25 May 2019

Dritte im Bunde: Für mehr Transparenz in der Partei- und Wahlkampf­finanzierung

Heinz-Christian Strache hat sich und seine FPÖ um Kopf und Kragen geredet. In dem heimlich aufgenommenen Video, das den ehemaligen Parteivorsitzenden und Vizekanzler von Österreich in einer Villa auf Ibiza zeigt, schwadroniert er darüber, wie die angebliche Oligarchen-Nichte die Kronen-Zeitung übernehmen und dafür – do ut des– Staatsaufträge erhalten könne. Außerdem gebe es da einen Verein, der habe nichts mit der Partei zu tun. „Ein paar sehr Vermögende“ hätten bereits „zwischen 500 000 und eineinhalb bis zwei Millionen gezahlt“, vorbei am Rechnungshof. Es folgen Namen angeblicher Spender, Größen der österreichischen Wirtschaft. Mittlerweile haben die Genannten allesamt dementiert, die FPÖ direkt oder indirekt unterstützt zu haben. 

Österreich: Austria in Motion

Den Verein aber gibt es wohl tatsächlich – Austria in Motion, so der klangvolle Name. Laut Medienberichten soll er u.a. die „Förderung des österreichischen Patriotismus“ und die „Information zu EU- und Eurofehlentwicklungen“ bezwecken. Auch ein zweiter Verein ist aufgetaucht: Wirtschaft für ÖsterreichAuffällig ist, dass die Vereine personell verflochten sind, auch eine Nähe zur FPÖ ist nicht von der Hand zu weisen. Beide Vereine bestreiten aber, Geld an die FPÖ gegeben zu haben. Darum geht es indes gar nicht. Denn der Umweg über die Vereine, die der FPÖ nahestehen mögen, aber eben keine Gliederungen der Partei sind, soll ja gerade dazu dienen, die geltenden Regelungen zur Offenlegung von Parteispenden zu umgehen. Das geht aber nur, wenn mögliche Spenden nicht unmittelbar an die Partei weitergeleitet werden. Die Transparenzoffensive des designierten FPÖ-Chefs Norbert Hofer dürfte daher kaum Licht ins Dunkel bringen. Stattdessen wirft der Vorgang ein grelles Schlaglicht auf die Defizite der Parteien- und Wahlkampffinanzierung – und das nicht nur in Österreich

Deutschland: Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten

In Deutschland sind politische Parteien sogar verfassungsrechtlich verpflichtet, über die Herkunft und die Verwendung der Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft abzulegen (Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG). Unter diese Veröffentlichungspflicht fallen u.a. Mitglieds- und Mandatsbeiträge sowie Spenden einschließlich geldwerter Zuwendungen, sofern sie Parteien nicht üblicherweise unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden (§§ 24, 27 Abs. 1 S. 3, 4 PartG). Wahlkampfaktionen Dritter hingegen, die für oder gegen einen Wahlbewerber auftreten, werden von den Regelungen nicht erfasst. Und so kommen uns die Berichte über das angebliche Gebaren der FPÖ-Unterstützervereine auch nur allzu bekannt vor.

Hierzulande machte der Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten von sich reden. Er trat in diversen Landtagswahlkämpfen sowie bei der Bundestagswahl 2017 mit Plakaten und Anzeigen in Erscheinung, die zur Wahl der AfD aufriefen – und der offiziellen Wahlkampagne der Partei erstaunlich ähnelten. Zudem verteilte der Verein etwa 600.000 Ausgaben des „Deutschland-Kurier“, dessen Chefredakteur zugleich Vorsitzender des Vereins ist. Lobby Control geht davon aus, dass der Verein der AfD Wahlkampfhilfe im Wert von über 6 Millionen Euro geleistet hat.

Es liegen zahlreiche Hinweise vor, dass diese Aktivitäten mit der Partei abgesprochen und koordiniert waren. In diesem Fall läge wohl ein Fall von illegaler Parteienfinanzierung vor. Entsprechend bemüht sich die AfD mittlerweile darum, öffentlich auf Distanz zu dem Verein zu gehen

Ungarn: Civil Unity Forum

Wie einflussreich die Wahlkampfhilfe durch Dritte sein kann, zeigt ein Blick über den deutsch-österreichischen Tellerrand. Der muss nicht einmal bis in die USA gehen, wo sog. Super Pacs die Wahlkämpfe aufmischen, seit der US Supreme Court in Citizens United v Federal Election Commission die Begrenzung von Spenden durch Unternehmen oder Gewerkschaften für verfassungswidrig erklärt und ein Bundesgericht Gleiches für die Begrenzung individueller Zuwendungen entschieden hat.

Es reicht ein Blick nach Ungarn: Dort hat Orban längst erkannt, wie nützlich Dritte sein können, wenn man Transparenzregelungen und Kostenobergrenzen umgehen möchte, die für politische Parteien im Wahlkampf gelten. Die sog. Friedensmärsche im Vorfeld der Parlamentswahlen im vergangenen Jahr wurden durch das Civil Unity Forum organisiert, eine Fidesz-nahe zivilgesellschaftliche Organisation. Als Ziel der Protestmärsche nennt sie die Unterstützung der Regierungspolitik gegen „the European Union’s double standards against Hungary, the ignoble attacks of the foreign media, and the rude, vulgar and violent actions taken by the Hungarian opposition in violation of human dignity”. Auch die sog. Clown-Kampagne geht auf das Civil Unity Forum zurück: Sie zeigte die drei Parteiführer der Oppositionsallianz Unity Alliance gemeinsam mit dem früheren Bürgermeister von Budapest, der wegen Korruption angeklagt ist, selbst aber gar nicht zur Wahl stand. Sie alle hielten Schilder mit ihren Namen, wie man sie aus amerikanischen Polizeifilmen kennt – zwischen ihnen ein Clown und die Worte: „They don’t deserve another chance“.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die OSZE immer wieder anmahnt, Regelungen für Wahlkampfaktionen Dritter zu schaffen – sowohl gegenüber Deutschland und Österreich als auch gegenüber Ungarn.

