Warum der Rechtsextremist Jens Maier nicht wieder Richter werden darf
Unvorstellbar. Jens Maier – von 2017-2021 Bundestagsabgeordneter der AfD, selbsternannter „kleiner Höcke“, Breivik-Versteher, „Schuldkult“- und „Mischvölker“-Ablehner und nach der Einschätzung des sächsischen Verfassungsschutzes Rechtsextremist – will zurück ins Richteramt in Sachsen.
Maier hatte bei der Bundestagswahl den Wiedereinzug verpasst. Zwar stand er nach Tino Chrupalla auf Platz 2 der Landesliste. Da die AfD aber zu viele Direktmandate erzielt hatte, kam er mit diesem Listenplatz nicht zum Zuge – und das Direktmandat in Dresden konnte er nicht erringen. Mit 18,8 % der Erststimmen landete er nach dem CDU-Kandidaten Markus Reichel (21,1 %) und Katja Kipping von den Linken (18,9 %) auf dem dritten Platz.
Nach Meldungen in der vergangenen Woche hatte Maier noch vor Weihnachten beantragt, in die sächsische Justiz zurückzukehren. Das seit 2019 von der Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung Katja Meier (Bündnis 90/Die Grünen) geleitete Ministerium habe bestätigt, dass der ehemalige Richter Maier nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag einen Rückkehranspruch in die sächsische Justiz habe; zwar nicht an sein früheres Gericht, das Landgericht (LG) Dresden, sondern an ein Gericht, das das Justizministerium auswählen werde.
Rechter Marsch durch die Institutionen
Am sächsischen Beispiel zeigt sich wie in einem Brennglas, wie wenig wehrhaft die deutsche Justiz gegen die grassierende Gefahr des Rechtsextremismus aufgestellt ist (generell hierzu siehe den Report: Recht gegen rechts 2022) und wie ungehindert der rechtsextreme Marsch durch die Institutionen vonstatten geht.
Nachdem der Sächsische Landesverfassungsgerichtshof Ende vergangenen Jahres die Nichtzulassung eines Kaders der neonazistischen Partei III. Weg zum Rechtsreferendariat für landesverfassungswidrig erklärt hat – das Bundesverfassungsgericht hatte die Beschwerde des Nazi-Kaders noch im Juli 2021 abgewiesen –, ist die Meldung zu Maier innerhalb weniger Wochen die zweite beunruhigende Nachricht, an der das Abdriften der sächsischen Justiz nach rechts und das Versagen der vermeintlich wehrhaften Demokratie überdeutlich wird. Dabei, so formulierte es Christian Bommarius schon 2017, sollten so unerträgliche Richter wie der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier, der der verfassungsfeindlichen NPD offenkundig näher steht als dem Bekenntnis zur Menschenwürde, in der Justiz der Bundesrepublik eigentlich unmöglich sein.
Nonchalantes Ministerium
Die Nonchalance, mit der das sächsische Justizministerium den Rückkehranspruch von Jens Maier in die Justiz bejaht und sich zu einem Disziplinarverfahren und Presseanfragen zu aus dem Fall Maier resultierendem Handlungs- und Reformbedarf ausschweigt, ist daher skandalös.
Zwar steht ehemaligen Bundestagsabgeordneten nach § 6 Abs. 1 des AbgG ein Rückkehranspruch in das ursprüngliche Beamtenverhältnis zu. Die Norm ist als zwingende Norm ausgestaltet und sieht vor, dass die Beamt*innen auf Antrag, der innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft zu stellen ist, spätestens drei Monate nach Antragstellung wieder in das frühere Dienstverhältnis zurückzuführen sind. Das je zu übertragende Amt muss derselben oder einer gleichwertigen Laufbahn angehören wie das zuletzt bekleidete Amt und mit mindestens demselben Endgrundgehalt ausgestattet sein. Vom Tage der Antragstellung an erhalten die Beamt*innen die Dienstbezüge des zuletzt bekleideten Amtes.
