Z-Symbol, russische Flagge und Georgsband
Was auf prorussischen Demonstrationen verboten werden darf und wann die Rechtsordnung wehrhafter ist als manche Behörde meint
Seit Wochen rufen prorussische Demonstrationen auf deutschen Straßen im In- und Ausland scharfe Kritik hervor. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat ihre Duldung als „Riesenblamage Deutschlands“ bezeichnet und gefordert, das „Tragen aller offiziellen Symbole eines Aggressor-Staates“ zu verbieten. Tatsächlich konzentriert sich die Diskussion in Deutschland bislang zu sehr auf das überwiegend für strafbar gehaltene Z-Symbol. Denn das Gesetz scheint weitergehende Einschränkungen zu erlauben – die rechtlichen Grenzen sind jedoch nicht leicht zu ziehen. Behörden in Frankfurt und jetzt auch Berlin haben ein Versammeln in Form eines Autokorsos ausgeschlossen, andere Behörden (z.B. in Lörrach wie zuvor Berlin) hielten dies bislang nicht für möglich. Insbesondere mit Blick auf den „Tag des Sieges“ am 9. Mai, an dem prorussische Großdemonstrationen erwartet werden, stellt sich deshalb die Frage: Was ist erlaubt und was dürfen Behörden untersagen?
Gefahr für die öffentliche Ordnung nur im Ausnahmefall
Die breite öffentliche Bestürzung über prorussische Demonstrationen scheint darauf hinzudeuten, dass die öffentliche Ordnung berührt ist. Doch für an den Inhalt einer Äußerung anknüpfende Beschränkungen, die an der Meinungsfreiheit zu messen sind, sind die Straftatbestände abschließend; sie können nicht auf Gefahren für die öffentliche Ordnung gestützt werden. Dies gilt „jedenfalls im Hinblick auf seit langem bekannte Gefahrensituationen“ (BVerfG, NJW 2001, 2072 (2074)), zu denen auch die gezeigte Unterstützung eines fremden Aggressor-Staates zählen dürfte, wie die Existenz des nicht auf deutsche Angriffskriege beschränkten Tatbestands der Billigung einer Aggression belegt.
Die öffentliche Ordnung kann nur Beschränkungen der Art und Weise der Versammlungsdurchführung begründen, und zwar dann, wenn sie „aggressives und provokatives, die Bürger einschüchterndes Verhalten“ und ein „Klima der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft“ verhindern (BVerfGE 111, 147 (157)). Diese für Neonazi-Aufzüge entwickelte Rechtsprechung erscheint zwar entwicklungsoffen; die Hürden sind aber angesichts der gerade dem Minderheitenschutz dienenden Versammlungsfreiheit hoch: Bejaht wird eine Gefahr etwa bei rechtsextremen Aufzügen an einem an das NS-Unrecht erinnernden Feiertag oder bei sich durch ihr Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der NS-Gewaltherrschaft identifizierenden Aufzügen (vgl. BVerfGE 111, 147 (157) mwN). Zweifellos verstören die Bilder von den mit russischen Flaggen geschmückten Autos vor dem Hintergrund des durch Putins Streitkräfte angerichteten Leids in der Ukraine. Manche – bei allen Unterschieden – erkennbaren Parallelen zwischen Putins Angriff und dem Überfall Nazideutschlands auf Polen sowie die deutsche Verantwortung für die krisengeschüttelte Geschichte der Ukraine machen zudem einen Bezug zur deutschen NS-Vergangenheit greifbar. Dennoch dürften die bisherigen prorussischen Versammlungen die hohen Maßstäbe eines einschüchterndes Klimas der Gewaltdemonstration nicht erreicht haben. Dass daran Anstoß genommen wird, beruht weniger auf der Art und Weise ihrer Durchführung als auf ihrer inhaltlichen Stoßrichtung: der Solidarisierung mit Putins Russland bei den gleichzeitig stattfindenden Verbrechen gegen und in der Ukraine.
Grenzen ziehen mag man mit Verweis auf die öffentliche Ordnung am ehesten bei Versammlungen, die gerade am Tag des Bekanntwerdens von mutmaßlich durch russische Streitkräfte begangenen Massakern wie dem in Butscha stattfinden. Gleiches mag für Versammlungen gelten, von denen eine spezifische Provokationswirkung ausgehen soll, etwa durch eine unmittelbar an Unterkünften ukrainischer Geflüchteter vorbeiführende Route. Ob hingegen bereits ein Hauptbahnhof, wie zum Teil gefordert, wegen der dortigen Ankunft vieler Geflüchteter einen entsprechend geschützten Ort darstellt, ist zweifelhaft, da Bahnhöfe nicht spezifisch diesem Zweck dienen.
