Mehr Parlament in der Außenpolitik und mehr Außenpolitik im Parlament
Zum Urteil des BVerfG zu den Informationspflichten der Bundesregierung in der europäischen Sicherheitspolitik
Besser spät als nie: Das Bundesverfassungsgericht hat gestern anhand eines Falles aus dem Jahr 2015 (sic!) einer Übung der Bundesregierung bei der Beteiligung des Bundestags in Angelegenheiten der Europäischen Union (Art. 23 GG), die eher als Nichtinformations- denn als Informationspraxis gegenüber dem Bundestag bezeichnet werden muss, eine klare Absage erteilt. Es geht am Fall der Vorbereitung des EU-Militäreinsatzes EUNAVFOR MED (Operation Sophia) um die Teilhabe des Bundestags an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, die die Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst. Das gesamte Politikfeld (Abkürzung GASP/GSVP) hatte die Bundesregierung bislang grundsätzlich nicht als Anwendungsfall des parlamentarischen Informations-, Dokumententeilhabe- und Mitwirkungsrechts nach Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG anerkannt. Dass diese Rechtsauffassung, die einer konstitutionell überholten, letztlich vordemokratischen Idee einer exekutiven Alleinherrschaft über die äußeren, insbesondere militärischen Angelegenheiten verhaftet ist, nun endlich widerlegt wurde, ist das Verdienst der Antragstellerinnen des Organstreits. Das nun ergangene Urteil erfordert von der Bundesregierung eine Kehrtwende in ihrer Unterrichtungspraxis zur GASP/GSVP. Es rückt aber in einer allgemeineren Perspektive auch die Verfassungsentwicklung auf dem Gebiet der parlamentarischen Mitwirkung an der auswärtigen Gewalt in den Blick.
Das Politische des Technischen: Konzeption für einen EU-Militäreinsatz zur Schleuserbekämpfung im Mittelmeer 2015
Im April 2015 hatten der Europäische Rat und der Rat die große Zahl von Migrationsbewegungen im südlichen und zentralen Mittelmeer als Krisensituation identifiziert, die ein Handeln der EU erfordere: Immer wieder und seit Ende 2014 vermehrt kam es zu Schiffsunglücken mit hohen Opferzahlen. Deswegen wurde die Hohe Beauftragte für Außenpolitik beauftragt, einen EU-Militäreinsatz vorzubereiten – zur Schleuserbekämpfung. Dieser militärische Ansatz sollte Teil einer umfassenderen, auch zivilen Strategie der Union sein.
Am Entwurf des Krisenmanagementkonzepts, auf dessen Grundlage der Rat schließlich den EU-Militäreinsatz EUNAVFOR MED im Mittelmeer beschloss, zeigt sich exemplarisch, wie bedeutsam die Teilhabe des Bundestags an Dokumenten in der GASP/GSVP ist (geleakte Fassung des Konzepts hier). Die allgemeine Zielvorgabe, die der Europäische Rat oder der Rat für einen möglichen Militäreinsatz ausgibt, bedarf immer der Konkretisierung und der Operationalisierung. Das Krisenmanagementkonzept ist dabei ein entscheidender Schritt. Dabei steckt das Politische in den technischen Details: Mit dem Konzept werden wichtige Weichen für die militärischen Ziele und das Einsatzmandat gestellt, indem das Einsatzgebiet definiert, die einzelnen militärischen Aufgaben und Befugnisse beschrieben und die erforderlichen militärischen Fähigkeiten und militärtechnologischen Ausstattungen benannt werden.
