Daumenschrauben für den Gesetzgeber
Eine Einordnung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Parteienfinanzierung
Was haben Annalena Baerbock, Marco Buschmann und Gregor Gysi gemeinsam? Sie und 213 andere Bundestagsabgeordnete von Grünen, FDP und Linken waren Antragsteller einer abstrakten Normenkontrolle, welche sich gegen die Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung richtete, die die damalige Große Koalition 2018 beschloss. CDU und SPD hatten die absolute Höhe der staatlichen Mittelzuweisungen an die Parteien außerhalb eines Inflationsausgleichs außerordentlich erhöht und dies maßgeblich mit besonderen Kosten durch die Digitalisierung und neuartige Partizipationsformen wie Mitgliederentscheide oder -befragungen begründet. Besonders aufgestoßen war damals das besondere Tempo des Gesetzgebungsverfahrens – zwischen Einbringung und dritter Lesung lagen lediglich zehn Tage –, die schmale Begründung und die für den Bereich der Parteienfinanzierung untypische fehlende Einbindung der übrigen Fraktionen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Erhöhung mit Urteil vom 24. Januar 2023 für verfassungswidrig erklärt. Zwar hat es deutlich gemacht, dass die Gründe für eine außerplanmäßige Erhöhung wohl vorliegen und eine Erhöhung im Ergebnis gerechtfertigt gewesen wäre, aber die nicht ausreichende Begründung der Höhe der Anhebung im Gesetzgebungsverfahren selbst zur Verfassungswidrigkeit führe. Daneben hat das Gericht – ein wenig versteckt, da nicht entscheidungserheblich – die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren nach Art. 77 Abs. 1 GG konkretisiert, es im Ergebnis jedoch offen gelassen, ob das Gesetz bereits formell verfassungswidrig ist.
1. Festigung der Obergrenzen-Rechtsprechung
Das Urteil vom 24.01.23 ist kein „drittes Parteienfinanzierungsurteil“, dafür mangelt es der Entscheidung an einem wirklichen inhaltlichen Umbruch. Denn letztendlich behandelt das Urteil vornehmlich die Konkretisierung von und die Subsumtion unter Anforderungen, die richterrechtlich mit dem zweiten Parteienfinanzierungsurteil (BVerfGE 85, 264) eingeführt wurden. Das Urteil enthält zunächst eine lehrbuchartige Herleitung (Rn. 106 ff.) und die Verteidigung der Obergrenzen-Rechtsprechung (Rn. 116) gegen vereinzelte Kritik aus der Literatur, die sich insbesondere an der Festlegung einer betragsmäßig bestimmten absoluten Obergrenze entzündete (aktuell hierzu Volkmann im Verfassungsblog). Neuland betritt das Gericht dann in der Folge durch die Herausarbeitung von prozeduralen und inhaltlichen Anforderungen an eine Erhöhung der absoluten Obergrenze.
2. Prozedurales Sicherungselement: Begründungspflichten
Eng verwoben mit der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Erhöhung der absoluten Obergrenze erfüllt sind (dazu sogleich) sind die vom Gericht eingeforderten Begründungsanforderungen, welche das Gericht konkretisiert.
Das Gericht gibt dem Gesetzgeber auf, bereits im Verfahren sowohl die Gründe für die Anhebung der Obergrenze, also die einschneidenden Veränderungen als auch das abgeleitete Anpassungsvolumen zu begründen und die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten Bestimmungsfaktoren nachvollziehbar darzulegen (Rn. 130). Diese prozedurale Sicherung diene der Einhegung des Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers durch Selbstvergewisserung angesichts des Fehlens quantifizierbarer Vorgaben (Rn. 128), denn der Gesetzgeber verfüge über einen Gestaltungsspielraum, da sich aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit eine exakt bezifferte absolute Obergrenze nicht ergebe (Rn. 127). Entscheidend sei, dass Ermittlung und Abwägung bereits im Verfahren erfolgten, eine Begründbarkeit der Entscheidung reiche nicht (Rn. 131), somit sei auch ein Nachschieben von Gründen nicht möglich. An anderer Stelle referiert es dann noch die Anforderungen an die gerichtliche Kontrolle, bejaht hier lediglich eine Vertretbarkeitskontrolle (Rn. 132) und relativiert dies auch augenscheinlich mit Blick auf eine Entscheidung in eigener Sache nicht (Rn. 133 f.).