Dieser Rückkehranspruch suspendiert aber nicht die generellen Pflichten der Beamt*innen. So haben sie nach § 33 BeamtStG ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen (Mäßigungsgebot). Sie müssen sich im Rahmen der Treuepflicht durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Speziell für die Justiz setzt wiederum § 9 des Deutschen Richtergesetzes voraus, dass Richter*innen “jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes” eintreten.
Bei Zuwiderhandlung gegen diese Vorgaben drohen Disziplinarmaßnahmen, als ultima ratio die Beendigung des Beamtenverhältnisses. So sind nach § 13 des Sächsischen Disziplinargesetzes (SächsDG) Beamt*innen, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen der Dienstherr*innen oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen.
Schwere Dienstvergehen
Dass es sich bei rechtsextremistischen Ausfällen – wie sie Jens Maier pflegt (ich verzichte darauf, die Widerlichkeiten zu reproduzieren, sie sind u.a. dokumentiert bei Joachim Wagner, Rechte Richter, 2021, und im Wikipedia-Eintrag zu Jens Maier) – um schwere Dienstvergehen handelt, ist mittlerweile auch höchstrichterlich geklärt. So hat der Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 18.03.2021 – DGH 2/19, im Fall des rechtsextremen Staatsanwalts und AfD-Abgeordneten Thomas Seitz entschieden, dass die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt war. Unter anderem habe die „Verbreitung rassistischen Gedankenguts über öffentlich zugängliche (sog. soziale) Medien“ einen Verstoß gegen die Treuepflicht und das Gebot zum vertrauensgerechten Verhalten begründet. Dadurch habe Seitz „zugleich das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine objektive, unvoreingenommene und politisch neutrale Amtsführung in hohem Maße verletzt und (…) zusätzlich gegen seine Pflicht zur politischen Mäßigung (…) verstoßen“ (a.a.O., Rn. 160).
Entscheidend für die Dienstpflichtverletzung ist dabei nicht die formale Zugehörigkeit zu einer Partei, nicht also die Kadereigenschaft als solche, sondern das je individuelle Fehlverhalten. Letzteres fällt insbesondere dann ins Gewicht, wenn in ihm wie bei Seitz und Maier eine menschenverachtende, rassistische, völkisch-nationale Einstellung zu Tage tritt.
Nachsichtige Justiz
Problematisch im Hinblick auf die Anwendung der Rechtsprechung zur Dienstpflichtverletzung durch Rechtsextremismus auf den Fall Maier ist freilich, dass eine Verletzung von Dienstpflichten nur vorliegen kann, solange es dienstrechtliche Pflichten gibt. Im Fall Maier ruhten die Pflichten aus dem Dienstverhältnis aber grundsätzlich nach §§ 33 und 33 BeamtStG i.V.m. § 5 Abs. 1 AbgG durch die Wahl zum Parlamentsabgeordneten für die Zeit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag.
Maier könnte nun davon profitieren, dass das Dienstverhältnis ruhte und dass die sächsische Justiz vor seinem Eintritt in den Bundestag jahrelang zu nachsichtig mit dem rechtsextremen Richter war. So war gegen Maier zwar 2017 wegen eines Verstoßes gegen das Mäßigungsgebot eine Disziplinarverfügung ergangen. Das Landgericht Dresden verhängte wegen zweier Internet-Posts und eines Vorfalls im Ballhaus Watzke in Dresden im Januar 2017 aber lediglich einen Verweis nach § 6 des Sächsischen Landesdisziplinargesetzes (LDG). Dieser wurde von Maier akzeptiert. Auch das – seinerzeit CDU-geführte – Ministerium, das nach § 15 des Sächsischen Justizgesetzes (SächsJG) oberste Dienst(aufsichts)behörde der Richter*innen und nach § 41 Abs. 1 SächsRiG i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 1 SächsDG für die Erhebung einer Disziplinarklage zuständig ist, hat das Verfahren nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SächsDG an sich gezogen, um Maier über eine Disziplinarklage aus dem Amt zu entfernen.