Im Jahr 2015 stand die Union mit der Konzeption eines Militäreinsatzes vor politisch heftig umstrittenen Fundamentalfragen: Ist ein militärischer Einsatz als Reaktion auf die Migrationsbewegungen legitim? Sollte das Hauptziel die Bekämpfung von Schleusern durch Aufbringen und Zerstören ihrer Boote oder aber vorrangig die Seenotrettung sein? Welche Prioritäten sollte die EU im Umgang mit der Migration verfolgen? Das entworfene Konzept entwickelt die Operation im Hinblick auf das Ziel der Schleuserbekämpfung. Die Rettung von Schiffbrüchigen wird nur als beiläufige Aufgabe genannt, die nicht Teil des formalen Mandats ist und auch die sonstige Beschreibung der Operation nicht maßgeblich prägt: „the obligation to assist and rescue any person at sea in distress in accordance with international law could be faced by the assets of the EU operation (but is not a formal part of a mission). Nonetheless, the rescue of migrants must be undertaken where encountered.” Der förmliche Einsatzbeschluss des Rates nimmt für Details auf das Krisenmanagementkonzept Bezug. Die Rettung von Menschen in Seenot wird lediglich in einem Erwägungsgrund erwähnt.
Verweigerungshaltung der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag
Der Bundesregierung lag der Entwurf des Krisenmanagementkonzepts Ende April 2015 vor. Anfang Mai befasste sich das höchste Vorbereitungsgremium des Rates, der Ausschuss der ständigen Vertreter der mitgliedstaatlichen Regierungen, mit dem Entwurf. Mitte Mai beschloss dann der Rat die EU-Militäroperation EUNAVFOR MED in der Gestalt und mit der Ausrichtung des am selben Tag gebilligten Krisenmanagementkonzepts. Im Oktober 2015 stimmte der Bundestag schließlich dem Einsatz der Deutschen Marine im Rahmen dieser EU-Operation mehrheitlich zu.
Mehrere Bitten von Abgeordneten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Fraktion DIE LINKE, das Krisenmanagementkonzept vor dem Ratsbeschluss zu erhalten, lehnte das Auswärtige Amt ab. Es ermöglichte schließlich, nachdem der Rat den Einsatz beschlossen hatte, Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses, das Dokument unter Geheimschutzbedingungen einzusehen, etwas später auch Abgeordneten aus mitberatenden Ausschüssen. Dabei erkannte die Bundesregierung eine entsprechende Rechtspflicht ausdrücklich nicht an.
Die Bundesregierung stellte sich in dem dazu angestrengten Organstreit auf den Standpunkt, die Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Bundestags aus Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG erstreckten sich nicht auf die GASP/GSVP. Die speziellen Regelungen hierzu, die im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) enthalten sind, begründeten lediglich begrenzte einfachrechtliche Informationsansprüche auf diesem Gebiet; dies bestätige die Nichtanwendbarkeit des Art. 23 GG.
Streit um den Status der EU-Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Diese Rechtsauffassung verweist auf einen grundsätzlichen Streit zu der Frage, welchen Status die GASP/GSVP in der Union hat. Die Bundesregierung argumentierte letztlich, die GASP sei kein Unionsrecht, sondern ein völkerrechtlich geprägter Annex, in dem der Union keine Hoheitsrechte übertragen worden seien. Deswegen leitete sie vorbereitende Dokumente und Entwurfsfassungen in der GASP/GSVP bislang nicht generell an den Bundestag weiter. Wie schon angedeutet scheint in dieser Praxis auch ein spezifisches Verständnis von Außenpolitik auf: Die Regierung soll hier von parlamentarischer Mitwirkung grundsätzlich freigestellt sein, weil dies der exekutiven Logik der Außen-, Verteidigungs- und Militärpolitik entspreche. Verfassungsrechtlich ausdrücklich gebotene Tatbestände der parlamentarischen Mitwirkung, wie der Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr, werden bloß als punktuelle Ausnahme davon verstanden, die eng zu verstehen seien. Die Bundesregierung konstruiert Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG restriktiv (vgl. Rn. 46, 47).
Die auswärtige Gewalt als exekutives Handlungsfeld?!