Die wichtigste Grenze: Billigung einer Aggression als Gefahr für die öffentliche Sicherheit
Inhaltsbezogene Beschränkungen von Versammlungen richten sich daher nach den Strafgesetzen. Den wichtigsten Tatbestand bildet hier die Billigung von Aggression, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen (§§ 140 Nr. 2, 138 I Nr. 5 letzte Var., 126 I Nr. 3 Var. 3-5 StGB, §§ 6-13 VStGB). Daneben kommt ein Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression (§ 80a StGB) oder eine Volksverhetzung (§ 130 (1) und (2) StGB) in Betracht. Keine Rolle spielen die Tatbestände zu Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB), da es in den hier relevanten Fällen vor allem um Propaganda und Kennzeichen des russischen Staates, ukrainischer Teilgebiete oder um Symbole für den Angriffskrieg als solchen geht. Soweit Kennzeichen von Organisationen wie des Ordens des Heiligen Georg verwendet werden, wurden diese Organisationen bislang nicht in Deutschland verboten. Auch die Leugnungs- und Billigungstatbestände des § 130 (3) und (4) StGB sind weitgehend ohne Relevanz, da sie auf den Holocaust und das NS-Regime beschränkt sind.
Die für die Billigung einer Aggression erforderliche offenkundige Unvereinbarkeit des Gewalteinsatzes mit der UN-Charta (§ 13 (1) VStGB) wurde bereits an vielen Stellen dargestellt (z.B. hier und hier). Zur Störung des öffentlichen Friedens ist eine in Deutschland für die russische Aggression eintretende Gruppe wiederum dadurch geeignet, dass sie auf die Auflösung eines Rechtskonsenses über das Verbot von Angriffskriegen hinweist. Zusätzlich mag das Billigen die russische Regierung motivieren, ihren Angriffskrieg fortzusetzen, wodurch die Sorge vor einer Verwicklung Deutschlands in den Krieg wächst.
Die Schwierigkeiten stellen sich vielmehr beim Merkmal des „Billigens“ der Tat, das wegen Meinungsfreiheit und Bestimmtheitsgebot eng auszulegen ist. Zwar kann dieses auch konkludent erfolgen, doch muss die zustimmende Kundgebung bezüglich einer konkreten Straftat eindeutig und aus sich heraus, also „ohne Deuteln“ für einen durchschnittlichen Erklärungsempfänger verständlich sein (BGHSt 22, 282 (286 f)). Bejaht wurde dies etwa bei einem Mann, der mit seinen Kindern, die er mit Sprengstoffattrappen und Stirnbändern mit der Aufschrift „Nablus“ (stehend für Widerstand und Märtyrer) ausgestattet hatte, an einer Demonstration zum Thema „Solidarität mit Palästina“ teilnahm (LG Berlin, 12.5.2004 – (563) 81 Js 1640/02 (20/03)). Für möglich hält die Rechtsprechung dabei, dass die gebilligte Tat zwar nicht konkret bezeichnet wird, aber „durch ihre herausragende Prominenz und andauernde Bedeutung für den aktuellen politischen Diskurs praktisch jedem durchschnittlich informierten Adressaten sofort vor Augen steht“ wie etwa der Mord an J.F. Kennedy oder die 9/11-Angriffe (KG, 18.12.2017 – (2) 161 Ss 104/17 (6/17)).
Der Glaube an die russische Staatspropaganda dürfte einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Billigung einer Aggression im Wege stehen, weil der Vorsatz entfällt. Denn obwohl selbst die von Putin vorgeschobenen Tatsachen (notwendige „Entnazifizierung“, „ständige Bedrohung“ für Russland und Unabhängigkeit der Gebiete Donezk und Luhansk) die Invasion nicht rechtfertigten, dürfte eine daran glaubende Person die überwiegend verlangte Parallelwertung in der Laiensphäre vermissen lassen. Für die versammlungsrechtliche Auflage, eine den Angriffskrieg billigende Äußerung nicht zu tätigen, ist dies jedoch unerheblich. Schließlich soll das präventiv-polizeiliche Einschreiten zur Gefahrenabwehr objektive Rechtsverstöße verhindern und setzt kein vorsätzliches Handeln voraus (so auch Ridder/Breitbach/Deiseroth/Barczak, Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2020, § 15, Rn. 101).
