Frauenpower, überfraktionell: Gleichberechtigung durch Quote?
Von einer rechtsphilosophisch ausgewiesenen Verfassungsrechtlerin erhielt ich gerade einen Aufruf zur Unterzeichnung einer bereits vor der Weihnachtspause veröffentlichten “breit angelegten, überparteilich initiierten Petition für eine Frauenquote“. Der Diagnose der Initiatorinnen lässt sich nur zustimmen:
Seit über 60 Jahren gilt in Deutschland laut Grundgesetz, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. In der Realität ist die Gleichstellung allerdings noch lange nicht verwirklicht. Die anhaltende Benachteiligung von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen steht damit im Widerspruch zu unserem Grundgesetz und zu internationalem Recht.
Allzuviel erwarte ich mir aber nicht vom Zusammenschluß in einem “überparteilichen und gesellschaftlichen Bündnis”, angetreten, “um im Konsens gemeinsam der Gleichstellung zum Durchbruch zu verhelfen” – selbst wenn Dorothee Bär, Senta Berger, Steffi Jones, Ursula von der Leyen, Gesine Lötzsch, Alice Schwarzer und Friede Springer mit im Boot sind und es dort heißt:
Die Zeit ist reif für eine verbindliche gesetzliche Regelung zur geschlechtergerechten Besetzung von Entscheidungsgremien der Wirtschaft, wie Aufsichtsräte und Vorstände. Nur so lässt sich Umdenken in den Vorstandsetagen befördern und damit die Besetzungspraxis von Entscheidungsfunktionen verändern. Deshalb treten wir in einem ersten Schritt für eine Quote bei den Aufsichtsräten der börsennotierten, mitbestimmungspflichtigen und öffentlichen Unternehmen ein, die zunächst mindestens 30 Prozent betragen soll. Damit die Maßnahme Wirkung entfaltet, wollen wir flankierend Fristen und empfindliche Sanktionen regeln. Die Quote für Aufsichtsräte kann aber nur der Anfang sein!
Offen bleibt, wie es dann weitergehen soll, im Anschluß an eine “verbindliche gesetzliche Regelung zur geschlechtergerechten Besetzung von Entscheidungsgremien der Wirtschaft, wie Aufsichtsräte und Vorstände”. Macht aber offenbar nichts, weil die Initiatorinnen auf jeden Fall die ökonomische Vernunft auf ihrer Seite haben:
Die gleiche Beteiligung von Frauen an Entscheidungsgremien ist auch ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft. In gemischten Führungsgremien können Frauen und Männer zu besseren Entscheidungen kommen, gemischte Teams steigern den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen. Das belegen nationale und internationale Studien.
Klar, die Kombination männlichen und weiblichen Eigensinns verbessert in der Regel jedes Arbeitsklima, sorgt für mehr Lebenszufriedenheit und ist dem wirtschaftlichen Erfolg nicht abträglich. Das machen uns einige europäische Nachbarn vor – in der Wirtschaft, und in der Wissenschaft ohnehin.
So lange ich mich allerdings auf verfassungsrechtlichen Konferenzen noch immer regelmäßig in die Zeiten des Weimarer Methodenstreits versetzt fühle, weil kluge Staatsrechtlerinnen (sofern überhaupt präsent) rauflustigen Fachkollegen mit übervorsichtiger Zurückhaltung die Arena überlassen – so lange ist mein Vertrauen in den Erfolg vollmundiger Initiativen im Stil der Berliner Erklärung oder auch in Wirtschaft und Wissenschaft inzwischen etablierter gutgemeinter Mentoring-Programme doch sehr gering. Ein paar gute Argumente brauchte es also schon noch, um mich zur Unterschrift zu bewegen.
Am Ende hängt die Veränderung gesellschaftlicher Realitäten vom Engagement und Habitus individueller Akteurinnen und Akteure ab. Gerade Juristinnen sollten da auf die Kraft der Selbsteuerung vertrauen. Sollten nicht erst auf ein Gesetz, eine Mentorin oder den großen überfraktionellen Konsens warten, sondern die Sache selbst regeln, konsequent, konfliktfreudig und ideenreich. Wie die vier Mütter des Grundgesetzes, die uns inspirieren sollten, kreativer und einfallsreicher über die Verwirklichung des Gleichstellungsgebots nach Art. 3 Absatz 2 Satz 2 GG nachzudenken.
