Paradigmenwechsel im Organspenderecht?
Zur erneuten Diskussion um die Widerspruchsregelung
Heute haben Abgeordnete des Deutschen Bundestages einen interfraktionellen Gruppenantrag zur Einführung der Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz vorgestellt. Dem Bundesrat liegt ein Gesetzentwurf mit derselben Zielrichtung vor. Die Realisierung der Widerspruchslösung ist verfassungsrechtlich möglich.
Dramatischer Mangel an Spenderorganen in Deutschland
Die Zahlen sind deprimierend. In Deutschland sterben jeden Tag drei Menschen, weil sie ein medizinisch dringend benötigtes Spenderorgan nicht erhalten. Die Lage ist damit schlechter als vor 25 Jahren. Nach dem Jahresbericht 2023 der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO) standen ca. 8.400 auf ein Organ wartenden Patienten lediglich 2.877 transplantierte Spenderorgane gegenüber. Im ersten Quartal des Jahres 2024 ist die Zahl der Organspender erneut um 6% zurückgegangen. Damit steht Deutschland auch im europäischen Vergleich sehr schlecht da. Während etwa in Spanien auf 1 Million Einwohner 47 Organspender kommen, sind es in Deutschland 10,4 (in Frankreich 25,8, in Österreich 24,4).
Die (erweiterte) Widerspruchsregelung, wie sie dem genannten Gesetzentwurf zu Grunde liegt, stellt einen Paradigmenwechsel im Transplantationsmedizinrecht dar: Die postmortale Organentnahme ist nicht erst dann zulässig, wenn die betroffene Person oder ein nächster Angehöriger zugestimmt hat, sondern bereits dann, wenn kein Widerspruch der betroffenen Person vorliegt und auch kein entgegenstehender Wille besteht, über den die Angehörigen zu befragen sind. Die Angehörigen haben dabei kein eigenes Widerspruchsrecht.
Reformen der Jahre 2019 und 2020
Bisherige Reformbemühungen sind wirkungslos geblieben. 2019 wurde ein Gesetz zur „Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende“ erlassen. Die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen der Organspende sollten verbessert werden. Im Januar 2020 lagen dem Bundestag erneut zwei Gesetzentwürfe vor: Der „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“sowie der „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der doppelten Widerspruchsregelung“. Der erste Entwurf bewegte sich im Rahmen des seit 1996 geltenden Modells der (erweiterten) Zustimmungslösung; danach ist eine postmortale Organentnahme nur zulässig, wenn der Betroffene selbst oder die Angehörigen (unter Beachtung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen) der Organentnahme zugestimmt haben. Der Gesetzentwurf setzte auf bessere Aufklärung (durch Hausärzte und Meldeämter) sowie auf die Einrichtung eines Organspenderregisters. Der zweite Entwurf zielte hingegen auf einen Systemwechsel: Eine Organentnahme sollte bereits dann zulässig sein, wenn der Betroffene nicht widersprochen hat und auch den Angehörigen kein Widerspruch bekannt ist. Bei der Abstimmung am 16.01.2020 erhielt der erste Entwurf eine Mehrheit, die Widerspruchsregelung scheiterte (292 zu 379).
Neuer politischer Anlauf
Da sich die Hoffnungen auf eine Steigerung der Zahl der Organspenden nicht ansatzweise erfüllt haben, hat die Debatte um die Widerspruchsregelung wieder an Fahrt aufgenommen. In einer Entschließung des Bundesrates vom 15.12.2023 (BRat-Drs. 582/23) forderte dieser die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Einführung der Widerspruchsregelung vorzulegen. Dem ist die Bundesregierung bisher nicht nachgekommen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat daher die Initiative ergriffen und gemeinsam mit anderen Ländern den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes und Einführung der Widerspruchslösung“ (BRat-Drs. 278/24) in den Bundesrat eingebracht. Dieser hat ihn am 14.6.2024 behandelt und in den zuständigen Gesundheitsausschuss verwiesen. Unabhängig davon wurde am 24.6.2024 auf einer Pressekonferenz von Abgeordneten des Bundestages (aller Fraktionen mit Ausnahme der AfD) ein Gruppenantrag zur „Einführung einer Widerspruchsregelung im Transplantationsgesetz“ vorgestellt.
