Wahlen in Berlin: ein Bericht
Eine Sache möchte ich gleich vorausschicken: Es geht mir nicht darum, die Legitimität der Bundestagswahl oder der Berliner Wahlen und Abstimmung vom vergangenen Sonntag in Frage zu stellen; ich möchte lediglich einige gravierende Missstände aufzeigen, die sich in Berlin gezeigt haben. „Mandatsrelevanz“ werden diese angesichts der Eindeutigkeit der Berliner Ergebnisse wahrscheinlich nicht gehabt haben, gleichwohl sollen sie nicht unkommentiert bleiben. Es wäre fatal, einfach zur Tagesordnung überzugehen.
Ich war am Sonntag – nicht zum ersten Mal – freiwillig als ehrenamtlicher Wahlhelfer im Einsatz. Gerade auch als u.a. mit dem Wahlrecht befasster Staatsrechtler an der Berliner Humboldt-Universität erhalte ich so vielfältige Anregungen und Einblicke in die tatsächliche Durchführung des wichtigsten Mitwirkungsaktes des Volkes in unserem demokratischen Verfassungssystem. Kleinere Ereignisse (Corona-Masken mit Partei- oder Abstimmungslogos beim Betreten des Wahllokals; Kinder gehen mit in die Wahlkabine ihrer Mutter oder ihres Vaters; ein Ehemann „assistiert“ seiner Ehefrau bei der Stimmabgabe; ein Pressefotograf fotografiert zeitweise jede Wählerin und jeden Wähler, der das Wahllokal verlässt – all dies konkrete Vorkommnisse im Wahllokal 110 in der Papageno-Grundschule in der Bergstraße in Berlin-Mitte) waren – wie so häufig bei Wahlen – zu bewältigen. Diese „kleinen“ Ereignisse sind Standard bei allen Wahlen und Abstimmungen in Deutschland. Sie stellen kein grundsätzliches Problem dar und jeder vernünftige Wahlvorstand mit seinen Wahlhelfern kann damit umgehen. Meist werden pragmatische Lösungen gefunden, manchmal sind deutliche Ermahnungen angezeigt.
Am 26. September war es in Berlin jedoch grundlegend anders. Dass die Wahl insgesamt alles in allem nur als mittelmäßig gut organisiert bezeichnet werden kann, überrascht mich als mit der Berliner Verwaltung vertrauter Berliner Bürger nicht und würde auch keinen Artikel im Verfassungsblog aus meiner Feder provozieren. Die Vorkommnisse in Berlin letzten Sonntag waren jedoch von anderer Qualität.
Obgleich in unserem Wahllokal genügend Platz für mehr gewesen wäre, waren von vornherein nur zwei Wahlkabinen vorhanden. Angesichts der ganz ungewöhnlichen Kumulation von Bundestagswahl, Berliner Abgeordnetenhauswahl, Wahl der Berliner Bezirksverordnetenvertretungen sowie des Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen, überrascht die Gedankenlosigkeit derjenigen, die diese Wahlen in Berlin organisiert haben. Da die Berliner Abgeordnetenhauswahl aufgrund des Berliner Wahlsystems zwei Stimmzettel erfordert, hatte jeder Wähler bzw. jede Wählerin die Möglichkeit, insgesamt fünf Wahl- bzw. Abstimmungszettel auszufüllen und abzugeben. Die durchschnittliche Verweildauer in der Wahlkabine war dadurch nicht überraschender-, sondern notwendiger- und damit auch vorhersehbarer Weise ungewöhnlich lang. Mehrere Minuten waren Standard, teilweise brauchten Wählerinnen oder Wähler auch knapp zehn Minuten, alles zu erfassen und sich zu entscheiden. „Druck“, etwas schneller zu agieren, darf aus rechtlichen Gründen hier nicht ausgeübt werden. Dass etwa auf dem Abstimmungszettel zum Volksentscheid ein langer, unübersichtlicher und nicht einfach zu verstehender Text abgedruckt war, verlängerte die Zeit für den eigentlichen Abstimmungsvorgang zusätzlich. Das alles war vor der Wahl bekannt und jeder, der Erfahrung mit Wahlen und Abstimmungen hat, konnte und musste es antizipieren. Geschieht das – wie offensichtlich bei den Wahlen 2021 in Berlin – nicht, kann das nur als professionelles Versagen gekennzeichnet werden. In dem Wahllokal, in dem ich eingesetzt war, haben wir, als gegen Mittag die Situation offenkundig wurde, aus einem Materialdepot im Rathaus Wedding drei (!) zusätzliche Wahlkabinen als Ergänzung zu den beiden vorhandenen herbeigeschafft, was die Situation etwas entspannte. Im benachbarten Wahllokal 113, das ohnehin darunter litt, einen in jedem Fall viel zu kleinen Raum zur Verfügung zu haben, konnte lediglich eine weitere Wahlkabine aufgestellt werden, was folgerichtig auch zu längeren Schlangen von Wählerinnen und Wählern vor dem Wahllokal führte. Als die Misere für die ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer endgültig erkennbar wurde, stellten wir ein bis zwei von uns ab, um die Schlangen vor dem Wahllokal zu ordnen, zu dirigieren und Informationen an die Wählerinnen und Wähler zu geben. Bei schönstem Spätsommerwetter blieb die Situation erstaunlich diszipliniert und entspannt. Viele Wähler gingen nachhause, um mit Lektüre oder einer Sitzgelegenheit zurückzukehren. Weniger lustig war dies für Ältere, für Gebrechliche oder für Familien mit kleinen Kindern. Offensichtlich Behinderte oder Betagte wurden regelmäßig vorgelassen. Im Nachbar-Stimmlokal 113 war die Schlange im Maximum 100 Meter lang, die Wartezeit betrug über eine Stunde. Aus anderen Stimmbezirken hörte man wesentlich höhere Werte. Man stelle sich nur vor, am Wahlsonntag wäre stürmisches, kaltes Regenwetter gewesen: Es gehört nicht in den Bereich von Spekulation, dass dann viele Wählerinnen und Wähler auf eine Stimmabgabe angesichts der Umstände verzichtet hätten. Vereinzelt soll es dem Vernehmen nach in anderen Wahllokalen sogar dazu gekommen sein, dass Wählerinnen oder Wähler wegen Aussichtslosigkeit der Stimmabgabe nach Hause geschickt wurden. Das wäre nicht nur glatt rechtswidrig, sondern vollends unerträglich.
Ein zweiter Faktor gewann am letzten Wahlsonntag in Berlin Relevanz: zeitlich zu den Wahlen und der Abstimmung fand der „Berlin Marathon“ statt, ein sportliches Großereignis mit internationaler Resonanz. Der „Berlin Marathon“ gehört zusammen mit denjenigen in New York, Boston und Tokyo zu den führenden Veranstaltungen dieser Art weltweit. Neben den Marathonläuferinnen und -läufern treten auch Inlinescater und Rollstuhlfahrer zu eigenen Rennen an. Im Hauptmarathon sollen das dieses Jahr wieder rund 25.000 Teilnehmer gewesen sein. Eine wesentlich größere Anzahl an Zuschauern säumt die durch Sperrgitter völlig abgetrennten Straßen der gut 40 km langen Strecke in der Innenstadt. Es gibt nur wenige gelegentliche Übergänge für Passanten oder Radfahrer, die zudem zu großen zeitlichen Verzögerungen bei der Fortbewegung führen. Normalerweise ist der Berlin-Marathon ein erfreuliches Ereignis mit Eventcharakter und großer Ausstrahlung. Probleme entstehen freilich, wenn das Großereignis mit Wahlen zusammenfällt. 2017 stellte sich in Berlin schon das gleiche Problem. Die Innenstadt ist für den Großteil des Sonntags verkehrsmäßig blockiert. Busse und Straßenbahnen können in diesem Bereich nicht fahren. Das stellt im Zusammenhang mit Wahlen nicht nur ein Problem für die technische Wahllogistik dar (wenn etwa – wie am Sonntag – zusätzliche Wahlkabinen oder Stimmzettel herbeigeschafft werden müssen), sondern behindert auch konkret und massiv für Wählerinnen und Wähler im Umfeld des „Marathonkreises“ die Erreichbarkeit ihres Stimmlokals. Bezeichnenderweise wurde den Betroffenen mit der Wahlbenachrichtigung diesmal ein Ausschnitt des Stadtplans übersandt, wie das Wahllokal trotz der massiven Zugangsbehinderungen durch das Großereignis doch noch erreicht werden kann. Jedem, der wie der Verfasser hohe Wertschätzung für die wichtigste Staatsstrukturentscheidung des Grundgesetzes – das Demokratieprinzip – hegt, stellen sich hier Fragen. Ist es angemessen, diese unnötige Konkurrenz von „Ereignissen“ zu dulden? Warum kann der Marathon nicht um eine Woche verlegt werden? Sicherlich steht das Sportevent schon länger fest als das konkrete Datum der Bundestagswahl. Außerdem wird man nicht erwarten können, dass sich der Bundespräsident bei der Festlegung des Wahltermins (§ 16 BWahlG i.V.m. Art. 39 Abs. 1 GG) an Berliner Lokalbesonderheiten orientiert. Der Fehler liegt wiederum bei Berliner Politik und Verwaltung: Der Marathon stellt eine ganz ungewöhnlich intensive straßenrechtliche Sondernutzung mit vielfältigen weiteren faktischen und rechtlichen Implikationen dar. Die Genehmigung dafür hätte nur unter dem Vorbehalt, dass nicht gleichzeitig die Wahl stattfindet, erteilt werden sollen. Die Lösung erscheint mir eindeutig: Nicht die Wahl muss die geschilderten Behinderungen hinnehmen, sondern der Marathon hätte weichen müssen. Angesichts des ständigen Geredes über einen wirklichen oder vermeintlichen Niedergang demokratischer Prozesse und Verfahren irritiert es nicht nur den Staatsrechtler, sondern auch den Bürger, wie hier von Politik und Verwaltung Prioritäten gesetzt werden.
