20 October 2022

Erschüttertes Vertrauen

Die Zwangsbeurlaubung von BSI-Chef Schönbohm und das Beamtenrecht

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat dem Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in die Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm am 18.10.2022 die Führung der Dienstgeschäfte verboten. Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Verein Cybersicherheitsrat Deutschland, dessen Vorsitzender Schönbohm früher war, hätten „das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Neutralität und Unparteilichkeit der Amtsführung als Präsident der wichtigsten deutschen Cybersicherheitsbehörde nachhaltig beschädigt“ (FAZ vom 19.10.2022 Seite 1).

Beamten und Beamtinnen kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden (§ 39 Satz 1 Beamtenstatusgesetz, § 66 Satz 1 Bundesbeamtengesetz). Die auf drei Monate begrenzte Zwangsbeurlaubung ist ein Mittel der Personalführung, um einen Beamten befristet von der Wahrnehmung seines Dienstpostens zu entbinden. Als Maßnahme „dienstrechtlicher Gefahrenabwehr“ soll sie eine Amtsausübung ausschließen, die für den Beamten, die Verwaltung oder Dritte akute Nachteile oder Gefahren beinhaltet.

Als flexibleres Mittel kann sie anstelle der einschneidenderen vorläufigen Dienstenthebung, die die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge umfasst (§ 38 – 40 Bundesdisziplinargesetz ), angeordnet werden.

Wird der Beamte nach der Anordnung des Zwangsurlaubs nicht disziplinarrechtlich belangt, so muss der Beamte spätestens nach Ablauf von drei Monaten weiter in seinem bisherigen Amt beschäftigt werden oder innerhalb des Geschäftsbereiches des Ministeriums auf einen gleichwertigen anderen Dienstposten umgesetzt oder versetzt werden.

Auf Grund der bekanntgewordenen Vorwürfe zeichnet es sich ab, dass Schönbohm im Geschäftsbereich des BMI einen anderen gleichwertigen Dienstposten erhalten soll.Da der Präsident des BSI kein politischer Beamter ist, kann er nicht jederzeit ( aus einem sachlichen Grund ) in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

Ein Beamter kann anlässlich der drohenden Zwangsbeurlaubung ein förmliches Disziplinarverfahren gegen sich selbst beantragen, um sich gegen die Vorwürfe zu wehren, so auch im Fall Schönbohm geschehen. Das eingeleitete Zwangsbeurlaubungsverfahren wird dadurch nicht gehemmt. Wird der Beamte in dem als Selbstreinigungsverfahren konzipierten Disziplinarverfahren rehabilitiert, ist das Zwangsbeurlaubungsverfahren einzustellen. Im Fall Schönbohm ist angesichts der eingehenden Vorbereitung der Einleitung des Zwangsbeurlaubungsverfahrens damit zu rechnen, dass das Zwangsbeurlaubsverfahren vor dem Abschluss des zeitaufwendigen Disziplinarverfahrens abgeschlossen sein wird.

Die Zwangsbeurlaubung setzt weder ein Vergehen noch ein Verschulden des Beamten voraus. Entscheidend ist die objektive Gefährdung des Dienstes durch den Verdacht, dass der Cybersicherheitsrat Deutschland e.V., dessen Vorsitzender Schönbohm vor seiner Berufung als Präsident des BSI war, vom russischen Geheimdienst unterwandert ist. Schönbohm wird zudem vorgeworfen, als Präsident des BSI auf einer Veranstaltung des Vereins ein Grußwort gesprochen zu haben; dies allerdings mit Wissen des BMI.

Das BMI betont, dass die Sicherheit im Cyberraum extrem vom Vertrauen abhängt. Das Vertrauen zu Präsident Schönbohm sei erschüttert. Zusätzlich stellt das BMI das Führungsverhalten des Präsidenten in Frage. Aus diesem Grund hat das BMI zusätzlich von sich aus ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Allerdings sind die materiellen Voraussetzungen für eine Zwangsbeurlaubung hoch. Zwingende dienstliche Gründe, die eine Zwangsbeurlaubung rechtfertigen, liegen vor, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären. Fachliche und politische Erwägungen im Rahmen des Organisationsrechts des Dienstherren können als dienstliche Belange eine Zwangsbeurlaubung rechtfertigen. Ein wegen wesentlicher Unstimmigkeiten zwischen Behörde und Beamten gestörtes Vetrauensverhältnis rechtfertigt eine Zwangsbeurlaubung. Die Störung des Vertrauensverhältnisses als gewichtiger dienstlicher Nachteil zu begründen ist aufwendiger, als solch krasse Fälle wie das Schildern sadistischer Fantasien in Internetchats bezogen auf anvertraute Schülerinnen oder alkoholisiertes Absingen des Horst-Wessel-Liedes durch einen Soldaten.

Durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte wird das Recht des Beamten auf Dienstausübung suspendiert. Als Nebenfolge kann angeordnet werden, dienstlich empfangene Sachen herauszugeben oder Diensträume nicht zu betreten. Besoldungsrechtliche Auswirkungen hat das Verbot grundsätzlich nicht. Allerdings können besondere Funktionszulagen wie die Ministerialzulage entfallen.

Nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren kann sich der Beamte gegen die Zwangsbeurlaubung vor dem Verwaltungsgericht zur Wehr setzen. Die Aussichten einer Klage sind vorliegend angesichts der hochsensiblen Cybersicherheit eher gering.

Vage Hinweise auf das Führungsverhalten des Präsidenten rechtfertigen im förmlichen Disziplinarverfahren keine Disziplinarstrafe. Auch das Wissen des BMI vom Grußwort des Präsidenten vor dem Verein Cybersicherheitsrat Deutschland dürfte sich in diesem Verfahren zugunsten des Präsidenten auswirken. Seine Tätigkeit als Vorsitzender des Vereins dürfte dem BMI bei der Einstellung bekannt gewesen sein und damit keine Disziplinarmaßnahme rechtfertigen. Bleibt abzuwarten, welches Gewicht die vom BMI angeführten Gründe haben, die der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt sind.

Das ändert aber nichts daran, dass Arne Schönbohm das Präsidentenamt durch Umsetzung oder Versetzung verlieren wird.


SUGGESTED CITATION  Battis, Ulrich: Erschüttertes Vertrauen: Die Zwangsbeurlaubung von BSI-Chef Schönbohm und das Beamtenrecht, VerfBlog, 2022/10/20, https://verfassungsblog.de/erschuttertes-vertrauen/, DOI: 10.17176/20221020-191811-0.

One Comment

  1. Dominic Schelling Sun 23 Oct 2022 at 18:55 - Reply

    Das Beamtenrecht in Deutschland scheint mir eine sehr eigenartige Sache zu sein. Wenn führende Angestellte im öffentlichen Dienst in der Schweiz nicht mehr gewünscht sind in der bisherigen Funktion, kann man sie in der Regel relativ zügig entlassen, sprich ganz aus dem öffentlichen Dienst entfernen. Klar, es gibt missbräuchliche Entlassungen, was zu einer, eher tiefen, Entschädigung führt, aber schlussendlich muss die betreffende Person trotzdem gehen. Dies sollte Deutschland auch übernehmen und das unsägliche Beamtenwesen vollständig abschaffen.

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