Diese erhöhten Begründungsanforderungen für den Parteienfinanzierungsgesetzgeber sind im Ergebnis ohne weiteres richtig. Indes ist die Begründung relativ knapp und kommt auch ohne parteienspezifische Besonderheiten aus. Das Gericht hat die besondere prozedurale Absicherung mit dem Fehlen quantifizierbarer Vorgaben und dem daraus resultierenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers begründet. Letztendlich hat es die Prozeduralisierungsanforderungen aus anderen Bereichen übernommen und etwa Bezug genommen auf die Entscheidung zur Richterbesoldung und zur Sicherung des Existenzminimums (Rn. 131). Folge des Prozeduralisierungsgebotes ist denklogisch auch dessen Befolgung im Verfahren selbst, sodass das Nachschieben von Gründen grundsätzlich ausgeschlossen sein muss. Auch dieser Aspekt ist damit nicht neu entwickelt, sondern aus anderen Materien auf das Parteienrecht übertragen.
Es wäre in meinen Augen naheliegend gewesen, erhöhte Begründungsanforderungen über das Vehikel der Entscheidung in eigener Sache zu rechtfertigen, denn bei der Parteienfinanzierung handelt es sich um den geradezu klassischen Anwendungsfall: Es fehlt am Korrektiv gegenläufiger Interessen, womit eine erhöhte Kontrolldichte einhergeht, die nur mit einer erhöhten Darlegungslast durchsetzbar ist. Denn die Anhebung der Parteienfinanzierung ist eben nicht auf ein reines „Quantifizierungsproblem“ wie die Richterbesoldung zu reduzieren, sondern in besonderem Maße missbrauchsanfällig. Eleganter wäre daneben die Möglichkeit gewesen, an bestehende Entscheidungslinien zu verfahrensrechtlichen Transparenzpflichten anzuknüpfen: Bereits in BVerfGE 40, 296 hat das Gericht aus dem demokratischen Prinzip bei einer derartigen Entscheidung in eigener Sache gefolgert, dass „der gesamte Willensbildungsprozeß für den Bürger durchschaubar ist und das Ergebnis vor den Augen der Öffentlichkeit beschlossen wird. Denn dies ist die einzige wirksame Kontrolle. Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“ (BVerfGE 40, 296, 327). Schöner kann man es eigentlich kaum auf den Punkt bringen. Ohne Probleme wäre bei dem vorliegenden Gesetzgebungsverfahren begründbar gewesen, dass die Erhöhung nicht ohne weiteres durchschaubar und transparent war, hieraus ließen sich Anforderungen auch an eine Begründungspflicht gewinnen. Im Übrigen ließen sich auch aus dem inhaltlichen Gesamtkontext Argumente für erhöhte Begründungsanforderungen schöpfen: Die Erhöhung der absoluten Obergrenze „außer der Reihe“ ist mit Blick auf den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien, aus dem sich die absolute Obergrenze nach BVerfGE 85, 264 ohne weiteres verfassungsunmittelbar ergeben soll, besonders rechtsfertigungsbedürftig und bedarf daher auch entsprechend transparenter und umfassender Darlegung und Begründung.
