Hemdsärmelig und illegal
Die Spendenskandale der AfD holen die Partei so langsam ein: Neben dem Fall der gestückelten Spenden an Alice Weidel bzw. ihren Kreisverband beschäftigte auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin im „Fall Meuthen“ die überregionale Presse. Thema auch hier: Eine nicht im Rechenschaftsbericht als Parteispende angegebene Werbekampagne von Dritten. Die Klage der AfD gegen den Strafbescheid der Bundestagsverwaltung wurde vom VG abgewiesen.
Was war passiert? Ein befreundeter Geschäftsmann mit Unternehmen in der Schweiz, der Goal AG, hatte AfD-Chef Meuthen angeboten, ihm mit der Erstellung einer Internetseite, sowie einer Werbekampagne im Landtagswahlkampf 2015 zu helfen. Meuthen unterzeichnete eine „Freistellungserklärung“ mit der er das Unternehmen von Ansprüchen Dritter freistellte und die Nutzung seines Bildes, beispielsweise für Plakate, zur Verfügung stellte. Weiteres habe man, so Meuthen, nicht besprochen. Auch von der Werbekampagne an sich will er, so lässt es sich vor dem Verwaltungsgericht offenbar ein, nichts gemerkt haben. Er sei im Wahlkampfstress gewesen, alles sei „hemdsärmelig“ gelaufen. Die Plakate allein, welche unter Nutzung des Logos der AfD für Meuthen und die AfD warben, hatten einen Wert von rund 40.000 Euro.
Parteispende oder Kandidatenspende?
Gestritten wurde zunächst um die Frage, ob es sich um eine Spende an die Partei oder an Meuthen persönlich handelte. Hier sind Parallelen erkennbar zum Fall Weidel: Dort hat die AfD zuletzt auch behauptet, das auf das Parteikonto überwiesene und von der Partei verwendete Geld sei eine Spende an die Kandidatin Weidel gewesen.
Das VG Berlin entschied, dass die Kampagne im Fall Meuthens für die AfD warb, mit Slogans wie „Jetzt AfD wählen“, und damit eine Partei- und keine Kandidatenspende darstellte. Ob das auch für die Homepage Meuthens gilt, die auch Teil der Wahlkampfhilfe war, ist anhand der Pressemitteilung des Gerichts nicht klar ersichtlich. Es bestehen jedoch Zweifel daran, den Geldwert für die Wahlkampfhomepage (nur) eines Kandidaten ohne weitere Anhaltspunkte der Partei als Spende zuzurechnen. Denn: Spenden an den Parteivorsitzenden sind nicht automatisch Parteispenden.
Die Abgrenzung zwischen beiden ist nur schwerlich möglich. Zwar hat der Gesetzgeber nach dem zweiten Parteienfinanzierungsurteil den Auftrag des BVerfG umgesetzt und im Abgeordnetengesetz die Spendenannahmeverbote von den Parteien auch auf die Abgeordneten ausgedehnt, allerdings versteckt in den Verhaltensregeln der Abgeordneten (§ 44 b Nr. 3 i.V.m. § 4 VR). Kandidaten, die noch nicht im Bundestag sind, sind von der Regelung nicht erfasst. Daneben ist sie nur halbherzig umgesetzt und lässt bei Lichte betrachtet eben doch Schlupflöcher: § 4 Abs. 4 der VR verweist auf § 25 Abs. 2 und Abs. 4 PartG. Damit gelten die Spendenannahmeverbote zwar, mit § 31 c PartG vergleichbare Sanktionen gibt es indes nicht. Die größtmögliche Sanktion liegt in der Hälfte der jährlichen Entschädigung, § 8 Abs. 4 VR, also bei aktuell rund 60.000 Euro.
Bei der Abgrenzung, ob es sich um eine Spende an die Partei oder den Kandidaten handelt, kommt es zunächst auf den ausdrücklichen oder sich aus den Umständen objektiv ergebenden Spenderwillen an. Daneben kann aber auch nach der Funktion des Annehmenden unterschieden werden: Erhält ein Wahlkreiskandidat Spenden, die nach Verwendungszweck und Größenordnung auf den Wahlkreis beschränkt sind, so liegt nach Ipsen eine Kandidatenspende vor. Erfolgt die Spende an den Parteivorsitzenden oder herausgehobene Funktionäre und ist der Spenderwille nicht klar ersichtlich, sei im Zweifel eine Parteispende anzunehmen. Wegen des hohen Spendenbetrages, der Ausrichtung der Kampagne und der Funktion von Meuthen als AfD-Chef spricht einiges dafür, dass es sich im vorliegenden Fall tatsächlich um eine Partei- und keine Kandidatenspende handelte, jedenfalls ist im Zweifel richtigerweise von einer solchen auszugehen.
