Die gläserne Moschee
Warum ein Moscheenregister niemandem nützt
Jens Spahn, Julia Klöckner und Carsten Linnemann haben es schon im Frühjahr 2017 gefordert. Linnemann hat es 2019 nochmals aufgegriffen. Und seit Ende Januar liegt ein Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Innen und Heimat der CDU/CSU vor, das eine weitere Prüfung anregt „ob und wie ein Moscheeregister in Deutschland verfassungskonform eingeführt werden kann.“ Das Moscheeregister soll Teil eines umfassenderen sog. Islamgesetzes nach französischem und österreichischem Vorbild werden. Die Unionspolitiker wollen, dass Transparenz darüber hergestellt wird, welche Moscheen wo existieren, wie sie finanziert werden und wie die Mitgliederstruktur aussieht.
Das Papier fordert nicht unmittelbar die Umsetzung, sondern will die Verfassungskonformität prüfen lassen. Und verfassungsrechtliche Bedenken gibt es hier gleich aus mehreren Gründen: Ein Moscheenregister wäre ein starker Eingriff in die Freiheit der Religionsausübung, der nicht zu rechtfertigen ist: Die Maßnahme verfolgt weder einen legitimen Zweck, da es kein abstraktes Recht auf Transparenz gibt, noch ist sie für Sicherheitszwecke geeignet. Darüber hinaus sind Moscheen bereits im Vereinsregister gemeldet, weshalb es keinen Bedarf für die Maßnahme gibt. Zweck des Vorschlags scheint lediglich politische Unruhestiftung.
Welche Grundrechte sind betroffen?
Ein Moscheeregister hätte gleich mehrdimensionale Grundrechtsrelevanz. Moscheen als Versammlungsort einer religiösen Gemeinde sind in der Regel als eingetragene Vereine organisiert, sodass bei beschränkendem staatlichem Zugriff das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG betroffen ist. Da muslimische Gemeinden auch Religionsgemeinschaften sind, tritt an die Stelle der Vereinigungsfreiheit jedoch die speziellere Assoziationsfreiheit nach Art. 140 GG iVm Art. 137 Abs. 2 WRV. Dementsprechend wird Art. 9 Abs. 1 GG aufgrund dieser spezielleren Garantie zwar verdrängt, aber da Art. 140 iVm Art. 137 Abs. 1 WRV keine über die individuelle Religionsausübungsfreiheit hinausgehenden besonderen Schutzgehalt hat (Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 137 WRV, Rn. 11, 15) bestimmt sich die Rechtfertigung nach den Anforderungen des Art. 4 Abs. 1, 2 GG. Infolgedessen bleibt es bei den vorbehaltlosen Gewährleistungen der Religionsfreiheit, die nur zum Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer Verfassungsgüter qua gesetzlicher Konkretisierung verfassungsimmanenter Schranken eingeschränkt werden können.
Wenn in Zukunft alle Moscheen mit Anschrift, Finanzierungsquellen und Angaben zu ihren Mitgliedern und der Mitgliederstruktur einsehbar sind, wird diese unfreiwillige Transparenz die Gemeindemitglieder und Moscheebesucher*innen nicht unberührt lassen. Es kann sich ein Gefühl des Überwachtseins einstellen, das die Einzelnen von der ungehemmten Ausübung ihrer Grundrechte abschreckt. Einen solchen chilling effect beschrieb das BVerfG bereits in seiner Volkszählungsentscheidung (BVerfGE 65, 1 [43]) und betont auch in seiner aktuelleren Rechtsprechung die „Furcht vor Überwachtwerden“ als Charakteristikum eines besonders intensiven Grundrechtseingriffs (BVerfGE 120, 274 [323]).
