Die EZB vor dem Bundesverfassungsgericht, Teil 2
Wenn ich nach dem zweiten Verhandlungstag in Karlsruhe eine Wette abschließen müsste, wie die Sache ausgeht, würde diese so aussehen: Das Gericht wird nicht unmittelbar auf die EZB losgehen. Es wird sich nicht anmaßen, direkt und ohne Vorlage nach Luxemburg festzustellen, dass die Zentralbank mit ihrer Ankündigung, wackelnde Schuldnerstaaten durch Ankauf ihrer Staatsanleihen zu stützen, ihre Kompetenzen nach Art. 123 AEUV verletzt hat. Es wird auch nicht den Fall dem EuGH vorlegen.
Stattdessen wird es wieder mal versuchen, den Bundestag in die Pflicht zu nehmen und ihm aufgeben, Rettungsaktionen beim ESM nur zuzustimmen, wenn er sich Gewissheit verschafft hat, dass auch bei der EZB nichts passiert, was deren Kompetenzen sprengt und die Haushaltsrisiken für Deutschland ins Unvertretbare treibt. Er wird sich dabei darauf stützen, dass ansonsten das Demokratieprinzip und damit der in Art. 79 III absolut geschützte Identitätskern des Grundgesetzes in Gefahr ist und daher auch einzelne Bürger sich an das Bundesverfassungsgericht wenden können, um eine Aushöhlung ihres Wahlrechts aus Art. 38 GG durch die EZB-Politik abzuwenden. Also eine Art Grundrecht gegen Kompetenzverschiebungen in Europa – das ist neu.
Ob das diejenigen, die sich von dem Verfahren die große, reinigende Abrechnung mit EU und Währungsunion erhoffen, zufriedenstellt? Ich weiß es nicht, und das soll auch nicht meine Sorge sein.
Dabei besteht wenig Zweifel, dass der Senat die größten Bedenken hat, ob die EZB mit ihrem Anleihenkaufprogramm sich noch im Rahmen ihres Mandats bewegt. Das besagt, dass die Zentralbank sich um Preisstabilität zu kümmern hat, aber auf keinen Fall Staaten mit der Notenpresse helfen darf, ihren Haushalt zu sanieren. Tut die EZB das, wenn sie den Finanzmärkten verspricht, auch Anleihen schlechter Schuldner unbesorgt kaufen zu können, weil sie bereit steht, sie ihnen wieder abzunehmen?
Nein, sagt die EZB in Gestalt ihres Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen: Sie habe damit nicht Fiskalpolitik im Sinn, sondern Geldpolitik. Das Motiv für das OMT-Programm sei die Sorge, dass ihre geldpolitischen Instrumente nicht mehr greifen, wenn alle fürchten, dass die Eurozone auseinanderbricht. Sie kaufe die Anleihen nicht direkt vom Emittenten, sondern von Dritten, und auch das nur nach einer Sperrfrist von einigen Tagen, während derer sie genau beobachte, ob da nicht womöglich Staaten und Banken zusammenwirken, sich gemeinsam auf Kosten der EZB zu bereichern.
Damit gab sich der Senat aber erkennbar nicht zufrieden. Schon gestern war viel vom „Elefantentest“ die Rede, mit dem Ökonomen Geldpolitik und Fiskalpolitik auseinanderhalten. Richter Peter Müller sagte, Art. 123 AEUV lege, egal ob nun ein Elefant vorliegt oder nicht, jedenfalls den Porzellanladen fest, von dem der Elefant ferngehalten werden müsse – die monetäre Staatsfinanzierung. Ob all diese Kautelen, die Asmussen erwähnt habe, ausreichten, diese Porzellanladen zu schützen, fragte er ZEW-Präsident Clemens Fuest. Nein, antwortete dieser: Wenn das OMT-Programm bedeutete, dass die EZB unbegrenzt kauft, wüsste er nicht, „wie man das ohne Kontakt zum Porzellanladen organisieren sollte“.
