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07 February 2025

Mehrdeutige Wortfolge, pauschale Kriminalisierung

Das Landgericht Berlin I hat mit Urteil vom 8. November 2024 die Wortfolge "From the river to the sea" als Kennzeichen der Hamas eingestuft und eine Angeklagte wegen Verstoßes gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen terroristischer Organisationen) zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Angeklagte hatte sich auf Social Media explizit zur Hamas bekannt und den Slogan in Posts verwendet. Das Urteil geht über den Einzelfall hinaus, indem es generell die Wortfolge kriminalisiert. Dies ist besonders problematisch, weil die Formulierung mehrdeutig ist und in verschiedenen Kontexten – auch ohne Bezug zur Hamas – genutzt wird. Continue reading >>
03 February 2025

Für eine evidenzbasierte, rationale Kriminalpolitik

Die aktuelle gesellschaftliche Debatte über Taten wie die Tötung zweier Menschen und Verletzung zweier weiterer Menschen in Aschaffenburg ist verständlicherweise emotional aufgeladen. Jedes Mitgefühl für die Opfer und ihre Angehörigen ist nachvollziehbar und wird von uns geteilt. Als Strafrechtswissenschaftler:innen sehen wir uns verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass die Debatte aber darüber hinaus von populistischen Instrumentalisierungen und verzerrten medialen Darstellungen geprägt ist. Statt evidenzbasierter Erkenntnisse dominieren derzeit emotionale Reaktionen und politische Reflexe. Ein sachlicher, wissenschaftlich fundierter Umgang mit Kriminalität ist jedoch essenziell, um wirksame, nachhaltige und verfassungskonforme Lösungen zu entwickeln. Continue reading >>
14 January 2025
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Silvester, Strafrecht und Symbolpolitik

Ein aktueller Referentenentwurf zielt darauf ab, Angriffe auf dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten schärfer zu bestrafen. Doch die geplanten Änderungen, wie der neue Strafzumessungsgrund in § 46 StGB oder das Regelbeispiel „hinterlistiger Überfall“ in § 113 StGB, sind überflüssig, unsystematisch und haben vor allem symbolpolitische Bedeutung. Continue reading >>
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09 January 2025

Policing the Police

Menschen, die polizeiliches Handeln filmen, sind deswegen immer wieder strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Der Artikel analysiert die rechtliche Unsicherheit im Zusammenhang mit § 201 StGB, der Tonaufnahmen ohne Zustimmung unter Strafe stellt, und beschreibt die potentiell einschüchternde Wirkung dieser Praxis auf Bürger*innen und Journalist*innen. Grund- und menschenrechtliche Überlegungen legen nahe, dass solche Aufnahmen straffrei gestellt werden sollten, um rechtsstaatliche Kontrolle und Transparenz polizeilichen Handelns zu gewährleisten. Continue reading >>
06 January 2025

(K)ein guter Kompromiss

Der Text beleuchtet die widersprüchliche Rechtslage zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland, die seit 1995 gilt. Trotz einer politischen Einigung bleibt die Regelung rechtlich problematisch, da sie einen Schwangerschaftsabbruch nach Beratung als straflos, aber rechtswidrig einstuft. Die aktuelle Debatte um einen neuen Gesetzentwurf verdeutlicht die Schwierigkeiten einer konsistenten Regelung. Der Text fordert eine Neubewertung der veralteten Rechtslage zugunsten einer klareren Regelung, die die reproduktive Selbstbestimmung stärkt. Continue reading >>
03 December 2024

Eine Schwangerschaft, eine Beziehung

Aktuell liegt ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf zum Schwangerschaftsabbruch vor, der eine begrenzte Liberalisierung des deutschen Rechts vorsieht. Kritiker*innen werfen dem Entwurf vor, einseitig die Rechte der schwangeren Frau gegenüber dem ungeborenen Leben durchzusetzen. Diese Kritiken zeigen die Schwangerschaft fälschlicherweise als Konflikt zwischen zwei antagonistischen Individuen. Schwangerschaft ist ein komplexer Entwicklungsprozess, der tiefgreifend die Identität der Schwangeren berührt und von der Beziehung zwischen Schwangeren und Ungeborenem geprägt ist. Continue reading >>
26 November 2024

Die Gewerbsmäßigkeit als Arme-Leute-Strafrecht

Wer von der wachsenden Armut in Deutschland betroffen ist, dem droht im Falle eines Strafverfahrens eine Ungleichbehandlung. Das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit als besonders schwerer Fall einer Straftat führt dazu, dass ein zentrales Versprechen des Rechtsstaats gebrochen wird. Es gibt keine Gleichheit vor dem Gesetz, wenn Armut straferhöhend wirkt. Continue reading >>
28 August 2024
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Die Grenzen der „Neutralität“

Der 5. Strafsenat des BGH hat die Revision von Irmgard F. verworfen. Das LG Itzehoe hatte die Stenotypistin des Lagerkommandanten im Konzentrationslager Stutthof zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil des BGH ist zeitgeschichtlich bedeutsam und stellt einen wichtigen Beitrag zur Anerkennung des Unrechts dar, das den Opfern des Nationalsozialismus widerfahren ist. Es konkretisiert außerdem die in der internationalen Strafrechtswissenschaft diskutierte Frage der Begrenzung der Beihilfestrafbarkeit bei sogenannten berufstypisch „äußerlich neutralen“ Handlungen. Continue reading >>
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15 August 2024

Muskelkraft als Mordmerkmal

Die Unionsfraktion hat einen Gesetzentwurf zur „Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen“ vorgelegt. Darin wird unter anderem die Ergänzung des Mordmerkmals „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ vorgeschlagen. Die in dem Entwurf angesprochenen Probleme, insbesondere im Hinblick auf Trennungsmorde und die so genannten Haustyrannenfälle, werden durch die Erweiterung des Mordparagrafen jedoch nicht zielführend gelöst. Es liegt nämlich nicht (nur) an der materiellen Rechtslage, dass die Rechtsprechung bestimmte Fallkonstellationen nicht bereits de lege lata als Mord bestraft. Continue reading >>
24 July 2024

Zeitgenössische Kriminalpolitik in a nutshell

Pünktlich zur Urlaubszeit bringt die Ampel mit dem Gesetzesentwurf zur Änderung des Luftsicherheitsgesetzes einen für Flughafen-Blockaden maßgeschneiderten Straftatbestand ins Spiel, der das Eindringen auf Flughafengelände mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht. Durchaus kreativ schreiben die Entwurfsverfasser anhand des abstrakten Rechtsguts der Luftsicherheit eine Gesetzeslücke herbei, die in Wahrheit nicht besteht. Sie setzen damit einen gesetzgeberischen Trend fort, der im Gewand abstrakter Gesetzessprache und mit dem Anschein politischer Neutralität daherkommt, im Kern aber auf die selektive Verfolgung bestimmter Personengruppen abzielt. Continue reading >>
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