Radikalisierung Maiers
Das 2017er Verfahren behandelt die Verfehlungen Maiers freilich alles andere als erschöpfend. Sein Rechtsextremismus wird nicht nur in den drei Ereignissen, die Gegenstand des damaligen Disziplinarverfahrens waren, manifest. Im Gegenteil, in seiner Abgeordnetenzeit hat sich Maier weiter radikalisiert und sich für den zwischenzeitlich (schein)aufgelösten „Flügel“ der AfD exponiert.
Das wird sich in einem zukünftigen Disziplinarverfahren letztlich gegen ihn wenden, zumal nicht alle beamtenrechtlichen Pflichten während des Abgeordnetenverhältnisses ruhen. Zwar hat der Dienstgerichtshof für Richter*innen bei dem Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 18.03.2021 – DGH 2/19, im Fall des AfD-Abgeordneten Thomas Seitz festgehalten, dass keine negativen Folgerungen für Seitz daraus gezogen werden dürften, dass jener sich während seiner Abgeordnetenzeit als “Staatsanwalt a. D.” bezeichne oder sich im parlamentarischen Raum kritisch äußere, da seine beamtenrechtlichen Pflichten zu dieser Zeit ruhten (a.a.O., Rn. 194). Das ist aber insofern ungenau (und damit rechtlich fehlgehend), als dass dieses Ruhen nicht alle beamtenrechtlichen Pflichten betrifft. So hat das BVerwG 1985 im Fall des Hessischen Landtagsabgeordneten (Die Grünen) und vormaligen Soldaten Frank Schwalba-Hoth entschieden, dass es auch während eines Abgeordnetenverhältnisses nachwirkende Pflichten aus dem ruhenden Beamtenverhältnis gebe, die verletzt werden könnten (BVerwG, 23.04.1985 – 2 WD 42.84). Das BVerwG attestierte daher als Wehrdienstgericht Schwalba-Hoth, der sich 1983 mit dem Ruf „Blood for the bloody Army“ während eines Empfangs auf einen US-General gestürzt und ihn mit Blut bespritzt hatte, die Verletzung von Pflichten aus dem Soldatengesetz während der Abgeordnetenzeit.
Zwar hat das BVerwG in dieser Entscheidung den nachwirkenden Pflichtenkreis zu weit (auf das Verbot „unwürdigen Verhaltens“) gezogen und auch die Dissoziation von Disziplinarverfahren und Strafverfahren im Rahmen des Art. 46 Abs. 4 GG wurde später zu Recht korrigiert. Das ändert aber nichts daran, dass das Bestehen von im Abgeordnetenverhältnis fortwirkenden Pflichten aus dem Dienstverhältnis zwischenzeitlich anerkannt ist. Zu diesen Pflichten wird auch die Treuepflicht gezählt. Die Beamt*innen dürfen sich, jedenfalls soweit sie nicht den Indemnitätsschutz des Art. 46 GG genießen, nicht in einer Weise äußern, die sie für eine etwaige Wiedereinsetzung untragbar machen (Lemhöfer, in: Plog/Wiedow (Hg.), BBG, Stand: November 2019, § 40 Rn. 9).
Maier war daher sehr wohl auch während seiner Zeit als Abgeordneter an die Treuepflicht und die aus ihr resultierenden Achtungspflichten für die Menschenwürde und den Gleichheitssatz gebunden. Er musste sich auch in dieser Zeit Äußerungen und Handlungen enthalten, die seine Wiedereinsetzung in die Justiz untragbar machen. Gegen diese Pflichten hat er in schwerwiegender Weise und wiederholt verstoßen, weshalb die Einleitung eines Disziplinarverfahrens und seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis angezeigt ist.