Verstoß gegen Menschenwürde oder Allgemeines Persönlichkeitsrecht?
Mitunter wird die Widerspruchsregelung in die Nähe eines Verstoßes gegen die Würde des Menschen gerückt (so etwa Augsberg/Dabrock, S. 7 „Organabgabeerwartung mit Widerspruchsvorbehalt“). Solche Kritik überrascht schon deswegen, weil die Widerspruchsregelung in sehr vielen europäischen Ländern seit langem Anwendung findet. Da einige dieser Länder in das „Eurotransplant“-System eingebunden sind, werden in der Praxis Organe aus Ländern mit Widerspruchsregelung auch an Patienten in Deutschland vermittelt. Das bedeutet: Einem Patienten in Deutschland kann über Eurotransplant ein Organ aus dem Ausland vermittelt werden, das nach bisherigem deutschem Recht nicht entnommen werden dürfte. Das ist nur eine der vielen moralischen Fragwürdigkeiten des deutschen Medizin- und Gesundheitsrechts (näher zu solchem „foreign shopping“ Lindner, Merkur Nr. 852, S. 91).
Das BVerfG hat in einer (Kammer-)Entscheidung vom 18.2.1999 (NJW 1999, S. 3403/Rn. 5) festgestellt, dass es nicht gegen Grundrechte verstoße, dass zur Abwehr einer postmortalen Organentnahme ein Widerspruch erklärt werden müsse (nämlich um eine Zustimmung der Angehörigen auszuschließen). Daher ist es nicht fernliegend anzunehmen, dass das BVerfG auch eine (echte) Widerspruchsregelung akzeptieren würde. Blickt man sine ira et studio auf dieses Modell, wird sich eine Verfassungswidrigkeit nicht ernsthaft begründen lassen. Das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) folgende Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Hinblick auf seine (postmortale) körperliche Integrität bleibt durch das Widerspruchsrecht gewahrt. Gegen seinen Willen wird niemand auf rechtmäßige Weise zum Organspender. Jeder kann sich für oder gegen die Organspende entscheiden. Niemand wird zum Objekt degradiert, instrumentalisiert, verzweckt oder verdinglicht.
Befassungspflicht als Verletzung des Selbstbestimmungsrechts?
Allenfalls könnte man ein selbstbestimmungsrelevantes Problem darin sehen, dass sich der Einzelne überhaupt mit dem Thema Organspende befassen muss. Bereits in einer solchen Befassungs- und Entscheidungsobliegenheit könnte man einen Eingriff in ein aus dem Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) folgendes Recht auf Nichtbefassung und Nichtentscheidung – im Sinne eines Rechts, vor der Thematik „Organspende“ verschont zu bleiben, das Thema verdrängen zu dürfen –, erblicken. Bei Lichte betrachtet ist mit der Widerspruchsregelung eine Befassungspflicht aber gar nicht verbunden. Denn niemand wird verpflichtet, sich mit dem Thema Organspende inhaltlich zu befassen. Jede Person hat die Option, das Thema einfach auszublenden, auf später zu verschieben und schlicht (vorerst oder vorsorglich bis zu einer späteren Befassung mit dem Thema) einen Widerspruch zu hinterlegen.
Bleibt also die „Widerspruchslast“. Diese kann man als (zumindest faktischen) Eingriff in die Allgemeine Handlungsfreiheit qualifizieren (Art. 2 Abs. 1 GG). Eine Rechtfertigung dieses Eingriffs ist angesichts der Gewichtigkeit des zu erreichenden Zwecks (Erfüllung der Schutzpflicht für Leben und Gesundheit schwerkranker Menschen aus Art. 2 Abs. 2 GG) und der im Vergleich dazu geringfügigen Eingriffstiefe der Widerspruchlast wohl zumutbar.