Wenn einzelne Moscheegänger*innen sich nun beobachtet fühlen müssen, weil sie ihre Religion in einem für ihren Glauben zentralen Ort stattfinden zu lassen, dann ist die individuelle Religionsausübungsfreiheit beeinträchtigt. Diese schützt auch das Recht, den eigenen Glauben unbeobachtet und diskret zu praktizieren, ohne Staat oder Öffentlichkeit davon ungewollt Kenntnis verschaffen zu müssen. Das wird explizit bekräftigt durch Art. 140 GG iVm Art. 136 Abs. 3 Satz 1 WRV: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“
An diesem individuellen Grundrechtsschutz der Mitglieder partizipiert auch die Gemeinde als Forum kollektiver, gemeinsamer Religionsausübung. Eine Moscheegemeinde, die ihre Besucher*innen schwinden sieht, darf sich in ihrer kollektiven Religionsfreiheit begrenzt fühlen. Dies darf sie allerdings auch dann schon, wenn ihre Mitglieder sich aufgrund möglicher Transparenz beobachtet und dadurch unwohl fühlen. Denn gerade wenn der Zweck der Vereinigung darauf gerichtet ist, das religiöse Leben seiner Mitglieder zu pflegen und zu fördern, kann sie sich über Art. 19 Abs. 3 GG auch als juristische Person auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG beziehen. Eine Registerpflicht ist daher ein unmittelbarer, jedenfalls aber ein mittelbarer Grundrechtseingriff in die Religionsausübungsfreiheit.
Transparenz um jeden Preis
Der anvisierte Regelungszweck der Registrierungspflicht soll darin bestehen, deutsche Moscheen transparenter zu machen. Für die Politik oder auch für die Öffentlichkeit? Aus dem Positionspapier geht nicht eindeutig hervor, für wen das Register zugänglich sein soll. Ein öffentlich zugängliches Moscheeregister nach dem Vorbild des Handelsregisters, muss sich die Frage stellen lassen: Wozu? Transparenz als Abstraktum ist kein Verfassungsgut. Und ein Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit wissen solle, wo in ihrer Stadt Moscheen und Moscheevereine ansässig sind, ist erklärungsbedürftig. Vielmehr ist Art. 4 Abs. 1, 2 GG historisch schon ein Grundrecht, dass auch Minderheitenschutz und besondere Vulnerabilität schützt, ganz besonders vor externem Zugriff. Dafür spricht auch, dass schon allein der Vorstand sein Hausrecht in den Vereinsräumen ausüben und jedem Dritten den Zugang verwehren könnte. Dritte haben keinen rechtlichen Anspruch auf Zutritt zu Gotteshäusern. Dass Moscheen, auch häufig in Form von Führungen und dem „Tag der offenen Moschee“, diese Transparenz aus Interesse an einem guten Miteinander und friedlichem Dialog von sich aus gewähren, ist nicht mit der Frage nach einem Transparenzzwang zu vermischen. Gerade in der freiwilligen Öffnung für Nichtgläubige oder Nichtmitglieder manifestiert sich aktive Ausübung von Religionsfreiheit, die aber – wie jedes Grundrecht – in der Hand der dispositionsbefugten Grundrechtsträger*innen liegt. Eine von konkreten Schutzgütern und Regelungszwecken abstrahierte Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit kann also keinen legitimen Zweck für ein Moscheeregister darstellen.
Transparenz zu Sicherheitszwecken?
Auch die Sicherheitspolitik wünscht sich Transparenz zu schlichten administrativen Zwecken, namentlich der Vorfeldbeobachtung potenziell verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Für mehr Transparenz zu sorgen, um Sicherheitsbedenken auszuräumen, mag zwar ein legitimer Zweck sein. Aber ob ein Moscheeregister diesem Zweck förderlich ist, kann nur behauptet werden, wenn es überhaupt einen hinreichend substantiierten Zusammenhang zwischen Sicherheitsbedrohungen und dem Innenleben der Moscheen gibt, der ein pauschales und zielgerichtetes Vorgehen gegenüber allen Moscheen rechtfertigt.
