Verwaltung ohne Verantwortung
Zur Abweisung der ersten Schadensersatzklage gegen Frontex durch das EuG
Mit Urteil vom 6. September 2023 hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) in erster Instanz erstmalig über eine Schadensersatzklage geflüchteter Personen gegen die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) entschieden und die Klage abgewiesen. Politische und zivilgesellschaftliche Vereinigungen sowie die Wissenschaft weisen schon länger auf systemische Mängel bei der Geltendmachung von Rechtsverletzungen gegenüber Frontex hin. Die Entscheidung des EuG perpetuiert diese Mängel, weil sie Bewertungsmaßstäbe nicht berücksichtigt, die aus menschenrechtlicher Sicht geboten sind. Eine dogmatisch überzeugende Integration dieser Maßstäbe in das Unionsrecht würde die Rechte geflüchteter Personen wahren und so das unionale Recht auf effektiven Rechtsschutz stärken.
Sachverhalt
Die Kläger*innen sind syrische Staatsangehörige, die nach ihrer Ankunft auf einer griechischen Insel 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellen wollten. Wenige Tage später wurden sie im Rahmen einer gemeinsamen Rückkehraktion, die von Griechenland und Frontex durchgeführt wurde, in die Türkei gebracht. Daraufhin reichten die Betroffenen im Januar 2017 eine agenturinterne Beschwerde beim Grundrechtsbeauftragten ein und erhoben daneben Klage gegen Griechenland vor dem EGMR. Die Beschwerde wurde negativ beschieden und der Fall seitens der Agentur. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Agentur im Kontext der Rückkehraktion erfolgte nach Angaben der Betroffenen nicht.
Die Kläger*innen verlangten nun Schadensersatz von Frontex wegen Verstößen gegen die menschenrechtlichen Verpflichtungen der Agentur. Die Anknüpfungspunkte reichen hierbei von der Erstellung des Einsatzplanes über ein mangelhaftes Grundrechtsmonitoring bis hin zu während der Rückkehraktion unterlassenen Maßnahmen zum Schutz der Rechte der Kläger*innen trotz menschenrechtswidriger Behandlung. Unter anderem wurden Verstöße gegen das Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung aus Art. 4 GRCh geltend gemacht.
Erwägungen des Gerichts
Im Rahmen der Zulässigkeit der Klage argumentierte Frontex, dass vorrangig eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV gegen die Schreiben der Agentur statthaft gewesen wäre. Die Anforderungen an diese, insbesondere die Einhaltung der Klagefrist, könnten nun nicht im Wege einer Schadensersatzklage nach Art. 340 Abs. 2 AEUV umgangen werden. Dem ist das EuG nicht gefolgt. Es betonte stattdessen die Eigenständigkeit des Schadensersatzanspruches im Rechtsschutzsystem der EU (Rn. 22). Dieser könne unabhängig davon geltend gemacht werden, dass ein vergleichbares Ergebnis wie im Falle einer Nichtigkeitsklage erreicht werden könne. Sodann unterschied das Gericht zwischen den möglichen Rechtsschutzzielen: Eine Anfechtung des Schreibens hätte im Erfolgsfall lediglich dazu führen können, dass Frontex den Fall im wiederaufzunehmenden Beschwerdeverfahren erneut untersucht hätte. Die Kläger*innen machten jedoch einen Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden geltend, die nicht Folge des Schreibens seien (Rn. 29).
Das Gericht trennt – hier noch – zurecht zwischen den Rechtsschutzzielen und erachtet die Einwände der Agentur hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage für unbegründet. Dies ist insofern begrüßenswert, als es unterstreicht, dass der Schadensersatzanspruch für derartige Konstellationen grundsätzlich geeignet ist (siehe dazu hier und hier). Mariana Gkliati stellte im Gespräch mit dem Spiegel entsprechend fest, dass die Klage trotz abweisenden Urteils als Erfolg zu verbuchen sei, da es sich um „die erste Menschenrechtsklage gegen Frontex handelt, die die Zulässigkeitsphase durchlaufen hat“.