Doch damit nicht genug. Gegen 17 Uhr gingen in unserem Wahllokal für alle Berliner Abstimmungen und Wahlen die Stimmzettel aus. Das war, wie später bekannt wurde, leider kein Einzelfall. Auf Nachfrage in benachbarten Wahllokalen konnte zunächst keine Abhilfe geschaffen werden, da dort Gleiches passiert war. Erst nach einer guten halben Stunde war Ersatzbeschaffung aus dem für uns zuständigen Materialdepot im Rathaus Wedding möglich. Der mit den neuen Stimmzetteln eintreffende Wahlvorsteher wurde mit Szenenapplaus der Wartenden empfangen. Dieses Vorkommnis kann nur als Gipfel der Desorganisation durch die Berliner Verantwortlichen bezeichnet werden. Eine solche Panne ist beispiellos und unerklärbar. Die Berliner Landeswahlleiterin versuchte sich zu rechtfertigen, angesichts des hohen Briefwahlanteils habe man das „unterschätzt“. Die Zahl der Briefwählenden war den Verantwortlichen ja wegen der Anforderung der dafür erforderlichen Wahlscheine exakt bekannt. Die Zahlen kursierten schon in den Medien. Warum zur Gewährleistung eines „Sicherheitsabstands“ nicht von vornherein etwa doppelt so viele Stimmzettel, wie prognostiziert benötigt würden, vorhanden waren, bleibt unerfindlich. Die bis 18 Uhr vor dem Wahllokal eingetroffenen Wähler dürfen noch ihre Stimmen abgeben. Freilich ist deren Wahlvorgang nicht mehr von Ergebnissen unbeeinflusst, sind doch über das Handy zu dieser Zeit sofort die Trendmeldungen und auch erste Hochrechnungen verfügbar. Noch schlimmer war, dass offensichtlich in einigen Wahllokalen sogar falsche Stimmzettel auslagen. Die Wählerinnen und Wähler werden das regelmäßig kaum erkannt haben. Folge ist die Ungültigkeit der entsprechenden Stimmen.
Ich schreibe diesen Blogbeitrag auch, weil ich empört darüber bin, dass die Landeswahlleiterin das alles nicht zu berühren scheint. Laut Presseberichten war sie am Sonntag persönlich nicht erreichbar. Schon das ist unverzeihlich. Die aufgetretenen Pannen hat sie den Berliner Bezirken zugeschoben. Jeder in Berlin weiß, dass die administrativen Fähigkeiten der Bezirke begrenzt sind; das muss folglich in die Wahlorganisation vorausschauend eingeplant werden, was offensichtlich nicht geschehen ist. Dass in der Hauptstadt eines der wichtigsten, reichsten und entwickeltsten Länder der Erde es nicht möglich erscheint, demokratische Wahlen angemessen zu organisieren, ist nicht nur für die Berlinerinnen und Berliner peinlich, sondern zugleich ein gravierendes Demokratieproblem. Einzige Konsequenz aus politischen, fachlichen und moralischen Gründen kann nur der Rücktritt der Landeswahlleiterin und ihrer Stellvertreterin sein. Es ist bezeichnend für die politische Kultur Berlins, dass das in der Öffentlichkeit kaum gefordert wird.
Ich möchte noch einen kurzen Blick auf die Rechtslage werfen. Was politisch skandalös ist, muss nicht in gleicher Weise rechtlich relevant sein. Die geschilderten vielfältigen Erschwerungen und Behinderungen der Stimmabgabe beeinträchtigen jedoch den Grundsatz der Freiheit der Wahl, der für die Bundestagswahl in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG, für die Berliner Wahlen und Abstimmungen in Art. 39 Abs. 1 der Berliner Verfassung niedergelegt ist. In beiden Fällen, Bund wie Land, handelt es sich bei dem Grundsatz der Freiheit der Wahl um ein subjektives Recht jedes Wählers mit Verfassungsrang. Meist wird dieser Wahlgrundsatz im Hinblick auf Pressionen hinsichtlich der freien Auswahl, d.h. der konkreten Wahlentscheidung thematisiert. Richtigerweise ist er (erst Recht) auch dann relevant, wenn tatsächliche Hindernisse bestehen, von seinem Wahlrecht überhaupt Gebrauch zu machen. Gewährleistet wird mithin durch den Grundsatz der Freiheit der Wahl auch, keine physischen oder psychischen Behinderungen oder Erschwerungen hinsichtlich des tatsächlichen Wahlakts – unabhängig von einer inhaltlichen Beeinflussung – zu erfahren, die durch den Staat zu verantworten sind. Wie meist im Verfassungsrecht müssten hier Gründe und Gegengründe zueinander in Verhältnis gesetzt, also abgewogen werden, was rechtlich relevant ist. Rechtlich handelte es sich in Berlin um ein gravierendes Organisationsverschulden durch die Landeswahlleitung, das im Einzelnen zu belegen wäre.
Welcher Rechtsschutz ist vor diesem Hintergrund überhaupt möglich? Bundestagswahl sowie die Berliner Wahlen und Abstimmungen waren hier organisatorisch zusammengefasst. Jeder Wahlberechtigte erhielt alle Stimmzettel ausgehändigt. Nur bei unter 18jährigen sowie EU-Ausländern erstreckte sich das aktive Wahlrecht ausschließlich auf die „kommunalen“ Bezirksverordnetenversammlungen. Der Rechtsschutz ist freilich gespalten. Nach Art. 41 GG ist die Wahlprüfung für die Bundestagswahl zweistufig ausgestaltet: Auf einer ersten Stufe entscheidet der (neu gewählte) Bundestag selbst über Wahlfehler und über die Gültigkeit der Wahl und der Mandatszuteilung. Für einen entsprechenden Einspruch, der schriftlich und mit Begründung erfolgen muss, besteht zwei Monate Zeit ab dem Wahltag. Die Einzelheiten sind im Wahlprüfungsgesetz geregelt. Gegen die Entscheidung des Bundestags kann binnen zwei Monaten Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt werden. Eine Auflösung des Bundestages wegen Ungültigkeit der gesamten Wahl setzt sog. Mandatsrelevanz voraus, der Wahlfehler müsste also die Mandatsverteilung im Parlament verändern. Legitimerweise wird hier vom Gesetzgeber die Stabilität der einmal vollzogenen Wahl hoch gewichtet. An der Mandatsrelevanz dürfte es hier zwar wie erwähnt fehlen. Nach § 48 Abs. 3 GG würde jedoch davon unabhängig die Feststellung der Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer ausdrücklich, d.h. auch im Tenor der Verfassungsgerichtsentscheidung festgestellt, wenn „deren Rechte“ (etwa aus Art. 38 Abs. 1 GG) verletzt wären.