Zuständigkeitswirrwarr
Wäre aber das Sächsische Justizministerium überhaupt zuständig, eine auf die Entlassung zielende Disziplinarklage einzuleiten?
Das Ministerium ist nach dem SächsDG nur subsidiär eingesetzt. So hat der BGH in seinem Urteil vom 18. Februar 2018 (RiSt(R) 1/15) festgehalten, dass in der Gesetzesbegründung deutlich werde, dass der Gesetzgeber „das Subsidiaritätsprinzip eingeführt hat und damit ein unmittelbares Einschreiten des Staatsministeriums der Justiz im Bereich der Dienstaufsicht auf Ausnahmefälle begrenzt hat“ (a.a.O., Rn. 41).
Fraglich ist, ob ein solcher Ausnahmefall hier gegeben ist. Das SächsDG enthält für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Fall von aus dem Abgeordnetenverhältnis zurückkehrenden Beamt*innen keine Regelung. Eine analoge Anwendung des § 87 SächsDG (Zuständigkeit für Ruhestandsbeamt*innen liegt bei den zuletzt zuständigen Dienstvorgesetzten in den Gerichten) kommt nicht in Betracht, da die Konstellationen von Ruhestandsbeamt*innen und von aus dem Abgeordnetenstatus zurückkehrenden Beamt*innen nicht vergleichbar sind.
Da mangels institutioneller Zuordnung Maiers daher aktuell eine Zuständigkeit für ein Disziplinarverfahren nach § 15 Abs. 1 Ziff. 1-5 SächsJG nicht begründet werden kann, ist in diesem Fall das Ministerium zuständig. Es liegt also eine Ausnahmekonstellation im Sinne der Rechtsprechung des BGH vor, der sich in seinem bereits genannten Urteil auf die Gesetzesbegründung bezieht, wonach das Staatsministerium der Justiz in begründeten Einzelfällen befugt sei, aufsichtsrechtliche Maßnahmen “im Durchgriff” zu ergreifen (BGH, Urteil vom 18. Februar 2018, RiSt(R) 1/15, Rn. 40).
Rassisten sind nie unbefangen
Es liegt daher in der Verantwortung des Sächsischen Justizministeriums, zugleich mit dem Reaktivierungsverfahren nach § 6 AbgG ein Disziplinarverfahren (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Verbindung von Reaktivierung und Disziplinierung siehe BVerfG, Beschluss vom 10. 8. 2006 – 2 BvR 563/05) einzuleiten, Disziplinarklage nach § 34 Abs. 1 SächsDG zu erheben und Maier nach § 38 Abs. 1 Satz 1 SächsDG vorläufig des Dienstes zu entheben. Die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung setzt nach § 38 Abs. 1 Satz 1 SächsDG voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Das hat im konkreten Fall wiederum zur Voraussetzung, dass Maier nach § 13 Abs. 2 SächsDG durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen der Dienstherr*innen oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat.
Dabei hat das BVerwG die Bedeutung des gesetzlichen Strafrahmens als Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme hervorgehoben (zu den Kautelen: BVerwG, Beschl. v. 21. 12. 2010 − 2 B 29/10), aber zugleich eine schematische Kopplung von Strafrecht und Disziplinarrecht abgelehnt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2017 – 2 C 25/17). Es muss nach der Rechtsprechung eine Gesamtabwägung im Einzelfall erfolgen, um die Frage zu entscheiden, wann Beamt*innen ein so schweres Dienstvergehen begangen haben, dass sie das Vertrauen der Dienstherr*innen oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben. Dabei ist ein endgültiger Vertrauensverlust regelmäßig dann anzunehmen, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, die Beamtin bzw. der Beamte werde auch künftig den Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund des Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04).