Auf Ebene der Begründetheit wird das Potential des Amtshaftungsanspruches jedoch nicht ausgeschöpft. Die materiellen Erwägungen des Gerichts sind schnell zusammengefasst: Frontex habe laut der Frontex-VO die Aufgabe, die Mitgliedstaaten im Zuge des Grenzschutzes und auch bei Rückkehraktionen technisch und operativ zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten hingegen seien ausschließlich dafür zuständig, Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und die Begründetheit von Rückkehrentscheidungen zu würdigen. Die Mitgliedstaaten trügen daher weiterhin die Letztverantwortung für Einsätze im Rahmen der Grenz- und Küstenwache. Weil Frontex keine Weisungsbefugnis gegenüber nationalem Personal zukomme, sei das Handeln der Agentur auch nicht kausal für den entstandenen Schaden. Dessen Eintritt beruhe auf den jeweiligen Entscheidungen der Mitgliedstaaten, jedenfalls aber nicht hinreichend unmittelbar auf Handlungen der Agentur (Rn. 66).
Systemische Mängel bei der Kontrolle von Agenturhandlungen
Die Entscheidung ist keine Überraschung. Gerade der faktische Einfluss der Agentur, der nicht auf ihre rechtlichen Befugnisse zurückzuführen ist, wird regelmäßig bemängelt. Problematisch erscheinen insbesondere unionsrechtliche Maßstäbe für die Zurechnung von Verhalten, die Anforderungen an den Kausalitätsnachweis sowie weitere prozessuale Gegebenheiten. Diese führen dazu, dass Handlungen der Agentur nur schwer von (Unions-)Gerichten kontrolliert werden können (zuletzt umfassend aufgearbeitet hier).
Die Argumentation des EuG überzeugt nicht, lässt wesentliche Aspekte außen vor und verdeutlicht den Adaptionsbedarf. Das Gericht beantwortet die tatsächliche Frage nach den Auswirkungen von Handlungen des Agenturpersonals während der Rückführung mit Verweis auf die Rechtslage nur vermeintlich, indem es ein rechtstaatskonformes Handeln der Agentur im Rahmen ihrer Kompetenzen unterstellt. Zutreffend ist zwar, dass alles, was über die zugewiesenen Aufgaben hinaus geht, nur dann zu einer Rechtsverletzung führen kann, wenn die angegriffene Handlung hierfür kausal ist. Praktisch wird eine ununterbrochene Kausalitätskette für die Betroffenen nach unionsrechtlichen Maßstäben jedoch kaum nachweisbar sein. Denn das Gericht stellt sich auf den Standpunkt, dass zwischen jeglichem Handeln der Agentur und einer Rechtsverletzung jedenfalls kein adäquater Kausalzusammenhang bestehen könne, da ausschließlich die Mitgliedstaaten für die Rückkehrentscheidungen zuständig seien. Ihnen komme somit auch die (alleinige) Verantwortung für den Einsatz zu. Diese Argumentation ist nicht nur zirkelschlüssig, sondern sie vermengt auch die rechtlichen Rahmenbedingungen mit dem tatsächlichen Handeln auf eine Art und Weise, welche die Agentur vor jeglicher Verantwortung abschirmt. Den Kläger*innen ging es gerade nicht um die vorgelagerte Rückkehrentscheidung selbst, sondern um Handlungen von Agenturpersonal, die im Rahmen der Rückkehraktion erfolgten.
Die sich anschließende Frage, ob und wie eine Verantwortung der Agentur unter Verstoß gegen Überwachungs- und positive Schutzpflichten entstehen kann, umgeht das Gericht ebenfalls. Im Zuge der Reformen der Frontex-VO wurden menschenrechtliche Instrumente wie die Entwicklung einer Grundrechtsstrategie etabliert, die als normierte materiell-rechtliche Verpflichtungen der Agentur Anknüpfungspunkte für rechtswidriges Handeln darstellen können. So ist es ihr beispielsweise untersagt, an Einsätzen teilzunehmen, bei denen es nach Kenntnis der Agentur zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Diesen Einsätzen ist zudem durch den*die Exekutivdirektor*in die finanzielle Unterstützung zu entziehen und jedwede Tätigkeit der Agentur auszusetzen (vgl. Art. 25 Abs. 1 Frontex-VO (2016), heute Art. 46 Abs. 1 Frontex-VO). Eine Entscheidung in der Sache über derartige Pflichten oder gar Beihilfehandlungen der Agentur blieb jedoch aus. Eine Auseinandersetzung hiermit seitens des Gerichts hätte die rechtlichen Anforderungen an die Agentur konkretisieren und zu mehr Rechtssicherheit für zukünftig Betroffene führen können (siehe hierzu auch das Verfahren Hamoudi v. Frontex).
