04 December 2023

Sicherung, Aktivierung, Verbannung

Ein Versuch, aktuelle Reformen der Sozial-, Migrations- und Familienpolitik zusammenzudenken

Was verbindet die Bürgergeldreform mit der neuen migrationspolitischen Härte der Ampelregierung? Inwiefern ziehen die Kindergrundsicherung, das Selbstbestimmungsgesetz und die Neuregelung der Einwanderung von Fachkräften an einem Strang? Die vielfachen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung erscheinen auf den ersten Blick unübersichtlich, unzusammenhängend, wenig weitreichend oder völlig überzogen. In der von multiplen Krisen geschüttelten Legislaturperiode seit 2021 leitete die Regierung unter anderem Reformen der Sozial- und Familiengesetzgebung (Bürgergeld, Kindergrundsicherung), Migrationspolitik (Fachkräfteeinwanderungs-, Staatsangehörigkeits- und Rückführungsverbesserungsgesetz) und der Geschlechterpolitik (Selbstbestimmungsgesetz) ein. In diesem Artikel diskutiere ich die oft getrennt voneinander betrachteten Reformen gemeinsam. Ich zeige, wie sich die Änderungsvorhaben im aktuellen Sozial(staats)regime1) verschränken. Dabei erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern werfe Schlaglichter auf Aspekte, die besonders relevant erscheinen. Es zeichnen sich vier Tendenzen ab: (1) kleine Erleichterungen für Leistungsbeziehende im Sinne einer vielfältigen Gesellschaft, (2) eine noch stärkere Orientierung an Leistung und Qualifizierung („qualifare“), (3) der Abbau von Rechten auf Existenzsicherung, der bis hin zur sozialen Verbannung führen kann und (4) die Einschränkung des Rechts auf Asyl und verstärkte Kontrolle an den Außen- und Binnengrenzen.2)

Dass es notwendig ist, die Teilung zwischen den Politikbereichen aufzubrechen, wurde mir in meiner Forschung mit mehrsprachig arbeitenden Basisgruppen von erwerbslosen und prekär beschäftigten Menschen deutlich. Bevor ich also auf die Gesetzgebung eingehe, sollen einführend ein paar Schlaglichter auf konkrete Auseinandersetzungen um sozialstaatliche Regulierungen geworfen werden.

Aus der Perspektive von Erwerbsloseninitiativen

„Wir haben Zeit!“ Auf der Berliner Demonstration zum 2. Mai 2023, dem Tag der Arbeitslosen, treten Erwerbslose auf die Straße. Sie bringen einen Gegenentwurf zu einer Arbeitsgesellschaft zum Ausdruck, in der Lohnarbeit den Alltag vieler Menschen prägt und sie nicht genug Zeit für andere Dinge haben. Sie kritisieren, dass gesellschaftliche Anerkennung und materielle Teilhabe heute weitgehend an Erwerbstätigkeit geknüpft sei. Ich bin hier mit der Erwerbsloseninitiative BASTA!, deren Erfahrungswissen und politische Standpunkte als Ausgangspunkt für meine Forschung zu Sozial(staats)regimen dient. Die Gruppe sieht die Notwendigkeit, nicht nur das Sozialrecht, sondern auch andere Rechtsgebiete und Konfliktfelder in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Drei Beispiele aus der Beratung:

Ich unterstütze eine alleinerziehende Frau, den Antrag auf Bürgergeld auszufüllen. Dabei fällt mir auf, dass das Einreisedatum nun auf der ersten Seite vermerkt werden muss. Im Antrag auf Hartz IV gab es diese Stelle noch nicht. Der Anlage UH (Unterhalt) folgend frage ich mehrmals: Wer ist der Vater der Kinder? Sie sagt, den kenne sie nicht. Ich komme mir vor wie bei der Inquisition. Sie habe dem Jugendamt gezwungenermaßen doch einen Namen genannt, sagt die Frau schließlich, aber auch mitgeteilt, sie kenne seinen Aufenthaltsort nicht. Ohne die Angabe hätte sie keine Leistungen erhalten.