In Berlin geht die Wahlprüfung sofort ohne Einschaltung des Abgeordnetenhauses zum Verfassungsgerichtshof des Landes (Art. 84 Abs. 2 Nr. 6 BerlVerf. i.v.M. §§ 14 Nr. 2; 40 ff. BerlVerfGHG). Hier können jedoch im Unterschied zur Bundesebene einzelne Wahlberechtigte diesen Rechtsbehelf zumindest im vorliegenden Fall gar nicht ergreifen (nach § 40 Abs. 2 Nr. 8 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 BerlVerfGHG können den Rechtsbehelf nicht Wählerinnen oder Wählern, sondern nur Parteien, Direktkandidaten u.ä. einlegen). Da die Freiheit der Wahl jedoch auch nach Berliner Landesverfassungsrecht als subjektives Verfassungsrecht ausgestaltet ist, steht die Landesverfassungsbeschwerde zur Verfügung. Diese ist nicht auf Grundrechte im technischen Sinne beschränkt, sondern bezieht sich nach § 49 Abs. 1 BerlVerfGHG ausdrücklich auf die Beeinträchtigung des Beschwerdeführers „in einem seiner in der Verfassung von Berlin enthaltenen Rechte“.
Beide Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen nebeneinander. Trotz eines etwaigen wahlrechtlichen Rechtsbehelfs auf Bundesebene ist die Verfassungsbeschwerde, anders als bei „normalen“ Landesverfassungsbeschwerden, hier nicht gesperrt. Als Entscheidungsfolgenausspruch käme auch hier wohl „nur“ eine Feststellung der Verfassungsverletzung in Betracht.
Noch einmal: mir geht es nicht darum, die Gültigkeit oder auch die Legitimität der Wahlen und der Abstimmung vom 26. September in Frage zu stellen. Die Mandatsrelevanz der vorgekommenen Wahlfehler ist unwahrscheinlich. Gleichwohl wäre auch eine Feststellung der Rechts- und damit zugleich der Verfassungswidrigkeit der Vorkommnisse auf Berliner Ebene wegen gravierenden Organisationsverschuldens der Landeswahlleitung durch das Bundesverfassungsgericht und den Verfassungsgerichtshof von Berlin von politischem und rechtlichem Wert. Die Berliner Verantwortlichen – an der Spitze wiederum die Landeswahlleiterin – müssen entsprechende Konsequenzen ziehen, wollen sie nicht die Verantwortung für eine ernsthafte Beschädigung der Demokratie in Berlin und darüber hinaus auf sich nehmen. Es ist zu hoffen, dass von den skizzierten Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wird.
Wichtig erscheint mir, dass durch die Organisationsfehler womöglich rechtswidrig verhinderte Wähler sich bei der Wahlleitung, sinnvollerweise wohl vor allem beim Bezirkswahlleiter melden. Nur ist es möglich herauszufinden, ob die Fehler womöglich die Sitzverteilung beeinflusst haben und damit die Ergebnisse zumindest einzelner Wahllokale oder -bezirke ungültig sind. Mindestens ein heikles Ergebnis ist ja bekannt: https://www.rbb24.de/politik/wahl/abgeordnetenhaus/agh-2021/beitraege/berlin-pankow-lederer-direktmandat-nachzaehlung-pankow.html
Vorweg: Ich bin juristischer Laie.
Über einen Punkt bin ich gestolpert. Sie schreiben, dass trotz des Berliner Organisationsversagens eine Mandatsrelevanz “unwahrscheinlich” sei. Da aber gerade in Berlin die Partie ‘Die Linke’ zwei ihrer drei Direktmandate errungen hat, die ihr gerade so den Einzug in den Bundestag trotz Verfehlens der Fünfprozenthürde sicherte, hatte die ungenügende Organisation der Wahl möglicherweise einen gravierenden Einfluss auf die Zusammensetzung des Deutschen Bundestags. In diesem Sinn sehe ich keinen Grund, die Vorgänge in Berlin auf die leichte Schulter zu nehmen!
Relevant wäre, aufgrund der Nähe der 1. und 2. Direktkandidaten, lediglich WK 86. Die Linke führt mit 25,8 zu 19,6 (SPD)
Absolut sind das etwa 8600 Stimmen Unterschied.
Eine Veränderung beim Direktmandat ist also unwahrscheinlich.
Da ,Die Linke’ üblicherweise bei der Urnenwahl einen höheren Stimmenanteil erzielt als unter Briefwählern dürften sich die Beeinträchtigungen der Urnenwahl (und die im Verglich geringeren Probleme bei der Briefwahl) eher zu Ungunsten der Linken ausgewirkt haben.
Allerdings sind solche mehr oder weniger plausiblen Spekulationen wohl nicht das, was für die Prüfung der ,Mandatsrelevanz’ herangezogen wird. Nur: worauf beruht eine solche Prüfung in der Praxis dann? (Frage ich mich, ebenfalls als juristischer Laie, und bin für Antworten dankbar.)
Danke für diesen wichtigen Beitrag.
Man sieht an den Berliner Vorgängen, dass ein unterminieren demokratischer Prozesse nicht nur aus Vorsatz sondern auch aus der, mittlerweile Berlin typischen, unbegreiflichen institutionellen Bräsigkeit und Verantwortungsdiffusion entstehen kann.
Wer wie die Landeswahlleiterin auf derartige offensichtliche Unfähigkeit des eigenen! Apparates nicht mehr als lamoryante Floskeln übrig hat muss sich schon Fragen lassen ob Ihr die Bedeutung des von Ihr verantworteten Prozesses “demokratische Wahl” überhaupt bewusst ist.
Für mich ein Fall obligatorischen Rücktritts.
Ich kann alle geschilderten Vorkommnisse leider bestätigen und war gleichermaßen als langjährige Wahlhelferin über die schlechte Organisation der diesjährigen Wahl schockiert.
In Friedrichshain-Kreuzberg wurden zudem zeitweise falsche Wahlzettel des Bezirkes Charlottenburg-Wilmersdorf ausgegeben, was glücklicherweise frühzeitig von einer Wählerin bemerkt wurde, so dass wir “nur” 6 Stimmzettel als ungültig erklären mussten. Unsere Stimmzettel für die Berliner Wahl gingen bereits mittags zur Neige und mussten durch hohen persönlichen Einsatz selbst beschafft werden. Die zunächst erhaltenen Stimmzettel waren zudem sehr schlecht kopiert und enthielten im oberen Bereich sinnlose Angaben, wie “männlich, weiblich, divers”, die einige Wähler/innen irritierten. Diese “fehlerhaften” Stimmzettel sollten dann kurzzeitig als ungültig erklärt werden. Diese Entscheidung wurden jedoch augrund der hohen Verbreitung zurückgenommen. Der Wahltag endete dann mit der Unerreichbarkeit des Wahlamts, so dass wir, abgesehen von den Ergebnissen für die Bundestagswahl, für alle anderen Ergebnisse bis zum Ende keine Schnellmeldung durchführen konnten.
Es stellt sich aber schon die Frage, warum sich ein örtlicher Wahlvorstand die Stimmzettel nicht einmal vorher ansieht, dann hätte man den Fehler doch noch eher bemerkt. Und an dem von Herrn Waldhoff geschilderten Geschehen irritiert vor allem, dass es in seinem Wahllokal mehr Stimmzettel für die Bundestagswahl als für die Berliner Abstimmungen gab. Das ist doch völlig unlogisch. Bei uns wurde übrigens in einer Turnhalle abgestimmt. Könnte man, wenn man die Plätze großflächlich in der Halle verteilt, auf Wahlkabinen verzichten?
Nun ja, wer rechnet denn damit, falsche Stimmzettel ausgehändigt zu bekommen? Ich war selber Wahlvorsteher in einem betroffenen Wahllokal und bedauere, das Problem zu spät bemerkt zu haben.
Nunja, in der Schulung müsste man eigentlich gesagt bekommen, dass man die Stimmzettel vor Wahlbeginn prüfen muss. Sicher kommt es selten vor oder sollte nie vorkommen, daß falsche Stimmzettel an Wahllokale ausgegeben werden.
Willst du jeden Zettel einzeln auffalten und auf Druckfehler prüfen? Das ist wohl kaum leistbar.