(Steigende) Komplexität der Verwaltungsstrukturen
Die Komplexität von Einsätzen unter Beteiligung der Agentur liegt auf der Hand. Im Folgenden soll nur kurz die mit der Änderung der Frontex-VO 2019 eingeführte sog. ständige Reserve der Grenz- und Küstenwache analysiert werden. Deren Personal wird in die Kategorien 1-4 unterteilt, wobei in den Kategorien 2-4 nationales Personal an die Agentur ausgeliehen wird. Personal der Kategorie 1 (Statutspersonal) sind Grenzschutzbeamt*innen, die unmittelbar von Frontex als Bedienstete der Agentur eingesetzt werden und entsprechend ihrem Profil regelmäßig zu Grenzschutzmissionen entsandt werden. Im Rahmen der Einsätze unter Beteiligung von Statutspersonal sind weiterhin primär die Mitgliedstaaten haftbar (Art. 84 Abs. 1 Frontex-VO). Diese können Ausgleich von Frontex verlangen, wenn der Schaden vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit durch Statutspersonal verursacht wurde (Art. 84 Abs. 2 Frontex-VO). Die Verordnung erkennt damit auf der Ebene des Ausgleichs im Innenverhältnis an, dass ein solcher Schaden durch Statutspersonal verursacht werden kann. Es erscheint widersprüchlich, dass im Verhältnis zu den Geschädigten eine Verantwortlichkeit ausgeschlossen wird, während Art. 97 Abs. 4 Frontex-VO gerade eine Haftung der Agentur auch für Schäden im Zusammenhang mit Exekutivbefugnissen vorsieht. Art. 97 Abs. 1 Frontex-VO legt jedoch fest, dass die Norm unbeschadet des Art. 84 Frontex-VO gilt, womit die Verantwortung wieder bei den Mitgliedstaaten liegt. Art. 7 Frontex-VO spricht grundsätzlich zwar von einer gemeinsamen Verantwortung der Agentur und der für die Grenzverwaltung zuständigen nationalen Behörden. In der konkreten Ausgestaltung etwaiger Haftungsnormen zeigt sich jedoch, dass die normierte „primäre Verantwortung“ der Mitgliedstaaten eher eine „alleinige Verantwortung“ der Mitgliedstaaten darstellt.
In tatsächlicher Hinsicht droht dieses Hinzutreten von Agenturpersonal zu den mitgliedstaatlichen Beamt*innen die Situation während der Einsätze noch unübersichtlicher werden zu lassen und so die Zuordnung von Handlungen an die jeweiligen Akteur*innen weiter zu erschweren.
Das Rechtsstaatsprinzip und das Recht auf effektiven Rechtsschutz
Neben der Kritik an dem Urteil (siehe auf dem Verfassungsblog den Beitrag von Joyce De Coninck oder hier), die sich auf spezifische Aspekte der Anspruchsprüfung bezieht, provoziert die Entscheidung auch grundlegende rechtsstaatliche Fragen, insbesondere zum unionalen Recht auf effektiven Rechtsschutz. Nachfolgend wird aufgezeigt, dass das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 47 GRCh verletzt sein kann, wenn Gerichte ein inadäquates Rechtsschutzsystem aufrechterhalten. Aspekte der Gewaltenteilung auf europäischer Ebene können diesem Fokus auf die Rolle der Gerichte nicht pauschal entgegengehalten werden, da zumindest dem EuGH ein weitreichendes Mandat zur Auslegung und Weiterentwicklung des Unionsrechts zukommt. Die Gerichte müssen vorrangig durch Auslegung auch für systemische Mängel Lösungsansätze innerhalb des geltenden (Prozess-)Rechts entwickeln, wenngleich eine legislative Klarstellung aus demokratietheoretischen Gründen begrüßenswert wäre.