Die Unterscheidung zwischen beiden Spendenvarianten ist überaus relevant. Nimmt ein Kandidat eine Parteispende an, unterliegt er der strafrechtlich bewehrten Weiterleitungspflicht des § 25 Abs. 1 S. 3 PartG: Er muss das Geld an das für Finanzangelegenheiten zuständige Vorstandsmitglied weitergeben. Handelt es sich um eine persönliche Spende, so greifen Transparenzpflichten und alle Spendenannahmeverbote nur bei Abgeordneten. Wer kein Abgeordneter ist, könnte also ohne Probleme etwa mit an sich verbotenen Auslandsspenden aufgepäppelt werden. Es zeigt sich wieder einmal: Die Nebenwege der Parteienfinanzierung, also etwa die Finanzierung der Abgeordneten, aber auch beispielsweise der Stiftungen oder Fraktionen sind strukturell unterreguliert und lassen gefährliche Lücken.
Spende oder keine Spende?
Daneben war die Frage zu klären, ob es sich bei der Werbekampagne für Meuthen wirklich um eine Spende handelt. Nur dann gelten die Spendenannahmeverbote des Parteiengesetzes. Nach § 25 Abs. 2 PartG sind unter anderem Spenden aus dem Ausland, aber auch anonyme Spenden über 500 Euro sowie „Strohmannspenden“ verboten. Derartige Spenden sind nach § 25 Abs. 4 PartG unverzüglich, spätestens mit der Einreichung des Rechenschaftsberichts für das entsprechende Jahr an die Bundestagsverwaltung abzuführen. Führt die Partei derartige Spenden nicht wie vorgeschrieben ab, muss sie das Dreifache des rechtswidrig erhaltenen Betrages als Strafe zahlen (§ 31 c Abs. 1 S. 1 PartG).
Spenden sind alle über Mitgliedbeiträge und Mandatsträgerbeiträge hinausgehende Geldleistungen, aber auch geldwerte Leistungen aller Art an Parteien, so umschreibt § 27 Abs. 1 PartG den Spendenbegriff. Auch die freiwillige, unentgeltliche Darbietung einer Dienstleistung kann also ohne weiteres eine Spende darstellen.
Während die Erlangung von Geldspenden haargenau geregelt ist (§ 25 Abs. 1 PartG), passen die Regeln nicht gut auf geldwerte Leistungen wie z.B. Dienstleistungen. Denn wann sind Dienstleistungen in den „Verfügungsbereich“ des Finanzvorstandes oder eines hauptamtlichen Mitarbeiters gelangt? Und vor allem: wie sind Dienstleistungen innerhalb der Partei an eine solche Person „weiterzuleiten“? Wie werden sie „zurückgeleitet“? Bei geldwerten Leistungen ist also – anders als bei Geldspenden – nicht nur die Person des Annehmenden relevant, sondern auch die Annahmehandlung: Wie nimmt die Partei eine Dienstleistung als Spende an? Und wann ist sie „erlangt“?
Für Werbekampagnen Dritter findet sich noch eine – von der Literatur in meinen Augen sträflich vernachlässigte – eigene Regelung im Parteiengesetz. § 26 Abs. 1 S. 2 PartG postuliert, dass „die Übernahme von Veranstaltungen und Maßnahmen durch andere, mit denen ausdrücklich für eine Partei geworben wird“, eine Einnahme darstellt. Einnahmen- und Spendenbegriff laufen in diesem Falle weitgehend gleich, da alle Einnahmen, d.h. nach § 26 Abs. 1 S. 1 PartG jede erlangte Geld- oder geldwerte Leistung, die freiwillig und unentgeltlich erfolgt, auch grundsätzlich Spenden darstellen.
Zurechnung von geldwerten Zuwendungen
Die Literatur geht bei geldwerten Zuwendungen oder insbesondere bei Werbekampagnen Dritter, die auch hier im Verfassungsblog schon einmal Thema waren, davon aus, dass sie von der Partei nur erlangt sind, wenn die Partei sich die Handlung des Dritten zurechnen lassen muss. Die h.M. stellt als Zurechnungsgrund maßgeblich auf den Einfluss der Partei auf die Drittkampagne ab. Morlok forderte in seinem Gutachten für die Rau-Kommission zur Neuordnung der Parteienfinanzierung eine „effektive Einwirkungsmöglichkeit“ oder „wesentlichen Einfluss auf die Art und Weise der Verwendung“, oder aber „Dispositionsbefugnis oder jedenfalls Mitgestaltungsmöglichkeit“. Die herrschende Literatur folgt dem weitgehend kritiklos, betont jeweils die eine oder andere Anforderung stärker.
Klein dagegen will den ansonsten nicht angerührten § 26 Abs. 1 S. 2 PartG aktivieren und die Werbekampagne nicht am schwerlich zu erfassenden – und für die Bundestagsverwaltung praktisch unmöglich festzustellenden – Einfluss der Partei festmachen, sondern ein ausdrückliches Werben als objektives Kriterium für eine Partei ausreichen lassen.
Vermittelnd weist Jochum darauf hin, dass ein einverständliches Zusammenwirken ausreichen müsse. Auch eine schlichte Zustimmung sei daher ausreichend. Wenn die Partei aber darüber hinaus noch z.B. inhaltlichen Einfluss nimmt, liege darin jedenfalls eine konkludente Zustimmung. Dann müsse sich die Partei die Drittkampagne zurechnen lassen.