Wir hatten bei uns im Kreis (NRW) bei der letzten Wahl zwischen x korrekten Packen einen mit Stimmzetteln des Nachbarwahlkreises. Das ist uns Wahlhelfern (!, aber nicht den Wählern) halbwegs zügig aufgefallen (<1h), aber trotzdem hatten wir dadurch natürlich eine enorm hohe Anzahl ungültiger Erststimmen.
Wenn man das aber einmal hatte, kontrolliert man danach jeden Packen. 😉
Sicher kann nicht jeder Stimmzettel aufgefaltet werden.
Ich meine eben die Packen. Das in einem Paket unterschiedliche Stimmzettel enthalten sein könnten, kann ich mir kaum vorstellen.
Wenn aber doch…
Nur zum Thema Schuldfrage, ich sehe sie auch nicht unbedingt bei der Landeswahlleitung. Im Sinne der Gesamtverantwortung schon, also stellt sie ihr Amt zur Verfügung.
Doch verbockt wurde es offenbar in einzelnen Bezirken. Schließlich kamen Unregelmäßigkeiten nicht flächendeckend vor.
Die Landeswahlleitung hätte ggf. vorher festlegen können, das mehr Kabinen als üblich bereitgestellt werden sollen.
Doch darauf hätten die Bezirke auch kommen können.
Und die Sache mit den fehlenden Stimmzetteln war eben auch nicht überall der Fall.
Ich würde mir da auch mehr Aufklärung wünschen. Verbockt wurde es doch da. Auch.
Dass die Angabe “männlich – weiblich – divers” Teil der repräsentativen Wahlstatistik ist, die in einigen Wahlbezirken durchgeführt wird, sollte man als Wahlhelfer aber schon wissen. Und unabhängig von der Desorganisation die es gab würde ich vom Wahlvorstand auch erwarten, dass zumindest jeder “Packen” Stimmzettel vor Verwendung einmalig geprüft wird.
Die besonders ausgezeichneten Stimmzettel sind für die repräsentative Wahlstatistik der Wähler in einzelnen Wahllokalen gedacht. Das wird vorher bestimmt und dem Wahlvorsteher angekündigt. Wir konnten unserem Nachbarwahllokal mit unserer Nachlieferung Stimmzettel leider nicht helfen, da sie eben die Zusatzangaben darauf benötigten.
“Einzige Konsequenz aus politischen, fachlichen und moralischen Gründen kann nur der Rücktritt der Landeswahlleiterin und ihrer Stellvertreterin sein. ”
Das Personalisieren eines systemischen Problems ändert nichts. “Dass die Wahl insgesamt alles in allem nur als mittelmäßig gut organisiert bezeichnet werden kann, überrascht mich als mit der Berliner Verwaltung vertrauter Berliner Bürger nicht.” Konsequenz sollte sein, dem grundsätzlichen Reformbedarf der “mittelmäßigen” Organisation der Verwaltung endlich anzugehen. Wenn die Verwaltung einer demokratisch verfassten Gesellschaft adäquat wäre, hätte sie z.B. nicht solche Bedenken, das Tromsö-Abkommen zu unterzeichnen.
Es geht hier m.E. in erster Linie nicht um das “Personalisieren” eines Problems, sondern hinsichtlich der Landeswahlleiterin um die Frage der Verantwortung. und des persönlichen Anspruchs. Strukturelle Probleme lassen sich zwar nicht durch “Personalisieren” lösen, da stimme ich Ihnen zu, aber um strukturelle Probleme zu bekommen, benötigt man häufig auch das Führungspersonal, das dazu passt.
Ergänzung aus Tempelhof-Schöneberg. Uns war bereits Wochen vor der Wahl zugesagt worden, dass am späten Vormittag Nachschub an Stimmzetteln kommen würde. Und er kam. (Wobei TS auch acht “Verteilzentren” quer durch den Bezirk eingerichtet hatte, um die Wegprobleme zu minimieren) Was die Anzahl der Stimmzettel anging, hätten wir noch ein paar Stunden weiterwählen können. Wir hatten drei Wahlkabinen, die auch ausreichten. Das Nadelöhr war eher das Abgleichen im Wählerverzeichnis und zum Ende hin viele Menschen, die mit Wahlschein und Briefwahlunterlagen aufliefen.
Vielen Dank für diesen guten Artikel. Ich würde in Bezug auf die Schuldfrage zu bedenken geben, dass die Prozesse in den meisten Bezirken offenbar gut funktioniert haben. In unserem Lokal in Neukölln gab es keines der hier geschilderten Probleme, einzig zusätzliche Wahlkabinen wären tatsächlich sinnvoll gewesen
Auch ich war Wahlhelfer in Tempelhof, bekam rechtzeitig genügend Wahlzettel zugestellt und nach Anforderung noch Wahlkabinen innerhalb von 12 Minuten gebracht. Leider passte nur eine weitere Kabine in den zu kleinen Raum. Für die Wartenden hatten wir draussen Stühle aufgestellt. Eine Panne gab‘s bei der Rückgabe der Wahlunterlagen im Rathaus Tempelhof: Hier mussten wir fast zwei Stunden warten ;(
Exakt. Wir hatten zwei zusätzliche Wahlkabinen improvisiert, aber es staute sich am Wählerverzeichnis. Allerdings haben wir in unserem Stimmbezirk nur wenige alte Leute. Wenn jemand in der Kabine besonders lange braucht, ist er ja in der Regel etwas desorientiert.
Vielen Dank für den ausführlichen Bericht zu den Vorkommnissen am Wahltag selbst. Diese Schilderung möchte ich gern um die bittere Erfahrung ergänzen, die ich im Vorfeld der Wahl mit der Briefwahl gemacht habe, die letztlich dazu geführt hat, dass ich mein Wahlrecht nicht ausüben durfte. Die Rede ist von deutlich verzögerten oder gar nicht erfolgten Zustellungen von Wahlbenachrichtigungen und Wahlunterlagen vor der Wahl. Ich bin selbst betroffen: Ich erhielt die Wahlbenachrichtigung sehr spät am Anfang September, die beantragten Briefwahlunterlagen wegen geplanter Abwesenheit vor und am Wahltag sind nie angekommen. Die Unterlagen kamen vor meinem Urlaub nicht an, so dass ich extra früher (am Wahltag) zurückkam, um persönlich zu wählen. Ich ging fest davon aus, dass sie in meiner Abwesenheit ankommen werden. Dem war nicht so. Am Wahllokal wurde ich zurückgewiesen, weil ich die Unterlagen nicht vorzeigen konnte. Laut Wahlhelferin vor Ort wurden „mehrere Personen“ aus gleichem Grund an diesem Wahllokal zurückgewiesen.
Ich konnte mittlerweile herausfinden, dass in dem Kreuzberger Mietshaus, in dem ich wohne, insgesamt weitere acht Personen ihre Wahlunterlagen nicht bekommen haben, sprich nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde. Erst auf die Beschwerde einer Mieterin am Montag vor der Wahl, hat eine Mitarbeiterin der Verwaltung die Unterlagen persönlich eingeworfen – das aber nur bei den von der Mieterin gemeldeten sieben Personen. Mein Partner und ich haben hiervon nichts mitbekommen und wurden bei der persönlichen Zustellung nicht berücksichtigt. Ich spreche nur von den mir bis heute bekannten Fälle des Mietshauses, es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass noch weitere Bewohner*innen betroffen waren. Jedenfalls wundere ich mich sehr, dass die Verwaltung nach einem Hinweis auf Nichtzustellung in einem Haus dies nicht zum Anlass nahm, zu überprüfen, ob weitere Bewohner*innen betroffen sind – beispielsweise wie mein Partner und ich, die nicht anwesend waren.
Neben den eigens erlebten Zustellungsproblemen wurde mir von zwei weiteren Fällen berichtet (auch Kreuzberg), dass Wahlunterlagen nicht ordnungsgemäß zugestellt wurden.
Insgesamt lässt das meines Erachtens befürchten, dass Zustellungsprobleme – zumindest in Kreuzberg- gehäuft aufgetreten sind und Betroffene möglicherweise ihr Wahlrecht nicht in Anspruch nehmen durften. In meinem Fall und dem meines Lebenspartners hat es jedenfalls dazu geführt, dass wir nicht wählen durften. Ich bin immer noch erschüttert, die Beschwerden bei der Landeswahlleitung und Bundeswahlleitung sind in Vorbereitung.