Z-Symbol, Sankt-Georgs-Band und Flaggen
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass Versammlungen zu verbieten sind, deren Motto offen für eine Unterstützung des russischen Angriffskriegs oder anderer – von welcher Seite auch immer – begangener Völkerrechtsverbrechen eintritt. Bislang bezogen sich die Versammlungsmottos überwiegend auf die Diskriminierungen russischsprachiger Mitmenschen. Solche Versammlungen können also nicht pauschal untersagt werden. Dieses Thema dürfte auch nicht – zumindest nicht bei den meisten bisherigen Versammlungen – erkennbar nur vorgeschoben sein (dazu etwa BayVGHE 59, 213). Auch wenn Medien wiederholt die Invasion befürwortende Teilnehmende zitiert haben und ungesichert ist, wer die Versammlungen organisiert, scheint die Kritik an jener Diskriminierung – Kritik, für die es ja auch Anlass gibt – eines der zentralen Anliegen vieler Teilnehmer zu sein.
Insbesondere bei Symbolen erschwert aber die Wertungsfrage, ob der Bezug zur russischen Aggression eindeutig ist, die Rechtsanwendung. Das Z-Symbol, das überwiegend mit der Bedeutung „Za Pobedu“ („auf den Sieg“) belegt wird (hier zu weiteren Theorien), ist mittlerweile eindeutig zum Zeichen der Unterstützung der russischen Ukraine-Invasion geworden, sodass sein Tragen während einer Versammlung unmissverständlich als Billigen der Aggression verstanden und untersagt werden kann. Ob dies auch für den Buchstaben V gilt, wie etwa das Ordnungsamt Frankfurt annahm, erscheint schon weniger sicher. Doch spricht dafür, dass nicht nur das russische Verteidigungsministerium neben dem Z auch das V zum Symbol für den „Sieg“ erklärt hat, sondern darüber hinaus ein bei einer prorussischen Demonstration gezeigtes „V“ in Deutschland eindeutig als Victory-Symbol interpretiert und auf den aktuellen Krieg bezogen werden dürfte. Zu weit dürfte es indessen gehen, wie in Frankfurt und Niedersachsen auch das historische Militärabzeichen „Sankt-Georgs-Band“ zu verbieten. Denn obwohl dieses heute primär für die Unterstützung der Putin-Regierung steht, dürfte sich diese Bedeutung einem durchschnittlichen Beobachter in Deutschland (noch) nicht eindeutig erschließen.
Die Flagge der heutigen russischen Föderation zu zeigen dürfte auch dann nicht eindeutig die russische Aggression billigen, wenn dies bei einer Demonstration geschieht, deren Motto und Anlass einen Bezug zu diesem Krieg enthält. Denn damit kann auch schlicht Solidarität mit stigmatisierten russischsprachigen Menschen ausgedrückt werden. Anders dürfte dies bei der Flagge der Sowjetunion zu beurteilen sein. So vorsichtig Gerichte damit sind, historisches und politisches Wissen der Allgemeinheit vorauszusetzen, dürfte es angesichts der allgemein bekannten politisch-historischen Rechtfertigung Putins eindeutig als Gutheißen der Rückkehr zur alten Sowjetunion und so auch der Invasion verstanden werden, wenn bei einer Demonstration gegen Diskriminierung während des aktuellen Kriegs die sowjetische Flagge gezeigt wird (so wohl auch das niedersächsische Innenministerium). Zweifel bestehen hingegen bei den Flaggen der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk. Damit kann zwar eine Unterstützung des russischen Narrativs von ihrer Unabhängigkeit und damit des völkerrechtlichen Rechtfertigungsversuchs (kollektive Selbstverteidigung) naheliegen. Doch sind auch andere Lesarten denkbar, etwa der Wunsch nach Unabhängigkeit dieser Gebiete von der Ukraine wie von Russland. Zudem sind diese Flaggen in Deutschland nicht allgemein bekannt.