So liegen die Dinge hier. Äußerungen und Verhalten von Jens Maier in seiner Abgeordnetenzeit affizieren sein Beamtenverhältnis. Wie und in welcher Weise soll Jens Maier je wieder Gewähr dafür bieten, die Unabhängigkeit der Justiz und ihre Bindung an Menschenwürde und Gleichheit zu achten? In welchen Verfahren soll ein Richter wie Jens Meier je unbefangen urteilen? Ist denn irgendein Rechtsstreit denkbar, indem der Anschein nicht besteht, dass ein Rassist und Rechtsextremer nicht seine völkisch-nationalen Vorannahmen in das Verfahren einbringt? Wie könnte ein Rassist je die „unbedingte Neutralität gegenüber den Verfahrensbeteiligten“ wahren, die das BVerfG zuletzt im Hinblick auf den Gießener Verwaltungsrichter Andreas Höfer („Migration tötet“) so zutreffend eingefordert hat (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 01. Juli 2021 – 2 BvR 890/20, Rn. 14)? Wie soll es Rechtssuchenden – also der Allgemeinheit – je zumutbar sein, in einem Rechtsstreit Vertrauen in die Unabhängigkeit und Gerechtigkeitsvorstellung eines furchtbaren Juristen wie Jens Maier zu fassen?
Indem das Sächsische Justizministerium trotz der rechtsextremen Verfehlungen des Rassisten und Faschisten Jens Maier dessen Rückkehranspruch auf ein Richter*innenamt nach § 6 AbgG bejaht und sich zu seiner disziplinarrechtlichen Sanktionierung ausschweigt, verweigert es sich dem Kampf gegen den Rechtsextremismus in der sächsischen Justiz. Es ist mir – offen gesagt – ein Rätsel, wie die grüne Justizministerin Katja Meier meint, dennoch vollmundig bekunden zu können, dass die sächsische „Staatsregierung den Rechtsextremismus als vordringliches Problem anerkannt“ hat.
Ein wichtiger Beitrag mit einer verallgemeinerungsfähigen Maßstabsbildung zu etwaigen gleichgelagerten Fällen, herzlichen Dank!
In stilistischer Hinsicht würde ich jedoch bei der Verwendung der Zuschreibung des “furchtbaren Juristen” nach Ingo Müller etwas Zurückhaltung üben; m.E. schaden derartige historische Vergleiche der im Übrigen fundierten Argumentation eher als dass sie etwas nützen. Gleichwohl verstehe ich dies angesichts der tatsächlich unsäglichen Aussagen des Herrn Maier als zutreffende Zuspitzung.
Dass sich Herr Maier schon vor seiner Zeit als Abgeordneter im Amt als Zivilrichter bei dem LG Dresden von grundlegenden Wertungen des Grundgesetzes entfernte, wurde hier im Blog damals bereits ausführlich dargestellt und diskutiert:
https://verfassungsblog.de/neues-aus-dresden-knebel-fuer-npd-kritischen-wissenschaftler/
Nach meiner Einschätzung belegt dieser Fall sehr deutlich, dass Herr Maier nicht in der Lage ist, seine politische “Ideologie” von seiner Amtstätigkeit als unabhängiger Richter, der das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu respektieren hat, zu trennen. Zur Begründung verweise ich auf die Ausführungen im damaligen Blog-Artikel.
Vielen Dank für Ihren wertvollen Beitrag und die zutreffende juristische Aufbereitung. Mit guter und nachvollziehbarer juristischer Argumentation sollte Herr Maier nie wieder als Richter oder in sonstiger Weise für den Rechtsstaat agieren dürfen. Im Artikel vermisse ich lediglich einen Hinweis auf die vergütungsrechtlichen Bewertung, wenn eine vorläufige Dienstenthebung erfolgen sollte.
Vielen herzlichen Dank für diesen Artikel!