Ein Künstler mit U.S.-amerikanischem Pass hat aufstockend Bürgergeld beantragt. Er erhielt seit der Pandemie weniger Aufträge. Nun will das Jobcenter seinen Antrag der Ausländerbehörde melden. Auf dem Zusatzblatt zu seiner Aufenthaltserlaubnis steht, dass diese „mit Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bzw. AsylbLG“ erlischt. Wir raten, den Antrag zurückzunehmen. Sein Anspruch auf Leistungen erinnert mich an Schrödingers Katze: Er ist zwar nicht von Leistungen ausgeschlossen – doch sobald er sie beansprucht, muss er das Land verlassen.

Eine Frau mit rumänischer Staatsbürgerschaft und zwei Kindern hat erfolgreich vor dem Sozialgericht um Leistungen zur Existenzsicherung geklagt, nachdem das Jobcenter ein Verfahren wegen Sozialleistungsbetrug eingeleitet und den Leistungsbezug ausgesetzt hatte. Wir gratulieren. Über vier Monate hatte die Familie kein Geld vom Jobcenter bekommen und von dem Einkommen des Jobs ihres Partners leben müssen, der in Teilzeit in der Reinigungsbranche arbeitet. Das Jobcenter hatte ihn verdächtigt, eine Scheinarbeit vorzutäuschen.

Diese drei Beispiele verweisen auf die Vielfalt der Lebensrealitäten in Armut in Deutschland. Sie zeigen die Verbindung von Sozial-, Migrations-, Arbeitsmarkt- und Familienpolitik in der Alltagsrealität armutsbetroffener Menschen in Deutschland.

Erleichterungen im Sinne einer vielfältigen Gesellschaft

„Deutschland ist vielfältig. Deshalb passen wir unsere Gesetze den verschiedenen Lebensrealitäten an. Ob bei der Frage des Geschlechts, des Namens oder der Staatsangehörigkeit – im Kabinett haben wir wichtige Beschlüsse gefasst, die unsere Gesellschaft weiter modernisieren.“

Der Bundeskanzler liegt nicht ganz falsch. An einigen Stellen sorgen die Reformen der Ampel-Koalition für Erleichterungen im Leben von migrantisierten, queeren, einkommens- und erwerbsarmen Menschen, wenn auch in weit geringerem Maß als von sozialen Bewegungen und Vebänden über Jahre gefordert. So soll der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer Kindergrundsicherung vom 27. September 2023 sozialstaatliche Absicherung durch die Gleichstellung unverheirateter Paare an heutige Lebensrealitäten anpassen. Für Menschen, die Kinder in ihrer Obhut haben, sollen Leistungen gebündelt und Verfahren vereinfacht werden.

Nach dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) vom 1. November 2023 soll es zudem einfacher werden, den Vornamen und Geschlechtseintrag amtlich zu ändern.

Der gut einen Monat zuvor im Kabinett beschlossene Gesetzentwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts sieht vor, dass Menschen ohne deutschen Pass ‚schon‘ nach drei bis fünf statt erst nach sechs bis acht Jahren in Deutschland die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können und parallele Staatsbürgerschaften behalten dürfen.

Auch im Bürgergeld gibt es Änderungen im Sinne der Leistungsbeziehenden: Diese können nun mehr von ihrem Einkommen und Vermögen behalten. Die Rede ist nicht zuletzt von mehr Sicherheit und Anerkennung der „Lebensleistung“. Damit ist auch sprachlich eine Abkehr vom Motto „Fordern und Fördern“ zu verzeichnen. Es gilt eine einjährige Karenzzeit, in der das Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht geprüft werden. Auch nach einem Jahr gelten höhere Grenzen für Vermögen, das einem Bezug nicht im Wege steht, als früher. Der sogenannte Vermittlungsvorrang fällt weg. Außerdem können nach Pflichtverletzungen oder Meldeversäumnissen die Leistungen nur noch um höchstens 30 Prozent und nicht mehr bis zu 100 Prozent gekürzt werden, während die Kosten der Unterkunft unangetastet bleiben. Diese Änderung war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019 überfällig.