Verfassungsrechtliche Anforderungen zur Sicherung der Selbstbestimmung
Allerdings sind flankierende selbstbestimmungssichernde Anforderungen notwendig. Aus grundrechtlicher Sicht wesentlich ist zunächst, dass der Widerspruch gegen eine Organspende niedrigschwellig, einfach und in vielfältiger Weise erhoben und jederzeit widerrufen und erneuert werden kann. Das aktuell aufgesetzte, seit März 2024 in Betrieb befindliche Organspenderregister nach § 2a TPG wird den Anforderungen an eine (technisch) niedrigschwellige Widerspruchsmöglichkeit nicht gerecht. Hier bestünde im Falle der Einführung der Widerspruchsregelung erheblicher Nachbesserungsbedarf.
Die Widerspruchsregelung lässt von ihrer grundsätzlichen Konzeption her das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zwar unberührt. Allerdings ist dieses stärker gefährdet als beim gegenwärtigen Modell der erweiterten Zustimmungslösung. Während der Einzelne bei letzterer nichts zu tun braucht, um nicht Organspender zu werden (nur wenn er eine Zustimmung der Angehörigen sicher ausschließen will, muss er einen Widerspruch erheben), ist bei der Widerspruchsregelung ein aktives Tun erforderlich, wenn der Einzelne eine Organspende ausschließen will. Eine Gefährdung des Selbstbestimmungsrechts liegt darin, dass der Widerspruch mangels Kenntnis von der neuen Rechtslage nicht oder zu spät erfolgt oder im Falle des Hirntodes des Betroffenen (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG, der unverändert bleiben soll) nicht verifiziert oder beachtet wird.
Solche Gefährdungen hat der Gesetzgeber zu kompensieren, wenn er eine verfassungskonforme Gesamtregelung erlassen will. Dazu muss er die gesetzlichen Regelungen so ausgestalten, dass die Menschen von der (neuen) Widerspruchsregelung erfahren, rechtzeitig und einfach Widerspruch erheben können und dass dieser im Ernstfall auch bekannt und beachtet wird. Um letzteres sicher zu stellen, wird man ein funktionsfähiges und technisch nutzerfreundliches Register und eine obligatorische Abfrage benötigen. Zudem dürfte nur eine erweiterte Widerspruchsregelung verhältnismäßig sein, bei der – wenn kein eindeutig verifizierbarer Widerspruch vorliegt – die Angehörigen zu befragen sind, ob ihnen ein Widerspruch bekannt ist. Des Weiteren sollten nicht einwilligungsfähige Personen und Minderjährige von der Widerspruchsregelung ausgenommen werden.
Zeitlich gestrecktes Inkrafttreten
Insbesondere aber gilt es, ein Problem zu lösen, das man als „Überrumpelungseffekt“ bezeichnen könnte (dazu bereits Lindner hier). Nach dem Inkrafttreten einer Widerspruchsregelung würde jede Person (im Falle ihres Hirntodes) zum Organspender, wenn sie nicht rechtzeitig widerspricht. Selbst dann, wenn sie von der neuen Widerspruchskonzeption gar nichts weiß oder aus faktischen Gründen (etwa mangelnder Einsichtsfähigkeit) nicht zu widersprechen in der Lage ist. Der Gesetzgeber hat daher Vorkehrungen gegen solche Überrumpelungseffekte zu treffen. Hierzu gehören längere Übergangsfristen ebenso wie die Bereitstellung eines niederschwelligen und zuverlässigen Register- oder Dokumentationssystems sowie Aufklärungs- und Informationskampagnen (insbesondere auch über die Sozialen Medien und über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der von den Meldeämtern Anschriften zur Verfügung zu stellen sind).