Dem Gesetzgebungsverfahren nähert sich das Gericht auch aus Richtung der formellen Verfassungsmäßigkeit: Das Gericht bringt im Rahmen der formellen Verfassungsmäßigkeit gegen das in der Tat im negativen Sinne bemerkenswerte Gesetzgebungsverfahren einen Verstoß gegen Art. 77 Abs. 1 GG in Form des Öffentlichkeitsgrundsatzes und eine mögliche Verletzung der Teilhabe aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ins Spiel (Rn. 92 ff.). Trotz Weiterentwicklung der Anforderungen aus den bisherigen Entscheidungen lässt das Gericht am Ende offen, ob sich hieraus bereits die formelle Verfassungswidrigkeit ergibt. Aus den Rn. 100 ff. lässt sich jedenfalls herauslesen, dass das Gericht einer Verfassungswidrigkeit zuneigt. Maßgeblich hierfür waren neben der kurzen Dauer von nur 10 Tagen von Entwurfsverteilung bis zur dritten Lesung auch der fehlende sachliche Grund für die eilige Behandlung, den jedenfalls niemand offen aussprechen wollte (Rn. 102). Der Gesetzgeber hielt es in seiner Eile noch nicht einmal für nötig, die Protokolle der (kontroversen und nicht einhelligen) Sachverständigenanhörung vorliegen zu haben, als er abschließend entschied. Insoweit dürfte in der Tat zweifelhaft sein, ob ein derartiges – völlig ohne sachlichen Grund im Eiltempo durchgeführtes – Gesetzgebungsverfahren den Anforderungen an eine gleichberechtigte Teilnahme an der parlamentarischen Willensbildung genügt. Jedenfalls hat das Gericht diese – im Ergebnis überschießenden und nicht tragenden – Erwägungen wohl auch mit dem Hintergedanken eingestreut, dem Gesetzgeber den mahnenden Zeigefinger zu zeigen: Wir können auch anders, wenn ein Gesetzgebungsverfahren derart „am Limit“ durchgeführt wird.
3. Digitalisierung und neue Partizipation als „einschneidende Veränderung der Verhältnisse“
Eine Erhöhung der absoluten Obergrenze im Sinne eines Inflationsausgleichs hat das BVerfG im zweiten Parteienfinanzierungsurteil in Form einer Indexierung für unbedenklich gehalten, eine darüber hinausgehende Erhöhung hat es indes nur als zulässig angesehen, wenn eine „einschneidende Veränderung der Verhältnisse“ vorliegt. Kern des vorliegenden Urteils ist die Konkretisierung der Frage, was eine solche Veränderung ist und ob eine derartige Veränderung vorliegt (Rn. 121 ff.).
Um eine Änderung der Verhältnisse soll es sich handeln, wenn „im Vergleich zum maßgeblichen Zeitpunkt der letztmaligen Bestimmung der Höhe der absoluten Obergrenze – unter Außerachtlassung von Anpassungen an die allgemeine Preisentwicklung – Umstände eingetreten sind, die die Parteien in ihrer Gesamtheit betreffen (1), von außen auf die Parteien einwirken (2) sowie den Bedarf an personellen und sachlichen Ressourcen zur Erfüllung der den Parteien durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG übertragenen Aufgaben nachhaltig in einem deutlich spürbaren und von den Parteien aus eigener Kraft nicht leistbaren Umfang erhöhen (3).“
Dieser Versuch einer Definition hat für das vorliegende Urteil hingereicht. Die eingestellten Tatbestandsmerkmale erscheinen auf den ersten Blick plausibel, um eine wesentliche Veränderung sachgerecht abzubilden. Ob diese Definition hält, was sie verspricht, wird sich in Zukunft zeigen. Diese Formel ist ab sofort nämlich die „Brandmauer“, welche inhaltlich das Gebot der Staatsfreiheit und mit ihm die absolute Obergrenze inhaltlich absichert.
Dem Gericht ist jedenfalls zuzustimmen, dass es sich um von außen einwirkende Veränderungen auf das gesamte Parteiensystem handeln muss, um die Veränderung der Verhältnisse nicht der Disposition der Parteien zu überlassen. Zeitlicher Ausgangspunkt der Betrachtung ist der „Ursprung“ der Berechnungsgrundlage und das ist das Parteienfinanzierungsurteil 1992, denn die seitdem erfolgten Erhöhungen haben die Einnahmen letztlich nur inflationsbereinigt fortgeschrieben. Unklar ist, wie streng das Gericht bei der Frage sein wird, wann eine Partei eine Aufgabe aus eigener Kraft nicht leisten kann.