Foto: Mütter des Grundgesetzes (Erna Wagner-Hehmke / Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland)
Klar.
Ich halte es auch für total sinnvoll, Frauen gleichberechtigt mit Männern zu behandeln, und mehr von ihnen auch in Führungsverantwortung zu bringen und so weiter.
Aber ich bin generell dagegen, andere dazu zu zwingen, Dinge zu tun, bloß weil ich die für total sinnvoll halte.
Will ich umgekehrt ja auch nicht.
Den inhaltlichen Sinn einer gesetzlichen Frauen- oder sonstigen Quote zweifle ich darüber hinaus auch an, aber das ist eher ein nachrangiger Aspekt.
Im Grunde ist doch die Frage, was man möchte: Gliechstellung oder Gleichberechtigung.
Daurchaus werden beide Begriffe als Synonym verwendet, bedeuten doch aber etwas sehr verschiedenenes.
Gleichstellung kommt, meines Erachtens zumindest, von oben, wird aufgestülpt und passt vielleicht nicht auf die gesellschaftlichen Realitäten. Aber ändert man diese gesellschaftliche Realitäten durch Gesetze? Nein, sicher nicht.
Gleichberechtigung hingegen erlangen Menschen, weil sie von der Gesellschaft akzeptiert werden. Weil sich gesellschaftliche Realitäten eben geändert haben.
Quoten werden vielleicht mehr Frauen in Entscheidungsgremien bringen können, ABER:
Werden Frauen dort auch gleichberechtigt gehört?
Werden Frauen dort gleichberechtig behandelt?
Werden die Argumente der Frauen dort überhaupt gleichberechtigt in Erwägung gezogen?
Die Antwort fällt schwer, so ist doch wohl nein. Oder: es kommt auf den Menschen an.
Frauen wie Alice Schwarzer, die bei der Gleichstellungsdebatte im Grunde aufgehört haben, wollen den Mann und die Frau gleichmachen und betrachten im Grunde beide als verscheidene Spezies. Frau Schwarzer ist für diese Debatte allerdings auch wenig hilfreich. Gleichmacherei, wie von ihr gefordert, scheint mir nirgends auf der Welt ein salonfähiges oder überhaupt praktizierbares Element zu sein.
Die ach so fortschrittliche, vielleicht sogar postdemokratische Gesellschaft, ist doch mehr daran interessiert, das individuelle Ego zu polieren, wo der Glanz schon ab ist, als wirklich auf “Neuerungen” einzugehen.
Nehmen wir dazu durch aus die Homosexuellen, die oft nur belächelt werden; oder die “Immigranten”….
Es kommt immer auf den Menschen an, und ganz richtig ist, wie er sich behauptet.
Der konsequente nächste Schritt zur Gleichstellung nach einer 30%-Quote bei Aufsichtsräten dürfte klar sein:
Ein 30%-Quote für Dachdecker, Kanalarbeiter, Panzergrenadiere und Programmierer.
Ich finde es sehr verdächtig, daß die Petition Frauenquoten in Vorständen und Aufsichtsräten fordert, aber nicht in anderen Bereichen, in denen Frauen genauso unter-repräsentiert sind, z.B. Bergwerke oder bei der Müllabfuhr: http://andreasmoser.wordpress.com/2011/01/31/frauenquoten-warum-nur-in-vorstanden-und-parlamenten/
@Andreas
schonmal was von “rechtfertigenden biologischen Unterschieden” gehört?
