Partisanen als Kriegsverbrecher
Gab es schon vor den Nürnberger Prozessen eine völkerrechtliche Basis dafür, Individuen wegen Kriegsverbrechen zu bestrafen?
Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bejaht diese Frage in ihrem gestrigen Urteil Kononov bemerkenswert umfassend und treibt damit die Russen auf die Barrikaden (“Strasbourg sides with Nazis”).
In dem Fall geht es um ein lettisches Urteil gegen den früheren Partisanenführer und Offizier der Roten Armee Wassili Kononow. Dessen Einheit hatte im Mai 1944 neun lettische Zivilisten, die er verdächtigte, andere Partisanen an die Wehrmacht verraten zu haben, auf barbarische Weise umgebracht.
Nach Ansicht der Großen Kammer war auch 1944 schon sonnenklar, dass dies ein Kriegsverbrechen war und bestraft werden würde:
The Court considers that, having regard to the flagrantly unlawful nature of the ill-treatment and killing of the nine villagers in the established circumstances of the operation on 27 May 1944 (…), even the most cursory reflection by the applicant, would have indicated that, at the very least, the impugned acts risked being counter to the laws and customs of war as understood at that time and, notably, risked constituting war crimes for which, as commander, he could be held individually and criminally accountable.
Die schiere Tatsache, dass es ein ganzes Menschenalter gedauert hat, bis es tatsächlich zu einem Strafprozess kam, scheint prima facie gegen diese Annahme des Gerichtshofs zu sprechen.
Update: Und hier.