Asmussen legte sich aber dann noch einmal sehr ins Zeug, die ganzen Verdächtigungen, mit denen Hans-Werner Sinn und die Klägervertreter die EZB überhäuft hatten, zu entkräften. Er machte klar, dass das OMT-Programm nicht für Pleitekandidaten greifen, die keinen Zugang mehr zum Kapitalmarkt haben – also für Griechenland schon mal nicht. Es sei darauf zugeschnitten, mit dem ESM zusammenzuwirken. Daher sei auch sichergestellt, dass nur Staaten in seinen Genuss kommen, die die entsprechenden Sparauflagen erfüllen.
Der Senatsvorsitzende Andreas Voßkuhle skizzierte daraufhin, wie die Lösung aussehen könnte: Man könnte Art. 123 AEUV so interpretieren, dass er eine Art „umgekehrten Elefantentest“ beinhaltet – also handfeste Kriterien, die die EZB beim Anleihekauf einhegen und vom Porzellanladen Staatsfinanzierung fernhalten.
Asmussen sagte daraufhin, bei der EZB gebe es eine große „Neigung zu regelgebundenen Systemen“, gab aber zu bedenken, dass bei einer Neuinterpretation oder Neufassung des Mandats der EZB viele andere in Europa nichts weniger im Sinn hätten als eine restriktivere Lesart.
Voßkuhle schwebt aber offenbar nicht vor, diese Neuinterpretation anderen in Europa zu überlassen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann fragte er, wie die EZB wohl damit zurechtkäme, wenn man ihr Mandat „noch weiter rechtlich umhegen würde aufgrund verfassungsrchtlicher Direktiven, jedenfalls was das Grundgesetz angeht“. Dass er damit aber nicht unmittelbar auf die EZB abzielt, wurde später offenbar, als Klägervertreter Bernhard Kempen davon sprach, der Senat dürfe sich nicht darauf beschränken, an die Integrationsverantwortung von Bundestag und Bundesregierung zu appellieren, sondern sagen „So geht’s nicht!“.
Oh, sagte Voßkuhle da: Ob er nicht meine, dass man dann dem EuGH vorlegen müsste. Nein, finde er gar nicht, erwiderte Kempen. Damit würde der Senat doch sein Instrument der Ultra-Vires-Kontrolle „aus der Hand geben“.
Huber schüttelte da bereits heftig den Kopf, und Voßkuhle widersprach: Natürlich müsse man vorlegen, bevor man einen Kompetenzverstoß der EZB feststellt. Und daran ändere auch der (m.E. wohl begründete) Verdacht nichts, dass man mit einer solchen Vorlage beim EuGH abblitzen würde. Das sei „für uns kein Entscheidungskriterium“.
Das scheint mir im Umkehrschluss zu heißen: Der Senat will überhaupt nicht auf etwas heraus, was die Vorlagepflicht auslösen würde. Er wird sich gar nicht allzu tragend auf die Auslegung des Mandats der EZB einlassen, sondern stattdessen festlegen, dass jedenfalls für den Fall, dass die EZB ihr Mandat auf eine verfassungsidentitätswidrige Weise ausdehnt, dem Bundestag daraus bestimmte Pflichten entstehen.
Voßkuhle widersprach auch dem gestern entstandenen Eindruck, Karlsruhe wolle hier die Tür zu einer umfassenden Popularklage gegen alle möglichen Handlungen auf EU-Ebene ganz weit aufstoßen. Das sei überhaupt nicht der Fall, sagte er. Vielmehr gehe es darum, den Bürgern einen Abwehranspruch gegen Kompetenzverschiebungen auf EU-Ebene zu geben, die in den Identitätskern des Grundgesetzes hineinreichen – also eine Kombination aus Ultra-Vires- und Identitätskontrolle, wie Bundestagsvertreter Christian Calliess es formulierte. Aber das ist etwas für Feinschmecker.