Es handelt sich um ein auf politischer Ebene leicht zu lösendes Problem: Die Legislative könnte die grundsätzliche Haftung der Agentur klarstellen und die Tatbestände in der Frontex-VO entsprechend anpassen. Dies erscheint politisch jedoch äußerst unwahrscheinlich. Daher bedarf es weiterhin einer kritischen Auseinandersetzung mit den systemischen Mängeln, die mit den Herausforderungen der modernen Verbundverwaltung im menschenrechtlich hochsensiblen Bereich des Außengrenzschutzes einhergehen. Die zum politischen Ziel erklärte integrierte Verbundverwaltung darf nicht zu Lasten einer eindeutigen Verantwortungszuordnung ausgestaltet werden. Hierfür lassen sich (binnen-)systematische und teleologische Argumente des menschenrechtlichen Mehrebenensystems, aber auch die Grundprinzipien der Unionsrechtsordnung anführen.
Das unionale Recht auf effektiven Rechtsschutz ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips und damit auf ein abstraktes Prinzip zurückzuführen, das der Ausgestaltung und Konkretisierung – nicht zuletzt durch Sekundärrecht wie der Frontex-VO – bedarf. Daher lohnt es sich, dieses Prinzip heranzuziehen, um übergeordnete Maßstäbe für eine Bewertung der Effektivität des Rechtsschutzes zu entwickeln. Hierzu können Aspekte der Rechtswegklarheit und der Verantwortungsklarheit zählen; beides Ansätze, die aus menschenrechtlicher Sicht innerhalb des Unionsrechts zu operationalisieren sind.
Bei diesem Ansatz geht es explizit nicht darum, einzelne Haftungsnormen und Ansprüche des nationalen und europäischen Rechts zu untersuchen, die unter Berücksichtigung des Zusammenwirkens der mitgliedstaatlichen Gerichte und der Unionsgerichte (vgl. Art. 19 Abs. 1 EUV) dazu führen können, dass Betroffene Rechtsschutz erlangen. Im Zweifel müssen Betroffene de lege lata gegen mehrere Parteien – die jeweiligen Mitgliedstaaten, deren Beamt*innen an dem Einsatz beteiligt waren sowie mittelbar über den Einsatzstaat das Statutspersonal der Agentur und die Agentur wegen der Verletzung potenzieller Schutzpflichten – auf mehreren Ebenen vorgehen. Dieses Vorgehen wählten auch die Kläger*innen des hier diskutierten Falls, indem sie parallel Klage gegen Griechenland vor dem EGMR erhoben. Dies erschwert die praktische Rechtsdurchsetzung erheblich und erfordert einen hohen Einsatz von Ressourcen. Zudem stehen Betroffene vor dem Problem, dass die nationalen Gerichte nicht über Handlungen der Agentur als eine Einrichtung der EU urteilen können, weil ihnen hierzu die Kompetenz fehlt. Wiederum können die europäischen Gerichte mangels Kompetenz nicht (bzw. nur im Wege von Vorlageverfahren) über die Handlungen der nationalen Beamt*innen befinden.
Dieses auf mehrere Rechtswege aufgeteilte Vorgehen mag, insbesondere bei einer streng formalistischen Lesart, dem Recht auf effektiven Rechtsschutz gerade noch Genüge tun (so vertreten hier). Aus systemischer Sicht bleibt diese Praxis jedoch problematisch. Gerade die Sensibilität der in Rede stehenden (Menschen-)Rechte erfordert aus rechtsstaatlicher Sicht eindeutigere Rechtsschutzmechanismen im Sinne eines zugänglicheren effektiven Rechtsschutzes. Das europäische Haftungssystem ist für diese komplexen Situationen des Menschenrechtsschutzes nicht ausgelegt. Es überzeugt daher weder aus methodischer Sicht, wenn die europäischen Gerichte die aufgezeigte Problematik unter Hinweis auf formalistische Argumente übergehen – frei nach dem Motto: „Es kann faktisch nicht sein, was rechtlich nicht vorgesehen ist.“ – , noch kann die EU ernsthaft geltend machen, als Rechtsgemeinschaft zu agieren, wenn sie gerade für faktisches Verhalten einschlägige Rechtsbehelfe aufgrund zu strenger Voraussetzungen derartig entleert.