Zugegeben: Eine Vorstellung von der auswärtigen Gewalt als exekutives Handlungsfeld, das einer wenig parlamentsfreundlichen Logik folgt, gehört immer noch zum gesicherten Bestand der Karlsruher Verfassungsdogmen. Das Bundesverfassungsgericht führt auch in der hier besprochenen Entscheidung wieder einmal aus, dass die Rolle des Parlaments in der auswärtigen Politik schon aus Gründen der „Funktionsgerechtigkeit“ beschränkt sei. Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland ungerechtfertigt beschneiden und liefe auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinaus (Rn 66).
Indes steht dieses formelhafte Bekenntnis zu einem traditionellen, tief in vorkonstitutionellem Denken wurzelndem Verständnis der auswärtigen Gewalt der Verfassungsentwicklung doch zunehmend fremd gegenüber. Zu dieser Entwicklung zählt nun gerade auch das vorliegende Urteil, das ausdrücklich ein weites Verständnis von Art. 23 Abs. 2 GG zugrunde legt – wie es die Verfassung fordere(!) (Rn. 63). Indem das Gericht die Vorbehalte der Bundesregierung gegen die Teilhabe des Bundestags an der GASP/GSVP in allen Punkten widerlegt, lockert das Gericht die exekutive Prägung der Außenpolitik weiter auf.
Intergouvernemental? Egal!
Das Gericht betont, dass die GASP/GSVP Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG unterfällt. Es hält zwar an der intergouvernementalen Deutung des Politikbereichs fest. Das überzeugt letztlich nicht (wie ich in meiner Habilitationsschrift argumentiere), weil auch in der GASP/GSVP Integration stattfindet: In vielen Aspekten erfolgt eine gemeinsame originäre Willensbildung auf europäischer Ebene, unionseigene Verwaltungskapazitäten und Verwaltungsverbundstrukturen entstehen, und die Union wirkt regulatorisch auf die Mitgliedstaaten ein (dazu schon hier, hier und hier). Ich möchte stark bezweifeln, dass die Qualifikation als intergouvernemental, die dem klassischen Modus völkerrechtlichen Verhandelns und Beschließens zwischen Regierungen verhaftet ist, in der Union überhaupt noch einen sinnvollen Anwendungsbereich hat.
Unabhängig davon verweist das Gericht im Ergebnis überzeugend darauf, dass die GASP/GSVP von Organen und Einrichtungen der Union entwickelt und vollzogen wird (Rn. 104 ff., 127 ff.). Das Krisenmanagementkonzept hat der Europäische Auswärtige Dienst unter der Leitung der Hohen Vertreterin erarbeitet; an der Durchführung von EUNAVFOR MED sind u.a. das Politische und Sicherheitspolitische Komitee und der EU-Militärausschuss beteiligt. Beschlüsse in der GASP/GSVP sind, wie das Gericht zu Recht hervorhebt, bindend für die Mitgliedstaaten und mit Vorrang ausgestattet (Rn. 105).
Demokratiesicherung in der GASP/GSVP über den Bundestag
Ausdrücklich betont das Gericht, wie wichtig es ist, gerade Maßnahmen in der GASP (einschließlich der umfassten GSVP) demokratisch anzubinden, um die Entstehung unkontrollierter exekutiver Bereiche zu verhindern (Rn. 107, 110). Dies setze angesichts der geringen (ich würde sagen: politisch-legitimatorisch nicht wirksamen) Einbindung des Europäischen Parlamentes in diesem Politikbereich mit Blick auf die Bundesrepublik vor allem ein effektives Mitwirkungsrecht des Deutschen Bundestages bei der GASP und, als Bedingung hierfür, einen möglichst umfassenden Informationsanspruch voraus.