Zwischen „Rossija, Rossija“ und Siegesfeiern
Die bei vergangenen Demonstrationen vernommene Parole „Rossija, Rossija“ („Russland“) dürfte keine eindeutige Billigung des Angriffskriegs darstellen – anders als die Aussage, die Ukraine müsse „entnazifiziert“ werden. Dieses Propagandaelement hat einen hohen Stellenwert für die „Rechtfertigung“ der Invasion, sodass darin wohl ihre eindeutige Billigung zum Ausdruck kommt. Zudem dürfte darin eine Volksverhetzung gegen das ukrainische Volk nach § 130 (1) Nr. 1 StGB liegen, eine Relativierung des Holocausts (§ 130 (3) StGB) hingegen mangels ausreichenden Bezugs zur Shoah kaum. Der allgemeiner auf das NS-Regime zugeschnittene § 130 (4) StGB wiederum erfasst nicht das bloße Relativieren. Unproblematisch ist es aber, wenn sich ein Redner oder eine Rednerin mit den nationalistischen Elementen der ukrainischen Unabhängigkeitsbewegung auseinandersetzt – es kommt also auf den Einzelfall an.
Auch das Leugnen von Massakern wie in Butscha dürfte unter bestimmten Umständen unzulässig sein, soweit es gesicherte Erkenntnisse darüber gibt. So spricht viel dafür, die Grundsätze der Holocaustleugnung, die vor Einführung des expliziten Leugnungstatbestandes des § 130 (3) StGB entwickelt wurden, insoweit darauf zu übertragen als in der Leugnung eindeutig feststehender und an eines der Gruppenmerkmale anknüpfender Völkerrechtsverbrechen eine Volksverhetzung iSd § 130 (1) Nr. 1 und 2 StGB liegen kann. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn die Leugnung „qualifiziert“ ist, sie also beispielweise verbunden wird mit der Behauptung, das Massaker sei die Erfindung einer ukrainischen „Verschwörung“ (entspr. zur Holocaustleugnung BGH, NStZ 1981, 258). Zweifelhaft ist dagegen, ob die Rechtsprechung übertragbar ist, nach der eine „einfache“ Holocaustleugnung eine Beleidigung zulasten der heute in Deutschland lebenden Juden nach § 185 StGB darstellt. Denn die Kollektivbeleidigungsfähigkeit der in Deutschland lebenden Juden basiert auf der Judenverfolgung im „Dritten Reich“ und ihrem „einzigartigen Schicksal […] gegenüber den Bürgern des Landes, auf dem diese Vergangenheit lastet“ (BGHZ 75, 160). Hier zeigt sich, dass Deutschland den EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (2008) nur unzureichend umgesetzt hat (so auch Bock, ZRP 2011, 46): Dieser verlangt, dass auch das einfache Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen aller Völkermorde, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen i.S.d. IStGH-Statuts unter Strafe gestellt werden.
Auch dass Niedersachsen Meinungskundgaben untersagt, mit denen „massiv und eindrücklich – etwa in Form einer Siegesfeier – die Zugehörigkeit zur russischen Nation zur Schau gestellt wird“, geht darauf zurück, dass damit der Angriffskrieg gebilligt wird. Ein bloßer Autokorso dürfte für sich genommen aber noch nicht eindeutig den Charakter einer Siegesfeier haben. Etwas anderes mag gelten, wenn Hupen oder laute Musik hinzutreten, da dann eindeutige Parallelen zu Autokorsos zur Feier eines gewonnenen Fußballspiels bestehen.
Fazit
Es ist nicht nur erlaubt, sondern zentral, gegen die Diskriminierung russischsprachiger Menschen in Deutschland einzutreten. Davon zu trennen sind jedoch Äußerungen, die eindeutig die russische Aggression billigen und nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt sind. Auch wenn die Feststellung einer eindeutigen Billigung im Einzelfall schwierig sein kann, erscheint der Fokus der bisher auf das Z-Symbol konzentrierten Diskussion zu eng. Denn auch andere Symbole und Parolen können den Angriffskrieg im Kontext prorussischer Demonstrationen eindeutig billigen oder andere Straftatbestände erfüllen. Unsere Rechtsordnung erscheint demnach wehrhafter als mancher Behörde offenbar geheuer ist.
Hinter der behördlichen Vorsicht mag sich die Annahme verbergen, dass der offene Meinungskampf erfolgsversprechender sein kann als Verbote. Das muss man im Grundsatz nicht falsch finden. Vor dem Hintergrund des furchtbaren Leids der Menschen in der Ukraine und der historischen Verantwortung Deutschlands für dieses Land sind die prorussischen Demonstrationen jedoch nicht der richtige Anlass, um unsere Grundsätze der wehrhaften Demokratie gerade jetzt auf den Prüfstand zu stellen.