Befürworter des Registers wollen Radikalisierungsprozesse dort greifen, wo sie entstehen und Finanzierungen aus dem Ausland aufdecken. Mit der Absicht, Radikalisierungsprozesse in Moscheen frühestmöglich zu erfassen und dann auch aufzufangen, zeigt sich die Arbeitsgemeinschaft Innen und Heimat als mit Themen der Prävention und Radikalisierungsarbeit im besten Fall unvertraut. Jugendliche und junge Muslim*innen radikalisieren sich in der Regel im Internet, in der eigenen Peergroup oder in anderen losen, religiösen Gruppen. Eine religiöse Sozialisation in der eigenen Moscheegemeinde, die ein fundiertes und theologisches Verständnis der eigenen Religion vermittelt schützt viel eher vor möglicher Radikalisierung. Das predigen Expert*innen der Präventionsarbeit schon seit Jahren. Eine Registrierung aller Moscheen, wird also nicht flächendeckend dazu beitragen Radikalisierungsprozesse zu beobachten. Insoweit fehlt es an der Eignung einer pauschalen Registrierungspflicht, Sicherheitsbelange wirksam zu schützen. Jedenfalls wäre eine solche Maßnahme wegen ihrer Streubreite, ihres latent stigmatisierenden Charakters und ihrer geringen Erfolgsaussichten angesichts der hohen Wertigkeit der Religionsfreiheit unangemessen.
Kein weiterer Bedarf: Hinreichende sicherheitsrechtliche Handlungsmöglichkeiten
Ausnahmen bestätigen die Regel: Zweifelhafte Prediger und Inhalte gibt es selbstverständlich auch in der ein oder anderen Moschee. Aber um darüber die Politik informiert zu halten, bedarf es keines umfassenden Registers. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für Aktivitäten verfassungsfeindlicher Bestrebungen in Moscheen vor, dann ist dies die genaue Aufgabenbeschreibung für den Verfassungsschutz dort beobachtend tätig zu werden (§§ 3, 4 BVerfSchG). Diese Regelungen erfassen grundsätzlich auch religiöse Bestrebungen, sofern diese nicht allein theologische Vorbehalte formulieren, die jeder Religion mit ihrem notwendigen Wahrheitsanspruch inhärent sind. Notwendig für eine Verfassungsschutzrelevanz ist vielmehr ein verfassungsfeindliches Hineinwirken in den weltlichen Bereich. Unter diesen Voraussetzungen darf dann der Verfassungsschutz die für seine Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen sammeln und auswerten, so § 8 BVerfSchG und im Hinblick auf die Nachverfolgbarkeit von Finanzströmen noch spezieller § 8a Abs. 2 BVerfSchG. Das tut er auch bereits. Einen besonderen Schutz gegenüber verfassungsschutzbehördlicher Beobachtung genießen Religionsgemeinschaften nicht (Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, 2. Aufl., § 8 BVerfSchG, Rn. 59), obgleich auch bei der Auswahl und dem Zuschnitt der eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die Religionsausübungsfreiheit Rechnung zu tragen ist.
Ein vergleichender Blick in das Vereinsregister
Hinzu kommt, dass Moscheen jedenfalls in den meisten Fällen bereits in einem weiteren Sinne amtlich registriert sind: Im Vereinsregister, dass sowohl die Satzung als auch den verantwortlichen Vorstand offenlegt. Es ist also bereits jetzt möglich zu erfahren welche Moscheen existieren, in wessen Verantwortung sie stehen und auch wo diese zu finden sind. Da das Vereinsregister gem. § 79 Abs. 1 S. 1 BGB für jedermann öffentlich zugänglich ist, stehen einer Informationserhebung auch keine weiteren Hindernissee entgegen, wenn eine Behörde die darin enthaltenen Informationen für die eigene Aufgabenerfüllung benötigt. Die geforderte Transparenz wird durch den Zweck des Vereinsregisters teilweise bereits aufgenommen: Dritten sollen die tatsächlichen Verhältnisse der Vereine einsehbar sein (Leuschner, Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl., 2018, § 79, Rn. 1).
Ein Bedarf über diese Befugnisse des rechtsstaatlichen Frühwarnsystems und der allgemeinen Registrierung von Vereinen ist schlicht nicht ersichtlich. Insoweit besteht zum einen kein Regelungsanlass, zum anderen drängen sich erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit auf: Ein derart intensiver Eingriff in das schrankenlos gewährleistete Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1, 2 GG steht in keinem Verhältnis zum intendierten Rechtsgüterschutz, wenn das Register kaum bis gar keinen Informationszugewinn für Fragen der Sicherheit mit sich bringt, weil für jedes legitime staatliche Informationsinteresse bereits ein rechtliches Werkzeug zur Verfügung steht. Der Überhang durch eine Registrierung verspricht insoweit keinen nennenswerten Zugewinn an Erkenntnissen, zumal sich klandestin agierende Kleingruppen ohnehin nicht registrieren lassen werden, und die Maßnahme damit gerade diejenigen belastet, die sich ohnehin rechtstreu verhalten.