Ich halte es allerdings auch nicht für völlig ausgeschlossen, dass die Richtermehrheit am Ende doch zu dem Schluss kommt, die Verfassungsbeschwerden für unzulässig zu erklären. Huber, Voßkuhle und Landau sind sicher darauf aus, zur Begründetheit zu kommen, Peter Müller wohl auch. Gertrude Lübbe-Wolff und Michael Gerhardt dagegen erschienen mir gestern schon skeptisch, und der Eindruck verstärkte sich heute eher noch. Was völlig offen ist: Wie denken die beiden Damen ganz rechts auf der Richterbank? Monika Hermanns hat sich so gut wie gar nicht geäußert, Sybille Kessal-Wulf buchstäblich die ganzen zwei Tage über mit keinen einzigen Ton. Das muss man erst mal schaffen, ein wahrhaftiger Clarence Thomas von Karlsruhe könnte sie noch werden. Aber das nur am Rande. Wichtiger ist, dass beide als ehemalige Richterinnen darauf achten dürften, die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht allzu sehr zu strapazieren.
[…] Teil 2 des Verhandlungsberichts folgt morgen. […]
1. Ein Gedanke zur Zulässigkeit: Kann man die ASt. unter Hinweis auf die bloßen Ankündigungen der EZB auf später vertrösten und die Antrage als unzulässig würdigen, wenn unzweifelhaft angreifbare Maßnahmen bereits zu einem nicht restituierbaren Schaden führten, oder muss man hier eine Art vorbeugenden Rechtsschutz gewähren? Ließe sich das nicht durchaus mit entsprechenden Erwägungen des BVerfG zum vorbeugenden Rechtsschutz begründen?
2. In der Sache selbst: Wenn also der Bundestag evtl. verfassungsgerichtlichen Vorgaben folgend bestimmten Maßnahmen der EZB nicht zustimmen kann, was dann? Was wenn der EuGH die Verträge in einem Sinne auslegt, das die Grenzen des dt. Verfassungsrechts nach dem Verständnis des BVerfG überschreitet? Wie soll der Bundestag einen solchen Konflikt auflösen? Hoffen wir, dass sich der Zweite Senat auch darüber Gedanken macht!
@Hartmut Rensen: Für die Zulässigkeit der Beschwerden (nicht des Antrags im Organstreitverfahren) bleibt nur Art. 38 GG. Als prinzipale Ultra-vires Kontrolle (also ohne betroffenes Freiheitsgrundrecht wie in Honeywell) kann das prozessual kaum zufriedenstellend gelöst werden; man würde sich damit eine Art abstrakte EU-Akts-Konntrollprüfung erfinden, die nicht wirklich in das Verfassungsbeschwerdeverfahren passt.
In der Sache selbst scheinen mir Vorgaben für den Bundestag kein grundsätzliches Problem (“Konflikt”) aufzuwerfen, denn es handelt sich um innerstaatliche Anforderungen, denen nur der Bundestag genügen muss. So wie das OMT Programm gebaut ist, braucht die EZB einen einstimmigen Beschluss im ESM. Wenn der vorliegt, stellt die EZB möglicherweise viel Geld “ins Feuer”, für das der deutsche Steuerzahler dann mit seinem “guten Drittel” haftet. Verfassungsrechtliches Problem ist, dass der Bundestag bei seinem ESM Beschluss vorab NICHT weiß, wieviel Geld später von der EZB ins Feuer gestellt wird. Hier könnte der Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen annehmen, dass solche “Blankett” Beschlüsse nicht der dauerhaften Haushaltsverantwortung genügen, deshalb nicht gefasst werden können.
Hieraus folgt kein Konflikt zum EU-Recht, das das alles völlig unbedenklich finden könnte. Hieraus folgt nur, dass der Bundestag verfassungsrechtlich nicht alles machen darf, wovon ihn das EU-Recht nicht abhält. Konkret: Aus Sicht des EU-Rechts mag ein Bundestagsbeschluss im ESM Kontext prima sein. Verfassungsrechtlich kann unzulässig sein. Der Beschluss wird nur dann gehen, wenn EU-Recht und Verfassungsrecht nicht entgegenstehen.
Mir geht es nicht nur um einen rechtlichen Knflikt zwischen Unionsrecht und Verfassungsrecht, der gleichwohl denkbar ist, wenn nämlich die EZB Ihre Befugnisse anders und weiter versteht, also etwa fortfährt, unbegrenzte Aufkäufe anzukündigen. Mit geht es vielmehr darum, was passiert, wenn der Bundestag einem vermutlichen Urteil des BVerfG folgend nur begrenzte Beschlüsse fasst und die EZB sich nicht daran hält.