Für eine effektive Mitwirkung des Bundestags ist entscheidend, dass er – synchron zum unionalen Willensbildungsprozess, und das heißt vor allem: unverzüglich mit Übermittlung von Dokumenten an die Bundesregierung – Zugang erhält zu den beschlussvorbereitenden Konzepten, Entwürfen, Vorlagen und sonstigen Dokumenten, die von den außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Arbeitsgruppen des Rates, seinen militärpolitischen Gremien (Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee, EU-Militärausschuss) und vom Europäischen Auswärtigen Dienst mit dem EU-Militärstab erarbeitet und beraten werden. Diese Dokumente sind integraler und prägender Teil der Politikgestaltung in der GSVP. Zugleich ist die europäische Willensbildung in diesem Stadium eben noch nicht abgeschlossen. Nur in diesem zeitlichen Fenster der Vorbereitung förmlicher Beschlüsse des Rates ist die Willensbildung auf europäischer Ebene noch offen – also auch zugänglich für eine Einwirkung durch den Bundestag, die er vermittelt über die Bundesregierung ausübt.
Parlamentarische Allgemeinheit und Öffentlichkeit der Information
Dabei ist evident, dass die Unterrichtung von (ausgesuchten) Ausschüssen nicht generell die Information aller Abgeordneten ersetzen und ausschließen kann. Denn dies berührt die Abgeordnetengleichheit und die Willensbildung des Parlaments in der Gesamtheit seiner Abgeordneten, die nicht allgemein, sondern allenfalls in Bezug auf spezifische Konstellationen zugunsten anderer Verfassungsgüter beschränkt werden kann – das hatte das Gericht etwa in der Entscheidung zum sog. Neuner-Gremium schon betont. Eine Information eines begrenzten Adressatenkreises kann nie ausreichen (Rn. 101 ff., 114). Auch eine Information unter Geheimschutz wird den Anforderungen des Art. 23 Abs. 2 GG nicht gerecht, weil die Information nur unter der Bedingung parlamentarischer Öffentlichkeit ihre demokratische Funktion erfüllen kann (vgl. Rn 87 f., 115). Das Gericht verweist zudem auf seine Rechtsprechung zum sog. Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung und zum Staatswohl als Grenzen der parlamentarischen Informationsansprüche (Rn. 116 ff.), sowie zu den Begründungserfordernissen bei Informationsverweigerung (Rn. 122 ff.). Beides greift im Fall nicht.
Das Bundesverfassungsgericht betont: Angesichts der internationalen und gesamtgesellschaftlichen Bedeutung, die der massenhaften Migrationsbewegung im Jahr 2015 und der Frage der politischen Reaktion und Bewältigungsstrategie zukam, musste der Bundestag in die Lage versetzt werden, sich mit dieser Thematik öffentlich auseinanderzusetzen und die Notwendigkeit und den Umfang der zu beschließenden Maßnahmen zu klären (Rn. 130). Dass die Bundesregierung das Krisenmanagementkonzept nicht weitergeleitet und allen Abgeordneten öffentlich zugänglich gemacht hat, hat diesen verfassungsprinzipiell notwendigen und gebotenen demokratischen Vorgang verhindert.
Von der Orthodoxie zur Verfassungsentwicklung der auswärtigen Gewalt
In der Folge des Urteils muss ein echter Paradigmenwechsel stattfinden: Die Bundesregierung kann den Bundestag in der GASP/GSVP nicht länger mit einer prinzipienlosen Hinhalte- und Salamitaktik als Zaungast behandeln, den sie nach Gutsherrenart mit Informationskrumen abspeist, die noch dazu geheim zu halten sind. Vielmehr muss die Bundesregierung nun (auch) in diesem Politikfeld ermöglichen, dass sich die Abgeordneten in der Öffentlichkeit mit laufenden Entscheidungsprozessen der Union befassen können. Die substantielle, umfassende, fortlaufende und frühzeitige Information des Bundestags, insbesondere seine Teilhabe an unionalen Dokumenten, ist eine der zentralen Bedingungen der Demokratisierung der notorisch intransparenten und schwach parlamentarisierten GASP/GSVP, nicht zuletzt weil das intergouvernementale Legitimationsmodell aufgrund der Integrationsfortschritte der neueren EU-Verteidigungspolitik überholt ist.