Betrachtet man nun die Veränderungen seit Anfang der 90er-Jahre, so ist unschwer erklärbar, dass sich die Umstände jedenfalls hinsichtlich der Herausforderungen durch die Digitalisierung wesentlich geändert haben und hier ein unabweisbarer, nicht anders erfüllbarer Finanzbedarf entstanden ist. Das Gericht verweist hier zu Recht auf die bereits im Gesetzgebungsverfahren benannte Betreuung neuer Kommunikationsplattformen, den Anforderungen an die Datensicherheit usw. (Rn. 139). Auch der zutreffende Einwand, durch Digitalisierung ließen sich auch Kosten sparen, wird aufgegriffen, indem Vor- und Nachteile bei der Bestimmung zu saldieren sind (Rn. 126).
Zweifelhaft ist die Annahme des Gerichts, dass auch der verstärkte Einsatz innerparteilicher Partizipationsinstrumente eine Anhebung der absoluten Obergrenze rechtfertige (Rn. 143 ff.). Damit setzt sich das Gericht zu seiner Grundannahme in Widerspruch, dass es sich bei einer Veränderung der Verhältnisse um eine von den Parteien nicht beeinflussbare Einwirkung handeln muss (Rn. 124). Denn bei der Eröffnung neuer Abstimmungswege, etwa durch verbindliche oder unverbindliche Mitgliederbefragungen, handelt es sich um eine durch die Parteien selbst freiwillig eröffnete Möglichkeit, gesetzlich vorgeschrieben oder überhaupt gesetzlich geregelt ist diese nicht. Einige Parteien nutzen derartige Formate auch gar nicht. Die Erhebung basisdemokratischer Teilhabe zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen, welches es früher, Anfang der 90er-Jahre nicht gegeben habe und das die Parteien nun allesamt von außen getroffen habe, suggeriert einerseits, dass die Parteien aktuell alle denkbaren Fragen unmittelbar durch ihre Mitgliederbasis entscheiden und Parteitage an Kraft verloren hätten – was nicht ohne Weiteres und auch nicht für alle Parteien oder das Parteiensystem allgemein haltbar erscheint –, andererseits klingt es so, als ob ein Parteimitglied der 90er-Jahre nicht so viel Lust auf Einfluss in der Partei gehabt hätte, sondern dies ein völlig neues Phänomen wäre, was alles auf den Kopf stellt. Überraschend ist hier auch, dass man hinsichtlich dieser Änderung der Verhältnisse und ihrer Darlegung auf eine Sachverständigenanhörung in der mündlichen Verhandlung verweist (Rn. 145), später aber ein Nachschieben von Gründen untersagt: Hätten dann diese Erwägungen nicht bereits in der Gesetzesbegründung stehen müssen bzw. im Gesetzgebungsverfahren vorliegen müssen? Augenscheinlich genügte die Gesetzesbegründung in diesem Punkte dann eben nicht, wenn das Gericht zur Begründung auf die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zurückgreifen musste.
Im gerichtlichen Verfahren waren weitere Gründe zur Änderung der Verhältnisse nachgeschoben worden. Hier wurden insbesondere gesteigerte Plakatkosten, der Rückgang ehrenamtlichen Engagements und die zunehmenden Erschwernisse bei Koalitionsbildungen vorgebracht. Diese Gründe wurden aber wegen des Prozeduralisierungsgebotes nicht mehr inhaltlich geprüft (Rn. 149). Man darf gespannt sein, wie diese im nächsten Versuch des Gesetzgebers substantiiert werden. Auf den ersten Blick erscheinen diese allesamt nicht überzeugend.
Trotz des Vorliegens – nach Ansicht des Gerichts zwei – tauglicher Gründe für eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse ließ das Gericht die Begründungspflicht hinsichtlich des Volumens der Erhöhung zuschnappen: Hier hatte der Gesetzgeber gar nicht dargelegt, wie er auf den Sprung zu einem Betrag von 190 Millionen Euro gekommen ist (Rn. 150 ff.).