Diese Abgrenzung hat im folgenden, vergleichsweise eindeutigen Fall wohl keine größere praktische Bedeutung, da nach allen Ansichten eine Spende vorliegen dürfte. Nach Morloks durchaus sehr unterschiedlichen Anforderungen dürfte man in der Erlaubnis zur Nutzung des Bildes und der grundlegenden Absprache eine ausreichende Einwirkung auf die Kampagne bzw. eine Mitgestaltung sehen. Auch nach den Ansichten Kleins und Jochums liegt ohne weitere Probleme eine Parteispende vor.
Insgesamt vorzugswürdig erscheint der Ansatz, die reine Zustimmung der Partei ausreichen zu lassen und die in der Literatur herausgearbeiteten „Stufen“ an Einflussnahme zur Lösung von klaren Fällen heranzuziehen. Denn auch wenn Meuthen dem befreundeten Geschäftsmann lediglich mündlich erklärt hätte, er sei damit einverstanden, eine ihm inhaltlich nicht näher bekannte Werbekampagne für ihn durchzuführen, dann müsste auch hierin eine Zurechnung gesehen werden. Andernfalls müssten die handelnden Personen nur möglichst wenig wissen und besonders eifrig wegschauen, um eine Zurechnung zu unterbrechen. Das entspricht nicht dem vom Bundesverfassungsgericht gepredigten „weiten Spendenbegriff“, der notwendig ist, um dem Verfassungsgebot der Transparenz der Parteifinanzen zur Geltung zu verhelfen.
AfD hätte nachforschen müssen
Geht man damit von einer Parteispende aus, so hätte die AfD den Urheber und den Geldwert der Kampagne angeben müssen. Gehen einer Partei Spenden unbekannter Herkunft zu und übersteigen sie 500 Euro, so erwächst daraus die Pflicht, den Spender ausfindig zu machen und natürlich auch die Spendenhöhe zu benennen. Beides ist nicht erfolgt. Die Aufklärung gestaltete sich dagegen eher in Form der Salami-Taktik: Angebliche Spender, die ihr Geld dem befreundeten Geschäftsmann gegeben haben sollen, wurden erst auf Nachfrage der Bundestagsverwaltung genannt. Bis heute ist nicht klar, woher das Geld nun tatsächlich stammt. Wäre es direkt von der Goal AG gekommen, läge darin eine illegale Auslandsspende, da das Unternehmen seinen Sitz in der Schweiz hat. Wäre die Spenderliste dagegen zutreffend, liegt objektiv eine Strohmannspende vor, da die Goal AG letztendlich die Einzelspenden ja nur zu einer Kampagne verarbeitet, aber dennoch der Partei „weitergeleitet“ hat. Allerdings erfordert die Strohmannspende auch eine Kenntnis oder jedenfalls Erkennbarkeit des Weiterleitungskonstellation als subjektives Element auf Seite der Partei, daran dürfte es hier fehlen.
Das Gericht nahm die genannten Spender zwar hin, ließ aber durchaus Zweifel daran durchblicken. Es ging dann auch dem Auslandsspendenverbot nicht weiter nach, sondern begnügte sich offensichtlich damit, dass eine anonyme Spende im Sinne des § 25 Abs. 2 Nr. 6 PartG vorliege. Im Zeitpunkt der Spendenerlangung war der AfD nämlich nicht bekannt, wer die angeblichen Spender waren.
Der Druck auf die AfD steigt
Das Gericht hat die Berufung zum OVG zugelassen. Das Thema der Unterstützungskampagnen Dritter für die AfD ist damit aber noch nicht abgehakt. Die Bundestagsverwaltung ist im Zusammenhang mit der Goal AG im Fall Meuthen auch anderen Unterstützungskampagnen auf der Spur. Aus Vorsicht hat die AfD bereits eine Million Euro als Rücklage gebildet. Wenn aber ein Großteil der Unterstützungsaktionen Dritter, etwa auch die des ominösen Unterstützervereins „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“, als Spende eingestuft würde, läge der Schaden weit darüber. Bei einem von Lobbycontrol geschätzten Kampagnenwert im zweistelligen Millionenbereich ist nicht schwer auszurechnen, dass die dreifache Höhe als Strafbetrag das Konto jeder Partei sprengen würde.
Bei “Übernahme” ist doch an sich klar, dass irgendwas wie ein Auftrag vorliegen und jedenfalls schon wegen der Parteienfreiheit (und auch der parteibezogenen Demokratie) eine Möglichkeit der Distanzierung existieren muss.
Das Kernproblem ist die totale Ignoranz, dass es Dritte gibt, die selbstständig auf Wahlen Einfluss nehmen wollen, obwohl das BVerfG selber fordert, dass es die geben können muss (wenngleich mit der Unterstellung, dass sie selber zu Wahlen antreten wollen würden). Die politische Willensbildung besteht eben nicht nur aus Parteien. Aber wenn man da nicht noch den Wahlkampf von der allgemeinen politischen Auseinandersetzung abgrenzt, macht man natürlich ein ziemlich großes Fass auf.