Es sind auch informationshindernde Probleme wie Sprachbarrieren oder Obdachlosigkeit in den Blick zu nehmen (etwa durch die Verwendung mehrsprachiger Aufklärungsmaterialien, den Gebrauch leichter Sprache oder den Einsatz von Streetworkern o.ä.). Zu regeln ist zudem die Frage, ob und mit welchen zeitlichen Vorgaben die Widerspruchsregelung auch für Menschen gilt, die sich erst seit kurzem oder nur vorübergehend in Deutschland aufhalten. Schließlich wird man Vorgaben zur Evaluation nach einem bestimmten Kampagnenzeitraum vorsehen müssen, um den Informationsstand der Bevölkerung zu ermitteln und – je nach Evaluationsergebnis – den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Widerspruchsregelung noch einmal zu überdenken.
Ein letztes rechtliches Desiderat wäre eine Nicht-Diskriminierungsklausel (etwa in Anlehnung an das Gendiagnostikrecht): „Niemand darf wegen eines Widerspruchs gegen eine Organspende benachteiligt werden.“
Weitere Reformoptionen
So wichtig die Diskussion um eine verfassungskonform realisierbare Widerspruchsregelung ist, darf sie aber nicht verdecken, dass es noch etliche weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Lage gäbe. Neben Reformen bei der Organlebendspende ist an Organisationsveränderungen nach dem Vorbild Spaniens zu denken: Die spanische Gesundheitspolitik hat mit der Gründung der Organización Nacional des Trasplantes das Transplantationswesen (ONT) zentralisiert und verstaatlicht. Die ONT untersteht dem Gesundheitsministerium und ist für die Spendererkennung, Spenderbehandlung, Gesprächsführung mit den Angehörigen sowie die Organisation aller für die Organspende relevanten Abläufe zuständig. Dabei kommen speziell geschulte hauptamtliche Transplantationskoordinatoren zum Einsatz. Dieses Organisationsmodell gilt – zusammen mit der Widerspruchsregelung – als wesentlicher Grund für das hohe Spenderorganaufkommen in Spanien. Es könnte auch ein Vorbild für Deutschland sein.
Es heißt im Beitrag, im neuen Gesetzesvorhaben sei angedacht, dass Angehörige zu befragen seien.
Andererseits heißt es, es sei bei einer Zustimmunsgslösung ein “unschönes Szenario”, dass Angehörige zu befragen seien, was mit einer Widerspruchslösung zu umgehen sein könne.
Wenn Angehörige ohnehin zu befragen sind, scheinen Vorteile einer Widerspruchslösung dazu überschaubar.
Die Frage wäre, warum eine Widerspruchslösung nur bei Organentnahmen gelten soll und nicht überhaupt bei Eigentum, Erbschaften, Vermögen?
Es scheint sich bei entnommen Organen ebenso wohl um “Eigentum” handeln zu können?
Es könnte daher vielleicht genauso geregelt werden, dass Eigentum, Erbschaften, Vermögen allgemein als “freiwillige Spende” entschädigungslos einem freien Zugriff anderer unterliegen soll, wenn kein rechtzeitiger, vorheriger Widerspruch bekannt ist?
Dies sollte entsprechend verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein?
Im letzten Satz des vorherigen Kommentares desselben Kommentators sollte es heißen, “dies sollte entsprechend verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein?”
interessanter Gedanke, ist aber – siehe obigen Artikel – juristisch gar nicht nötig und zudem ein wenig heikel: argumentiert man hier proprietär, stände nichts im Wege, seine Organe etwa ver/kaufen zu können…
Wenn entnommene Organe grundrechtlich (wie “Eigentum”) geschützt sein können, muss daraus nicht sicher folgen, dass Organe uneingeschränkt frei verkauft werden können.
Es scheint eventuell eher gerade die Widerspruchslösung, welche einen grundsätzlich möglichen Zugriff auf Organe und daher wohl entsprechend eine grundsätzlich mögliche Verfügbarkeit darüber wohl aufgrund fehlenden oder zurücktretenden grundrechtlichen Schutzes dafür annimmt?
Wird nicht auch Artikel 1 GG verletzt?
Ich komme nicht mehr als Mensch zur Welt, sondern als lebendes Ersatzteillager.
Was hat das noch mit Menschenwürde zu tun, wenn der Staat mich als Erzatzteillager betrachtet.
der Artikel und auch die entsprechende diskussion dazu sind doch nun wirklich weit jenseits einer solchen simplifizierenden Sichtweise.