Schließlich erleichtert das am 7. Juli 2023 im Bundesrat verabschiedete Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung die Einreise und das Hierbleiben nicht nur für Fachkräfte mit Arbeitsplatzzusage, hohem Verdienst und anerkanntem Berufsabschluss, sondern auch für Menschen ohne anerkannten Abschluss, die über Berufserfahrung verfügen. Es ermöglicht auch manchen in Deutschland lebenden Asylsuchenden den Spurwechsel und ein Bleiberecht.

Noch stärkere Orientierung an Leistung und Qualifizierung („qualifare“)

Viele dieser migrations- wie auch sozial- und familienpolitischen Gesetzesvorhaben und -änderungen sind noch mehr als zuvor an Leistung orientiert und auf Qualifizierung ausgerichtet. Sie erleichtern manchen Menschen ihr Auskommen ein wenig, können aber gleichzeitig auch als Anpassungen an den prekären Arbeitsmarkt, der von regelmäßigen Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit geprägt ist, und an den Fachkräftemangel gedeutet werden und damit als Erleichterung insbesondere für die Unternehmerseite.

Bundesminister für Arbeit und Soziales Heil erklärt:

„Wir müssen das Potenzial im Inland besser nutzen, etwa durch mehr Aus- und Weiterbildung und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren. Zusätzlich werden wir aber auch Fachkräfte aus dem Ausland brauchen.“ (Heil 2023)

Im Bürgergeld sollen Qualifizierung und der Erwerb eines Berufsabschlusses im Vordergrund stehen. So werden beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen besser gefördert. Ein Paradigmenwechsel hat vor allem für die unter 25-Jährigen stattgefunden: Drohte ihnen früher schnell eine 100-prozentige Ausgrenzung, muss ihnen nun ein Gesprächsangebot gemacht werden. Wenn sie dies annehmen, fällt die Leistungsminderung weg, die auch, wie erwähnt ‚nur‘ 30 Prozent betragen darf. Junge Menschen sollen nun eher durch ‚positive Anreize‘ dazu bewegt werden, sich zu qualifizieren oder zu arbeiten. Sie können mehr von ihrem Einkommen behalten (bis zu 520 Euro/Monat) und Schüler:innen können das Geld behalten, das sie in Ferienjobs verdienen.

Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz sieht vor, dass Menschen ohne deutschen Pass nur dann nach drei Jahren die Staatsbürgerschaft beantragen können, wenn sie gute schulische oder berufliche Leistungen vorweisen.

Nach dem Fachkräfteinwanderungsgesetz können Menschen, die Asyl beantragt haben, durch den sogenannten Spurwechsel nur dann einen Aufenthalt als Fachkraft erhalten, wenn sie arbeiten und schon vor dem 29.3.2023 ihren Antrag auf Asyl gestellt haben. Das Gesetz erweitert so Migrationswege im Interesse des Arbeitsmarkts, baut aber hohe Hürden auf, die eine Vielzahl von Menschen, deren Arbeitskraft nicht als gewünscht gilt, weiter ausgrenzen.

Abbau von Rechten auf Existenzsicherung und Aufenthalt bis hin zu sozialer Verbannung

Die meisten der Erleichterungen gelten nicht für alle, sondern nur für Menschen, die den Leistungskriterien entsprechen und/oder einen deutschen Pass haben. Den Reformen ist gemein, dass sie den grundrechtlichen Anspruch auf Existenzsicherung bzw. das Prinzip des Sozialstaats an verschiedenen Stellen immer weiter aushöhlen. Die Ausschlüsse werden durch den Schutz vor angeblichem Missbrauch durch Migration, Nicht-Arbeit und Betrug legitimiert. Grundlegendes Beispiel ist sicher das in letzter Zeit wieder viel beschworene Lohnabstandsgebot, das Leistungen niedrig hält, „damit Arbeit sich lohnt“.