Da sind sie vielleicht aber auch falsch beraten worden im Wahllokal: in solchen besonderen Fällen sollten Sie auch ohne Wahlschein bis 16h im Bezirksamt noch wählen können
Vielen Dank für den Hinweis. Ich kannte diese Möglichkeit nicht. Ich frage mich allerdings, warum die Frist auf 16 Uhr des Wahltags gesetzt wird. Gibt es eine Begründung für die Verkürzung des Wahlrechts? Ich bin für Hinweise dankbar, in welchem Gesetz diese Frist geregelt ist.
Für uns kam das ohnehin leider nicht infrage, da wir erst um 17 Uhr am Wahllokal erscheinen konnten.
Da die Verteilung der bevorzugten Parteien der Briefwähler (bei denen seit Jahren kein Abgleich mit der Wahlliste mehr statt findet ob es diese überhaupt gibt und wie oft diese eine Stimme ab geben) und denen die persönlich im Wahllokal erscheinen und bei denen ein Abgleich mit der Wählerliste statt findet, deutlich unterscheiden, bewirkt das sicher schon eine Beeinflussung der Zusammensetzung des Stimmergebnisses, wenn man eine der beiden Gruppen bei der Möglichkeit der Stimmabgabe behindert und die andere Gruppe nicht. Hier würde es wohl möglich helfen die in der Kriminalistik oft hilfreiche Frage “Wem nützt es” zu stellen.
Das stimmt nicht. Briefwähler werden als solche auf der Wahlliste gekennzeichnet (mit “W” für Wahlschein) und dürfen im Wahllokal nur wählen, wenn sie ihren Wahlschein mitbringen und abgeben. Wer einen Wahlschein bekommen hat, kann keinen zweiten beantragen. Eine Doppelwahl ist nicht möglich.
Äh, eine Briefwahlstimme ist nur gültig, wenn der unterschriebene Wahlschein dabei liegt. Sonst wird sie nicht gezählt. Sie können nicht mehrfach bei einer Wahl teilnehmen
Ich konnte mangels ausreichender Wahlscheine überhaupt nicht für das Abgeordnetenhaus wählen!
Auf meine Einladung wurde schriftlich bestätigt: “Die Wahl für das Abgeordnetenhaus konnte nicht vollzogen werden.”
Mein Wahllokal (111) war in der Grundschule Pankow-Rosenthal (Kastanienallee 59). Als ich gegen 13 Uhr wählen wollte, war die Schlange einfach zu groß. Gegen 17 Uhr habe ich einen zweiten Versuch gestartet. Von einem Wahlhelfer hieß es, dass die Wahlscheine ausgegangen seien und auf eine Nachlieferung gewartet wird; man sollte kurz vor 18 Uhr wiederkommen. Mit mir zog eine alte Frau mit Rollator ab, ob sie überhaupt wiedergekommen ist, weiß ich nicht. Als ich kurz vor 18 Uhr erneut erschien, hieß es, dass die Wahlscheine immer noch nicht eingetroffen seien und man auch nicht wisse, ob diese überhaupt noch eintreffen werden; man solle sich aber sicherheitshalber registrieren lassen. Ich habe mich dann in die Schlange gestellt. Mittlerweile war es kurz nach 18 Uhr. In den Wahlräumlichkeiten stellte sich dann heraus, dass zumindest die Wahlscheine für die Bundestagswahl und den Berliner Volksentscheid vorrätig waren; lediglich die Wahlscheine für das Berliner Abgeordnetenhaus fehlten.
Ich habe dann zumindest meine Stimmen für die Bundestagswahl und den Volksentscheid abgegeben und bestätigt bekommen, dass die Wahl für das Abgeordnetenhaus nicht vollzogen werden konnte.
Wieviele Menschen durch lange Schlangen oder die Aussage, dass überhaupt keine Wahlscheine vorrätig sind, von der Wahl abgehalten worden sind, lässt sich nicht beziffern.
Ich finde es aber schlimm, dass durch eine solch katastrophale Organisation Verschwörungstheoretikern Vorschub geleistet wird. Und wie würden wir uns aufspielen, wenn dies in anderen Länder (z.B. Russland) passiert!? Würden wir nicht sagen, dass bei der Wahl jede Menge Barrieren aufgebaut wurden, um die Menschen an der Wahl zu hindern!?
Ich bin jedenfalls sehr enttäuscht…
Besten Dank für diesen Einblick! Ich möchte korrigierend anmerken, dass die Zuständigkeit der Bezirkswahlämter meiner Wahrnehmung nach größer ist als Sie dies schildern. Ich war als Wahlhelfer in Lichtenberg im Einsatz, und wir hatten mehr als ausreichend Wahlzettel zur Verfügung (420 von knapp 600 Wahlberechtigten ohne Wahlschein sind zur Wahl erschienen, am Ende hatten wir noch mehrere hundert ungenutzte Stimmzettel übrig). Auch die Schnellmeldung sowie die Abgabe der Unterlagen nach Auszählung im Bezirkswahlamt verlief deutlich reibungsloser als zuletzt bei der Europawahl – hier möchte ich dem BWA Lichtenberg ein großes Kompliment machen!
Einzig den Kritikpunkt mit den langen Schlangen teile ich – auch das war bei uns ein Problem, welches aber pragmatisch (Stühle, Vorziehen besonders beeinträchtigter Personen) gelöst werden konnte. Ich stimme Ihnen zu, dass man das gute Wetter aber nicht einpreisen darf und regenfeste Lösungen gebraucht hätte – wir hätten die Schlange dann vermutlich durch die gesamte Kita, in der unser Wahllokal lag, ziehen müssen, das wäre dann aber aus Pandemiemaßnahmengründen wieder schwierig geworden…
Explizit zustimmen möchte ich, dass die Gleichzeitigkeit des Berlin-Marathons völlig unnötig war und sich hoffentlich in Zukunft nicht wiederholt. Ob ein Rücktritt der Landeswahlleiterin und ihrer Stellvertretung die Durchführung künftiger Wahlen tatsächlich verbessert, weiß ich nicht.
Vor allem litten die Bezirkswahlämter ganz offensichtlich unter Personalnot.
“Dass in der Hauptstadt […] es nicht möglich erscheint, demokratische Wahlen angemessen zu organisieren” ist übertrieben: Normalerweise laufen Wahlen auch in Berlin völlig routinemäßig und reibungslos ab, gerade im Vergleich mit den USA. Angemessen organisierte Wahlen sind auch in Berlin nicht nur möglich, sondern die Regel. Wie im Artikel geschildert, sind die Störungen ja auf das ungewöhnliche Zusammentreffen mehrerer besonderer Umstände zurückzuführen. (Der Wunsch, dass die Verwaltung auf außergewöhnliche Umstände angemessen reagieren möge, sei natürlich unbenommen: Die Hoffnung stirbt zuletzt.)
Wir sollten Wahlen in Berlin grundsätzlich nicht mit Wahlen in den USA vergleichen.
Danke für den wichtigen und nur allzu berechtigten Artikel. So etwas wie diese Wahl habe ich noch nicht erlebt. Ich musste 45 Minuten anstehen. Ich bin 84 Jahre alt und herzkrank und es ist mir wirklich schwer gefallen. Die Wahl fand im Gemeindesaal einer katholischen Kirche statt. in dem Raum waren zwei Wahllokale (716 und 717) und es gab für jedes Wahllokal nur zwei Kabinen. Das war die Stelle, wo der Stau entstand. Eine oder zwei weitere Kabinen pro Wahllokal hätten in dem großen Raum bestimmt noch Platz gefunden und den Ablauf beschleunigt.
Ich finde es unerhört, dass die Landeswahlleiterin so tut, als ginge das Ganze sie nichts an.
Ich finde die geschilderten Zustände auch sehr peinlich und untragbar, kann sie aber nicht bestätigen, da ich per Briefwahl gewählt habe. Und auch bei Wahlen, die reibungslos ablaufen, steht man meiner Erfahrung nach etwas an. Deshalb verstehe ich nicht, wieso nicht deutlich mehr Personen (insbesondere Alte und/oder Kranke bzw Familien mit Kindern) die kostenlose und absolut unproblematische Art der Briefwahl machen.