Wenn sich die Währungsunion nicht so entwickelt, wie durch das zustimmungsgesetz zum Vertrag von Maastricht vereinbart, fällt Grundlage und Gegenstand der deutschen Beteiligung daran weg. Hat der Zweite Senat in Maastricht gesagt.
Ja, und das danach naheliegende Vorgehen hätte volkswirtschaftliche Folgen (deutliche Aufwertung einer eigenen Währung, rasanter Fall der Exportrate, …), die kein Politiker verantworten kann. Fazit: Unrealistisch. Dementsprechend wird der Bundestag jeder Maßnahme zustimmen und führt ein Verweis auf die demokratische Legitimation sowie auf die Rolle des Bundestages hier u.U. lediglich zu einer Befassung des Parlaments mit vor vornherein feststehendem Ergebnis. Irgendwann ist ein Parlament überfordert und degeneriert zur bloßen Zustimmungsmaschine. So kann es jedenfalls nicht – wie in der pluralistischen parlamentarischen Demokratie vorgesehen – für hinreichende Zustimmung ind er Bevölkerung sorgen. Ob also der Zweite Senat nicht doch irgendwann einen Schlussstrich unter den Verweis auf den Bundestag und dessen Zustimmung ziehen muss?
@Hartmut Rensen: Ich verstehe das Argument verfassungsrechtlich nicht. Das Parlament soll bei den ganz wichtigen Entscheidungen rausgehalten werden, weil es zur “Zustimmungsmaschine” degeneriert??? Wieso so demokratiefeindlich?
Das Konzept des Grundgesetzes geht doch davon aus, dass solche Dinge parlamentarisch verantwortet werden. Wenn Parlamentarier dies nicht tun (was ich nicht glaube), sieht Demokratie vor, dass die Wähler im Wahlakt daraus Konsequenzen ziehen können. Wer sollte es denn vor dem Wähler verantworten, wenn nicht das Parlament?
Die Konsequenzen aus einer Erkenntnis, dass ein Parlament mit fortlaufenden Zustimmungen zu bestimmten Maßnahmen “nach Maßgabe der Finanzmärkte” überfordert ist, können durchaus unterschiedlich ausfallen. Man kann z.B. eine anfängliche, allgemein gefasste Zustimmung mit Blick hierauf weiter verstehen und auch mit Blick auf das Demokratieprinzip ausreichen lassen. Man könnte umgekehrt auch eine Zustimmung für unwirksam halten, soweit sie einen “Mechanismus” der nicht näher eingrenzbaren Selbstbindung in Lauf setzt. Besorgniserregend ist die besonders in den letzten Jahren zum Ausdruck kommende und grds. richtige Tendenz des zweiten Senats, dem Parlament die Verantwortung zuzuweisen bzw. es an selbige zu erinnern, nur dort, wo es dieser Verantwortung weder im Anfangsstadium mit konkreter gefasster Zustimmung noch im weiteren Verlauf durch offene Entscheidung über fortgesetzte Zustimmung nachkommen kann. Schließlich muss doch auch der Zweite Senat des BVerfG berücksichtigen, inwiefern das Parlament evtl. geforderte – wir spekulieren ja schon einige Zeilen lang! – wirklich noch frei treffen kann.
Wer soll es denn entscheiden? Die Finanzmärkte? Die Exekutive?
Selbstverständlich nicht, sondern man könnte – wie schon ausgeführt – geringere Anforderungen an eine Beteiligung des Bundestages stellen. Man könnte umgekehrt auch Begründungserfordernisse für eine derart weitreichende anfängliche Legitimation aufstellen. Man könnte ferner … Man muss eben nur aufpassen, dass der Bundestag nich zu fortlaufenden Zustimmungen veranlasst wird, denen wegen des allseitigen Drucks und allzu geringer Zeit kein wirklicher Entscheidungsspielraum mehr zugrundeliegt. Das wäre eine bloße “Show”, mit der niemand gedient ist.