Der Autor übersieht, dass sich die Entscheidung gegen den Staatsanwalt Seitz auf Vorwürfe aus der Zeit bezog, bevor er Mitglied des Bundestages wurde, konkret 2015 bis Mai 2017. In der Sache Maier gab es ein Disziplinarverfahren für vermeintliche Verstöße gegen das Mäßigungsverbot in der Zeit vor seiner Wahl; dieses Verfahren wurde mit einer Rüge abgeschlossen. Es gilt ne bis in idem. Äußerungen, die der Beamte als Abgeordneter tätigte, können nicht Gegenstand eines Disziplinarverfahrens sein. Äußerungen nach Ausscheiden aus dem Bundestag gibt es nicht. Der Artikel leidet daran, dass er nicht zwischen Äußerungen des Richters vor und während der Abgeordnetenzeit differenziert und kommt daher zu einem fehlerhaften Ergebnis.
Sie scheinen den Artikel nicht gelesen zu haben bzw. den entscheidenden Teil absichtlich zu ignorieren. Der Autor differenziert nämlich sehr wohl zwischen den Äußerungen vor dem und während des Mandats und legt dann auch dar, dass und warum ggf. auch Äußerungen aus der Zeit als Abgeordneter sehr wohl Gegenstand eines Disziplinarverfahrens sein können.
Für die Bewertung Ihres Kommentars ist es für alle anderen Leser*innen sicher interessant, dass Sie als Europaabgeordneter der AfD und selbst als Rechtsanwalt tätig in gutem Kontakt zu Ihrem Parteimitglied Maier stehen, Herr Krah. Mit dieser Transparenz ist dann sicher auch verständlich, dass Sie Ihre Argumentation auf den Teil einer scheinbaren Verknüpfung von vor und während der Abgeordnetenzeit Maiers stützen und sich nicht mit dem zweiten Teil beschäftigen, in dem es um die nicht ruhenden Pflichten des Beamtenverhältnisses geht.
Vielen Dank für Ihren Kommentar, den ich zum Anlass für drei Präzisierungen nehmen möchte:
1. Jens Maier ist für den Justizdienst untragbar. Er war bis zur (Schein-)Auflösung des Flügels Obmann des Sächsischen Flügels der AfD. Er ist bis heut weiter aktives Mitglied der dem Flügel folgenden Netzwerkstrukturen innerhalb der AfD (Maier spricht im Zuge der Auflösung des Flügels, so zitiert der Verfassungsschutz, von der Ersetzung einer “Handlungsgemeinschaft” durch eine “Haltungsgemeinschaft”). Er hat die Dresdner Erklärung 2020 unterzeichnet. Diese Dinge sind im Sächsischen Verfassungsschutzbericht 2020 detailliert dokumentiert. Jens Maier wird hier auf den S. 45, 49ff., 118, 129 u 134 erwähnt. Seine zentrale Rolle im Flügel und den Nachfolgestrukturen wird dort beschrieben (der Bericht ist abrufbar über: https://www.verfassungsschutz.sachsen.de/jahresberichte-4103.html).