Meinungs- und Vereinigungsfreiheit

Verbieten kann und soll man solche Kampagnen freilich nicht. Denn Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit schützen auch das Recht, sich öffentlich zu einer politischen Partei zu bekennen, in Wort, Schrift und Tat zu ihrer Wahl aufzurufen und dafür Gelder einzusammeln – auch organisiert in Verbänden, Kirchen oder Gewerkschaften. Wahlkampagnen Dritter, sog. „Parallelaktionen“, müssen daher möglich bleiben. Sie sollten aber denselben Transparenzregeln unterworfen werden, die auch für politische Parteien gelten (und die in diesem Zuge gleich verbessert werden sollten, aber das nur am Rande). Um dies sicherzustellen, könnte für Wahlkampagnen Dritter, die eine gewisse wertmäßige Grenze, sagen wir 10.000 €, überschreiten, eine Registrierungspflicht eingeführt werden, wie sie etwa in Großbritannien schon besteht – die dortige Verschärfung der Anforderungen 2014 war wegen ihrer Reichweite indes sehr umstritten.

Erforderlich ist eine präzise Definition dessen, was unter Wahlkampagne bzw. wahlbeeinflussender Aktivität zu verstehen ist. Weiter muss die Regulierungsperiode auf den Zweck der Wahlbeeinflussung ausgerichtet, darf also nicht zu lang sein. Dass Deutschland im Zuge dessen gezwungen wäre, überhaupt einen Kampagnenzeitraum festzulegen, wäre nicht das schlechteste. Denn der Komment, dass der Wahlkampf erst beginnt, wenn der Registrierungsprozess zur Wahl abgeschlossen ist, muss ja nicht unumstößlich sein. Dass es auch anders geht, zeigt wiederum Ungarn. Zudem könnte die Festlegung eines Kampagnenzeitraums dazu beitragen, die politischen Parteien zu verpflichten, zeitnah Rechenschaft über ihre Wahlkampffinanzen abzulegen (auch das wurde durch die OSZE angemahnt).

Unabhängige Aufsicht

Bleibt die Frage, wer für die Registrierung und anschließende Prüfung der offengelegten Finanzen zuständig sein soll. Nach der derzeitigen Systematik des Wahlrechts kommt für die Registrierung kampagnenführender Dritter zu Bundestagswahlen nur der Bundeswahlleiter in Betracht, der auch Adressat der Beteiligungsanzeige von Parteien nach § 18 Abs. 2 BWahlG ist. Hier offenbart sich freilich weiterer Reformbedarf, denn der Bundeswahlleiter wird durch den Bundesinnenminister ernannt, der dazu – gleichsam gewohnheitsrechtlich – den Leiter des Statistischen Bundesamtes beruft. Das Amt des Bundeswahlleiters ist folglich strukturell anfällig für parteipolitische Einflussnahme (dies ist hier auf dem Blog vor kurzem auch schon von Jelena v. Achenbach angemerkt worden).

Die Prüfung der Rechenschaftsberichte, die kampagnenführende Dritte infolge ihrer Registrierung abgeben müssten, würde nach der bisherigen Systematik schließlich dem Bundestagspräsidenten zufallen, der nach § 23a PartG auch die Rechenschaftsberichte der politischen Parteien prüft. Indes: hierbei handelt es sich offensichtlich um einen Konstruktionsfehler, denn der Bundestagspräsident gehört klassischerweise der stärksten Fraktion im Parlament an, ist also selbst politischer Akteur. Die Aufsicht über die Finanzen von politischen Parteien und kampagnenführenden Dritten gehört aber in die Hände eines  unabhängigen und plural besetzten Gremiums, etwa in die des Bundesrechnungshofs. Dieses Gremium muss mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet werden, damit Kontrolle auch tatsächlich stattfinden kann. Bisher scheint es, dass der Bundestagspräsident in erster Linie reaktiv tätig wird, wenn Parteifinanzierungsskandale von der Presse aufgedeckt und in die Öffentlichkeit getragen werden. Und wer kann es ihm verdecken? Laut dem GRECO-Bericht zur Transparenz der Parteienfinanzierung in Deutschland von 2009 waren mit dieser Aufgabe in der Bundestagsverwaltung 8 Personen betraut. Ich bezweifle, dass sich hier Wesentliches verbessert hat.

Die Widerstände gegen Reformen der Parteienfinanzierung sind hierzulande traditionell groß. Transparenz herzustellen darüber, wer für wen und mit welchen Mitteln Wahlkampf macht, ist aber unabdingbar, um einen fairen und freien politischen Wettbewerb zu ermöglichen. Vielleicht hilft der Blick nach Österreich und Ungarn, die Dinge zu beschleunigen.


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