Ohne mich zu sehr in die spannende Diskussion einzuklinken:
“Fazit: Unrealistisch. Dementsprechend wird der Bundestag jeder Maßnahme zustimmen und führt ein Verweis auf die demokratische Legitimation sowie auf die Rolle des Bundestages hier u.U. lediglich zu einer Befassung des Parlaments mit vor vornherein feststehendem Ergebnis”
Die Aussage scheint mir zum einen bedenklich nach einer alternativlosen Macht des Faktischen zu klingen, was einer demokratischen Kapitulationserklärung gleicht. Sie scheint mir zum anderen aber auch zu übersehen, dass der öffentliche Druck auf das Parlament mit jeder erneuten Zustimmung des Bundestages zu Rettungshilfen massiv gewachsen ist und die “Disziplinierung” von immer mehr Parlamentariern (gerade auch im Fall Zypern) eine große Rolle gespielt hat. Dies schafft öffentliche Aufmerksamkeit und Klarheit über Verantwortungszusammenhänge. Ich bezweifle dass die EZB über das Diktum ihrer Unabhängigkeit einen vergleichbaren demokratischen Boden hat, sie kann aber über die Ankäufe am Sekundärmarkt praktisch die gleichen haushaltswirksamen Risiken eingehen.
Meine Anmerkung hatte Äußerungen von MdB zum Hintergrund über die “Zustimmungsmaschinerie” anlässlich einer in diesem Jahr durchgeführten Veranstaltung.
Ich will, wie sich aus meinen Kommentaren jedenfalls in der Summe auch ergeben dürfte, keineswegs darauf hinaus, dass der BT überhaupt nicht zustimmt. Ich frage mich nur, wie oft man ihn wirkungsvoll in die Pflicht nehmen und was man insofern jeweils mit Aussicht auf ensthafte Erfüllung verlangen kann. Sollte das BVerfG insofern Vorgaben machen, sollten diese so ausfallen, dass der BT nicht künftig jeder Äußerung aus dem EZB-Direktorium und jeder einzelnen Maßnahme “hinterherhecheln” muss, weil sonst u.U. nicht das parlamentarische Verfahren Bremswirkung entfaltet, sondern das Parlament entweder “mitgeschleift” oder “überholt” wird von Ereignissen und Maßnahmen anderer Mitspieler. Schließlich wollen wir doch alle eine demokratische Legitimation und keinen bloßen Anschein derselben! Die Bestimmung der Maßstäbe ist mit Blick darauf sehr schwierig, und es kann – auch seitens des BVerfG – einer stillschweigenden Korrektur in weiteren Verfahren bedürfen. Insofern sollten “Hintertüren” offen bleiben.
Der historische Kern der demokratischen Idee ist, dass keine Ausgaben des Staates entstehen können, die das Parlament nicht verantwortet. Denn nur das Parlament ist seinerseits den Bürgern gegenüber verantwortlich.
Wenn man ausgabenwirksame (!) EZB-Maßnahmen zulässt, für die das Parlament nicht verantwortlich ist (es geht nicht um “jede Äußerung aus dem EZB-Direktorium”), heißt das nichts anderes, als dass Grundrechtsträger in Deutschland einer Steuerlast ausgesetzt werden, für die sie niemanden zur Verantwortung ziehen können. Denn den EZB Rat können sie eben nicht abwählen.
Aus diesem Grund, also dem demokratischen Recht die Verantwortlichen abzuwählen, kann der Ausweg auch nicht darin liegen, diffuse Blankettermächtigungen des Bundestages einmalig vorab zu erteilen. Denn dann wäre wiederum für die Grundrechtsträger keine Möglichkeit mehr gegeben, durch Abwahl der verantwortlichen Parlamentarier eine Korrektur pro futuro zu erzwingen.
Kurz: Die Misslichkeit liegt in dem Umstand, dass ausgabenwirksame Maßnahmen entweder vom Parlament verantwortet sind oder den Grundrechtsträger treffen, ohne dass er die “Verantwortlichen” abwählen kann.