Seit 2006 schließt Paragraf 7 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 b) des zweiten Sozialgesetzbuches Ausländer:innen, „deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt“, vom Bürgergeld bzw. Hartz IV aus. Das betrifft bisher Unionsbürger:innen, Geflüchtete mit Aufenthaltsstatus in einem anderen EU-Land und ausländische Studierende im ersten Jahr nach Studienabschluss. Wenn sie keinen anderweitigen Grund für ein Aufenthaltsrecht haben, gilt das Recht auf eine menschenwürdige Existenzsicherung für sie nicht. Diese Entwicklungen stellen das ‚Bürgergeld‘ in ein neues Licht: Ist es ebenso ein Geld für Nicht-Bürger:innen?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vergrößert diese Zone der sozialen Verbannung, in der Menschen zwar aufenthaltsberechtigt, aber von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen sind, noch weiter. Nun erhalten auch Personen, die ein Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einem Studienplatz haben oder im Besitz einer ‚Chancenkarte‘ sind, kein Bürgergeld. Zudem kann bei unverschuldetem Arbeitsplatzverlust der Aufenthaltstitel verkürzt oder widerrufen werden, wenn der Lebensunterhalt durch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I nicht vollständig gesichert ist, sondern zusätzlich Bürger- oder Wohngeld beantragt wird. Kein direkter Ausschluss also, aber bei Sozialhilfebezug droht, wie im Beispiel oben, die Abschiebung.

Ein Gesetzesvorhaben im Rahmen der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sieht nun sogar vor, den Mitgliedsstaaten zu verbieten, Asylsuchenden, die in einem anderen EU-Staat aufenthaltsberechtigt sind, Leistungen auszuzahlen – bisher war dies nur eine Kann-Regelung. In Deutschland hat diese Gruppe aktuell in der Regel nur Anspruch auf Leistungen, wenn sie arbeiten. Der Europäische Rat hält fest: „Sogfaktoren und Sekundärmigration sollen unterbunden werden“ (2023).

Auch die Reform des Einbürgerungsgesetzes folgt einer nationalprotektionistischen Logik.

Bundesjustizminister Marco Buschmann verkündete im August:

»Wir machen Einbürgerung für Menschen leichter, die von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Regeln für Menschen, die vom Sozialstaat leben, werden verschärft. Das setzt Anreize zur Aufnahme von Arbeit und zeigt: Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Nicht in den Sozialstaat.«

Das neue Gesetz sieht vor, dass, wer Leistungen bezieht, in der Regel kein:e Deutsche:r werden darf. Betroffene können nur auf eine sogenannte „Ermessenseinbürgerung“ bei Vorliegen einer „besonderen Härte“ hoffen und haben damit nur noch ein sehr bedingtes Recht auf Einbürgerung. Ausnahmeregelungen sollen deutlich eingeschränkt werden. Bei Eltern muss zum Beispiel ein Elternteil Vollzeit arbeiten, um von der Ausnahmeregel erfasst zu werden. „Hier wird deutlich, dass der Gesetzentwurf überkommene Rollenverteilungen zementiert“, so Pro Asyl.

Der Generalverdacht, Transferleistungen zu missbrauchen, trifft neben migrantisierten Personen auch Menschen mit Kindern und insbesondere alleinerziehende Mütter besonders stark. Auch Bundesfinanzminister Lindner schlug in diese Bresche, als er bei einer Pressekonferenz im August diesen Jahres sagte: „Wir wollen einerseits die materielle Situation Alleinerziehender verbessern, aber andererseits nicht zusätzliche Anreize geben, sich nicht um Arbeit zu bemühen“. Seiner Meinung nach sollten Alleinerziehende von Kindern über sechs Jahren nur dann den Unterhaltsvorschuss auf das Bürgergeld anrechnen können, wenn sie erwerbstätig sind.

In Deutschland lebende, wirtschaftlich als inaktiv geltende Unionsbürger:innen erhalten seit 2019 kein Kindergeld. Zuvor war nur der gewöhnliche Aufenthalt und die Freizügigkeitsberechtigung die Voraussetzung für den Kindergeldbezug. Der Ausschluss wurde mit dem Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch beschlossen. Denn es könne „nicht ausgeschlossen werden, dass vom Kindergeld eine nicht beabsichtigte Anreizwirkung für einen Zuzug aus anderen Mitgliedstaaten ausgeht“, so erklärte es der Regierungsentwurf des Gesetzes. Diese Regelung soll nun in die Kindergrundsicherung überführt werden.