4. Wo verbleibt der Spielraum des Gesetzgebers?
Betrachtet man die beträchtlichen Anforderungen an die Begründung im Gesetzgebungsverfahren, so fragt man sich, wo der in der Entscheidung stets betonte große Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers verbleibt. Denn die inhaltlichen Anforderungen an die Änderung der Verhältnisse sind hoch, daneben muss im Verfahren anhand der Bestimmungsfaktoren quantitativ plausibel dargelegt werden, welche konkrete Höhe das Anpassungsvolumen haben soll (Rn. 130). Diese Darlegung wird dann benötigt, damit das Gericht seine Kontrollfunktion ausüben kann und beurteilen kann, ob der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum aus Art. 21 Abs. 1 GG beachtet hat (Rn. 129). Somit verbleibt lediglich bei der konkreten Höhe der Anhebung ein zurückhaltender Vertretbarkeitsmaßstab, der aber durch eine vorgelagerte Begründungspflicht kompensiert wird.
Insoweit bekräftigt das Urteil, auch wenn es sich in Teilen nicht so liest, eine erhebliche Begrenzung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers hinsichtlich der Erhöhung der absoluten Obergrenze. Man kann das häufige Betonen des Spielraums und die Darlegung, dass dem Grundsatz der Staatsfreiheit eine exakte Obergrenze nicht zu entnehmen ist (etwa Rn. 129, 134) wohl lediglich als eine leichte Distanzierung zu BVerfGE 85, 264 deuten. Lediglich von dem Weg, eine absolute Obergrenze durch das Gericht zahlenmäßig selbst festzulegen, scheint sich das Gericht abzuwenden und hier dem Gesetzgeber etwas Spielraum zurückzugeben.
Insgesamt ist die Beschränkung des Spielraums mit Blick auf die erhöhte Kontrollintensität durchaus sachgerecht, allerdings erscheint es verfehlt, floskelhaft den großen Spielraum zu betonen, wenn er faktisch kaum vorhanden ist.
5. Ergebnis und Ausblick
Das Urteil entwickelt die Rechtsprechung zur Parteienfinanzierung folgerichtig weiter, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an eine Anhebung der Obergrenze. Mit einem Prozeduralisierungsgebot gibt das Gericht dem Gesetzgeber auf, die wesentlichen Umstände für eine Änderung der Verhältnisse und den Umfang der Erhöhung bereits im Gesetzgebungsverfahren darzulegen, wobei ein Nachschieben von Gründen ausgeschlossen sein soll. Dieses Gebot ist zwar nachvollziehbar, die Begründung entfernt sich aber ohne Not von bereits bestehenden, rechtsgebietsspezifischen Argumentationslinien wie der Entscheidung in eigener Sache oder dem Transparenzgebot, welches aus dem Bereich der Abgeordnetendiäten anerkannt ist. Zuletzt gibt das Gericht zu erkennen, dass es auch hinsichtlich des formalen Gesetzgebungsverfahrens willens ist, zukünftig schärfer auf die Einhaltung von Verfahrensrechten zu achten, wenn der Gesetzgeber ohne Not ein Gesetz in wenigen Tagen „durchpeitscht“. Aber auch für die Parteien hat das Urteil etwas Gutes: Sie haben nun einen klaren inhaltlichen Ansatzpunkt, an dem sie für eine außerordentliche Erhöhung der absoluten Obergrenze ansetzen können.
Es bleibt abzuwarten, wie das Urteil die Parteienfinanzierung verändern wird. Nachdem das zweite Parteienfinanzierungsurteil die Materie – auch durch eine gewisse Zementierung der Verhältnisse durch Vorgabe einer bezifferten absoluten Obergrenze – befriedet hatte, könnte das vorliegende Urteil mit der nun greifbaren Möglichkeit auf außerordentliche Anhebungen der absoluten Obergrenze die Parteien in Versuchung führen, mit spitzer Feder weitere Veränderungen des Parteiensystems seit den 90er-Jahren zu „suchen“ und diese für eine erneute Anhebung der absoluten Obergrenze einzusetzen: Die nachgeschobenen Gründe im Gerichtsverfahren und insbesondere der eher kleinliche Verweis auf die gestiegenen Plakatkosten deuten ein wenig in diese Richtung. Es bleibt zu hoffen, dass die vom Gericht eingezogene Brandmauer in Form der Definition der „einschneidenden Veränderung der Verhältnisse“ hält und es nicht die Büchse der Pandora geöffnet hat.