Ein Register für alle?
Kirchen sind im typischen Stadtbild sichtbarer, sie sind im Gegensatz zu vielen Moscheen bereits anhand ihrer Bauart erkennbar. An Ortseingängen verweisen Schilder auf die nächstgelegene Kirche und die entsprechenden Zeiten, an den Messen abgehalten werden. Eine Registrierung christlicher Gotteshäuser ist nicht notwendig, weil sie bereits freiwillig sichtbar sind. Aber ein Registerzwang ausschließlich für muslimische Gotteshäuser bedarf einen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden sachlichen Grund. Eine generelle Gefährlichkeit lässt sich zwar freimütig behaupten, aber schlecht belegen.
Die allgemeine islamische Glaubensausübung als Differenzierungskriterium zu rechtfertigen, bedürfte besonders guter sachlicher Gründe. Schwierig ist dies sowohl im Hinblick auf einen internen als auch externen Vergleich: Unterliegt die als liberal geltende Gemeinde genauso Sicherheitsbedenken wie die landesweit bekannte, weil bereits beobachtete, „Salafisten-Moschee“? Und warum sind islamische Gemeinden per se gefährlicher als die Freikirche oder der Treffpunkt bekennender Satanisten nebenan?
Ein Register für alle dagegen bringt die Gefahr mit sich, sich zeitnah zur staatlichen Serviceleistung für all jene zu pervertieren, die bloß herausfinden wollen, welche nächstgelegene Synagogentür sie eintreten und beschmieren wollen, vor welche Moscheetür sie den nächsten Schweinekopf und in welches Moscheefenster sie den nächsten Brandsatz werfen können. Im Übrigen hat sich die Stigmatisierung von Religionsausübung – gleich welchen Glaubens – als mit Misstrauen zu beäugende potentielle Staatsgefährdung historisch immer wieder als Einstiegsdroge in einen staatsverordneten Laizismus erwiesen, der weder den religionsverfassungsrechtlichen Grundpfeilern der Verfassung entspricht, noch dem Selbstverständnis der Urheber des Positionspapiers entsprechen sollte.
Kulturkampf reloaded?
Neben Mitgliederstrukturen soll auch die Finanzierung der einzelnen Gemeinden registriert werden. Darin schlägt sich davor nieder, dass ausländische Geldgeber deutsche Moscheen finanzieren und ihren Einfluss hier geltend machen. Spenden anzunehmen, unabhängig davon woher sie kommen, ist zunächst kein Rechtsbruch und für viele deutschen Gemeinden die einzige Möglichkeit, um Räumlichkeiten zu finanzieren, religiöse und soziale Angebote zu finanzieren und Jugendarbeit zu leisten. Diejenigen Gemeinden, die ihre Finanzierung durch beispielsweise türkische Staatsakteure sichern, legen dies bereits durch ihre Verbandszugehörigkeit offen. Ein Register würde auch hier kein Mehr an Transparenz verschaffen.
Solange die Gelder nicht in illegale Aktivitäten fließen, sondern für die Aufrechterhaltung einer lebendigen Glaubensgemeinschaft verwendet werden, fällt auch diese Angelegenheit in den staatsfreien Raum, den die Grundrechte schützen sollen.
Politische Unruhestiftung
Ein Moscheeregister würde die Beziehung deutscher Muslim*innen und ihrer Gemeinden zum deutschen Staat nicht vertrauensvoller gestalten. Das ist aber auch gar nicht der Regelungszweck. Ein solcher ist zwar in der Forderung nach Transparenz zu erkennen, aber in Form eines Registers nicht umsetzbar. Denn diejenigen Informationen über Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen, die dem Staat zugänglich sein dürfen, stehen bereits zur Verfügung. Alles andere ist politische Unruhestiftung.
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