Der Verdacht auf Betrug als Strategie einer ordnungspolitischen Wende

Quer durch die Sozial- und Migrationsgesetze lässt sich eine ordnungspolitische Tendenz diagnostizieren, die zur Bekämpfung angeblichen Betrugs die Prinzipien des Sozialstaats sowie das Recht auf Existenzsicherung und Asyl untergräbt.

Wer beispielsweise eine Angabe nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht, kann nach dem SGB II mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 € bestraft werden. Gegen viele Menschen werden sogar Erzwingungshaft oder Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Auch diese Strafen sollen in die neue Regelung der Kindergrundsicherung übertragen werden.

Dabei trifft der Verdacht des Betrugs nicht alle gleich. In verschiedenen Politikfeldern werden in letzter Zeit Sonderregeln für Migrant:innen eingeführt. Nach dem Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes sollen Menschen mit verschiedenen prekären Aufenthaltsstatus – unter anderem Geduldete und Geflüchtete im Asylverfahren — ihren Geschlechtseintrag und Vornamen nicht ändern dürfen (SBGG §1 Abs 2 Satz 3). Dies soll Betrug im Asylverfahren verhindern.

In ähnlicher Weise zielt das schon erwähnte Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch der vorherigen Bundesregierung nicht nur auf den angeblichen Missbrauch von Kindergeld durch Migrant:innen, sondern auch auf Sozialleistungsbetrug durch Scheinarbeit. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), eine Unterabteilung des Zolls, erhielt dazu neue Kompetenzen und Mittel. Die Unterabteilung des Zolls darf nun die Büros von Selbstständigen sowie von Arbeitgebenden zur Verfügung gestellte Unterkünfte zu jeder Tages- und Nachtzeit betreten, Personalien feststellen, Kommunikation überwachen, Daten von Sozial- und Steuerbehörden teils durch neue Datenschnittstellen automatisiert abrufen3) und nicht zuletzt eigenständig Anklage erheben ohne Zuschaltung der Staatsanwaltschaft. Mit 3.500 neuen Stellen sollte sie sich um etwa ein Drittel vergrößern. In den Worten des Gesetzentwurfes: „Mit diesem Gesetz wird die FKS erheblich gestärkt und im Sinne einer zentralen Prüfungs- und Ermittlungsbehörde in wesentlichen Bereichen des Arbeits- und Sozialrechts fortentwickelt.“ Bezeichnenderweise wurde mit der FKS genau die Institution für die Kontrolle von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten gewählt, in die die Grenzpolizei nach der Aufhebung von Grenzkontrollen innerhalb des Schengener Raums aufgegangen ist.

Einschränkung des Rechts auf Asyl und verstärkte Kontrolle an den Außen- und Binnengrenzen

Die Rede von der Migration als Bedrohung für den Sozialstaat gehört zur Grammatik extrem rechter und rechtspopulistischer Kräfte. Sie hat sich in den letzten Jahren gesamtgesellschaftlich normalisiert. Um den Sozialstaat zu schützen und Migration abzuschrecken, werden Menschen vom Recht auf Existenzsicherung4) und Asyl ausgeschlossen. Zum Instrumentarium der sogenannten neuen migrationspolitischen Härte gehören nicht zuletzt schnellere und mehr Abschiebungen. Bundeskanzler Scholz forderte im Spiegel vom 20. Oktober 2023: “Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“. Diese Forderung begründete er mit dem Schutz des Sozialstaats. Sie wurde im Regierungsentwurf des Rückführungsverbesserungsgesetzes gesetzgeberisch umgesetzt. Auch an den Außengrenzen der EU wird der Grenzschutz verschärft. Die Reform des GEAS soll ermöglichen, Asylverfahren direkt an de