Auf einer allgemeineren Ebene ist die Entscheidung Teil der Verfassungsentwicklung auf dem Gebiet der auswärtigen Gewalt und ihrer demokratischen Bindung. Insoweit eröffnet es durchaus weitere Perspektiven, dass nun feststeht, dass die Bundesregierung dem Bundestag im Unionskontext alle Entwürfe und Vorbereitungsdokumente für Militäreinsätze und sonstige Politikentscheidungen zugänglich machen muss, damit „dem Bundestag eine frühzeitige und effektive Einflussnahme auf die Willensbildung der Bundesregierung möglich ist“ (Rn. 82). Die orthodoxen Ausführungen des Gerichts zur grundsätzlichen Rechtfertigung einer exekutiven Dominanz in der auswärtigen Gewalt können nicht verdecken, dass das Gericht jedenfalls die Europapolitik mit allen ihren denkwürdigen Phänomenen und Praktiken nicht zuletzt der Euro-Krise durch eine Vielzahl von Entscheidungen zu Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 ziemlich weiträumig und – am Maßstab der Schwierigkeiten dieses Felds – doch verhältnismäßig effektiv parlamentarisiert hat. Es hat dabei – das ist der über sich selbst hinaus weisende Gehalt dieser Rechtsprechungslinie – auch demokratische Grundsätze entwickelt, die unabhängig vom begrenzten Anwendungsbereich des Art. 23 GG einen allgemeinen Geltungsanspruch in sich tragen und maßstabsbildend und übertragbar sind oder zumindest sein sollten.
Denn entspräche es nicht in einer demokratieprinzipiellen Perspektive der verfassungsrechtlichen Logik, dass die Bundesregierung dem Bundestag auch dann die Teilhabe an Dokumenten ermöglichen muss, wenn der europäische Kontext fehlt und es „einfach nur“ um die regierungsinterne Willensbildung über auswärtiges Handeln geht? Beispielsweise bei der Planung und Vorbereitung für Auslandseinsätze der Bundeswehr und die stets stattfindende internationale Abstimmung hierzu? Die Wertungen zu Art. 23 GG und zur GASP/GSVP greifen hier durchaus. Das zeigt sich etwa daran, dass die Dokumententeilhabe und die dadurch über die Einflussnahme auf die Willensbildung der Bundesregierung (!) ermöglichte Mitwirkung des Bundestages in der GASP/GSVP nicht auf dem Gedanken der „Kompensation“ des Bundestages für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Union beruht, der vielfach als Begründung von Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG gesehen wird (vgl. Rn 77 f.). Denn es geht hier ja nicht um vormalige Gesetzgebungsrechte des Bundestags. Vielmehr macht das Gericht Informationsasymmetrien zwischen Bundesregierung und Bundestag als Problem aus, auf das Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG insoweit reagiere (Rn. 83, 96, 102). Und Informationsasymmetrien sind ja auch dort für die Willensbildung des Parlaments und für die Verwirklichung der umfassenden, nicht gegenständlich beschränkten parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung ein Problem, wo die Bundesregierung in internationalen Kontexten agiert und etwa an der Willensbildung in den Vereinten Nationen oder an der Aushandlung von völkerrechtlichen Verträgen teilnimmt.
Gespannt sein darf man auf die Konseqenzen d. Entsch. f. d. bislang übliche Geheimniskrämerei beim Aushandeln internationaler EU-Handelsverträge (s. https://www.merkur-zeitschrift.de/2016/08/02/rechtskolumne-geheimniskraemerei-bei-ttip/#more-4763). Da zwar die antiquierte grundsätzliche Zuordnung der auswärtigen Gewalt zur Exekutive zunächst bestätigt (Rn. 66) und offengelassen wird, ob Unterrichtungspflichten in die Phase der Aushandlung int. Verträge hineinreichen können (Rn. 67), das Ger. aber dann für die Angelegenheiten der EU ganz andere Grundsätze aufstellt (68 ff.), deuten sich hier wohl notwendige Veränderungen an.