Aber auch die gerichtliche Perpetuierung eines solchen Systems kann das Recht auf effektiven Rechtschutz verletzen, wenn erweiterte (Exekutiv-)Befugnisse einer europäischen Agentur nicht mit einem adäquat korrespondierenden Rechtsschutz einhergehen, der gestiegenen Komplexitätsanforderungen gerecht wird. Die Frage nach der Zurechnung des schädigenden Verhaltens wird auf mehreren Ebenen – Rechtsweg, Verfahrensart, Tatbestandsmerkmale – virulent. Wenn dieser Aspekt derartig wesentlich für den Erfolg eines Rechtsbehelfs ist, erfordert ein rechtsstaatskonformes Vorgehen systemische Anpassungen, die auf sämtlichen Ebenen durchgreifen. „Blame-Shifting By Design“, also die oben beschriebene Ausgestaltung eines Systems mit dem Ziel, die Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteur*innen zu verschleiern, kann hierauf nicht die Antwort sein. Das System, so De Coninck, begünstigt eine Situation, in der sich die EU und die Mitgliedstaaten die „hot-responsibility-potato“ gegenseitig zu Lasten der Betroffenen zuspielen.
Woher nehmen und nicht stehlen?
Nun ist es auch nicht so, dass adäquate Mechanismen von Grund auf neu erfunden werden müssten. Das Mehrebenensystem des Menschenrechtsschutzes hält Lösungsansätze bereit, deren eingehende Analyse sich lohnt. So setzt sich der EGMR regelmäßig mit Fragen geteilter Verantwortung mehrerer involvierter Parteien und der Haftung auch für faktisches Verhalten nach dem Völkerrecht im menschenrechtlichen Kontext auseinander (siehe hier). Wenn die Unionsgerichte diese Maßstäbe nicht übernehmen wollen, obwohl hierfür Einiges spricht, so sollten sie sich im Sinne eines methodisch sauberen, aber auch rechtlich erforderlichen Ansatzes (vgl. nur die Inkorporation der Grundrechte der EMRK über Art. 6 Abs. 3 EUV) zumindest mit diesen auseinandersetzen und begründen, warum sie innerhalb der Unionsrechtsordnung keine Anwendung finden. Die Autonomie der Unionsrechtsordnung darf hierbei nicht als Gegenpol des Bekenntnisses der EU zum Völkerrecht verstanden werden.
Art. 52 Abs. 3 GRCh enthält die Bestimmung, dass Rechte in der Charta, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. Dies zielt auf eine Vereinheitlichung des Grundrechtsschutzes innerhalb des Geltungsbereiches der Unionsgrundrechte und der EMRK-Rechte. Es bleibt weiter zu untersuchen, inwiefern derartige Entsprechungsklauseln als Brücke genutzt werden können, um auch hinter den einzelnen Rechten liegende Zurechnungsmechanismen, die wie oben gezeigt ganz wesentlich für die Erfolgsaussichten von Rechtsbehelfen sind, innerhalb der menschenrechtlichen Systeme zu vereinheitlichen.
Verschiedenste Ansätze – die Modifikation einzelner Tatbestandsmerkmale des Schadensersatzanspruches, die Übernahme völkerrechtlicher Zurechnungsmodelle für faktisches Handeln, die Schaffung eines neuen, menschenrechtsorientierten Haftungsmechanismus – müssen daher zumindest ernsthaft erwogen werden. Einzelne Ansätze wie die Errichtung neuer Haftungsmechanismen erfordern ein gesetzgeberisches Tätigwerden, während andere Ansätze auch durch die Judikative im Rahmen der Auslegung berücksichtigt werden sollten.
Fazit
Fragen des europäischen Außengrenzschutzes