“ich komme auch nicht als Arbeiter/Soldat/Schüler/Staatsbürger zur Welt – Artikel 1 steht dazu nicht im Widerspruch.
M.E. verstößt die “Hirntod-Organspende” in mehrfacher Hinsicht gegen die Menschenwürde, was auch das “Fortschreiten” der gesellschaftlichen Diskussion und Handhabung der Organspende nicht heilen kann.
Art. 1 GG besagt für mich, dass es Grenzen geben muss bei dem was wir anderen Menschen an Leid unter Eingriff in deren Rechte zufügen dürfen zur Erreichung einer Nutzwirkung – und sei sie noch so groß (Rettung von Leben)- die anderen Menschen zugute kommt – also eine Absage an eine utilitaristische Ethik. Ich verweise auf die Ausführungen des Herrn Prof. Gutmann, dort Seite 9, zur antiutilitaristischen Struktur unserer Grundrechtsordnung kraft der vorangestellten Menschenwürde https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/kfg-normenbegruendung/intern/publikationen/gutmann/07_gutmann_-_menschenw__rde_als_rechtsbegriff.pdf
Außerdem folgt (konkreter) aus Art. 1 GG, dass man einen Menschen außerhalb einer Notwehrsituation nicht töten (opfern) darf, um einen anderen zu retten. Ich verweise u.a. auf das Urteil des BVerfG zum Luftsicherheitsgesetz, in dem dieser Grundsatz -m.E. zu Recht- auf die Spitze getrieben wurde.
Auch wenn dieser Aspekt in der gesellschaftlichen und politischen Diskussion allgemein als schon “überwunden” gilt, ist der Hirntote aber gar nicht tot in einem eigentlichen bzw. natürlichen Sinne (bestattungsreif), sondern kann u.U. noch auf Schmerzreize Reaktionen zeigen, eine bestimmte Anzahl an spontanen Bewegungen bzw. Reflexen aufweisen und beim EEG noch Hirntätigkeit https://initiative-kao.de/hirntod-was-nicht-nur-katholiken-wissen-sollten/ . Jedenfalls schlägt sein Herz noch und er hat Ausscheidungen, er wird beatmet und lebt somit jedenfalls noch teilweise, was auch immer das bedeuten mag.
Es wird sogar darüber berichtet, dass Hirntote noch Kinder austragen können. https://www.stern.de/gesundheit/hirntote-frau-bringt-gesundes-baby-zur-welt—aerzte-holen-kind-per-kaiserschnitt-6805022.html#:~:text=Polnische%20%C3%84rzte%20konnten%20die%20Schwangerschaft,um%20ihr%20Baby%20zu%20retten.
Trotzdem – und das verstößt m.E. gegen die Menschenwürde -zumal bei einer Person, die, wie ein Hirntoter physisch vollkommen wehrlos ist, die sogar zur Leiche erklärt wurde also vollkommen entrechtet wurde, sodass auch andere Menschen nicht mehr für sie eintreten können- wird der Hirntote als Toter behandelt und dies auch noch um ihn für das Leben eines anderen Menschen opfern zu können, was einem Lebenden, der er ja eigentlich ist, gem. dem Grundsatz der Menschenwürde niemals angetan werden dürfte.
Aber der Hirntote wird m.E. noch weiter und noch viel tiefer entwürdigt, indem man, dies legen jedenfalls meine medizinisch laienhaften Recherchen nahe, nicht alles unternimmt um ihm jedenfalls nicht auszuschließende grausame Schmerzen und Qualen zu ersparen.
Die Frage, ob der Hirntote Schmerzen empfinden kann, wird teilweise mit dem Argument verneint, dass der Hirntote ja -trotz teilweise vorhandener Reaktionen auf Schmerzreize- tot sei, also nichts fühlen könne bzw. nur das Gehirn die Schmerzwahrnehmung ermögliche und dieses jedenfalls „tot“ sei.