2. Diese aktive Kadermitgliedschaft führt dazu, dass Jens Maier sich die staatsfeindlichen und rassistischen Positionen des Flügels und der Nachfolgenetzwerke des Flügels innerhalb der AfD zurechnen lassen muss (ausf. zu dieser Zurechnung bei aktiver Mitgliedschaft: BVerwG, 12. März 1986, – 1 D 103/84; BVerwG, 27. November 1980 – 2 C 38/79 – und VGH Hessen vom 7. Mai 1998, – 2598/96). Aus dieser aktiven Mitgliedsschaft folgt auch die Verletzung der dienstrechtlichen Treuepflicht. Diese Verletzung ist – anders als die dem Verweis 2017 zugrunde liegenden Einzelvorfälle – eine Dauerverfehlung. Die Verfehlung ist im Verhalten vor der Mandatsübernahme bereits angelegt. Jens Maiers Aktivitäten nach der Mandatsübernahme haben diese Verfehlung vertieft. Selbst wenn man nun – nach Ihrer von mir nicht geteilten Auffassung – die Geltung der Treuepflicht während der Abgeordnetenzeit verneint, ist die Treuepflicht im Zeitpunkt der Rücküberführung in den Dienst zu beachten. Jens Maier müsste sich spätestens in diesem Zeitpunkt glaubhaft von seiner aktiven Mitgliedschaft in der AfD und den Nachfolgenetzwerken des Flügels distanzieren. Da dies nicht mit einfachen Relativierungserklärungen getan ist, wird ihm das kaum gelingen. Maiers Dienstpflichtverletzung ist eine Verfehlung, die vor dem Mandat ihren Anfang nahm, während des Mandats vertieft wurde und nach dem Mandat auch im Zeitpunkt der Rücküberführung ins Dienstverhältnis weiter bestünde. Auf das Ruhen der dienstrechtlichen Pflichten kommt es also letztlich gar nicht an. Zu den dienstrechtlichen Verfehlungen bei Mitgliedschaft in verfassungsfeindlichen Strukturen siehe die ausf. Darstellung im Vermerk des BMI aus dem Jahr 2019, abrufbar über: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/oeffentlicher-dienst/beamte/vermerk-neutralitaet-und-verfassungstreue.pdf?__blob=publicationFile&v=2.
3. Die Zuständigkeit für die Einleitung eines Entlassungsverfahren liegt – auch wenn das Ministerium das negiert – beim Sächsischen Justizministerium. Nach § 42 Abs. 1 des Sächsischen Richtergesetzes entscheidet das Dienstgericht “auf Antrag des Staatsministeriums der Justiz durch Beschluss über 1. die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen und 2. die Aufhebung der in Nummer 1 genannten Maßnahmen.” In der Ausnahmesituation, in der wir uns bei Jens Maier wegen der Rückkehr aus dem Abgeordnetenverhältnis befinden, ist auch das Ministerium für die Einletung des Disziplinarverfahrens zuständig, das ergibt sich nicht zu letzt aus der im Text genannten BGH-Entscheidung (BGH, Urteil vom 18. Februar 2018, RiSt(R) 1/15, Rn. 40).
Erstaunlich, wie sich die Argumentation auf einmal wandelt: Im obigen Beitrag wurde noch ausdrücklich auf das individuelle Verhalten Maiers abgestellt. Dort heißt es “Entscheidend für die Dienstpflichtverletzung ist dabei nicht die formale Zugehörigkeit zu einer Partei, nicht also die Kadereigenschaft als solche, sondern das je individuelle Fehlverhalten.” Jetzt soll hingegen schon die “aktive Kadermitgliedschaft” genügen.
Danke für die Replik. Ihr Punkt lautet, dass er sich nach Beendigung des Mandats aktiv von seiner politischen Tätigkeit distanzieren müsse. Richtig ist wohl eher, dass er nach Beendigung des Mandates und Stellung des Antrags auf Rückkehr in den Justizdienst (auf dieses Datum wird es wohl ankommen) wieder der Treuepflicht und dem Mäßigungsgebot unterliegt, er also keine neuen ggf. problematischen Äußerungen tätigen darf. Eine nachträgliche beamtenrechtliche Beurteilung seiner politischen Tätigkeit im Mandat ist wohl wegen der Freiheit des Mandates nicht möglich. Eine Distanzierung von der AfD als Partei kann ohnehin nicht erforderlich sein, da die AfD in Sachsen zwar Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist, aber keine erwiesen rechtsextreme Bestrebung (was bei einer Partei, die von knapp 1/3 der Wahlberechtigten gewählt wird, auch absurd wäre.) Der Flügel selbst ist aufgelöst. „Nachfolgestrukturen“ müssten belegt werden, dass Maier in ihnen aktiv war. Wovon soll er sich sonst distanzieren? Die „Dresdner Erklärung“ war kein Gründungsmanifest einer Struktur und hat keinerlei Nachwirkungen entfaltet. – Letztlich wollen Sie Maier wegen seiner Aussagen, die er als Abgeordneter getätigt hat, die Rückkehr in den Justizdienst verweigern. Damit würde das Beamtenverhältnis auch Maßstab der Ausübung des Mandates werden, weil es bei Stellung des Rückkehranspruches zu einer retrospektiven Prüfung der Mandatsausübung käme. Ich denke, dass dieses Ergebnis weder rechtspolitisch wünschenswert, noch verfassungsrechtlich zutreffend ist. Maier fängt nach Beendigung des Mandates wieder bei Null an. Er hat einen Rückkehranspruch aus dem Abgeordnetengesetz und unterliegt ab Mandatsende/ Antragstellung der Treuepflicht und dem Mäßigungsgebot. Erst neue vermeintliche Verstöße können zu Disziplinarmaßnahmen führen. Auch wenn man, anders als ich, den RiLG Maier nicht schätzt, sollte uns die Freiheit der Mandatsausübung das wert sein.