“Am Ende hängt die Veränderung gesellschaftlicher Realitäten vom Engagement und Habitus individueller Akteurinnen und Akteure ab”. Das hört sich für mich doch sehr nach dem alten Argument “Selbst Schuld” an. Wenn ich allerdings bei Einstellungsgesprächen in der Wissenschaft weiterhin hinter vorgehaltener Hand höre, dass doch aber mit einer etwaigen Schwangerschaft bei einer Bewerberin zu rechnen sei. Oder wenn Professoren ihre Mitarbeiterinnen fragen, ob nach der Geburt des Kindes eine Vollzeitbeschäftigung für sie überhaupt noch möglich sei. Dann stellt sich die Frage nach der “Schuld” doch anders. Allerdings zeigen die Untersuchungen, dass auch Frauen ohne Kinder, d.h. ohne familiäre Verpflichtungen ebenfalls weniger verdienen und nicht in die Aufsichtsräte etc. aufsteigen, wieso? Selbst Schuld? Vielleicht aber auch nicht, vielleicht finden sich Muster von struktureller Diskriminierung. Bei der Mischung einer Gruppe spielt sobald 30 Prozent Frauen dabei sind, dass Geschlecht keine Rolle mehr bei der Unterscheidung zwischen den Teilnehmer_innen. Um dieser strukturellen Diskriminierung entgegen zu wirken bedarf es daher dieser 30% Quote. Wir können doch nicht nochmals 60 Jahre warten, bis aus allen Köpfen die Annahme verdrängt worden ist, dass Frauen Kinder bekommen können und sie sich anscheinend ausschließlich um deren Erziehung kümmern sowie das alle Menschen in höheren Positionen mindestens 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen.
Teilen Sie die (in meinen Augen wenig kontroverse) Auffassung, dass verschiedene gesellschaftliche Institutionen trotz formeller Gleichberechtigung de facto Frauen noch immer benachteiligen und Männer privilegieren? Falls ja, dann hilft es wenig, den so Benachteiligten für ihre Position auch noch die Schuld zuzuweisen, wie es ihr Ruf nach mehr “Engagement … individueller Akteurinnen und Akteure” nahelegt. Gewiss müssen Frauen für die Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Position kämpfen. Die Männer werden dies jedenfalls nicht für sie erledigen. Ein Argument, warum eine Frauenquote (wie bswp. in einigen skandinavischen Ländern erfolgreich eingesetzt) dazu grundsätzlich kein geeignetes Mittel sein soll, bleiben Sie schuldig.
Ich darf aus einer lesenswerten Arbeit zitieren, die in erster Auflage 1990, in zweiter Auflage 1996 erschien – die Beschreibung erscheint mir zeitlos:
“Frauen erleiden auch heute noch erhebliche Nachteile in ihrem beruflichen Werdegang. Unter gleichheitsrechtlichem Blickwinkel wäre es selbstverständlich am besten, wenn die Fälle, in denen Frauen bei der Auswahlentscheidung diskriminiert werden, als Einzelfälle sanktioniert werden könnten. Doch ist dies nicht möglich. Bewußte Diskriminierung wird allenfalls in Ausnahmefällen der abgelehnten Bewerberin in beweisbarer Form zur Kenntnis gebracht, und unbewußte Diskriminierung zeichnet sich gerade dadurch aus, daß sie häufig nicht einmal dem Handelnden, geschweige denn Dritten bewußt ist. Eine Sanktionierung im Einzelfall scheidet daher aus. Es gibt daher nur zwei Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen. Man kann entweder die Frauen weiter benachteiligt sein lassen, oder man kann – wie etwa durch Quotenregelungen – gegensteuern.”
Ute Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung. Eine rechtsdogmatische Untersuchung zu Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes, Baden-Baden (hier zitiert nach der 2. Auflage von 1996, S. 414)
Alexandra Kemmerers Beitrag erscheint mir, mit allem Respekt, einen klassisch reaktionären Topos zu verfolgen: Die äußerliche Form des Rechts kann gesellschaftliche Zustände ändern, dies können nur solche dunklen Eigentlichkeiten wie “Engagement und Habitus”. So wurde bisher gegen jede Anti-Diskriminierungsregel argumentiert. Aber wo kommen diese Motivationen denn her? Sind sie einfach nur unveränderlich da? Vielleicht doch auch aus der Form des Rechts, die die Bedeutung von Handlungsmustern verändert.