Andere räumen dagegen ein bzw. weisen darauf hin, dass man jedenfalls nicht sicher wissen könne, ob der Hirntote ein Schmerzempfinden hat
https://www.welt.de/fernsehen/article13666467/Wie-stark-ist-der-Schmerzreiz-noch-bei-Hirntoten.html
Alexandra Manzei, Soziologieprofessorin, die vor ihrer akademischen Laufbahn viele Jahre auf der Intensivstation einer Unfallklinik in Frankfurt am Main gearbeitet hat, berichtet in einem Interview in der Frakfurter Rundschau vom 19.01.2019, https://www.fr.de/politik/noch-warm-ist-nicht-11324822.html
„Bekannt ist, dass es klare Schmerzreaktionen wie Schwitzen, Zucken, Blutdruckanstieg und die Rötung des Gesichts gibt. Sie treten nicht nur zufällig auf, sondern können auch konkret ausgelöst werden. Beispielsweise dann, wenn der Bauchraum zur Entnahme der Organe geöffnet wird. Dann steigen Blutdruck und Herzfrequenz sprunghaft an. Daher werden den Hirntoten in einigen Krankenhäusern sogar Schmerz- und Beruhigungsmittel gegeben. Das soll aber vor allem verhindern, dass das Personal verunsichert wird.“
Einem Artikel in der Süddeutschen „Wie tot sind Hirntote“ von Werner Bartens vom 09.07.2012, kann man ferner das Folgende entnehmen: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/todeszeitpunkt-und-organspende-wie-tot-sind-hirntote-1.1299076
„Mit feinen Messinstrumenten aufgenommene Muster des “hirntoten” Gehirns deuteten gar darauf hin, dass es auf Schmerz reagiert.“
Ich verweise außerdem auf folgende kritische Seiten, in denen auch Mediziner zu Wort kommen bzw. die von kritischen Medizinern unterhalten werden und die sich auch mit der Schmerzwahrnehmung befassen
https://www.aepol.net/ und
https://initiative-kao.de/
Man mag die obigen Ausführungen zu einem Schmerzempfinden in das Reich der Spekulationen verweisen aber andererseits hat auch ein Vertreter der DSO diesbezüglich Zweifel eingeräumt https://taz.de/Anmerkungen-zur-Organtransplantation/!5111156/ (Gabriele Goettle „Ein guter Schnitt“, 26.09.2011):
„Allerdings hat Professor Lauchert, der bis Juli 2011 geschäftsführender Arzt der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) war und selbst Transplanteur, an Frau Odaichi Folgendes geschrieben: „Es ist in der Tat nicht zu belegen, dass eine für hirntot erklärte Person tatsächlich über keinerlei Wahrnehmungsvermögen mehr, insbesondere Schmerzempfindlichkeit verfügt.“
Der geringste Zweifel muss aber doch schon genügen, um wirklich alles zu unternehmen was dem Organspender in diesem rein fremdnützigen Prozess u.U. grausamste Schmerzen und Qualen ersparen kann. Dazu zählt m.E. auch schon die ebenfalls fremdnützige Hirntoddiagnostik, bei der gezielt Schmerzreize gesetzt werden um mögliche Reaktionen zu testen. Schon im Vorfeld der Hirntoddiagnostik, werden zudem sämtliche Schmerz- und Beruhigungsmittel abgesetzt, was u.U. beträchtliche Schmerzen und Qualen verursachen kann (https://initiative-kao.de/spenderkonditionierung-der-manipulierte-sterbeprozess/), was m.E. ebenfalls dringend menschenrechtlich beachtet werden müsste.
Wenigstens muss aber doch unter Beachtung menschenrechtlicher Mindeststandards nach meinem medizinisch laienhaften Verständnis dem Spender eine Vollnarkose gewährt werden.
Dies geschieht aber m.W. in DE jedenfalls nicht regelmäßig bzw. automatisch.