Zur Ergänzung: auf dem Twitter Account der DW&Co Enteignen Kampagne wurde vor ca. 2 Wochen berichtet, das Briefwähler*innen teilweise keine Stimmzettel für den Volksentscheid erhalten haben. In welchem Umfang das passiert ist, kann ich nicht einschätzen. Es zeigt aber, das nicht erst am Wahltag Probleme aufgetaucht sind.
Wäre es denkbar, die Wahlzettel generell vorab zuzustellen? Damit könnten diese bereits zuhause ausgefüllt werden, und es gäbe es zumindest das Problem mit den Wartezeiten und den fehlenden Wahlzetteln nicht mehr.
Ein Missbrauch ist unterbunden, da das wichtigste Dokument, der Wahlschein, nicht dabei ist.
Eine (logische) Weiterentwicklung wäre ein System wie in der Schweiz, wo sämtliche Unterlagen einschliesslich Wahlschein rund 3-4 Wochen vor der Wahl versandt werden; der unterschriebene Wahlschein muss dann in der Briefwahl beigelegt, bzw. im Wahllokal abgegeben, bevor die Wahlzettel in die Urne gelegt werden. Eine erhöhte Sicherheit könnte erzielt werden, wenn die Wahlzettel unmittelbar vor dem Einwurf in die Urne auf der Rückseite durch einen Wahlhelfer abgestempelt werden.
Doch, ein Missbrauch ist möglich, da die Stimmzettel von anderen ausgefüllt werden könnten. Das ist ein generelles Problem der Briefwahl. Daher erhält man im Wahllokal auch neue Stimmzettel, wenn man mit Wahlschein wählt, und muss die alten zerreißen.
Ich war eine wahlhelfende Person für Briefwähler. Leider wurden von der Verwaltung in meinem Bezirk teilweise für die Bundestagswahl Wahlzettel aus einem falschen Bezirk verschickt. Damit war manche Erststimme ungültig. Die Nonchalance, mit der dies passiert ist, fand ich erschreckend. Schließlich wurde so ein Verwaltungsfehler auf Kosten des Stimmrechts korrigiert.
Dem transalpinen Podcast der Zeit habe ich entnommen, dass in der Schweiz alle Wahlunterlagen vorab an die Meldeadresse geschickt werden, so dass Mensch sich in aller Ruhe mit den Wahlvorschlägen beschäftigen kann. Dies kenne ich als Bürger Baden-Württembergs auch von der hiesigen komplizierten Kommunalwahl (so viele Stimmen wie Sitze im Gemeinderat, Möglichkeit zu kumulieren und panaschieren).
Vielleicht wäre es angebracht unsere Wahlen entsprechend überall anders aufzustellen #paradigmenwechsel
In Hamburg werden bei Bürgerschafts- und Bezirkswahlen ebenfalls Musterstimm-Hefte (sic) mit den Wahlbenachrichtungen verschickt. Allerdings sind das eben auch ganze Hefte, kein Vergleich zu dem ja noch überschaubaren Stimmzettel der Bundestagswahl.
Sie schreiben: “Einzige Konsequenz aus politischen, fachlichen und moralischen Gründen kann nur der Rücktritt der Landeswahlleiterin und ihrer Stellvertreterin sein. Es ist bezeichnend für die politische Kultur Berlins, dass das in der Öffentlichkeit kaum gefordert wird.”
Das liegt möglicherweise an den Rechtsgrundlagen für das Amt des Landeswahlleiters.
Der Landeswahlleiter ist kein Politiker oder politischer Beamter, der von seinem Amt zurücktreten kann. Nach der Landeswahlordnung wird er vom Senat bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der jeweiligen Wahl bestellt und übt das Amt, wenn er (wie in der Regel) ein Beamter ist, nebenamtlich aus.
Die derzeitige Landeswahlleiterin war zum Beispiel zunächst Beamtin bei der Senatsverwaltung für inneres und ist jetzt Beamtin beim Rechnungshof. Wenn der Senat zu der Auffassung gelangen sollte, dass die Landeswahlleiterin ihren Aufgaben nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, kann er sie von ihrem Amt entbinden und einen neuen Landeswahlleiter bestellen. Einen eigenen Antrag der Landeswahlleiterin auf Entlassung aus dem Amt, der wohl einem “Rücktritt” gleichkäme, sieht die Landeswahlordnung nicht vor. Die Landeswahlleiterin könnte allenfalls einen Antrag auf Entlassung aus dem Dienstverhältnis als Beamtin stellen. Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wäre allerdings mit so erheblichen Nachteilen wie dem Verlust aller Versorgungsansprüche verbunden, dass ihr dieser Antrag selbst bei schwerwiegenden Versäumnissen in ihrem Nebenamt nicht zuzumuten wäre.
Bei der Frage, ob der Landeswahlleiterin überhaupt erhebliche Versäumnisse zur Last fallen, kommt es auf die gesetzliche Verteilung der Zuständigkeiten durch die Landeswahlordnung an. Die meisten der von Ihnen geschilderten Vorkommnisse und Missstände dürften in der Verantwortung der Bezirkswahlämter liegen, denen die technische Durchführung der Wahl in erster Linie obliegt. Der Landeswahlleiter hat nur begrenzte Möglichkeiten, auf das Verfahren in den einzelnen Wahlkreisverbänden (Bezirken) oder gar auf das Verfahren in den einzelnen Wahlkreisen Einfluss zu nehmen. Erst recht nicht hat es der Landeswahlleiter zu verantworten, wenn der Gesetzgeber mehrere große Wahlen (Bundestag, Abgeordnetenhaus, BVV) und eine Voksabstimmung auf einen Tag legt und die Verwaltung zugleich eine Massenveranstaltung (Marathon) mit mehreren zehntausend Teilnehmern und großflächiger Absperrungen der zentalen Verkehrswege stattfinden lässt. Wenn die Verantwortung für die Missstände schon auf eine Person konzentriert werden soll, dürften die Landeswahlleiterin und ihre Stellvertreterin jedenfalls nicht unbedingt die richtige Adresse sein.
Wahlvorsteher in Berlin-Lichtenberg hier: Bei uns lief zwar alles relativ nach Plan (keine fehlenden Stimmzettel, usw), aber dieser Plan war offensichtlich kein guter. Wir hatten nur zwei Wahlkabinen, und zu allem Überfluss waren diese auch noch so aufgebaut, dass die Stimmzettel auf den Boden rutschten, also hatten wir eine riesige Schlange vor dem Wahllokal (zeitweise rund eine Stunde Wartezeit). Das Bezirkswahlamt konnte uns auch nach Anfrage keine zusätzlichen Wahlkabinen zur Verfügung stellen, also konnte ich nichts anderes machen, als den wartenden ein paar Bänke, die ich so auf dem Schulhof auftreiben konnte hinzustellen, damit sich die doch meist recht betagte Bevölkerung hinsetzen konnte. Zudem sind auch noch weder der Schriftführer und der Stellvertreter erschienen, und es konnte kein Ersatz gestellt werden, da in anderen Wahllokalen teilweise 5 Leute oder mehr fehlten, also musste ich meine Beisitzer binnen weniger Minuten umschulen, was zur Folge hatte, dass die Wahlhelfer in meinem Wahllokal mangels richtiger Schulung mit der Situation teilweise doch sehr überfordert waren, auch bei der Auszählung, bei der übrigens keine der 4 geschalteten Hotlines erreichbar waren, da überlastet. Ich hoffe insgesamt, dass die Versäumnisse lückenlos aufgeklärt werden, und daraus die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Ich werde es mir jedenfalls nach dieser Erfahrung, bei der ich als Wahlhelfer alle Versäumnisse der Wahlleitung ausbaden musste, sehr gut überlegen, ob ich wieder bei der nächsten Wahl als Wahlhelfer arbeiten will.
Unabhängig von den sonstigen Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung der Wahlen in Berlin gibt es noch einen weiteren Punkt, der mich als Wahlhelfer bei der Briefwahl in Mitte wirklich getroffen hat: Das völlige Fehlen eines Sicherheitskonzeptes.
Mehrfache Anfragen im Vorfeld blieben unbeantwortet und am Wahltag wurden meine schlimmsten Befürchtungen wahr: Hunderte Wahlhelfende wurden eng an eng für 9+ Stunden in einen unbelüfteten Raum gesetzt. Weder 2G noch 3G. Keine Tests. Deutlich mehr als die Hälfte ohne Maske. Kein Check-in. Nichts.