Die Beschreibung des Problems ist insofern unvollständig, als hinzuzufügen ist, dass erst die Ankündigung unbegrenzter Ankäufe die Finanzmärkte beruhigt hat und ein Rückschritt hinter diese Linie anabsehbare Folgen hätte. Ich will damit keineswegs einem Verzicht auf demokratische Legitimation das Wort reden. Aber: Wie soll der Bundestag bei Verschlechterung der Lage an den Finanzmärkten und der Notwendigkeit fortlaufender Ankäufe fortlaufend freie Entscheidungen zwecks Legitimation treffen, ohne dabei schon wegen des Zeit- und Beratungsbedarfs allzu sehr unter Druck volatiler Finanzmärkte und hier operierender Spekulanten zu geraten? Ich kenne jedenfalls keinen Ausweg. Nicht einmal eine Übertragung weiterer Befugnisse auf die EU evtl. im Wege des Art. 146 GG kann hier helfen, denn auch das EU-Parlament geriete in dieselbe “Zwickmühle” zwischen demokratischer Legitimation und Finanzmärkten. Was also tun, wie also genau die Maßstäbe für die Zustimmung des Bundestages setzen?
Der Maßstab dürfte doch klar sein: Wenn es ausgabenwirksam ist, muss der Bundestag vorab zustimmen.
Wenn “das ganze System der Währungsunion” dann nicht funktioniert (was ich persönlich nicht glaube), würde ich persönlich die Demokratie einer Währungsunion vorziehen. Am einfachsten dürfte der Weg sein, zu budgetrechtlichen Eigenverantwortung aller Mitglieder der Währungsunion zurückzukehren. So wie im Primärrecht vereinbart. Dann hat der Bundestag ohnehin keine Probleme mehr.
Das ist nun doch ein wenig schlicht! Wie konkret muss die zustimmungsbedürftige Maßnahme beschrieben sein, um überhaupt zustimmungsfähig zu sein? Kann eine iSd. der Zustimmungsfähigkeit konkret begrenzte Maßnahme die Märkte noch beruhigen? Kann man darüber hinausgehende Ankündigungen unbedenklich zulassen oder geht davon bereits ein solcher Druck aus und liegt darin schon eine solche Vorfestlegung, dass insofern Rechtsschutz gewährt werden muss?
Nun ja, das Budgetrecht ist in gewisser Weise schlicht. Die ausgabenwirksame Maßnahme muss im einzelnen beschrieben sein, damit ihr der Bundestag zustimmen kann. Umgekehrt: was man nicht beschreiben kann, dem ist nicht zugestimmt (Stichwort Blankett), das darf also keine ausgabenwirksame Belastungen haben.
Wir brauchen nicht lange überlegen, ob bundestagsbeschlüsse wie “die EZB macht, dass alles gut wird”, keine parlamentarische Verantwortung des Haushalts herstellen. Der Bundestag dürfte ja nicht einmal innerstaatlich sagen: “die Regierung wird ermächtigt, alle erforderlichen Ausgaben zu tätigen”. Jedenfalls nicht in der Demokratie.
Allerdings wird auch sonst mehr oder weniger bestimmten Ermächtigungen zugestimmt, und eben darum könnte es gehen. Eine Demokratie verlangt schließlich keineswegs stets 100%ige Bestimmtheit. Allerdings betrifft das hier nicht nur die Voraussetzungen bestimmter Aufwendungen, sondern auch die Höhe derselben, also eine Frage, die sonst im Sinne eines Maximalbetrages bestimmt ist. Insofern jedoch ist zu berücksichtigen, dass die EZB unabhängig ist und dass mit der Zustimmung zu eben dieser Unabhängigkeit gewisse Einschränkungen untrennbar verbunden sind. Kann man also hier die üblichen Vorstellungen des verfassungsrechtlichen Haushaltsrechts unverändert bemühen?
Ich stimme vollkommen zu. Es gibt sogar ausdrückliche Bestimmungen zu Ausnahmen, wie zB Art. 112 GG. Es geht aber doch um die Besonderheit, dass es um 1/3 Haftung für ein Programm geht, welches die EZB selbst als derzeit “nicht 600 Millarden Euro überschreitend” ansieht. Das kann man ja schlecht mit der außeretatmäßigen Bestellung von zwei Polizeiautos vergleichen. Das sind Ausgaben, die an das Volumen der Wiedervereinigung heranreichen.