Vgl. auch hierzu eine entsprechende Initiative, die sich aber nur für die Option einsetzt, dies in einem Spenderausweis zur Bedingung machen zu können https://www.evangelisch.de/inhalte/121799/01-06-2015/evangelische-frauen-deutschland-starten-kirchentags-resolution-organspende-mit-vollnarkose
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass nach meinen Recherchen in dem elektronischen Register zur Organspende diese Option nicht gewählt werden kann.
Ich bin ganz grundsätzlich gegen die „Hirntod-Organspende“. Ich habe für mich ausgeschlossen Organe und Gewebe von anderen Menschen zu erhalten und möchte auch nicht spenden.
M.E. dürfte –am Lebensende, bei einem gem. Diagnose dem Tod geweihten Menschen mit einem schwer geschädigten Gehirn, der nur noch durch Maschinen eine gewisse Zeit am Leben gehalten werden kann (was m.E. Hirntod tatsächlich bedeutet)- eine Organspende nur stattfinden, wenn
-dieser höchstpersönlich und voll aufgeklärt zugestimmt hat;
-er eine Vollnarkose erhält und auch weitere Schmerzen und Qualen bei diesem fremdnützigen Prozess ausgeschlossen sind;
– er vollständig wie ein Lebender behandelt wird, d.h. nur Organe entnommen werden, die für ein Weiterleben grundsätzlich entbehrlich sind (also z.B. eine Niere);
-eine Multiorganspende ausgeschlossen wird durch die der Sterbende unwürdig am Lebensende zerstückelt wird als wäre er eine Sache, was auch gegen mein „sittliches“ Empfinden verstößt d.h es dürfte nur ganz wenig „Material“ entnommen werden;
-diesem Menschen nach der Organspende ein friedlicher und begleiteter Sterbeprozess (soweit möglich) ermöglicht wird, bei dem er ganz alleine wieder an erster Stelle steht.
Große Bauchschmerzen bereitet mir auch, dass nicht jeder Mensch in der Lage ist, so wie ich, sich über Hirntod und Organspende jedenfalls rudimentär zu informieren, sei es, dass psychische oder geistige Barrieren bestehen, sei es, dass der Mensch einfach anderweitig zeitlich ausgelastet ist und den Schlagworten der Experten, die in alldem kein Problem sehen, gutgläubig im Hinblick auf die Aussicht Leben retten zu können vertraut, sei es, dass er zu jung oder zu ungebildet ist und dass überhaupt die Entscheidung, ob jemand Organspender wird, von anderen Menschen getroffen werden kann. Eine Widerspruchslösung würde vor allem diese noch weitergehend schutzbedürftigen Menschen „opfern“ und das im Namen der Erfüllung eines europäischen Plansolls, was für mich in Anbetracht des oben Aufgeführten in allen Einzelheiten und in der erschreckenden Summe geradezu ein Paradebeispiel für eine menschenunwürdige Verobjektivierung von Menschen ist. Ich sehe auch die menschenunwürdige Gefahr, dass Dritte, z.B. Angehörige, Betreuer, Ärzte, Pflegepersonal gezwungen werden, gegen ihr Gewissen zu handeln, was m.E. durchaus seelenzerstörende bzw. persönlichkeitszerstörende Auswirkungen haben kann.
Der Philosoph Hans Jonas hat sich vehement gegen die „Hirntod-Organspende“ ausgesprochen. Ich finde leider gerade das Zitat nicht mehr aber sinngemäß sagte er meiner Erinnerung nach einmal, dass es unheimlich sei, dass so viele Menschen in dieser Angelegenheit das Offensichtliche nicht zur Kenntnis nehmen würden. Dieses Gefühl habe ich bei den über die Jahre hinweg immer reduzierteren Diskussionen auch. Die Argumente sind: Es muss ein Plansoll erfüllt werden wegen internationaler bzw. europäischer Abkommen, Organspende rettet Leben und die Mehrheit findet gemäß Umfragen die Organspende gut. Alle anderen Aspekte, zu denen längst nicht nur die von mir angerissenen gehören, werden unter den Teppich gekehrt bzw. geltend als durch Fortschritt „überwunden“ und das wird der Bedeutung der Angelegenheit sicher nicht gerecht.