Ich empfinde das als massiven Vertrauensbruch von Seiten der Wahlleitung. Es war für mich das erste und sicher das letzte Mal, dass ich für diese Aufgabe zur Verfügung stehe (mit meinem Entsetzen war ich vor Ort nicht alleine). Die Leichtfertigkeit, mit der die Gesundheit der Wahlhelfenden hier mitten in einer Pandemie aufs Spiel gesetzt wurde spottet jeder Beschreibung.
Ich habe mich ebenfalls gefragt, warum ausgerechnet im Pandemiejahr die Auszählung der Briefwahlstimmen nicht wie sonst (so wurde mir berichtet, ich selbst war zum ersten Mal dabei) in separaten Klassenzimmern erfolgte, sondern in meinem Fall für diverse Briefwahllokale mit jeweils 8-10 Leuten in der Mensa der Beuth Hochschule. Insgesamt waren wir bestimmt 100-150 Leute in einem Raum ohne Vorgaben zu 2 oder 3G. Ganz nebenbei auch für die Konzentration und die Abläufe nicht gerade förderlich.
Ich kann nicht nachvollziehen, wie es zu “[d]eutlich mehr als die Hälfte ohne Maske” kommen konnte in Ihrem Bezirk.
Ich war Helfer in einem Hamburger Innenstadt-Wahlbezirk, also vermeintlich ähnliche Struktur. Unter gut 450 Wählern vor Ort war genau einer ohne Maske unterwegs – und der hatte ein Attest.
Einer der vielen Punkte, die ich nicht verstehe: Man weiß, wie viele Menschen pro Bezirk wahlberechtigt sind. Man weiß, wie viele Menschen bis zum Wahltag ihre Wahlunterlagen für die Briefwahl angefordert haben. Man weiß, dass ein Marathon stattfindet, der den Verkehr lahmlegt. Und man weiß, dass mehrere Wahlen gleichzeitig abgehalten werden. Warum hat man nicht von Anfang an jedes Wahllokal mit ausreichend Stimmzetteln und Wahlkabinen ausgestattet? Man musste doch davon ausgehen, dass Nachlieferungen schwierig werden. Das ist ein Organisationsverschulden, das nicht zu rechtfertigen ist, aber den Zustand der Berliner und vielleicht sogar der gesamten Verwaltung in Deutschland widergibt.
Soeben ist die Landeswahlleiterin zurückgetreten – ganz massgeblich wohl auch wegen dieses Beitrages – schön dass gute, wortgewaltige Argumente doch noch etwas bewirken können: Danke Christian – Danke Verfasungsblog!
Na ja. Hier schlägt man den Esel, obwohl man besser den Sack schlagen sollte. Die Verantwortung liegt doch offensichtlich anderswo. Jeder vernünftige Landeswahlleiter musste hier sagen (und hat es hier vielleicht sogar gesagt), dass der Marathon nicht am Wahl- und Abstimmungstag stattfinden kann, ohne desen Durchführung massiv zu gefährden. Dem Senat war es offensichtlich wichtiger, diese Kommerz-Veranstaltung abhalten zu lassen, als einen ordnungsgemäßen Wahlablauf zu gewährleisten. Das spricht eigentlich für sich.
Der Marathon war mir als Wahlvorsteher eines Urnenwahllokals bereits bei der Wahl 2017 ein Dorn im Auge, mit Behinderungen verschiedenster Art war meiner Ansicht nach zu rechnen.
In Neukölln gab es 2021 pandemiebedingt keine Präsenzschulung für Wahlvorsteher und Schriftführer. Die Schulungsvideos und Hilsdokumenten auf Papier waren teilweise leider sehr widersprüchlich und irritierend. Auf das “Corona-Konzept” hatte ich leider erst am Tag vor der Wahl Zugriff. Da ich schon viele Male Wahlvorsteher war, kam ich zwar zurecht, aber bei Neulingen in diesem Ehrenamt kann ich mir vorstellen, dass da schon sehr schnell Überforderung eintrat.
Unsere beiden Schriftführerinnen hatten spontan am Morgen der Wahl abgesagt, aus Mangel an Aushilfswahlhelfern gab es leider auch keinen kompetenten Ersatz durch das Bezirksamt. Durch meine langjährige Tätigkeit als Wahlvorsteher konnte ich diesen Mangel zusammen mit Beisitzern kompensieren, aber wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich mich lieber an anderen Stelle eingebracht. Immerhin konnten wir die Schlange relativ zügig abarbeiten, aber es war etwas erschöpfend für alle.
Irritiert hat mich, dass ich stundenlang die Schnellmeldungen mit den Wahlergebnissen telefonisch nicht übermitteln konnte, da die Hotline überlastet war. Ich habe ca. 30 Anrufversuche im Anrufverlauf gezählt.
Am 28. September 2025 ist wieder ein Berlin Marathon und evtl. Bundestagswahl. Nur falls jemand dann in 4 Jahren nachschlägt warum es wieder vergeigt wurde.
Sicher ist der Marathon ein logistisches Hindernis für jegliche Art von Wahl oder Volksentscheid in dieser Stadt. Der Termin stand aber bereits fest, da wußte der Bundeswahlleiter gerade mal das Wahljahr 2021. Berlin hatte ja wohl auch Bedenken wegen der Überlagerung beim Bundeswahlleister angemeldet. Der hat selbige aber ignoriert.
Nicht nur das Wahljahr, auch der grobe Wahltermin (innerhalb eines Zeitraums von 2 Monaten) steht gemäß Grundgesetz schon seit Zusammentritt des letzten Bundestags 2017 fest (vorbehaltlich des in Deutschland sehr seltenen Falls vorgezogener Neuwahlen).
Zudem ist es seit Jahrzehnten Konvention, den Wahltermin innerhalb des zulässigen 8-Wochenzeitraums auf einen Termin zu legen, an dem keine bzw. möglichst wenige Bundesländer Schulferien haben. Da die Schulferientermine auch schon Jahre im Voraus festgelegt werden, war ein Termin entweder am 19. oder am 26. September (nach dem Ende aller Sommerferien, vor dem Beginn aller Herbstferien) seit Jahren absehbar, es gab also von Vornherein ein 50%iges Risiko einer Kollision mit dem Marathon.
Und die endgültige Entscheidung zwischen diesen beiden möglichen Terminen wurde Ende 2020 mit Zustimmung der Länder (!) getroffen: https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-2021-wahltag-1.5120850
Die Pannen passierten bereits vor der Wahl. Auf meinem Wahlschein fehlte das Dienstsiegel. Das Bezirksamt teilte mir auf Anfrage mit, das Problem sei bekannt und die betroffenen Wahlscheine trotzdem gültig. Ich hoffe, dass alle Wahlvorstände darüber informiert waren und die betroffenen Briefwahlstimmen gezählt wurden. In der gestrigen RBB Abendschau wunderte sich eine Juristin, dass es in ihrem Briefwahllokal mehr als 100 Wahlscheine ohne Dienstsiegel gab (sie sagte allerdings nichts zur Gültigkeit).
Ich verstehe nicht wie Mann diesen Wahlbetrug immernoch schön reden kann, ach ja wir sind in Deutschland da gibt es ja kein Wahlbetrug das existiert nur in anderen Ländern.
1. Es gab genung die nicht Mal ein Stimmenzettel bekommen haben obwohl sie Wahlberechtigt sind.
2. Leute werden nach Hause geschickt damit sie ihre Stimmen nicht abgeben können
3. Wahlergebnisse kurz nach 18 Uhr schon veröffentlichen ob wohl noch Leute wählen
Wenn das kein Wahlbetrug ist, was ist es dann ? Die Wahl muß eigentlich somit bundesweit wiederholt werden. Oder wir schwören der Demokratie ab und werden zu einer Demodiktatur.
Ich glaube bei Ihnen gehen einige Sachendurcheinander: Von Wahlbetrug kann man meiner Meinung nach nicht sprechen, dafür fehlt die Zielrichtung (bestimmte Wähler oder Parteien zu treffen). Die “einfache” Erklärung ist die Unfähigkeit Berliner Ämter und das Zusaamentreffen zahlreicher widriger Umstände, auf die die Verwaltung teils und teils nicht Einfluss gehabt hat. Ihr 2. Punkt ist außerdem nicht mal ein Wahlproblem, da der Effekt einerseits vermutlich klein ist und vom Gesetzgeber einkalkuliert wurde. Egal durch welche Zustände man erst nach 18 Uhr wählen kann, die Stimme ist gültig, sofern man vor 18 Uhr am Wahllokal stand. Alles andere (nämlich das Nicht-wählen dürfen) wäre ein deutlich größerer Makel.