Geehrter Herr Kollege Krah,
zu Ihrem „Argument“: „(was bei einer Partei, die von knapp 1/3 der Wahlberechtigten gewählt wird, auch absurd wäre.)„.
Das ist nicht absurd, sondern schlichte Zustandsbeschreibung. Ich halte in einem Schritt weiter die Beschränkung auf Ihre Wählerschaft für zu eng und fürchte, dass es tatsächlich noch mehr Rechtsextreme sind.
Der Staat und die Politik waren leider schon zu lange zu nachsichtig mit solcherlei Gestalten – der wehrhafte Rechtsstaat muss zeigen, dass er nicht verfassungstreue Staatsdiener*innen* konsequent in ihre Grenzen weist und aus seinem Dienst entfernt.
Der Autor verkennt offensichtlich, dass ein Richter kein Beamter ist. Bereits aufgrund dessen ist der Beitrag im Ergebnis nicht brauchbar. Über die Frage, inwieweit hier persönliche Herabwürdigungen und Unterstellungen seitens des Autors in Richtung des Kollegen Meier der Debatte über ebendiesen zuträglich sind, bedarf es mithin keiner Analyse mehr.
Der Beitrag enthält noch weitere terminologische Ungenauigkeiten. So ist mehrfach von einer “Entlassung” die Rede. Im Disziplinarverfahren spricht man jedoch üblicherweise von einer “Entfernung aus dem Beamtenverhältnis” (bzw. Richteramt). Auch ist es irreführend, wenn in Bezug auf das OLG Stuttgart, dessen Entscheidung noch mit einer Nichtzulassungsbeschwerde hätte angefochten werden können, das Adjektiv “höchstrichterlich” gebraucht wird.
All das muss zwar keine Auswirkungen auf das Ergebnis haben, lässt jedoch an der Fachkompetenz und/oder Sorgfalt des Autors zweifeln.
Sehr geehrter Herr “ErmR”
ich empfehle einmal die Lektüre von §§ 3 und 41 des Sächsischen Richtergesetzes. Hiernach findet (wie in jedem anderen Bundesland auch) auf Richter*innen grundsätzlich das allgemeine Beamtenrecht und vor allem auch das allgemeine beamtenrechtliche Disziplinarrecht Anwendung. Ihr vermeintliches “Totschlagargument” gegen den sehr fundierten Aufsatz von Herrn Fischer-Lescano bewegt sich damit ziemlich fernab der Rechtslage.
Mit freundlicen
Lieber Herr Fischer-Lescano,
vielen Dank für Ihre Aufklärung in dem Artikel und klare Stellungnahme zu Jens Maier.
Was kann ich als einfache Bürgerin aus Hamburg machen, um auf eine Rückkehr von Herrn Maier ins Richteramt einzuwirken?
Gibt es da schon eine Initiative, Petition etc?
Ich bin leider nicht so firm in diesem Bereich.
Liebe Grüße
Isolde de Vries