müssen, was eigentlich gemeint ist, nämlich ob die REGIERUNG / PARTEIEN / ÄMTER sich hier steuerlich rechtmäßig verhalten.
Im übrigen genießen juristische Personen keinen Schutz des Persönlichkeitsrechts und derlei einzuführen torpediert die Grundregeln der Demokratie.