Warum sollte man deswegen die ganze Bundestagswahl wiederholen? Zunächst muss man die Probleme unterscheiden nach der Wahl, die sie betreffen. Eine Wahlwiederholung in den Bezirken, wo es signifikante Probleme gab, ist durchaus möglich, dafür muss aber die genannte Mandatsrelevanz vorliegen. Stellen Sie sich doch einmal vor, wenn wir das nicht so handhaben würden: Ein feindlicher Akteur könnte dann durch das Manipulieren nur weniger Bezirke effektiv die Neuwahl z.B. des Bundestages verhindern, wenn wir so handeln würden wie sie es vorschlagen. Das erscheint mir kein praktikables Mittel zu sein um auf Missstände in Wahlbezirken zu reagieren. Verhältnismäßig ist das sowieso nicht.
Korrektur: Gemeint war Ihr 3. Punkt. Dazu vielleicht noch eine Ergänzung: Aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlage hätte man es meines Wissens nach den Umfrageinstituten nicht einmal verbieten können ab 18 Uhr zu berichten. Juristen mögen mich korrigieren, wenn das doch möglich gewesen wäre.
Gem. Art. 54 Abs. 5 VvB tritt das neue Abgeordnetenhaus spätestens 6 Wochen nach der Wahl (also am 7. November) zusammen.
Für eine mögliche Anfechtung der Wahl in Berlin muss zunächst das amtliche Endergebnis abgewartet werden, das am 14. Oktober vom Landeswahlausschuss festgestellt werden soll.
In Berlin wurden einzelne Wahlkreise durch wenige Stimmen entschieden, somit ist meiner Einschätzung nach auch von mandatsrelevanten Unregelmäßigkeiten auszugehen.
Frage: Wirken sich möglich Nachwahlen auf die Frist aus oder ist der 07. November in jedem Fall das späteste Datum für die konstituierende Sitzung des neuen Abgeordnetenhauses?
Wolln mer net vergesse, dass die Post anscheinend die abgegebenen Stimmen von wohl circa 500 Briefwählern aus drei Bundesländern verbummelt hat, unter anderem auch aus Berlin, die man der Einachheit halber dann lieber unter den Tisch hat fallen lassen; ich wäre nicht überrascht, wenn da am Ende tatsächlich im Ergebnis eine potentielle Mandatsrelevanz herauskäme.
Ein sehr interessanter Beitrag. Ich selbst habe mich wegen kurzfristigen Umzugs innerhalb Tempelhof-Schönebergs für Briefwahl entschieden. Leider erreichte mich die Wahlbenachrichtigung trotz Nachsendeaufträgen bei der Post und PIN AG bis Mitte September überhaupt nicht, so dass ich nur durch Hinterhertelefonieren beim Wahlamt überhaupt noch Briefwahlunterlagen erhalten habe. Damit konnte ich immerhin wählen. Hätte ich mich aber nicht so intensiv darum gekümmert, wäre es am Wahltag sicher auch schwierig geworden. Die anderen Kommentare zeigen, dass diese fehlenden Versendungen der Wahlunterlagen ja wohl bei weitem kein Einzelfall waren. Die gesamte Wahl war offensichtlich von vorne bis hinten mangelhaft organisiert.
Die chaotischen Zustände am Wahlsonntag habe ich aus zwei Perspektiven heraus erlebt. Einmal als Wählerin, die es letztlich nicht geschafft hat, ihr Wahlrecht auszuüben. Denn, nach 90 min des Wartens habe ich meinen Wahlversuch aufgegeben, weil ich wahrscheinlich noch weitere 90 min benötigt hätte, um meine Stimme abzugeben und dadurch sonst nicht mehr pünktlich an meinen Einsatzort als Briefwahlhelferin gelangt wäre.
Die zweite Perspektive ist also die der Wahlhelferin. Angefangen von der “Schulung” die ihren Namen nicht verdient, über massive Probleme bei der Organisation der Räumlichkeiten bis hin zur verstörenden Beobachtung, dass “Wahlsieger” nach 19:00 Uhr schon feierten während die Auszählung bei uns noch gar nicht begonnen hatte habe ich diese Wahl als einen demokratiezerstörenden Vorgang erlebt.
In der DDR musste ich 1989 die viel kritisierten Wahlen zur Volkskammer erleben. Im Vergleich zu den aktuellen Vorgängen war das damalige Vorgehen m.E. absolut harmlos. Jetzt haben wir es mit einer völlig neuen Dimension zu tun, die noch gar nicht bis in alle Ecken und Enden beleuchtet wurde. Dafür braucht es sicher auch noch Zeit.
Aus diesen Beobachtungen heraus und meiner großen Sorge um den Zustand unseres Wahlsystems und der Demokratie insgesamt möchte ich mich als Bürgerin und Wählerin unbedingt für eine Verbesserung unseres Wahlsystems und der praktischen Arbeiten rund um die konkrete Umsetzung einsetzen. Unser Wahlrecht wird oft als höchstes Gut gepriesen, gerade auch, wenn ich den Blick auf die schlimmen DDR-Erfahrungen lenke. Deshalb möchte ich mich dafür einsetzen, dass dieses Gut auch geachtet und geschützt wird. Bislang habe ich dafür noch kein Forum gefunden. Daher freue ich mich über Anregungen.
Please forgive me for not being able to write properly in German, which I can, however, read without difficulty. Prof Waldhoff and similarly those commenters who volunteered to act as ‘voting assistants’ are to be greatly admired for their civic and democratic commitment. The shortage of voting booths and lack of ballots (or wrong ballots) are embarrassing matters of regret with consequences that cannot be redressed, but I trust that in the future these can be provided properly with just a little logistical foresight. Kudos to verfassungsblog.de for publishing this.
Stell . Wahlvorsteherin Briefwahlauszählung in den Messehallen hier: Hier gab es ein 3-D-Konzept mit Überprüfung der Nachweise und entsprechenden farbigen Armbändern, am Tisch durfte die Maske abgenommen werden, beim Herumlaufen (Toilette, Imbiss) mußte sie getragen werden. Hunderte Briefwahlhelfer:innen mit Dienst in 3 Messehallen sollten um 14 Uhr eingetroffen sein, wer aber nicht um 13.30 Uhr bereits vor Ort war, stand nun wg. der Kontrollen anderthalb Stunden in den Schlangen, so daß viele Vorsteher:innen nicht alle an ihrem Tisch zusammen einweisen und die vorbereitenden Maßnahmen (Wahlscheinüberprüfung) nicht mit allen gemeinsam durchgeführt werden konnten. Manche Tische hatten Briefe von falschen Bezirken und mußten fast 2 Stunden auf ihre Briefe warten. Fast alle litten wohl unter kurzfristigen Absagen von Helfer:innen, zum Durchfaxen(!) der Zwischenergebnisse standen die Vorsteher:innen regelmäßig in langen Schlangen, weil die Leitungen überlastet waren. Ich habe aber nicht von gravierenden Problemen gehört, die Stimmung war sehr gut, die Sache war wirklich gut organisiert und lief sehr geordnet ab, es waren erfreulicherweise sehr viele junge Leute da, und bis 1 Uhr waren wohl auch die letzten Gruppen durch. Für unseren Tisch war es ein sehr positives Erlebnis.
Zur Mandatsrelevanz:
Frau Lötzsch/Linke ist mit knapp 9000 Stimmen Vorsprung (6,2%) gewählt.
Ohne dieses 3. Direktmandat verfallen 4,9% der Wählerstimmen und die Partei ist auf 2 Direktmandate herunter.
a) Eine Änderung des Bundestages um 37 von 736 MdBs ist wohl durchaus relevant.
b) Wie wäre es zu beurteilen, wenn im Zuge einer Wahlwiederholung (der BTW, nur Berlin, aber ganz Berlin) etwa die CDU auf ihren Direktkandidaten im WK 086 verzichtet bzw. zur Splittung zu Gunsten der SPD aufruft – um dem linken Lager insgesamt damit allerdings effektiv zu schaden: Zulässig? Konsequenz des Verfalls der 37 Listenmandate “Die Linke” folgerichtig? Zwingend?